Operninszenierungen - modern vs. "altmodisch"

  • Lieber Thomas,
    im Sprechtheater geht das wohl etwas leichter; im Musiktheater verlieren die Protagonisten dadurch zu leicht den Kontakt zur musikalischen Leitung. Zumindest besteht eine gewisse Gefahr dazu.
    Ich kenne lediglich ein paar Aufführungen mit den schon bekannten Auftritten durch die Publikumsreihen. Die Musikhochschule hat einmal auf ihrer Probebühne Brittens "Albert Herring" gebracht, und zwar so, daß im zweiten Akt das Publikum an den Rändern der gesamten Spielfläche saß und dadurch "Teilnehmer" der Maifeier wurde. In Menottis "Globolinks" trieben sich die Außerirdischen natürlich im Publikum herum. In Ligetis "Grand Macabre" im Jugendstiltheater fand der Umzug durch die Zuschauerreihen statt etc.
    :hello:

    ...

  • Lieber Thomas aus Norderstedt,


    wenn ich drüber nachdenke, gibt es das öfter, als man meinen könnte, in unterschiedlicher Ausprägung. Ein sehr gelungenes Beispiel ist die "L´Orfeo" (Monteverdi) Inszenierung in Basel durch Jan Bosse gewesen. So findet die Hochzeitsfeier Orfeo - Euridice im Foyer des Theaters Basel mit den real-existierenden Zuschauern statt (meine Besprechung der Aufführung ist hier im Forum zu finden).


    In Hamburg hat Uwe-Eric Laufenberg den "Prinz Jodelet" (komponiert von Reinhard Keiser) im Zuschauerraum beginnen lassen - die Sänger verkaufen als Obdachlose eine Strassenzeitung ans Publikum.


    Ebenfalls in Hamburg sitzt in Konwitschnys "Freischütz"-Inszenierung der Eremit in der ersten Parkettreihe und wirft Agathe nach ihrer Arie mit einem "Bravo" jene Rosen auf die Bühne, die den Brautkranz bilden werden.


    Nochmal Hamburg, nochmal Konwitschny: in "Lulu" streitet sich im Parkett während der eigentlich als "Filmmusik" vorgesehenen Passage im Publikum ein Ehepaar, dass auf die Bühne eilt (dort sieht man originalgetreu den Garderobenbereich der Staatsoper), der Mann bringt die Frau um, und dann läuft die Handlung rückwärts, bis das Ehepaar wieder zum Publikum wird.


    Hilsdorf, "Don Carlo" Wiesbaden/Essen/Münster - der Chor des Autodafés wird mitten unter den Zuschauer/innen im Parkett gesungen.


    Leipzig "Holländer": ursprünglich hatte die Stripperin direkten Kontakt mit dem Publikum, auch Senta tritt durchs Publikum auf.


    Essen: sowohl in "Turandot", als auch in "Tannhäuser" und "Mahagonny" ist der Chor im Zuschauerraum präsent. Während der Erda-Szene im "Rheingold" schreiten die drei Nornen durch den Zuschauerraum, eine unglaublich starke Szene.


    Dass ist das, was mir spontan zu Deiner Frage einfällt.

  • Ich habe - nach längerer Pause - hier wieder ein wenig mitgelesen.
    Und - es wurde weiter oben schon angesprochen - entgegen meinen Vorsätzen möchte ich doch einiges dazu schreiben.


    Quasi als "Ablenkungsmanöver" wird (IMO zu Recht) darauf hingewiesen, daß eine Aufführung a. la Drottningholm, auch wenn sie bei Wachskerzenlicht realisiert würde - sicher nicht einer solchen vor 250 Jahren entsprechen würde.


