Operninszenierungen - modern vs. "altmodisch"

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister


    Freut mich, das von Dir zu hören.
    :D
    (Es zeigt nämlich, dass ich womöglich doch nicht die Situation komplett falsch einschätze.)


    Das passt gut zu dem Thread, in dem wir uns überlegen, warum moderne Bildende Kunst ein größeres Publikum hat als Neue Musik. Antwort haben wir zwar keine, aber die Problematik ist ähnlich.



    Das schoss mir auch schon durch den Kopf, aber ich wollte die allgegenwärtige Regietheater-Problematik nicht auch in den Beuys/Stockhausen-Thread tragen. Das Publikum akzeptiert (am Zustrom gemessen) heute viel eher eine Inszenierung des in direkter Linie von Max Ernst kommenden Hans Neuenfels als eine zeitgenössische Oper. Und vielleicht ist manch einer in die Uraufführung von Hölzskys "Giuseppe e Sylvia" in Stuttgart eher wegen der Inszenierung von Neuenfels als wegen Hölzskys Musik gegangen...



    Trotzdem nochmal hierzu:


    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Insoferne schießt mir der grauenhafte Gedanke durch den Kopf, daß das Regietheater in Wirklichkeit dem Modernen Musiktheater, wie ich es verstehe, also komponistenbezogen, mehr schadet als nützt.



    Ich mag mich täuschen: Aber wo fanden an europäischen Opernhäusern in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten die wichtigsten Aufführungen von Musiktheaterwerken der letzten 50 Jahre statt (einschl. Uraufführungen)? Und an welchen Häusern wurden mehr "Ausgrabungen" vernachlässigter Opern gemacht? An den eher "konservativen" Häusern? Doch wohl eher dort, wo auch dem Regietheater zugeneigte Intendanten und Dirigenten wirkten. Das ist sicher kein Zufall. Es gibt eine gewisse (nicht automatische) Koinzidenz zwischen der Aufgeschlossenheit für "modernes" Theater und zeitgenössische Musik. (Ausnehmen muss man bei den Ausgrabungen wohl nur die Neuentdeckung der Belcanto-Oper und zu einem gewissen Teil das Barockopern-Revival).


    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von Knusperhexe


    Und wieder: Warum? Wo es doch so viele schmerzlich vermissen. Ich begreif's einfach nicht. Tut mir leid. Und ich kann nur wiederholen, Matthias, sei mir net bös:" Ich war mit dem alten Theater zufrieden!"


    @ Peter: Ja, da magst Du recht haben. Nein, eigentlich sehe ich es genauso wie Du. Und ich beurteile diese Entwicklung - viele nennen Karajan als Auslöser, was ich nicht beurteilen kann - als sehr ungünstig.


    Haben wir denn verläßliche Zahlen? Wer was wie häufig vermißt? Oder diskutieren wir eine "Speziallocke" einiger Weniger?


    Ich stimme da eher Rosenkavalier zu, daß evtl. viele sich kaum drum scheren, solange es nicht allzu stark provoziert.


    Matthias

  • Zitat

    Original von Zwielicht
    Und an welchen Häusern wurden mehr "Ausgrabungen" vernachlässigter Opern gemacht? An den eher "konservativen" Häusern? Doch wohl eher dort, wo auch dem Regietheater zugeneigte Intendanten und Dirigenten wirkten.


    Da muss ich Dich korrigieren bzw. glaube ich nicht, dass das zusammenhängt: In Hagen z.B. wird ein eher gemäßigtes Dreispartentheater gepflegt und der Intendant dort hat sich sehr verdient gemacht um die Ausgrabungen in Vergessenheit geratener Werke. So bin ich überhaupt erst aufnmerksam auf Hagen geworden, weil sie die Königskinder gespielt haben:-)

  • Zitat

    Aber wo fanden an europäischen Opernhäusern in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten die wichtigsten Aufführungen von Musiktheaterwerken der letzten 50 Jahre statt (einschl. Uraufführungen)?


    Hersants "Der schwarze Mönch" wurde etwa in Leipzig uraufgeführt, also an einem Opernhaus, welches nicht gerade für seine spektakulären Inszenierungen bekannt ist.


