Operninszenierungen - modern vs. "altmodisch"

  • Hallo,


    die Diskussion ist hochinteressant.


    Aber was ist eigentlich mit dem Kölner "Wildschütz"?


    Vielleicht sollte man die Beitrage abschneiden und einen neuen Thread gestalten, sonst findet man diese Diskussion ggfs. nicht mehr wieder.(?)


    Bis dann.

  • Ich lasse mir den Mund nicht verbieten! - Weil es auch hier im Forum einige gibt, die mir im Kern meiner Aussagen recht geben.


    Ich lehne moderne Inszenierungen nicht ab, wenn sie den das Werk nicht sinnentstellend darstellen.


    Es stand mir nicht der Sinn danach, nur das gängige Opernrepertoire auf den Spielplänen zu sehen. Dafür bin ich zu neugierig auf Werke, die ich noch nicht kenne. Oftmals bin ich nicht abgeneigt, die Opern auch mal auf einer Bühne zu sehen. Aber bitte Werk-konform! Das heißt nicht, dass es auch mal provokant zugehen kann. Aber niemals ein Werk vergewaltigen!


    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Zitat

    Original von Liebestraum
    vergewaltigen!


    Du sollst dir auch nicht den Mund verbieten lassen. Aber verstehst du nicht langsam, dass dein Vokabular einige hier wirklich in die Verzweiflung treibt?


    Micha

  • Zitat

    Original von Liebestraum
    Es stand mir nicht der Sinn danach, nur das gängige Opernrepertoire auf den Spielplänen zu sehen.


    Dir ist aber schon klar, dass das die Konsequenz aus Deiner Forderung ist, dass das vom Spielplan genommen gehört, was nicht nachgefragt wird? Das, was Du vorstellst, ist alles nicht folgerichtig und Deine Sprache ist verräterisch, deswegen wäre es sicher günstiger, wenn Du Deine Worte sorgfältiger wählen würdest.

  • Wieso Konsequenzen?


    An der Berliner Staatsoper wurden in den letzten Jahren regelmäßig immer Ko-Produktionen von selten gespielten Barock-Opern aufgeführt (darunter auch "La Calisto" in der Wernicke-Inszenierung), viele Aufführungen unter Renè Jacobs, immer so auf 5-7 Aufführungen bemessen - alle Vorstellungen waren stets gut besucht. Da gab es keine Konsquenzen. Die anderen Opern im Repertoire des Staatsoper liefen trotzdem.

  • Zitat

    Original von Liebestraum
    Wieso Konsequenzen?


    Weil es nach deiner Logik (gemäß dem, was du weiter oben gepostet hast) Verschleuderung von Steuergeldern ist, eine teure, aufwendige Produktion herzustellen, von der von vornherein klar ist, dass sie nur 5 bis 7 Aufführungen erleben wird, weil sich nicht mehr Menschen dafür interessieren.


    Jetzt wird's mir aber auch langsam zu blöd. Dir auch noch deine eigenen Argumente zu erläutern!


    M.

  • Völlig falsch!


    Es waren Ko-Produktionen, die Werke wurden dann an anderen Theatern oder zu Festspielen aufgeführt. - Auch hier mit großem Erfolg! Was bedeutete, dass viel Geld wieder zurückfloss. Bei "La Callisto" weiß ich, dass die Inszenierung mehrere Jahre in Berlin an der Lindenoper lief. Im letzten Jahr gab es Händels "Belsazar" in einer szenischen Aufführung. Auch diese Inszenierung ging dann auf Gastspielreisen..

  • Zitat

    Original von Michael M.


    Weil es nach deiner Logik (gemäß dem, was du weiter oben gepostet hast) Verschleuderung von Steuergeldern ist, eine teure, aufwendige Produktion herzustellen, von der von vornherein klar ist, dass sie nur 5 bis 7 Aufführungen erleben wird, weil sich nicht mehr Menschen dafür interessieren.


    ... oder, wenn bsplsw. "Elektra" vor fast leerem Haus geboten wird, diese Produktion nach der Vorstellung unseres Sprachjongleurs sofort aus dem Programm genommen werden müsste, die Beispiele lassen sich beliebig fortsetzen.


    Hier noch mal für den Pseudo-Begriffsstutzingen: die dem Beschwerdeführer missfallenden Inszenierungen sind oftmals gut besucht, würden also nicht vom Programm verschwinden, weil erfolgreich - dafür käme manches unter die Räder, was nicht zum Kernrepertoire gehört, weil das erfahrungsgemäss weniger Menschen ins Theater lockt.


    Aber Micha hat schon recht:


    Zitat

    Jetzt wird's mir aber auch langsam zu blöd. Dir auch noch deine eigenen Argumente zu erläutern!


    Sich erst beschimpfen lassen müssen und dann auch noch Aufklärungsarbeit leisten, das muss nicht sein.


    Ich sehe gerade, dass unser Überflieger wieder ungeschickt vom Thema ablenkt. Vielleicht geht er erstmal wieder zurück auf "Los" und versucht, seine eigenen Texte zu verstehen - auch Provokation will gekonnt und gelernt sein, allzu dumm darf diese nicht daherkommen, um Spass zu machen.

  • "La Calisto" hat nie zum Kernrepertoire gehört und wird es wohl auch nie. - Es war trotzdem sehr gut besucht, weil ein Herbert Wernicke eine grandiose szenische Umsetzung gelungen ist, die die Menschen ins Opernhaus strömen ließ.


    Wohingegen ich Strauss´ "Elektra" schon zum Kernrepertoire zähle, weil sie von allen großen Opernbühnen der Welt regelmäßig neu inszeniert wird. Es gab so gar Zeiten in Berlin (um 2000) da konnte man 3 Inszenierungen in Berlin erleben: je eine an den Berliner Opernhäusern. Ja, und alle Inszenierungen waren gut besucht, so dass gar nicht das Problem auftrat, eine Inszenierung verschwinden zu lassen. Will sagen: die Säle waren immer mehr als halbgefüllt und daher völlig okay!