    Diesem Gedanken kann ich mich anschliessen. Selbst wenn es eine Oper in deutscher Sprache wäre - die Sprache (vom puren Text mal abgesehen) ändert sich ja ständig, ich meine hier - zwar nicht nur - aber auch - die Sprachmelodie der Textstellen (so welche vorhanden). Schon ein Vergleich alter Opernaufnahmen aus den vierziger Jahren offenbart das: Selbst beim reinen Akustikerlebnis via Tonträger vermittelt eine Aufnahme vor , 60 bzw 70 Jahren eine völlig andere Welt (Die Sprache wurde früher sangbarer, kultivierter eingesetzt, ein MÄdchen war noch ein MÄdchen und kein MEEdchen - wie etwa heute. Welche Vielfalt an "o" s wurde beispielsweise geboten, ja auch Liqueur, klingt anders als Likör, das Q war unterschwllig vorhanden.
    Um wieviel anders die Sprache des 18. Jahrhunderts geklungen haben muß - das können wir nur erahnen. Von anderen Gegebenheiten mal abgesehen. Das tangiert uns als Zuseher des 21. Jahrhunderts jedoch nicht - wir leben in der momentanen ILLUSION, es wäre so gewesen wie man uns das vorspielt*
    Ähnliches kann man erleben wenn auf einem Wiener Theater ein Schweizer gemimt wird. Das Wiener Publikum lobt die Realitätsnähe - ein zufällig im Auditorium anwesender Schweizer wäre vermutlich entsetzt....
    Indes - wir haben keine Zeitzeugen des 18. Jahrhunderts zur Verfügung - und somit sind wir mit der Illusion der Authenzität zufrieden.


    Irgendjemand nannte diesen historisierenden Ansatz "moderne Regie"
    Das ist zwar prinzipiell nicht von der Hand zu weisen - aber der Begriff "modern" ist in Sachen Opernregie schon mit gewissen Vorstellungen belegt, sodaß ich davon abraten möchte, ihn in diesem Zusammenhang zu verwenden.


    Vielleicht sollten wir uns Gedanken machen welche Möglichkeiten uns bei einer Oper wie Mozarts "Figaro" Don Giovanni oder der Zauberflöte zur Verfügung stehen


    1) Historisierende Aufführung a la Drottningholm
    (Unzureichende Bühnenbeleuchtung, simple Wackelkulissen, relativ primitive Bühneneffekte)


    2) Aufführung in historischen Kostümen und detailgetreuer Kulisse, sozusagen überrealistisch.
    Es werden ganze Paläste nachgebaut, Donner und Blitz sind realistisch, jeder gewünschte Lichtefferkt ist machbar - sehr nahe dem Kinofilm.


    3) Aufführung die zwar im historischen Ambiente mit ebensolchen Kostümen spielt, aber Szenen, die man vermutlich zu Mozarts Zeiten gern realistisch gestaltet hätte - aber nicht durfte
    Zusätzlich zu 2 wird Nacktheit, wo sie aus Konsens gegen Zensur und Zeitgeschmack zur Uraufführung nicht möglich war - ausgespielt.
    Alles was das Libetto anbietet wird schamlos realisiert (und manchmal auch ein wenig darüber)


    4) Stilisierende Aufführung mit vereinfachten historischen Kostümen.URSPRÜNGLICH vermutlich aus Kostengründen, jedoch angeblich auch aus Focussierung auf das Stück. Dekoration zwar der vorgeschriebenen Zeit entsprechend, aber oft sehr vereinfacht oder symbolisiert, gelegentlich auch fast nur schwarzer Hintergrund


    5) Verfremdende Aufführung
    ich will hier nicht die einzelnen Möglichkeiten von geschmacklichen Entgleisungen aufzählen, und mich lediglich auf einige Merkmale beschränken. Alle von mir aufgezählen Merkmale KÖNNEN, müssen aber nicht vorkommen.


    Änderung der Zeit und des Ortes
    Kostüme, welche in überhaupt keine Zeit passen , bzw Zeitenmix
    Einbau im Original nicht vorhandener Personen
    Darstellung des Stückes als "Traum"
    Surreale Elemente
    Versuch der Vermittlung einer politischen Botschaft, die im Original nicht enthalten war
    Slapstick Effekte -oft gut gemacht aber unpassend zum Stück.
    Gelegentlich auch Kollision mit dem vorhandenen Librettotext.
    Benutzung eines Klassikers um eine "EIGENE" Geschichte zu erzählen
    ________________________________________


    Daß ich persönlich den Varianten 2 und 3 zuneige ist sicher kein Geheimnis. Was an einer Inszenierung, die ene Oper weitgehend entstellt "modern" sein soll, das bleibt mir ein Rätsel - mehr noch - wie lange das "modern" BLEIBT ?
    Es kann doch nicht ewig so weitergehn ?