    (@Peter)
    Am ROH lief übrigens in der letzten Spielzeit "Katja Kabanowa" - das wird doch nicht eben häufig gespielt, oder sehe ich das falsch? Diese Spielzeit beginnt mit Gluck, außerdem gibt es noch im September mit "The Shops" von Edward Rushton eine Welturaufführung.

    Viele Gruesse.
    Holger.

  • Zitat

    Original von Knusperhexe
    Da muss ich Dich korrigieren bzw. glaube ich nicht, dass das zusammenhängt: In Hagen z.B. wird ein eher gemäßigtes Dreispartentheater gepflegt und der Intendant dort hat sich sehr verdient gemacht um die Ausgrabungen in Vergessenheit geratener Werke. So bin ich überhaupt erst aufnmerksam auf Hagen geworden, weil sie die Königskinder gespielt haben:-)


    Vorhin hast Du Dich doch noch über böse Bühnenbilder in Hagen beschwert. :D


    Wie sieht es mit den Opern von Schreker, Zemlinsky, Busoni aus? Wo und von welchen Regisseuren wird in der nächsten Saison "Ariane et Barbe Bleue" von Dukas auf die Bühne gebracht? Usw. usw.


    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von Holger


    Hersants "Der schwarze Mönch" wurde etwa in Leipzig uraufgeführt, also an einem Opernhaus, welches nicht gerade für seine spektakulären Inszenierungen bekannt ist.


    (@Peter)
    Am ROH lief übrigens in der letzten Spielzeit "Katja Kabanowa" - das wird doch nicht eben häufig gespielt, oder sehe ich das falsch? Diese Spielzeit beginnt mit Gluck, außerdem gibt es noch im September mit "The Shops" von Edward Rushton eine Welturaufführung.



    Zu Zeiten des dem Regietheater verpflichteten Udo Zimmermann wurden in Leipzig aber wesentlich spektakulärere Stücke auf die Bühne gestemmt, etwa Messiaens "Francois" oder natürlich die Stockhausen-Uraufführungen.


    "Katia Kabanova" wird inzwischen europaweit an den Opernhäusern recht häufig gespielt.



    Viele Grüße


    Bernd


  • Da wirst Du in Frankfurt/M. fündig....


    Gruß
    Rosenkavalier

  • Zitat

    Original von Rosenkavalier


    Da wirst Du in Frankfurt/M. fündig....


    Gruß
    Rosenkavalier


    Genau. Dort, wo Bernd Loebe als Intendant durchaus das (eher gemäßigte) Regietheater fördert. Außerdem in Paris (Intendant: Mortier, Dirigent: Cambreling, Regisseurin: Anna Viebrock - eine lupenreine Regietheater-Konstellation). Zudem gab's das Stück schon in Hamburg (Karoline Gruber als Regisseurin, wenn ich nicht irre) und Zürich (Regisseur: Claus Guth - nicht gerade ein Konservativer).


    Viele Grüße


    Bernd


  • Ich bezog die Aussage nicht nur auf den Dukas - auch Zemlinsky wird weiter im Programm sein (Premiere war in der letzten Spielzeit wenn mich nicht alles täuscht). Meine bislang einzige Schreker-Oper (Die Schatzgräber) habe ich ebenfalls in Frankfurt gesehen.


    Gruß
    Rosenkavalier

  • Lieber Peter,

    Zitat

    Sind das auch diesselben Spielstätten?


    Nun, schauen wir uns kurz um.
    San Francisco: Appomatox (Philip Glass)
    MET: The First Emperor (Tan Dun)
    New York City: Margaret Garner (Richard Danielpour)
    National Opera Washington: A View from the Bridge (Bolcom)
    Santa Fe: Tea - A Mirror of Soul (Tan Dun)
    Chicago: Doctor Atomic (John Adams)
    Houston: The Refuge (Christopher Theofanidis); Last Acts (Jack Heggie)
    Kansas: John Brown (Kirke Mechem)


    Wenn ich nun im Gedächtnis habe, daß der damals kaum bekannte Jack Heggie sein "Dead Man Walking" in San Francisco zur Uraufführung brachte, der damalige No Name Tobias Picker seine "Emmeline" in Santa Fé und daraufhin von Dallas mit "Therese Raquin" beauftragt wurde, Thomas Pasatieri den "Seagull" in Houston aufgeführt bekam, zeigt sich doch ein ganz anderes Bild.