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  • Zitat

    Original von Liebestraum
    "La Calisto" hat nie zum Kernrepertoire gehört und wird es wohl auch nie. - Es war trotzdem sehr gut besucht, weil ein Herbert Wernicke eine grandiose szenische Umsetzung gelungen ist, die die Menschen ins Opernhaus strömen ließ.


    Wohingegen ich Strauss´ "Elektra" schon zum Kernrepertoire zähle, weil sie von allen großen Opernbühnen der Welt regelmäßig neu inszeniert wird. Es gab so gar Zeiten in Berlin (um 2000) da konnte man 3 Inszenierungen in Berlin erleben: je eine an den Berliner Opernhäusern. Ja, und alle Inszenierungen waren gut besucht, so dass gar nicht das Problem auftrat, eine Inszenierung verschwinden zu lassen. Will sagen: die Säle waren immer mehr als halbgefüllt und daher völlig okay!


    Du bist Dir sicher, dass Du noch am Thema dran bist und diese Einlassung zur Diskussion passt? Ich zweifle und überlasse Dich jetzt ganz Deiner Parallelwelt mit sehr eigenen Ansichten und Definitionen z. B. zu dem Wort "Publikum" oder "Subventionsbetrieb".

  • Klar bin ich noch am Thema dran...


    Dann gibt es eben die Inszenierungen, die nicht gut besucht werden, weil sie der Mehrheit des Publikums nicht gefallen und für halbleere Säle sorgen, weil viele Operngänger diese Werk-Umdeutungen als Zumutung empfinden: weil in solchen Interpretationen das Stück an sich nicht mehr vorhanden ist.


    Dann bitte: soll sich der Regisseur für seine Inszenierung eine andere Oper schreiben lassen.

  • Zitat

    Original von Liebestraum
    Klar bin ich noch am Thema dran...


    Dann gibt es eben die Inszenierungen, die nicht gut besucht werden, weil sie der Mehrheit des Publikums nicht gefallen und für halbleere Säle sorgen, weil viele Operngänger diese Werk-Umdeutungen als Zumutung empfinden: weil in solchen Interpretationen das Stück an sich nicht mehr vorhanden ist.


    Dann bitte: soll sich der Regisseur für seine Inszenierung eine andere Oper schreiben lassen.


    Interessante Mathematik - 50% ist also die Mehrheit! Und wieso soll bitte eine nicht vorhandene Hälfte (Also die Nicht-Besucher quasi) der vorhandenen den Genuss an einer Aufführung verbieten dürfen???? Aber klar, es zählt immer nur der halb leere Saal, nie der halb volle, weil das ja sowieso nur Ignoranten sind, die keine Ahnung haben, wie Oper wirklich funktioniert. Gottlob gibt es ja zumindest einen im Forum, der uns Armen im Geiste die nötige Aufklärung erteilt. Und überhaupt: Wie komme ICH eigentlich dazu, meine Steuergelder für völlig uninteressante, pseudohistorische 0815-Inszenierungen hergeben zu müssen, nur damit Liebestrank & Co ihrem Eskapismus fröhnen können???
    lg Severina :hello:

  • Zitat

    Wie komme ICH eigentlich dazu, meine Steuergelder für völlig uninteressante, pseudohistorische 0815-Inszenierungen hergeben zu müssen, nur damit Liebestrank & Co ihrem Eskapismus fröhnen können???


    Eine gute Frage, die sich so leicht nicht beantwortrn lässt - Als radikaler Vertreter der These "lasst bitte Stücke wie sie sind" und als Gegener irgenwelcher Dilettanten, welche an klassischen werken herumdoktern, möchte ich den Versuch einer Antwort wagen (wenngleich hier die Fronten so festgefahren sind, daß es sowieso vergebne Liebesmüh ist.


    "Pseudohistorische Inszenierungen" sind ein ebensofester Bestandteil der Oper, wie die (meist) kitschige oder unlogische Handlung, die reaktionäre Musik und die altertümlich anmutende Sprache.Der Textdichter/Librettist etc hat in Cooperation mit dem Komponisten ein Gesamtkunstwerk geschaffen, daß in seiner Grundsubstanz unveränderlich ist - und es auch sein soll.


    Es handelt sich also um Werke von Ewigkeitswert, sie dürfen genausowenig verändert werden, wie beispielsweise ein Rembrandt, oder eine gotische Kathedrale


    Es entspricht einer alten Tradition solche Werte durch staatliche Subventionen zu erhalten. Und das ist bis dato auch nie in Frage gestellt worden.


    Wenn man es in Frage stellt, dann müsste man die Oper privatisieren.
    Dagegen hätte ich herzlich wenig, denn dann würden Sponsoren das tun, was einst Mäzene machten, nämlich aus privaten Quellen Gelder zuschiessen. Das hätte dann aber auch den angenehmen Nebeneffelt, daß die Kernfrage dieses Threads gar keine mehr wäre, denn die meisten Sponsoren würden keine Inszenierungen duilden, die bei einem bemerkenswerten Prozentsatz des Publikums nicht nur auf Ablehnung stossen, sondern regelrechte Haßgefühle verursachen.
    Wie Du siehst, liebe Severina, bin auch ich gegen eine Subventionierung von Opernhäusern, vor allem, solange diese selbst das angestammte Publikum (Opernabbonements werden in der Wiener Oberschicht VERERBT) durch unerwünschtes Repertoire und unerwünschte Inszenierungen vergraulen.



    Es ist leider schon Sitte, daß die Verteidiger der "reinen Lehre" in den Medien als senile Trottel dargestellt werden, die eigentlich schon obsolet sind, und die modernen Inszenierungen nicht verstehen.
    Daher getrauen sich etliche Gegner nicht ihren Abscheu zu artikulieren - und das ist durchaus erwünscht.