    Die von mir angefeindete Variante 5 hat in gewisser Weise ihre Berechtigung:
    Für übersättigte Kritiker, für ein Publikum , das den "Kick" sucht
    -warum nicht ?
    Dann aber bitte nicht unter falscher Flagge:


    Was hier ausgeführt wird ist dann nicht
    "Schikaneders "Zauberflöte" mit Musik von Wolfgang Amadeus Mozart,
    sondern allenfalls eine pervertierte (oder euphemistisch: umgedeutete) Spielart davon.


    Das unschuldige zahlende Publikum sollte man jedoch damit tunlichst verschonen.


    Ein Wort noch zum Schluß: Es wird immer wieder angefragt, warum die Vertreter der "konservativen" (also "bewahrenden") Fraktion so gegen die "Verfremder" geifern - es wäre doch Platz für verschieden Sichtweisen.
    Soweit die Theorie Die Praxis hat indes gezeigt, daß das "moderne Regietheater" wie ein Flächenbrand alles verschlingt was ihm in die Nähe kommt und alles bisherige Gute zu einem Aschenhaufen macht.
    Oder - sachlich formuliert:
    Es gibt aufgrund eines scheinbar straff organisierten Modernisierer-Netzwerks - kaum mehr nennenswerte Aufführungen vieler Opern in unverfälschter Fassung.
    Wenn mich heute ein junger Mensch fragt, welche Oper in welcher Inszenierung ich ihm als Einstieg ins Genere empfehlen möcht, so ist meine lakonisch Antwort darauf stets: KEINE


    mfg aus Wien


    Alfred



    *Das ist übrigens auch die Gefahr "modernern" Inszenierungen.
    Während heutige Generatione wenigstens noch WISSEN wie das Stück EIGENTLICH beschaffen war, erhält die Jugend heute oft NUR mehr die verfälschte Version.

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber keith,


    Ich möchte verstehen, was Du meinst, deshalb meine Nachfragen:


    Zitat

    Original von keith63
    Geht es hier lediglich um rhetorische Behauptung?


    Welcher Art? Was wird von wem behauptet?


    Zitat

    aber alles in diesem Thread ist sehr müßig...; weil nicht/oder so wenig ergebnisorientiert.


    Wie soll das Ergebnis aussehen? Ich erlebe die konservativen Opernfreund/innen hier immer wieder als Leute, die absolute Wahrheiten im Gepäck haben, da ist doch kein Dialog möglich.


    Zitat

    [i]Hier geht es um etwas [I]ganz

    Zitat

    anderes...!


    Da schliesse ich mich vollumfänglich Edwin an.


    Zitat

    [i]Wenn sich die 'Klassikliebhaber'/die 'Opernliebhaber' schon in sich bekämpfen


    Ich bekämpfe niemanden.


    Zitat

    [i]Ich "loderte" nicht das Feuer an....


    Das habe ich an keiner Stelle behauptet, da möchte ich auch bitte nicht missverstanden werden.

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    1) Historisierende Aufführung a la Drottningholm
    (Unzureichende Bühnenbeleuchtung, simple Wackelkulissen, relativ primitive Bühneneffekte)


    Diese unglaublich glaubhafen Detailanalysen unserer Vorortreporter [die Betonung liegt auf 'ort' Anm. d. Verf.] sind doch immer wieder erquicklich.


    :beatnik:

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • äh ich kann gerade nicht so ganz glauben was ich hier so lese.


    Aber bevor irgendwelche Mißverständnisse auftauchen.


    Drottningholm hat alles andere als primitive Bühneneffekte.
    Da funktioniert noch die ganze Theatermschine - hier kann man diese oft beschrieben Szenenwechsel bei offenem Vorhang erleben.