    Noch dazu, wenn man die Relationen bedenkt - also im Kopf hat, daß die US-Opernhäuser selten mehr als 10 Werke pro Saison aufführen. Oft sind unter diesen 10 Werken aber auch solche, die wir Taminoianer als moderne Klassiker bezeichnen, die uns aber von Intendanten mitunter als Neue Musik verkauft werden. Denn häufig, sehr häufig deckt bei uns etwa ein "Peter Grimes" den Sektor "20. Jahrhundert" ab.


    Ich sage nun keineswegs, daß die USA das Opernparadies sind, und sicher sind zahlreiche Uraufführungen Eintagsfliegen. Nichts desto weniger ist der Gewinn meiner Meinung nach aber höher, wenn man dennoch die Uraufführung macht als wenn man Bieito einen "Don Giovanni" zum inszenieren gibt und behauptet, das sei genug modernes Musiktheater, weshalb man auf eine Oper von meinetwegen Müller-Siemens verzichten kann.


    Was Bernd ausführt, ist zweifellos richtig in Bezug auf die Ausgrabungen: In den USA ist das Denken diesbezüglich grundlegend anders: Wenn sich etwas nicht durchgesetzt hat oder am Ende gar auch nach einer wiederholten Aufführung in der Versenkung verschwunden ist, ist es vernünftiger, gleich etwas Neues auszuprobieren.


    Daß ich das nicht für ideal halte, leugne ich nicht. Ich glaube auch nach wie vor, daß der heutige Regisseur andere Aufgaben hat, als ein Werk nur zu bebildern. Ich bekomme aber ein ungutes Gefühl, wenn mir ein Spielplan als "modern", "zukunftsweisend" etc. verkauft wird, das modernste Werk aber bestenfalls eine Britten-Oper ist und sich das "modern" ausschließlich auf die Regisseure bezieht.


    Kurz: Ich fürchte, das Regietheater wird von etlichen Intendanten mißbraucht, um dem zeitgenössischen Musiktheater ausweichen zu können.


    :hello:


    P.S.:
    Auch wenn Bernd mit vielem Recht hat: Weder Busoni noch Dukas noch Schreker würde ich als "Modernes Musiktheater" bezeichnen. Das sind die typischen Ausgrabungen, die ein europäisches Phänomen sind und sicher durch das Regietheater gefördert werden. Die Schreker-Wiederbelebung etwa kann ich mir ohne das Regietheater eigentlich nicht vorstellen.
    Aber wenn es um Zeitgenössisches geht, sind die großen europäischen Häuser doch sehr zurückhaltend und wählen zumindest einen Star-Komponisten als daß sie einen weniger bekannten auszuprobieren - wie es in den USA und auch in Großbritannien immer wieder passiert.

    ...

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  • Hallo Bernd.

    Zitat

    Zu Zeiten des dem Regietheater verpflichteten Udo Zimmermann wurden in Leipzig aber wesentlich spektakulärere Stücke auf die Bühne gestemmt, etwa Messiaens "Francois" oder natürlich die Stockhausen-Uraufführungen.


    Messians "Francois" würde ich auch gerne mal sehen :angel:. Mit Stockhausen kann ich nicht so viel anfangen. Hersant ist nichtsdestotrotz dagegen geradezu konventionell, da hast du recht, aber immerhin...
    :hello:

    Viele Gruesse.
    Holger.



  • Hallo Edwin,


    mir fehlt jetzt leider die Zeit, um das zusammenzusuchen, aber so 1-3 Uraufführungen in den letzten 10-15 Jahren kriegen doch auch die meisten größeren Opernhäuser im deutschsprachigen Raum zusammen. Da stellt sich dann natürlich wieder die typische Problematik, dass man lieber eine Uraufführung für die Presse macht als das Nachspielen einer zeitgenössischen Oper. Und der von Dir geschilderte Fall, dass eine Britten-Oper die gesamte Moderne abdeckt, kommt sicher auch vor. Mein Argument zielte ja eher dahin, dass an Theatern mit überdurchschnittlich großem Regietheater-Engagement (z.B. Stuttgart in der Ära Zehelein) die zeitgenössische Oper überdurchschnittlich stark gepflegt wird.