    Hier bei Tamino haben sich etliche konservative Kräfte darüber beschwert, daß ich Berichte über moderne Inszenierungen überhaupt zulasse und mich gefragt, auf welcher Seite ich eigentlich stehe.
    Ich antworte in solchen Fällen, daß Tamino das einzige mir bekannte Medium ist, wo man unzensiert seine Ablehnung gegenüber "modifizierenden" Inszenierungen, wo eine völlig neue Geschichte erzählt wird (die dann oft vor und hinten nicht zusammenpasst) artikulieren kann


    Daß sich der eine oder andere resignierend zurückgezogen hat - ist traurig, liegt aber nicht am Forum



    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Eine gute Frage, die sich so leicht nicht beantwortrn lässt - Als radikaler Vertreter der These "lasst bitte Stücke wie sie sind" und als Gegener irgenwelcher Dilettanten, welche an klassischen werken herumdoktern, möchte ich den Versuch einer Antwort wagen (wenngleich hier die Fronten so festgefahren sind, daß es sowieso vergebne Liebesmüh ist.


    Lieber Alfred,


    ich habe mich schon mehrfach offenbart als jemand, der in diesen Fragen zwischen den Fronten steht, da er an beiden Fronten teilhat. Es geht ja letzten Ende nicht um Thesen, sondern um Geschmack. Und es wäre töricht, den einen Geschmack zugunsten des anderen zu untersagen. Gibt es da "Monopolisierungstendezen" nach der einen oder nach der anderen Seite, werde ich das kritisch sehen, dafür auch hin und wieder Schläge ertragen, die für die jeweils andere Geschmackspartei gedacht sind.


    Aber Geschmack kann man nicht einprügeln, man hat ihn oder man hat ihn nicht. Und will man andere von seinem Geschmack überzeugen, ihn zu seinem Geschmack anleiten, ihn für seinen Geschmack gewinnen, so braucht es Argumente und ein (geduldiges) Zuhören, nicht aber eine Verfemung und Verdammung des anderen.



    Zitat

    "Pseudohistorische Inszenierungen" sind ein ebensofester Bestandteil der Oper, wie die (meist) kitschige oder unlogische Handlung, die reaktionäre Musik und die altertümlich anmutende Sprache.Der Textdichter/Librettist etc hat in Cooperation mit dem Komponisten ein Gesamtkunstwerk geschaffen, daß in seiner Grundsubstanz unveränderlich ist - und es auch sein soll.


    So weit so gut, wenn es sich um die Partitur handelt. Eine Aufführung hat immer schon unter anderen Bedingungen gestanden und hat Komponisten wie Librettisten gezwungen, sich Gegebenheiten anzupassen. Die Lehrer, die man daraus ziehen kann, ist die: Den Komponisten war es immer wichtiger, aufgeführt zu werden. Eine Aufführung ist aber etwas, an dem auch andere Künstler als er selbst teilhaben. Es gibt nicht eine Idealaufführung, sondern in der jeweiligen Aufführung wird ein Ideal angestrebt. Ich habe schon mehrfach festgestellt, dass bei Werken, die mir besser vertraut sind, eine Nibelungentreue zu der Form der Erstaufführung absurd wäre.


    Im Laufe der Rezeption - und das lernt man nun im Studium, dass ein Werk die Summe seiner Rezeption ist - hat es viele Stadien der Aufführungspraxis erlebt und viele Aspekte offenbart, die gerade einer lebendigen Tradierung (und dieses Paradoxon gilt es praktisch-künstlerisch zu bewältigen) zu verdanken sind.


    Eine griechische Tragödie so aufzuführen wie sie von der Erstaufführung her "gemeint" war, hieße sie, nicht mehr aufführen zu können. Die Darstellung durch drei Männer auf Kothurnen in altgriechischer Sprache würde den Altphilologen entzücken - aber ansonsten ziemlich lächerlich wirken. Die Zauberflöte als zeitgenössische Maschinenoper aufzuführen würde gleichermaßen das Menschheitsdrama wie den Märchencharakter ersticken. Es gilt immer noch die Fantasie in den Künsten, nicht die Pedanterie des Philologen.



    Zitat

    Es handelt sich also um Werke von Ewigkeitswert, sie dürfen genausowenig verändert werden, wie beispielsweise ein Rembrandt, oder eine gotische Kathedrale


    Da vergleichst Du, lieber Alfred, Äpfel mit Birnen. Ein Rembrandt braucht keines Ensembles, um von einem Publikum wahrgenommen zu werden. Ein Theaterwerk muss immer erneut realisiert werden, mit den Gegebenheiten und Bedingungen der konkreten Aufführung. Es heißt den Buchstaben für den Sinn zu nehmen, wenn ich verordne, dass Hölderlin nur in den Faksimiles meiner Frankfurter Ausgabe gelesen werden darf. Als Philologe muss ich die Handschriften lesen.



    Zitat

    Es ist leider schon Sitte, daß die Verteidiger der "reinen Lehre" in den Medien als senile Trottel dargestellt werden, die eigentlich schon obsolet sind, und die modernen Inszenierungen nicht verstehen.
    Daher getrauen sich etliche Gegner nicht ihren Abscheu zu artikulieren - und das ist durchaus erwünscht.


    Wie schon dieses Forum zeigt, ist eine solche Haltung eben so "senil" und töricht wie der Fanatismus der "anderen" Seite. Ohne Provokation und Widerspruch erlischt sofort das Interesse, Oper braucht all dies Tamtam - es nutzt allen Seiten.


    Wenn man des Mannesmutes entbehrt, sich Andersmeinenden zu stellen, urteilt man über die Überzeugungskraft der eigenen Meinung selbst. Wer sich nur gegenseitig auf die Schulter klopfen will, ist schon recht mutlos geworden. Das hoffe ich, gilt für niemanden hier.


    Nur eines: will man mit jemanden diskutieren, so darf man ihn nicht heruntersetzen, hier ist niemand "senil" und niemand ein "Schwein". Es geht um unterschiedliche ästhetische Konzepte, das ist gut, das ist wichtig - wenn man bereit ist, einander zuzuhören und nicht sich die Ohren zuzuhalten und zu schreien.