    Diese Technik die dahinter sitzt ist alles andere als primitiv.




    und wackeln tut da auch nüscht :hahahaha:



    Es gibt bei der Sendung "Schätze der Welt - Erbe der Menschheit" einen Film über Drottningholm, da kommt auch das Theater vor - das sollte man sich mal ansehen, oder aber diesen Clip bei juuutjup:


    youtube.com/watch?v=kjKCoBaFybw


    vorspulen auf 5:00 minuten und einfach mal gucken, das dürfte einiges klarstellen.
    Über Inszenierungen und Personenregie kann man streiten, aber nicht über diese geniale Bühnentechnik.
    (ich denke nicht, dass man dafür niemals Fernsehn gesehen oder CD gehört haben darf um davon auch Heute noch fasziniert zu sein.)


    Die Menschen des 17. und 18. Jahrhunderts hatten vielleicht keinen Strom, aber sie waren nicht blöd


    :boese2:

  • Vielleicht sollte man sich zu allererst mal Gedanken machen, wie man das Phänomen Oper überhaupt den nachfolgenden Generationen und klassikfremden Schichten erhalten und vermitteln kann.
    Damit werden viele der hier angeführten Thesen nämlich schon gleich hinfällig.


    Da geht es vor allem darum , die Essenz von Werken zu transsportieren und einen Weg zu finden, universelle Themen auch für heutige Menschen verständlich auf die Bühne zu bringen.
    Wenn Oper nciht aussterben soll und junge Publikumsschichten errecihen soll, ist das unvermeidlich.
    Dinosaurier sind zwar nett anzusehen, aber ihr grosser Nachteil ist leider, dass sie nur Skelette sind und allzu Fossiles ausströmen. Das past dann als Faszinosum fürs Naturkundemuseum aber nciht für die Theaterbühne.


    Dasselbe Phänomen haben wir doch bei Filmstoffen, die über verschiedene Generationen je anders verfilmt wurden und werden.
    Die Liebhaber nostalgischer Filme kommen auf ihre Kosten und sollen es weiterhin tun, aber es gibt dennoch immer wieder Neuverfilmungen, die dann neuen Generationen neuer Kult werden.
    Man kann sich doch nicht ernsthaft mit aller Gewalt gegen den Lauf der Welt und der Generationen stemmen! 8o


    Ich begreife den Dogmatismus dieser Debatte einfach nicht, denn er widerspricht dem gesunden Menschenverstand und jeder Erfahrung mit Kunst über die Jahrhunderte hinweg.


    Wandel und Entwicklung sind dem Menschsein so immanent, dass man doch die Kunst nicht einfach davon abkoppeln kann ?( ?( ?( ?(


    Ziemlich ratlos angesichts dieser Tamino Fronten Fairy Queen

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Da geht es vor allem darum , die Essenz von Werken zu transsportieren und einen Weg zu finden, universelle Themen auch für heutige Menschen verständlich auf die Bühne zu bringen.
    Wenn Oper nciht aussterben soll und junge Publikumsschichten errecihen soll, ist das unvermeidlich.


    Mit dieser Aussage wirst Du Alfred aber auf die Palme bringen... :D


    Zitat


    Dasselbe Phänomen haben wir doch bei Filmstoffen, die über verschiedene Generationen je anders verfilmt wurden und werden.
    Die Liebhaber nostalgischer Filme kommen auf ihre Kosten und sollen es weiterhin tun, aber es gibt dennoch immer wieder Neuverfilmungen, die dann neuen Generationen neuer Kult werden.


    Hm. Da bin ich jetzt aber mal auf ultimative Beispiele gespannt... :pfeif: (nicht, daß ich etwas gegen Deine Theorie hätte, aber in der Praxis sieht das m. E. doch ganz anders aus, oder?)


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo,
    hallo Alviano,


    1. Behauptung in der Bedeutung von 'Selbstbehauptung'.
    2. Ergebnis: z. B. T o l e r a n z ? 8o(Damit bist aber nicht Du persönlich gemeint!).
    3. "Ich schweige!" (Aber was ich "unterlasse", bestimme ich oder ggfs. der Administrator).
    4. "bekämpfen" nicht physisch martialisch gemeint, sondern i. S. von "Wortgefecht".