    Zitat

    P.S.:
    Auch wenn Bernd mit vielem Recht hat: Weder Busoni noch Dukas würde ich als "Modernes Musiktheater" bezeichnen. Und auch sonst wählen die großen europäischen Häuser doch wohl lieber einen Star-Komponisten als einen weniger bekannten auszuprobieren - wie es in den USA und auch in Großbritannien immer wieder passiert.


    Busoni und Dukas waren bei mir jetzt eher Beispiele für "Ausgrabungen", weniger für modernes Musiktheater. Um Gotteswillen. :D



    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von Zwielicht
    Wie sieht es mit den Opern von Schreker, Zemlinsky, Busoni aus? Wo und von welchen Regisseuren wird in der nächsten Saison "Ariane et Barbe Bleue" von Dukas auf die Bühne gebracht?


    Hagen ist eigentlich ein gutes Beispiel dafür, wie eine kleine Bühne mit unbekannterem Punkten kann. Da gab es sowohl Moniuszko, Schreker ("Der ferne Klang" in der Inszenierung von Peter Rasky war alles andere als "provinziell"), Wolf-Ferrari oder Siegfried Wagner.


    Beispiel Würzburg: nach den "Feen" von Wagner (war, glaube ich, Pöppelreiter - war eine wirklich tolle Inszenierung, ohne das konservative Publikum zu verschrecken, die kamen eher wegen des unbekannten Stückes nicht) gabs Pfitzners "Herz" und jetzt in der neuen Spielzeit "Vampyr" von Marschner.


    Das sind nur zwei Beispiele (Bonn: "Satyagraha" von Glass, "Dardanus" von Rameau fällt mir auch noch ein).


    Gerade kleinere Bühnen zeigen damit, dass lebendiges Musiktheater in guten Inzenierungen kein Privileg der grossen Häuser sein müssen - mir machen diese Aufführungen immer wieder viel Spass, stehen sie doch für die Vielfalt unserer Theaterlandschaft.

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Nun mag ich zwar das Regietheater sehr gerne, noch lieber ist es mir aber, wenn Opern zeitgenössischer (also jetzt lebender oder zumindest erst cum grano salis in den letzten 20 Jahren verstorbener) Komponisten zum Zug kommen. Ich habe auch mit mehreren Intendanten über die Problematik der zeitgenössischen Oper gesprochen - und fast immer wichen sie auf das mit Regietheater modernisierte konservative Repertoire aus, um zu erklären, daß sie ja ohnedies Modernes Musiktheater machen würden.


    Hallo Edwin,


    am besten wäre wohl - wie so oft - das eine zu tun, ohne das andere zu lassen...


    Ich erinnere mich, dass Du an anderer Stelle zu berichten wusstest, dass Intendanten auch auf zeitgenössische Opern angesprochen schon mal auf Puccini oder Strauss auf ihrem Spielplan verwiesen haben... hüstel ...

  • Zitat

    Original von Holger
    Am ROH lief übrigens in der letzten Spielzeit "Katja Kabanowa" - das wird doch nicht eben häufig gespielt, oder sehe ich das falsch? Diese Spielzeit beginnt mit Gluck, außerdem gibt es noch im September mit "The Shops" von Edward Rushton eine Welturaufführung.


    Liebe Holger,


    soweit ich gesehen habe, läuft "The Shops" im Linbury Studio. Janacek zu machen ist immer verdienstlich, wenn auch -GottseiDank- nicht so selten. Und Glucks tauridische Iphigenie scheint wohl einen Lauf zu haben (mal gucken, ob ich da nicht den Sprung über den Kanal schaffe), das begrüße ich selbstredend.


    Also: das Bild ein wenig verbessert, aber ...


    LG Peter

  • Zitat

    Original von Zwielicht
    Wie sieht es mit den Opern von Schreker, Zemlinsky, Busoni aus?


    A propos - über Zemlinsky bin ich auch auf Hagen aufmerksam geworden. Die brachten eine durchaus sehenswerte Aufführung von "Kleider machen Leute".