    Zitat

    Hier bei Tamino haben sich etliche konservative Kräfte darüber beschwert, daß ich Berichte über moderne Inszenierungen überhaupt zulasse und mich gefragt, auf welcher Seite ich eigentlich stehe.
    Ich antworte in solchen Fällen, daß Tamino das einzige mir bekannte Medium ist, wo man unzensiert seine Ablehnung gegenüber "modifizierenden" Inszenierungen, wo eine völlig neue Geschichte erzählt wird (die dann oft vor und hinten nicht zusammenpasst) artikulieren kann


    Es ist die gute Tradition der aufgeklärten Liberalität, die ich an diesem Forum so bewundere. Jeder darf äußern was er meint, so lange er nicht bewusst den anderen verletzt, jeder muss sich aber auch mit seiner Meinung der Kritik der anderen Meinungen stellen.


    Dass sich bei dieser Frage der Inszenierungen immer wieder dieselben Fronten auftun, halte ich für bedauerlich, wenn auch hinnehmbar. Dass man hier immer wieder Äußerungen des gegenseitigen Verstehens lesen kann - trotz dieser Fronten und auch innerhalb dieser Fronten - macht die Qualität der Diskussion aus.


    Liebe Grüße Peter

  • Zitat

    Original von severina
    Und überhaupt: Wie komme ICH eigentlich dazu, meine Steuergelder für völlig uninteressante, pseudohistorische 0815-Inszenierungen hergeben zu müssen, nur damit Liebestrank & Co ihrem Eskapismus fröhnen können???


    Eine wirklich gute Frage! Was die Ver(sch)wendung von Steuergeldern angeht, so gibt es sicherlich beschwerenswertere Baustellen... Warum muß eigentlich der kulturell gar nicht interessierte Operninszenierungen überhaupt mitfinanzieren? Kultur (wie auch immer definiert) ist eben zum Allgemeingut erklärt - alle für einen, einer für alle. Ich finde, daß das Kulturangebot und die entsprechenden Subventionen relativ ausgeglichen verteilt sind, jedenfalls von der Oberfläche aus betrachtet (ich will das auch nicht weiter vertiefen). Im Prinzip ist aber doch für jede/n etwas dabei, oder irre ich mich? Karlsruhe beispielsweise investiert dieses Jahr 120.000 € (davon die Hälfte außerplanmäßig) für eine historische Händelinszenierung seines Radamisto. Da will ich mich garnicht beschweren... Und wenn es andere vorhaben: Es ist eh zu spät dafür :P


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Ich weigere mich genauso wie Peter, mich in irgendeine Ideologie hineinziehen zu lassen und werde wohl diese erbitterten und sich stets wiederholenden Grabenkämpfe nie begreifen. :no:


    Meines Erachtens ist es ein Paradoxon und ein Widerspruch in sich selbst, Kunstwerke in unverrückbare Wertungssystme und fundamentalistische Überbauten zwingen zu wollen.
    Das tôtet jede Kreativität der Künstler UND der Rezipienten und ist zu allen Epochen und Zeiten gescheitert.
    Wo die Freiheit der Kunst(und Musik-Theater ist hoffentlich für alle in Tamino Anwesenden Kunst) in Frage gestellt wird, kann kein schöpferischer Geist mehr atmen- darüber sind wir uns doch sicher Alle einig.


    Geschmack allein ist für mich aber auch nicht das Losungswort. Das mündet mir zu leicht in Beliebigkeit und Bequemlichkeit.
    Es muss ein nachvollziehbares Kozept des Werkes als Ganzes erkennbar sein.
    Ein solches kann ich in verschiedensten Ausprägungen respektieren und auch dann, wenn es mir nicht gefällt.


    Wenn ein Regisseur mir deutlich macht, dass er sich mit dem Werk seriös auseinandersetzt und mir eine Deutung anbietet, die das spiegelt, ist mein Geschmack zwar weiterhin die Kategorie für schön oder hällich aber nciht mehr die Kategorie für gut oder schlecht.
    Ich würde an diesem Punkt immer deutlich unterscheiden!


    Etwas als "Mist" oder gar "Schweinerei" oder "senilen Müll" zu bezeichnen fiele mir daher nur dann und in den Extremfällen ein, wenn es offensichtlich wäre, dass keinerlei konkruentes Konzept vorliegt .


    Ansosnten plädiere ich doch sehr dafür ,den eigenen Geschmack nciht zum Mass aller Dinge zu machen und Respekt für den Geschmack anderer Menschen zu haben.
    Fast alle Taminos äussern sich m.E. diesbezüglcih in sehr zivilisierter Form und werden dazu stets ermutigt.
    Wer keine Argumente hat, schweigt (inzwischen) sowieso und persönlcihe Beleidigungen werden gottseidank nciht geduldet.


    Wenn man ein aktuelles Beispiel, nämlich die Inszeneirung der Lucia an der MET nimmt, sieht man, wie konsensfähig Inszenierungen sein können.
    Eine historisierende Szenerie, die der Schauerromantik gerecht wird und trotzdem weder langweilig noch "rampensängerisch" daherkommt.
    Ich bin ziemlci hsicher, dasses in Zukunft sehr viele Opernregisseure geben wird, die unsere Streitereien vollkommen unnötig machen, weil sie einfach integrationsfähig sind und keine fundamentalistischen Konzepte sondern Operninhalte auf die Bühne bringen.


    Hier inLille habe ich letzte Woche eine Offenbach-Perichole gesehen, die zeitlich in die Epoche der Militärdiktaturen versetzt war und gerade deshalb den karikaturistisch-kritischen Geist der Operette bewahren konnte.
    Jede Inszenierung muss einzeln und für sich selbst betrechtet werden- ich lehne alle Pauschalurteile , insbesondere NICHT GESEHENER Inszeneirungen ab.


    F.Q.

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Hier bei Tamino haben sich etliche konservative Kräfte darüber beschwert, daß ich Berichte über moderne Inszenierungen überhaupt zulasse.