    Bis dann. :)



    Erscheint dir etwas unerhört,
    bist tiefsten Herzens du empört;
    bäum' dich nicht auf, versuch's nicht im Streit,
    berühr' es nicht, überlass es der Zeit.
    Am ersten Tag wirst du feige dich schelten;
    am zweiten lässt du dein Schweigen schon gelten;
    am dritten hast du's überwunden:
    Alles ist wichtig nur auf Stunden.
    Ärger ist Zehrer und Lebensvergifter,
    Zeit ist Balsam und Friedensstifter.


    (Theodor Fontane)


    Huch, falscher Thread! ;)

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  • sehe ich ähnlich, aber diese Sicht der Dinge bezieht sich ja nicht nur auf die Inszenierung.


    Meist wird ja im gleichen Atemzug auch die Aufführungstradition der 40er 50er 60er und 70er Jahre gefordert.


    Ich mag weder den Interpretationstil dieser Zeit, noch die Inszenierungen (grausamer gehts nimmer - Heimatfilm auf der Opernbühne, ne also wirklich nicht)




    Alles bleibt immer ein Spiegel der eigenen Zeit, egal wie "historisch" man etwas machen will. So ändert sich auch die Interpretation von Zeit zu Zeit und so ändern sich auch die Inszenierungen.


    Ich empfinde die meisten "modernen" Inszenierungen auch schon als altbacken, weil die Zeit eigentlich schon viel weiter ist.
    In den meisten Fällen wird aber erst jetzt die Avantgard der 60er Jahre auf die Bühne gebracht.
    Ich finde das genauso langweilig wie diese Ausstattungsorgien.


    Ich habe mal etwas gegoogelt, weil ich den Namen Zeffirelli nicht kannte.
    Ein Paradebeispiel für das was ich gerade beschrieben habe, das passt aber wie A. auf Eimer, wenn man die Interpretations der Musik aus dieser Zeit hinzu nimmt.


    Mein Fall ist es nicht, aber es vermittelt eben das Klischeebild der Oper.



    Ich verstehe auch nicht warum Unterhaltung und Bildung sich gegenseitig ausschließen muss - warum ist es nicht möglich da eine Verbindung herzustellen ?
    Ich arbeite grundsätzlich nur nach diesem Prinzip.
    Denn ich finde beides in Reinform ist einfach langweilig, erst durch die Kombination entsteht etwas spannendes.


    Aber vielleicht sollte man nicht gerade übers Feld laufen, wenn die Parteien in ihren Gräben liegen und Granaten werfen.....



    P.S.


    wegen den Filmen bin ich auch skeptisch, denn da liegt das meiner Meinung nach ebenso wie bei den Inszenierungen, allein an den Fähigkeiten des Regisseurs.
    Es gibt gute alte Filme, aber auch eine menge schlechte und genauso umgekehrt.
    Ich weiß nicht ob jede Neuverfilmung automatisch von der jetzigen Generation besser aufgenommen wird.


    nur mal ein Beispiel: Planet der Affen.
    Damals eine bitterböse Satire und eine Gesellschaftskritik die bis Heute absolut aktuell ist.
    Und die Neuverfilmung ?
    Ein Armutszeugnis, damit haben sich die Macher nur blamiert.



    Es muss einfach nur gut sein - dann hat es einen gewissen Ewigkeitswert, unabhängig von der Entstehungszeit.
    Das ist doch generell das was Kunst ausmacht.

  • Zitat

    Original von der Lullist
    sehe ich ähnlich, aber diese Sicht der Dinge bezieht sich ja nicht nur auf die Inszenierung.


    Meist wird ja im gleichen Atemzug auch die Aufführungstradition der 40er 50er 60er und 70er Jahre gefordert.