    LG Peter

  • Lieber Kurzstückmeister,


    mich würde interessieren, ob Du gerne und/oder viel in die Oper gehst, vielleicht auch, welche Inszenierung Dir gut gefallen hat.


    Mir ist nämlich nicht so ganz klar, wieso Du lieber an einem Begriffspaar, wie "altmodisch gegen modern" festhalten willst, was in seiner schubladenhaften Enge einen in meinen Augen künstlichen Gegensatz beschreibt, der faktisch - man kann das an den Beiträgen hier verfolgen - für die meisten Menschen, die in die Oper gehen, keine Bedeutung hat.


    Wenn ichs, bezogen auf Dich, mal etwas zugespitzt formulieren darf: ich höre sehr gerne alte Musik - und zwar in den letzten Jahren zunehmend. Das heisst aber nicht, dass ich diese ausschliesslich höre, sondern ich interessiere mich auch - verhältnismässig stark - für zeitgenössische Musik, wobei mir allerdings z. B. Nono oder Dallapiccola näher stehen, als etwa D. Glanert.


    Wieso sollte ich mich für eines dieser beiden Extreme ("Alt gegen Neu") entscheiden müssen, wenn es doch hier um meinen persönlichen Geschmack, um die Frage, was mir gut gefällt und was ich gerne höre, geht?


    Ich weiss, dass der Vergleich hinkt, aber er zeigt vielleicht, warum ich dieses "entweder/oder" für nicht zielführend halte.

  • Hallo Peter.


    "Katja Kabanowa" hätte ich soo gerne gesehen... :motz:


    Vielleicht klappts ja diese Spielzeit. Gluck kenne ich (noch) gar nicht :O .
    Aber wenn du ihn so hochschätzt...
    :hello:

    Viele Gruesse.
    Holger.

  • Zitat

    Original von Holger
    "Katja Kabanowa" hätte ich soo gerne gesehen... :motz:


    Lieber Holger,


    die kannst Du ab März in der Nederlandse Opera Amsterdam sehen - und ab April in Köln



    Zitat

    Vielleicht klappts ja diese Spielzeit. Gluck kenne ich (noch) gar nicht :O .
    Aber wenn du ihn so hochschätzt...


    Ivor Bolton, der die Aufführung in der ROH dirigiert, hat der Oper in der Inszenierung von Guth in Salzburg den Durchbruch verschafft, dazu Susan Graham als Iphigénie, Keenlyside als Orest, Groves als Pylade ...


    LG Peter

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  • Zitat

    Original von Alviano
    mich würde interessieren, ob Du gerne und/oder viel in die Oper gehst, vielleicht auch, welche Inszenierung Dir gut gefallen hat.


    Ich gehe selten in Opernvorführungen und wenn, dann hauptsächlich in Opern des 20. Jahrhunderts (weil dort die Diskrepanz noch am mildesten ist), vorzugsweise der letzten 25 Jahre. Bei Opern, die älter sind als 50 Jahre habe ich dabei möglichst viel die Augen geschlossen.


    Operninszenierungen haben mich bislang nicht wirklich begeistert. Regie rezipiere ich aber schon gerne, nämlich im Kino. Bei neueren Filmen hat mir dabei z.B. Hundstage von Seidel gut gefallen. Abgesehen vom Film könnte man noch Schlingensiefs Aktion vor der Wiener Staatsoper in Regienähe vermuten - das war auch was für mich. Eine ältere, nur per Dokumentation erlebbare Regiearbeit, die auch völlig selbständige Kunst war, ist "Die tote Klasse" von Tadeusz Kantor, die mich ebenfalls beeindruckt hat.

    Zitat

    Mir ist nämlich nicht so ganz klar, wieso Du lieber an einem Begriffspaar, wie "altmodisch gegen modern" festhalten willst, was in seiner schubladenhaften Enge einen in meinen Augen künstlichen Gegensatz beschreibt, der faktisch - man kann das an den Beiträgen hier verfolgen - für die meisten Menschen, die in die Oper gehen, keine Bedeutung hat.


    Ich halte an der Unterscheidung fest, da das eine mit dem anderen nichts zu tun hat - Regie als "selbständige Kunstform" und "konservative Regie" (wobei ich nicht weiß, ob letzteres überhaupt Regie heißen soll).