    Unabhängig davon, was für eine Geisteshaltung hinter einer solchen Forderung steht, die nicht öffentlich geäussert wird, es muss keine/r diese Berichte lesen. Sie scheinen aber so interessant zu sein, dass diese kleinen Besprechungen auch von vielen Gästen gerne gelesen werden, die Zugriffszahlen sind so schlecht nicht und es steht einem Klassikforum nicht schlecht an, dass aktuelle Aufführungen hier vorgestellt werden, das ist eine Bereicherung und nichts, was man verhindern müsste. Selbst Alfred hat kürzlich meinen Text zum Baseler "Holländer" gelesen - und das, obwohl er an anderer Stelle gesagt hat, dass er die Aufführungsberichte aus bekanntem Grund nicht lesen würde.


    Ansonsten ist mir der Dogmatismus der "konservativen Kräfte" ziemlich fremd geworden, ein Dialog erscheint mir gewinnbringend nicht möglich.

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  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Geschmack allein ist für mich aber auch nicht das Losungswort. Das mündet mir zu leicht in Beliebigkeit und Bequemlichkeit.
    Es muss ein nachvollziehbares Kozept des Werkes als Ganzes erkennbar sein.
    Ein solches kann ich in verschiedensten Ausprägungen respektieren und auch dann, wenn es mir nicht gefällt.


    Liebe Fairy Queen,


    ich halte es für eine Sache des Geschmacks, ob man objektivistisch historisch-getreue oder subjektivistisch tief greifende persönliche Auseinandersetzungen auf der Bühnen sehen will und kann. Die Frage stellt sich ja nicht nur bei musikalischen Bühnenwerken. Ob bei Gould, Furtwängler oder Kremer, immer wird es eine stärker an einem überzeitlich gedachten oder einem zu subjektiver Herausforderung auffordernden Kunstwerk orientierte Interpretation geben. Der Unterschied ist eben nur der, dass das Musikdrama in einem ganz anderem Umfang eine Projektionsfläche persönlicher Erwartungen und Wünsche ist als die Appassionata von Beethoven. Ob man die manchmal in Schlammschlachten ausartenden Kämpfe unter Fans unterschiedlicher Sänger nimmt, die Leidenschaften um eine Interpretation, glühender Hass und glühende Liebe - alles erscheint potenziert bei der Oper.


    Und gerade deshalb abstrahiere ich auf den musikalischen Geschmack. Er ist beileibe nicht unwichtig, bedarf sorgfältigster Ausbildung und Verfeinerung. Umso heftiger darf und muss er sich wehren gegen seine Verletzungen. Es bedarf einer geistigen Überlegenheit, andere Standpunkte, andere Geschmäcker anzuerkennen, ohne sich über sie hinwegsetzen zu wollen.


    Wenn aber Katzenfreund und Hundefreund sich in einer unversöhnlichen Feindschaft begegnen, so haben wir engstirnige Tierfreunde vor uns, die ihr Tier missbrauchen, um sich gegenüber einem anderen aufzuspielen. Und die beiden werden die Wanderer zwischen den beiden Welten eher als Strolche und Vagabunden auffassen, als ihnen aus der eigenen Enge ins Weite zu folgen.


    Ich versinke mal voll Wonne ins Plüsch einer Zeffirelli-Inszenierung, wie ich mich mit Begeisterung an einer Auseinandersetzung um die Erfahrungen beteilige, die eine Konwitschny-Inszenierung mir ermöglicht. Wenn der eine nur dieses, der andere nur jenes mag, nun gut - aber kein Grund, dass man gegenüber dem anderen unhöflich wird. Zum guten Geschmack gehört für mich auch noch immer die Höflichkeit, die es ermöglicht mit einem Gegner in guter Contenance umzugehen ... und nicht der Torheit zu verfallen, im geistigen Gegner den Feind zu sehen.


    Zitat

    Jede Inszenierung muss einzeln und für sich selbst betrechtet werden- ich lehne alle Pauschalurteile , insbesondere NICHT GESEHENER Inszeneirungen ab.


    Das ist tatsächlich das Irreale der letzten Diskussion, dass man um etwas diskutierte, das man nicht selbst gesehen, sondern nur aus dem Hörensagen beurteilte. Wie kann man ein Werk verteidigen oder angreifen, das man selbst nicht gesehen hat?


    Zitat

    Original von Herbert Henn
    Die Berichte, hier im Forum, über "moderne" Inszenierungen sind doch vorwiegend negativ.
    Ich lese sie ganz gerne. :D


    Lieber Herbert,


    Du setzt mit Recht "modern" in Anführungszeichen, denn längst ist der Begriff des Modernen zu einem nur undeutlich diskriminierenden geworden. Da ich den Begriff des Modernen ein wenig weiter fasse, gehört für mich sowohl Ponnelle wie Bieto, Gardiner wie Thielemann zum Modernen - und sind auch nur in der Moderne möglich.


    Ansonsten: Es immer erheblich schwerer, eine positive Kritik zu schreiben als eine negative ...
    :pfeif:
    Liebe Grüße Peter

  • Zitat

    Zitat Liebestraum
    Dann gibt es eben die Inszenierungen, die nicht gut besucht werden, weil sie der Mehrheit des Publikums nicht gefallen und für halbleere Säle sorgen, weil viele Operngänger diese Werk-Umdeutungen als Zumutung empfinden: weil in solchen Interpretationen das Stück an sich nicht mehr vorhanden ist.


    Das halte ich, pardon, für Unsinn.
    Für leere Säle sorgt in der Regel nicht die Inszenierung, sondern die Qualität der gesamten Produktion. Wenn man "Tosca" mit drei Nicht-Stars in den Hauptrollen besetzt und einem mittelmäßigen Dirigenten anvertraut, wird die Wiener Staatsoper nicht gerade ausverkauft sein, denn wegen der hinübrigen Wallmann-Inszenierung kommt kein Hund mehr hinter dem Ofen hervor.
    Dasselbe passiert natürlich auch dem ("modernen") Mielitz-"Otello": Ohne Stars (oder solche, die in Wien für solche gehalten werden), läuft das nicht.