    Ich mag weder den Interpretationstil dieser Zeit, noch die Inszenierungen (grausamer gehts nimmer - Heimatfilm auf der Opernbühne, ne also wirklich nicht)


    Lieber Lullist,


    im Prinzip sehe ich das ähnlich; es hat aber auch da eine Reihe von exzellenten Inszenierungen gegeben, die ich nicht missen möchte.


    Hin und wieder schaue ich mir das - nicht ohne Nostalgie - mit Wohlwollen an, genieße das Gültige und sehe über das Zeitbedingte hinweg.


    Zitat

    Alles bleibt immer ein Spiegel der eigenen Zeit, egal wie "historisch" man etwas machen will. So ändert sich auch die Interpretation von Zeit zu Zeit und so ändern sich auch die Inszenierungen.


    Und hier sind wir einer Meinung.



    Zitat

    wegen den Filmen bin ich auch skeptisch, denn da liegt das meiner Meinung nach ebenso wie bei den Inszenierungen, allein an den Fähigkeiten des Regisseurs.
    Es gibt gute alte Filme, aber auch eine menge schlechte und genauso umgekehrt.
    Ich weiß nicht ob jede Neuverfilmung automatisch von der jetzigen Generation besser aufgenommen wird.


    Da hast Du Recht, ein Remake ist (wie ein Serial) in der Regel schlechter als das Vorbild. Fairy Queen sprach aber nicht von Neuverfimungen im Sinne einer Neuverfilmung eines Drehbuches, sondern eines Stoffes. Da wird etwa eine Bibel-Verfilmung der 40er und 50er schon etwas anders wirken als ein Scorcese etwa.


    Nur geht es in diesem Thread ja nicht um Neuschöpfungen eines Stoffes. Aber die Zeiten, da es die "Armide" oder den "Ezio" dutzendweise gab, sind vorüber ...


    Liebe Grüße Peter


  • Möglicherweise paßt die Neuinszenierung in Darmastadt (John Dew) hier hinein; ich habe sie (noch) nicht gesehen, wohl aber Matthias Pfütz, der sie anschaulich besprochen hat:


    Zitat

    Schön ist auch der Einzug der Bürger vor der Prügelszene, sie kommen fast alle in Nachthemden durch den Zuschauerraum auf die Bühne. Ähnliches passiert dann beim Einzug der Meister vor der Festwiese.


    Näheres hier.

  • Anschliessend an Fairy Queen und auch so ein wenig an das, was keith geschrieben hat, möchte ich das nochmal klar sagen: ein Dialog wird dann unmöglich, wenn überhaupt keine Dialogbereitschaft besteht. So betont Alfred z. B. immer wieder, dass er gar nicht diskutieren möchte, sondern nur seine Position verteidigen will - er akzeptiert also eine andere Auffassung, als seine eigene grundsätzlich nicht. Es ist keine Einladung zum Dialog, wenn die eigenen Vorurteile wertend eingebracht werden und damit die Position des Gegenübers diskreditiert wird. Es ist ein Unterschied, wenn bsplsw. Edwin konkret sagt, dass ihm die Form, wie Zefirelli Oper nur bebildert, anstatt eine Handlung wirklich zu inszenieren, für eine Theateraufführung entschieden zu wenig ist - da geht es nicht um die Frage, wie der Rahmen, also das Bühnenbild oder die Kostüme gestaltet sind, sondern darum, ob eine Regie eine wichtige Aufgabe erfüllt hat, z. B. eine vernünftige, glaubwürde Personenführung erfolgt ist - oder ob man vorneherein alles ablehnt, was den eigenen Geschmacksvorstellungen nicht entspricht. Der Hauptirrtum, den auch Alfred immer wieder begeht, ist die - leicht zu wiederlegende - Behauptung, Theater sei statisch, unveränderbar, museal. Das war Theater nie, Theater war immer - und ist es natürlich auch heute noch - dynamisch, veränderbar, oft ein Seismograph der Gegenwart und Ort des gesellschaftlichen Diskurses. Theater ist nicht ein-, sondern vielfältig, auch diese Behauptung, es gäbe nur noch eine bestimmte Form von Inszenierungen, lässt sich durch die Realität an unseren Theatern widerlegen, allerdings muss man sich dann schon auch hin-und-wieder mal eine Aufführung anschauen. Manchmal misslingt eine Aufführung aber oftmals gibts richtig spannendes Theater zu sehen. Nur eines sollte Theater nicht sein: in Konvention erstarrt, langweilig oder mittelmässig.