    Ich habe nichts gegen die Existenz von beidem nebeneinander, aber die moderne Regie als Kunstform würde ich mir auch dann nur bei neuen Opern (ca. 25 Jahre) gerne ansehen, da sie mich sonst zu sehr von der alten Oper (mehr als ca. 25 Jahre alt) ablenken würde.


    Wie schon mehrfach gesagt, würde ich mich an der Diskussion nicht beteiligen, wenn die "konservative" Variante nicht "vom Aussterben bedroht" wäre. Da sie es aber ist, beteilige ich mich wiederholt, damit nicht der Eindruck entsteht, niemand hätte mehr ein Bedürfnis danach.


    Besprechen einzelner Inszenierungen ist einfach ein anderes Thema. Daran beteilige ich mich nur, wenn Anmerkungen, die generelle Frage betreffend, möglich sind.



    Kleine Rückfrage: Welche Opern der letzten 25 Jahre haben Dir gefallen? (Ich meine Opern, nicht Inszenierungen.)
    :hello:

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Kleine Rückfrage: Welche Opern der letzten 25 Jahre haben Dir gefallen? (Ich meine Opern, nicht Inszenierungen.)


    Lieber KSM,


    Du hast mich mit Deiner Frage in eine leichte Verlegenheit gebracht, weil ich mir erst mal klarmachen musste, was ich in diesem Zeitraum an "neuen" Opern überhaupt kennengelernt habe - und an was ich mich gerne erinnere. Das ist schon ein ziemliches Stück Zeit, seit 1982.


    Kleine Auswahl, was mir gut gefallen hat: Wolfgang Riehm "Die Eroberung von Mexico" und "Oedipus", Adriana Hölszky "Bremer Freiheit" und "Wände", Walter Zimmermann "Die Blinden", Hans Gfors "Christina" und "Der Park", Hans-Werner Henze "Das verratene Meer", Aribert Reimann "Bernarda Albas Haus", Philip Glass "Akhnaton", Ekkehard Mayer "Sansibar oder der letzte Grund", Peter Maxwell-Davies "Resurrection", Gerd Kühr "Stallerhof"...


    Zwei Stücke will ich nicht unerwähnt lassen, die sich mir festgesetzt haben, die mich durchaus ansprechen, die zu Hören mir aber alles andere als leicht fällt: Peter Eötvös mit "Drei Schwestern" und Heinz Holliger mit "Schneewittchen".


    Was mir nicht so gefallen hat: Detlev Glanert "Jud Süss", "Der Spiegel des grossen Kaisers", "Scherz, Satire, Ironie" und "Caligula", Philippe Boesmans mit "Reigen" und "Wintermärchen", Rolf Liebermann "Der Wald", aber auch Luciano Berio mit "Re in ascolto" vermochte mich nicht zu packen.

  • Zitat

    Original von rita
    Zemlinsky hatte die DOB imSpielplan,Die Traumgöre.


    Rita


    *lol* Der ist gut... :hahahaha:
    Das Stück heißt "Der Traumgörge", mit Gören hat es glücklicherweise nichts zu tun

  • Zitat

    Original von Zwielicht


    Vorhin hast Du Dich doch noch über böse Bühnenbilder in Hagen beschwert. :D


    Hallo Bernd,


    nein, da hast Du mich ein wenig schief verstanden. Hagen ist wirklich ein Haus, das in der Optik nicht zu den ganz wilden Experimentierstätten zählt. In der Auswahl der Stücke beschreiten sie allerdings muitig Neuland. Aber zurück zur Optik: Operetten und Musicals werden dortsehr opulent inszeniert. Bei den Opern ist's meist ein Mischmasch aus Regietheater und alten Sehgewohnheiten, womit ich leben kann/muss. Mein von Dir zitiertes Beispiel bezog sich auf einen speziellen Fall, wo ein Bühnenbildner, der sonst Theater macht, wie vor hundert Jahren, was mir ja sehr gut gefällt :D, in Hagen, also in Deutschland auf einmal was ganz Wildes auf die Bühne stellt. Das hat mich doch sehr gewundert.