    Umgekehrt kann aber eine interessante Inszenierung durchaus anziehend wirken. Es tritt der Fall ein: "Das muß man gesehen haben." Und dann sind die Häuser auch etwas voller, wenn keine Stars bei der Produktion dabei sind. So konnte etwa eine von Ruth Berghaus inszenierte "Geschichte vom Soldaten" bei den Wiener Festwochen ein paar Mal vor ausverkauftem Haus laufen, obwohl keiner der Mitwirkenden in Wien wirklich einen Namen hatte.


    Seinerzeit füllte auch Harry Kupfers als Regietheater empfundene "Bohème" die Volksoper: Die Regie galt als Sensation (ich fand sie ein wenig altbacken filmisch). Das Werk lief parallel in der Staatsoper in dem grauenhaften Zeffirelli-Kitsch. Und war seltsamerweise in der Staatsoper nicht ausverkauft. "Man" wollte eben die Kupfer-Version sehen.


    Meiner Meinung nach kann man beides machen: Konservativ nach dem Regieanweisungen inszenieren oder modern nach dem Bedeutungsgehalt des Werkes - solange nur keine Zeffirelleske Langeweile und keine Schenk'sche Zappelei entstehen. Was ich weniger mag, sind diese "halbmodernen" Inszenierungen, die es beiden Publikumsschichten recht machen wollen. Etwas wie der "Moses und Aron" an der Wiener Staatsoper etwa betrübt mich mehr als jede handfest konservative Regie und mehr als jede provokant moderne.


    :hello:

    ...

  • Außerdem sollte bei Inszenierungen auch berücksichtigt werden, für welches Theater sie bestimmt sind. Die Wiener Staatsoper hat zum Beispiel auch den Auftrag Repertoirepflege zu betreiben. Das bedeutet, dass ihre Inszenierungen oft über viele Jahre und in verschiedenen Besetzungen gezeigt werden. Diese Tatsache ist offiziell bekannt und da ist es wohl nicht sehr sinnvoll, eine Inszenierung zu machen, die nur mit bestimmten Sänger/innen funktioniert, in der die dominante Hand des/r Regisseurs/in alles vorschreibt, in der gerade die neueste Opernmodeerscheinungen zelebriert werden (die im nächsten Jahr niemanden mehr interessieren).


    In diesem Fall ist eine Inszenierung sinnvoller, die eben doch etwas zeitlos ist, also sich mehr an der tatsächlichen Handlung der Oper als an Zeitthemen orientiert, die in den nächsten Jahren längst aus der Mode sind. Außerdem ist wohl auch eine Inszenierung besser, die den Sänger/innen viel Freiheit lässt, auch eigene Persönlichkeit einzubringen.


    Anders sieht der Fall aus, wenn eine Inszenierung mit bestimmten Sängern/innen geplant ist, die zunächst einmal mit derselben Besetzung in der einen und dann in der anderen Stadt gezeigt wird, aber eben für einige Saisonen bestimmt ist, aber nicht für mehrere Jahre. Dann ist es schon legitim, wenn sich die Regie (und die anderen Beteiligten wie Bühnenbildner/innen, Kostümmacher/innen etc.) mehr Freiheit nimmt und durchaus auch einmal ein wenig gegen die herkömmliche Interpretation vorzugehen versucht.


    Weiter sind auch die Gegebenheit zu berücksichtigen. Bei einem Freilichtfestival ist es doch Unsinn die natürliche Landschaftskulisse nicht zu berücksichtigen oder nicht die Möglichkeiten zu nutzen, die auf einer Bühne in einem Haus eben nicht erlaubt sind. Ich erinnere mich an eine "Zauberflöte" im Freien, wo tatsächlich Feuer und Wasser eingesetzt wurden, was auf einer Bühne sicher nicht möglich gewesen wäre.


    Ein weiterer Aspekt ist die Nachbarschaft in der Opernlandschaft. In Wien oder Berlin gibt es zum Beispiel mehrere Häuser, es wäre dumm, wenn dort dieselben Stücke gespielt würden, einem Einheitsschema zu folgen. "La Boheme" an der Wiener Volksoper mag nicht jedem zugesagt haben, andererseits finde ich es schon sinnvoll eine Interpretation zu versuchen, die sozusagen ein Gegenentwurf zur zeitlosen (oder je nach Blickwinkel auch konservativen) Inszenierung an der Staatsoper ist. (Ähnliches gilt auch für "Die Meistersinger" an beiden Häusern.)
    Und wenn gerade in der Nachbarstadt eine provokante Operninszenierung gespielt wird, macht es auch Sinn eine eher sanftere, traditionellere Variante zu zeigen.


    Ein weiterer Aspekt, der bei zeitgenössischen Regietheater leider viel zu wenig berücksichtigt wird, ist die Bekanntheit einer Oper. So gesehen finde ich es immer wieder gut, unbekannte Werke und Ausgrabungen zunächst einmal konzertant zu erproben, um die tatsächliche Qualität der Musik zu testen und den Opernfreunden als Zuhörer/innen Gelegenheit zum Kennenlernen zu geben.


    Keine gute Idee finde ich dagegen unbekannte Werke gleich jener Form des Regietheaters zu überlassen, deren Konzept es ist, provokant zu inszenieren, Werke auf den Kopf zu stellen, bestimmte Sichtweisen von außen auf das Werk zu versuchen etc. Hier ist es eindeutig sinnvoller, erst einmal dem Werk selbst zu vertrauen und daher eher werkadäquat und vernünftig zu inszenieren, damit das Publikum erst einmal die Gelegenheit hat, die eigentliche Oper kennenzulernen, sich mit dieser vertraut zu machen.