    Wie die Entwicklung im Theater weitergehen wird, können wir alle in Ruhe auf uns zukommen lassen - was nicht kommen wird, ist die Restauration der 60er Jahre Optik, davon bin ich überzeugt.

  • Hallo Keith,


    ad 1)
    Jeder Diskussionsbeitrag ist eine Selbstbehauptung. Es fragt sich lediglich, ob es eine Selbstbehauptung ist, die obendrein einen möglichen Erkenntnisgewinn für die Diskussionsteilnehmer bedeutet oder eine Selbstbehauptung, nur um etwas zu sagen. Da fiel mir in diesem Thread ein Beitrag besonders auf... ;)


    ad 2)
    Ich glaube nicht, daß hier irgendjemand die Meinung eines Anderen nicht toleriert.
    Oder doch?
    Wenn ich Statements lese wie

    Zitat

    Das unschuldige zahlende Publikum sollte man jedoch damit (mit Regietheaterinszenierungen, Anm.) tunlichst verschonen.


    oder

    Zitat

    Die Praxis hat indes gezeigt, daß das "moderne Regietheater" wie ein Flächenbrand alles verschlingt was ihm in die Nähe kommt und alles bisherige Gute zu einem Aschenhaufen macht.


    dann frage ich mich, wie weit die Toleranz anderer Meinungen schon unterminiert ist. Allein die Sprache dieses letzten Zitats ließe mir die Haare zu Berge stehen, kennte ich nicht den Verfasser gut genug um zu wissen, daß es bei ihm die Zusammenhänge nicht gibt, die ich sonst vermuten würde.


    ad 3)
    Sehr schön, aber nicht ganz der Realität entsprechend.


    ad 4)
    Ja, und? Diskussionen sind eben - auch - Wortgefechte.


    :hello:


    P.S.: Sehr schönes Fontane-Zitat. Ich halt's hingegen mit den Lateinern: Si tacuisses... :D

    ...

  • Liebe Waltrada,


    die Eule als dein Symbol ist goldrichtig gewählt - dies ist einer der klügsten Beiträge die ich hier zu diesem Thema gelesen habe! Deine Einleitung ist z.B. ein nicht zu unterschätzender Faktor - im Repertoire erweisen sich allzu ausgefallene Inszenierungen einfach als untauglich, Kostüme oft nur für die Premierenbesetzung tragbar. So kann ich mir z.B. kaum vorstellen dass ein etwas fülligerer Mezzo in das Kostüm unserer aktuellen Preziosilla passen würde.
    Solche Produktionen verschwinden dann einfach wieder vom Spielplan, sowie der missglückte "Trovatore" in der Regie von Istvan Szabo, der in diesem Werk unbedingt unsere zerbombte Oper unterbringen wollte.
    In unsere "altmodischen" Inszenierungen kann jedenfalls jederzeit ein Star ohne viel zu proben einsteigen!


    Liebe Grüße,
    Margit

  • Lieber Alviano,

    Zitat

    Es ist ein Unterschied, wenn bsplsw. Edwin konkret sagt, dass ihm die Form, wie Zefirelli Oper nur bebildert, anstatt eine Handlung wirklich zu inszenieren, für eine Theateraufführung entschieden zu wenig ist


    Und da hängt noch viel mehr dran. Nämlich die Überlegung, ob es in der Oper um das Werk geht oder um die Interpreten. Ich meine, es geht ums Werk. Das Regietheater bringt genau diese Diskussion in Gang. Es bietet eine Reibefläche, an der sich die Diskussion über das Werk entzündet. Die Interpreten treten dadurch in den Hintergrund. Für mich ein willkommener Effekt, denn für mich steht das Werk höher als sein Interpret.
    Ich behaupte: Dank der Chéreau-Inszenierung wurde mehr über Wagner nachgedacht als durch jede konservative Inszenierung.
    Nehmen wir an, dieser "Ring" wäre in einem von Regietheater völlig freien Umfeld entstanden und ebenfalls konservativ inszeniert worden: Man hätte nur noch überlegt, ob Gwyneth Jones die Walküren-Rufe richtig gesungen hat und ob René Kollo ein zweiter Windgassen war oder nicht.
    So aber diskutierte man über den "Ring" und seine Bedeutungsschichten.