    LG,


    Christoph


  • Hallo Alviano, dann haben wir einen sehr ähnlichen Geschmack. Freut mich, dass Du also das neue Musiktheater nicht nur in Form neuer Inszenierungen alter Stücke sondern auch mit neuer Musik konsummierst.
    :hello:

  • vielleicht wäre dieser Aspekt, den ich ansprechen möchte, Stoff für einen neuen Thread...ich poste es aber vorerst mal hier.


    Eine Sache ist mir in letzter Zeit verstärkt aufgefallen - und das stets wenn Barockopern mit Regietheater auf die Bühne gebracht werden:


    Die Werke werden hemmungslos zusammengekürzt, Szenen die nicht ins Konzept passen, fallen raus.
    Tänze und Ballette werden gestrichen usw.


    Ich weiß nicht wie dass das Forum sieht.
    Ich empfinde soetwas als Verstümmelung und Verfälschung der Werke.


    Die letzten Beispiele solcher Produktionen betrafen vor allem frz. Opern:



    Charpentier: Médée
    Marais: Sémélée
    Destouches: Callirhoé
    Lully: Proserpine
    Lully: Persée


    (bei diesen Produktionen hatte Hervé Niquet die musikalische Leitung)


    Desmarest: Venus et Adonis
    (Christophe Rousset)



    Die Regisseure sahen sich wohl nicht in der Lage den obligatorischen Prolog (mit dem Lob auf Louis XIV) zu inszenieren - also wurde gestrichen, ohne Rücksicht auf die musikalische Qualität.
    Den Rest der Streichungen betrafen häufig die Divertissements, sowie ganze Teile von Szenen (die eben wohl mit der Inszenierung nicht zu vereinbaren waren).
    Besonders bei Lullys Proserpine ist das fast nicht nachvollziehbar, da der Prolog im direkten Zusammenhang mit der Oper steht - und musikalisch zu den schönsten Passagen der Oper gehört.



    Ist das nicht ein Armutszeugnis ? Und ist so ein Vorgehen zu rechtfertigen ?
    Ich empfinde das als unangemessenen Eingriff in ein Kunstwerk.

  • Grundsätzlich würde ich da zwischen einer CD-Einspielung und einer Bühnenauffürhrung unterscheiden.


    Bei der CD-Produktion würde ich eine möglichst komplette Aufnahme der vorhandenen Musik erwarten.


    Bei einer szenischen Realisation im Opernhaus kann ich auch mit einer entsprechenden Einrichtung für eine konkrete Aufführung leben - mit den dazugehörigen Strichen.


    Die Motive für eine angepasste Version können vielfältig sein: in aller Regel kennen die Zuschauer/innen Barockopern nicht sonderlich gut - da kann eine Einrichtung einer solchen Oper hilfreich sein, um ein Publikum überhaupt mit diesem Bereich der Opernliteratur vertraut zu machen.


    Dann existieren möglichweise, gerade an kleineren Häusern, keine geeigneten Sänger/innen, um alle Finessen der Musik eines Lully oder Rameau stilgerecht zu präsentieren - der Verzicht auf eine Aufführung wiegt aber für mich dann schwerer, als das unterlassene Wagnis einer Aufführung dieser Giganten des französischen Barocks.


    Eine Verknüpfung eines bestimmten Inszenierungsstils mit der Frage, ob man eine Bearbeitung oder eine möglichst komplette Aufführung präsentiert, kann ich nicht erkennen. Die Probleme, einem heutigen Publikum die Schätze des französischen Barocks näher zu bringen, hat wohl jeder Regisseur und jeder Dirigent, egal, ob auf alten oder modernen Instrumenten gespielt oder konventionell oder zeitgemäss inszeniert wird.


    Jetzt bin ich jemand, der schon über lange Jahre hinweg an dieser Musik interessiert ist, von den angeführten Stücken kenne ich selbst aber nur zwei: die "Medée" von Charpentier und den "Persée" von Lully, Destouches sagt mir noch nicht mal dem Namen nach etwas. Wieviel weniger dürfte dann diese Musik dem "normalen" Opernfreund/der "normalen" Opernfreundin bekannt sein?