    Unbekannte Werke haben es ohnehin schwerer, denn warum hat sich das Werk nicht im Repertoire gehalten oder war nie erfolgreich. Die Gründe dafür können vielfältig sein (überforderte das Publikum der Entstehungszeit, war zu revolutionär, war nur nett, hatte neben einigen tollen Musiknummern mehrere Durststrecke, kann nur mit erstklassigen Sänger/innen überzeugen, spricht zwar die Sekundärliteraten/innen an, aber leider nicht das Publikum, toller Inhalt, aber nicht sonderlich bühnenwirksam ...), aber in den meisten Fällen kann man doch davon ausgehen, dass es einen nachvollziehbaren Grund gegeben haben wird, warum das Werk eben nie Erfolg hatte oder bald wieder in Vergessenheit geriet.


    Ein Bühnenwerk muss nun einmal eine Chance haben, um auch das Publikum zu erreichen. Weiter kommt hinzu, dass das Publikum im Unterschied zu Personen, die sich beruflich mit Opern auseinandersetzen (Musikwissenschaftler/innen, professionelle Journalisten/innen etc.), gewöhnlich seine Eintrittskarte bezahlen muss (auch wenn das Opernhaus selbst Subventionen bekommt), und nicht jeder hat so viel Geld, um sich einfach jede Premiere leisten zu können. Und die meisten Leute investieren nun einmal lieber ihr Geld in Eintrittskarten zu Opern, die sie bereits kennen und daher wissen, was sie erwartet. Hier ist also kein modisches oder provokantes Regietheater gefragt, sondern viel mehr eine zeitlose, sensible Regie, die sich an die Vorgaben in Text und Musik hält und höchstens, das aber sehr behutsam, versucht, eindeutige Schwachstellen und Durststrecken zu entschärfen.


    Abschließend noch eines - nicht zuletzt aufgrund der vielen Faktoren, die bei einer Aufführung eine Rolle spielen, finde ich ebenfalls, dass jede Inszenierung einzeln beurteilt werden sollte und keineswegs nur danach, ob sie konservativ, unsinnig, psychologisch interessant oder eben provokant ist. Es kommt noch immer auf die Umsetzung an, wie ein Regiekonzept rübergebracht wurde.


    Herzliche Grüße
    Waltrada

    Il mare, il mare! Quale in rimirarlo
    Di glorie e di sublimi rapimenti
    Mi si affaccian ricordi! Il mare, il mare!
    Percè in suo grembo non trovai la tomba?

  • An dieser Stelle halte ich fest, daß ich - so sehr ich Edwin persönlich schätze - mit seinen Äusserungen bezüglich Zeffirelli - und natürlich auch Schenk - nicht konform gehe.
    Dies nur, um nicht den Eindruck entstehen zu lassen, das Tamino Klassikforum würde einheitlich zu diesem Urteil stehen.
    Ich beabsichtige mit meinen Statements weder jemanden zu überzeugen, noch zu langweilen, weil sie sich ja immer wiederholen.
    Mir persönlich geht es vielmehr darum, daß hier auch gesagt werden kann, wenn man die "heutigen" Inszenierungen mehrheitlich als Verhöhnungen von Werk, Librettist und Publikum empfindet - letzteres wird ja von einigen sogenannten Opinion Leadern gar nicht bestritten - sondern im Gegenteil bekräftigt. Das "satte Opernpublikum" soll "aufgeschreckt" werden. Wenn ich mich aufschrecken lassen will, dann lese ich Wirtschaftsnachrichten, da brauche ich nicht teures Geld in eine Opernkarte verpulvern.



    Zitat

    ....solange nur keine Zeffirelleske Langeweile und keine Schenk'sche Zappelei entsteht.


    Zefirelli - ich sage es an dieser Stelle ganz laut - stellt für mich den Idealfall einer Opernrealisierung dar. Einheit von Kostüm, Ausstattung und Regie, die Opern wurden plastischer in Szene gesetzt als es sich die Schöpfer in ihren kühnsten Träumen vorstellen konnten.


    Wie gesagt, ich sage obiges lediglich, damit nicht der Eindruck entsteht, der Zug wäre endgültig in Richtung "abstrakter" Regie abgefahren - alle hätten es aktzeptiert. Ich möchte vielmehr alle jene ermuntern aus ihrer Deckung hervorzukommen und Farbe zu bekennen - egal was die "Regietheartermafia" dazu sagt. Sie konnte ihre Wünsche lediglich durchsetzen, weil ein Großteil der Gegner ihre Aktivitäten stillschweigend akzeptiert hat.



    Zitat

    Unabhängig davon, was für eine Geisteshaltung hinter einer solchen Forderung steht, die nicht öffentlich geäussert wird, es muss keine/r diese Berichte lesen. Sie scheinen aber so interessant zu sein, dass diese kleinen Besprechungen auch von vielen Gästen gerne gelesen werden,


    Hier sind wir voll d´accord - allerding nur scheinbar.


    Richtig ist, daß die Threads, die sich mit moderenem Regietheater (welche Aufwertung!!) und konservativem (ich würde lieber sagen, "werksgetreuen" Aufführungsstil auseinandersetzen eine hohe Einschaltquote haben.


    Was uns trennt ist lediglich die Analyse WARUM diese Threads gerne gelesen und besucht werden. Es ist weniger das Interesse am Thema selbat, als vielmehr an der Auseinandersetzung an sich. Immer wenn sich Forianer irgendwo "befetzen", dann lockt das eine Menge Zuschauer an, welche mit Genuss beobachten wie sich die verschiedenen Parteien gegenseitig "fertig machen"


    Neben diesem negativen Effekt, wird aber auch klar, wie WICHTIG vielen die Klassische Musik und die Oper an sich AUCH HEUTE NOCH sind.
    Es wird hier gestritten wie am Fußballplatz.