  • Kürzungen und Striche lassen sich in der Theaterpraxis ja nicht nur bei Barockopern beobachten. Auch bei traditionellen Kernstücken des Repertoires kommt dergleichen vor: Ziemlich häufig fallen etwa bei Mozarts Figaro die Marcellina- und die Basilio-Arie des letzten Aufzugs weg. Nicht selten erlebt man auch heute noch den großen Strich im sog. Tagesgespräch des zweiten Akts von Wagners Tristan (wobei hier oft auch einfach nur die Sänger geschont werden sollen). Weitere Beispiele wären möglich.


    Die Kürzung von Balletteinlagen betrifft ebenfalls nicht nur die Barockoper. Die Ballettmusik von Mozarts Idomeneo kommt selten zur Aufführung, ebenso z.B. die Ballette der großen Verdi-Opern (Don Carlos, Aida, Otello etc.). Das kann zum einen organisatorische und/oder finanzielle Gründe haben. Zum anderen betrachtet man die Ballette eben auch manchmal als nicht essentiellen Teil der Opern - viele Kürzungen dienen ja auch dazu, den vermeintlichen "Kern" eines Werks herauszuschälen und von scheinbar überflüssigen Nebensachen zu befreien. Das finde ich manchmal durchaus einsichtig, manchmal auch nicht (mit der Ästhetik der Barockoper ist es wohl eher nicht zu vereinbaren).


    Insgesamt wird heute vermutlich weniger gekürzt als früher. So waren etwa zu Anfang des 20. Jahrhunderts außerhalb Bayreuths z.B. auch in Wagners Ring erhebliche Striche an der Tagesordnung. An der Wiener Hofoper hatte Gustav Mahler diese Striche aufgemacht, sein Nachfolger Weingartner führte sie wieder ein.


    Grundsätzlich stimme ich mit Alviano überein, dass man der Opernbühne ein gesundes Maß an Pragmatismus und Theatersinn zugestehen sollte. Die hiesige Aufregung über die Kürzungen der Aeneas-Oper von J.M. Kraus in Stuttgart kann ich z.B. nicht ganz nachvollziehen - ohne Striche hätte das Werk anscheinend nicht viereinhalb Stunden reine Spieldauer beansprucht, sondern immerhin sechs (viel mehr als auch die längste Wagneroper). Eine Grenze sehe ich etwa bei den angesprochenen Kürzungen im Figaro, die ja nicht nur mit Zweifeln an der Qualität der beiden Arien zu tun haben, sondern auch mit der Angst, der vierte Akt könne zu lang und zu langweilig werden. Hier ist wohl tatsächlich Tradition als Schlamperei am Werk.


    Im Einzelfall sind Kürzungen sicher auch manchmal auf den Regisseur bzw. die Dramaturgie zurückzuführen, die ein bestimmtes Konzept durchziehen oder das Stück - wie oben angesprochen - vom "Beiwerk" befreien wollen. Falls ein gewisses Maß nicht überschritten wird und die Lösung überzeugend ist, halte ich das für durchaus legtim (mitverantwortlich ist ohnehin immer der Dirigent). Es sollte aber nicht vergessen werden, dass für die wohl vollständigste Aufführung von Verdis Don Carlos (einschl. Ballett) ein Exponent des Regietheaters (mit)verantwortlich zeichnet, nämlich Peter Konwitschny.



    Viele Grüße


    Bernd

  • noch eine kleine Ergänzung


    die oben von mir genannten Opern gibt es als CD bzw. DVD Produktionen, aber sie haben die gleichen Streichungen wie die Inszenierungen.




    André Cardinal Destouches (1672-1749) war neben Campra der erfolgreichste Opernkomponist um 1700 in Frankreich. Ab 1713 von Louis XIV zum Generalinspektor der Oper ernannt.
    Und 1728 der Direktor der Oper.


    Destouches Laufbahn war etwas ungewöhnlich, zuerst soll er als Missionar in Siam unterwegs gewesen sein, dann diente er in der 2. Kompanie der Musketiere des Königs, bevor er sich der Musik zuwandte.


    1697 brachte er zusammen mit Campra das erste "Opera Ballet" L'Europa Galante auf die Bühne, zu diesem Werk hatte er zwei sehr schöne Arien beigesteuert und seinen Namen geliehen, da es Campra als Kirchen-Komponist der Notre Dame de Paris untersagt war, für die Bühne zu schreiben.


    Louis XIV sah in Destouches den berufenen Nachfolger Lullys.

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