    Und einige meinen, daß sei gut so....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Liebe Waltrada,

    Zitat

    Keine gute Idee finde ich dagegen unbekannte Werke gleich jener Form des Regietheaters zu überlassen, deren Konzept es ist, provokant zu inszenieren, Werke auf den Kopf zu stellen, bestimmte Sichtweisen von außen auf das Werk zu versuchen etc. Hier ist es eindeutig sinnvoller, erst einmal dem Werk selbst zu vertrauen und daher eher werkadäquat und vernünftig zu inszenieren, damit das Publikum erst einmal die Gelegenheit hat, die eigentliche Oper kennenzulernen, sich mit dieser vertraut zu machen.


    In diesem Punkt sind wir einer Meinung. Ein unbekanntes Werk verträgt das Regietheater schlecht, weil die Reibefläche zwischen "Original" und "Deutung" wegfällt, wenn das Publikum das Original nicht kennt.
    Mir kam einmal eine von John Dew an sich glänzend inszenierte "Irrelohe" Schrekers unter, bei der ich doch gespalten bin. Ich kannte das bis dahin seit den Dreißigerjahren ungespielte Werk durch den Klavierauszug, kannte auch das Libretto und begriff, worauf Dew hinauswollte. Allerdings war ich in einer Sonderposition. Wer das Werk nicht kannte (und die Wahrscheinlichkeit war extrem groß) verstand gar nichts mehr, nämlich weder Schreker noch Dew. Olivier Tambosis Regie in Verdis "Macbeth" hingegen war unproblematisch - das Werk war wohlbekannt, man verstand. Und buhte, weil diese heftige Anklage von Krieg und Gewalt für das zartbesaitete Wiener Publikum wohl etwas zu viel war.
    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt



    Zefirelli - ich sage es an dieser Stelle ganz laut - stellt für miich den Idealfall einer Opernrealisierung dar. Einheit von Kostüm, Ausstattung und Regie, die Opern wurden plastischer in Szene gesetzt als es sich die Schöpfer in ihren kühnsten Träumen vorstellen konnten.


    Hm, ich weiß einfach nicht. Wenn ich die "Bohéme" in der New Yorker Version nehme: da tummeln sich im zweiten Akt einige Hundertschaften auf der Bühne, Pferde traben vorbei und so weiter. Eine tolle Show, aber was hat das mit der Oper zu tun - es ist ein "Arme-Leute-Stück" und kein Film von Cecil B. DeMille...

  • Lieber Alfred,

    Zitat

    Einheit von Kostüm, Ausstattung und Regie, die Opern wurden plastischer in Szene gesetzt als es sich die Schöpfer in ihren kühnsten Träumen vorstellen konnten.


    Und damit sind Zeffirellis "Regiearbeiten" eigentlich nicht werkkonform, denn wie Du selbst zugibst, haben es sich die Komponisten so (opulent, schwelgerisch etc.) gar nicht vorgestellt. Aus gutem Grund: Sie wollten nicht das Publikum vom eigentlich Wichtigem, nämlich dem Gehalt des Werkes, ablenken. Derartiges Schaugepränge mag für Freiluftbühnen an heißen Sommerabenden recht nett sein (vor allem, wenn man auf ein Gewitter zwecks vorzeitiger Erlösung hoffen darf), in einem Opernhaus ist solche Ausstattungshypertrophie für mich lediglich Geschmacklosigkeit pur. Ergo gehören für mich die "Boheme" und die "Aida" (mit ihrem unhistorischen Pseudo-Ägypten) zu den schlechtesten Opern-Inszenierungen, die ich kenne und unterbieten sogar noch Schenks patscherten "Ring" und seine hilflosen "Meistersinger".
    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Armin Diedrich
    ...
    Hm, ich weiß einfach nicht. Wenn ich die "Bohéme" in der New Yorker Version nehme: da tummeln sich im zweiten Akt einige Hundertschaften auf der Bühne, Pferde traben vorbei und so weiter. Eine tolle Show, aber was hat das mit der Oper zu tun - es ist ein "Arme-Leute-Stück" und kein Film von Cecil B. DeMille...


    Der zweite Akt spielt in den Straßen von Paris und im Café Momus am Heiligen Abend. Dieser ist in Frankreich (und vor allem in Paris!) ein öffentliches Volksfest und nicht wie bei uns (und auch in Deutschland) ein eher "stilles" Familienfest.


    Das "Arme-Leute-Stück" soll in der traurigen Mansarde im 1. und 4. Akt zu sehen sein!


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Lieber Alfred,


    sicher, manchmal genügt schon der Bericht über eine Opernaufführung, und die Emotionen schlagen hoch. Das wird dann, da bin ich durchaus Deiner Meinung, aus unterschiedlichen Gründen, gerne gelesen. Aber es gibt ja auch Berichte, die zwar gelesen, aber nicht diskutiert werden. Ich war z. B. etwas überrascht, dass der Leipziger "Holländer" hier bei "Tamino" kein Thema war.


    Was mich etwas anstösst, ich will das hier gerne noch mal sagen, dass es anscheinend Leute gibt, die überhaupt keine Diskussion wünschen, sondern fordern, dass Besprechungen nicht genehmer Aufführungen, von der Administration unterbunden werden sollen - das halte ich für, Verzeihung, schäbig.

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    ...
    Und damit sind Zeffirellis "Regiearbeiten" eigentlich nicht werkkonform, denn wie Du selbst zugibst, haben es sich die Komponisten so (opulent, schwelgerisch etc.) gar nicht vorgestellt. Aus gutem Grund: Sie wollten nicht das Publikum vom eigentlich Wichtigem, nämlich dem Gehalt des Werkes, ablenken.
    ...


    Was vollkommen daneben ist!


    Die großen Häuser überboten sich im Aufwand der Ausstattungen und das war auch von den Komponisten hoch geschätzt. Oper war auch einmal das Gegenstück zu heutigen Hollywood-Blockbustern, das Publikum konnte dort Spektakel erleben wie nirgendwo anders. Wagner war z.B. sehr unglücklich darüber, dass die sündteure Ausstattung seines Uraufführungs-Rings bei weitem nicht in der Lage war, jene Illusion zu erzeugen, die ihm vorgeschwebt war (und er wollte es genau so, wie in seinen Libretti beschrieben!!!)

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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