    Das ist meiner Meinung nach aber kein Chéreau-Effekt, sondern der Effekt jeder Regietheater-Inszenierung - auch derer, die daneben gehen. Weshalb ich große Sympathien für diese Richtung habe, wenngleich ich manch konservative Inszenierung durchaus schätzen kann, wenn sie intelligent gemacht ist und über das Nachstellen von Regieanweisungen hinausgeht.


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von fortunata
    In unsere "altmodischen" Inszenierungen kann jedenfalls jederzeit ein Star ohne viel zu proben einsteigen!


    Ist das denn wirklich wünschenswert? Das heisst doch nur, dass es eine wie auch immer geartete Inszenierung nicht gibt, jeder macht das, was er an anderen Bühnen auch macht, oder steht halt dekorativ auf der Bühne rum. Genau deshalb ist es irreführend, zu behaupten der "Barbiere" sei eine Rennert-Regie, da kann ich mitreden, den habe ich gesehen, das ist Quatsch. Sowas mag noch durchgehen, wenn die Sänger/innen toll sind - aber sonst?

  • Hallo,
    hallo Edwin,


    wenn Du auf Antworten Antworten erstellst... ?(


    Lass' doch 'mal "Gift und Galle" weg!;)
    Warum fühlst Du Dich permanent angegriffen?...Reiki...!:D


    Bis dann.

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  • Als jahrzehntelange Operngeherin freue ich mich immer wieder neue Künstler zu erleben - und die ganz Großen stehen nie nur dekorativ herum, sondern gestalten Oper immer spannend, egal in welcher Dekoration! Natürlich ist auch mir ein "Barbier" in Hausbesetzung längst langweilig, aber selbst da gibt es hin und wieder besetzungsmäßig Sternstunden!

  • Zitat

    Original von ThomasNorderstedt
    An dieser Stelle vielleicht eine ernst gemeinte Frage:


    In letzter Zeit habe ich ein wenig in theaterwissenschaftlichen Büchern gelesen. Thema Nr. 1 ist da (noch immer) das Performative. Sehr vereinfacht ausgedrückt geht es um die Besonderheit der Aufführungssituation in mehrfacher Hinsicht, u. a. neben der Betonung der Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit des jeweiligen Geschehens um die Interaktion zwischen Bühnengeschehen und Publikum, das als Teil derAufführung verstanden wird.


    Grundsätzlich ist das Element des Performativen und der Interaktion zwischen Darstellern und Publikum natürlich in jeder Aufführung gegeben (aber das weißt du); in der Oper vielleicht noch mehr als im Schauspiel, da hier Zuschauerreaktionen wie Applaus und Bravos während der Vorstellung viel öfter vorkommen als im Schauspiel und das Publikum so erstens an der Aufführung aktiv teilnimmt (also durch eine solche Intervention beispielsweise ihren Rhythmus verändert) und zweitens ein direktes Feedback liefert, das u.U. anspornend oder auch entmutigend auf die Darsteller wirkt und ihre Leistung verändert. Die Interaktion braucht man also nicht unbedingt zu inszenieren, sie findet eh statt; aus einem abgedunkelten Zuschauerraum möglicherweise übrigens eher als aus einem beleuchteten, in dem der Chor auftritt und die Umsitzenden sich wegducken.


    Ein besonders nettes Beispiel für eine solche Interaktion lieferte Jon Vickers in einem Live-Mitschnitt des "Tristan" ein einer offenbar herbstlichen Vorstellung, in der das Publikum vor allem hustend interagiert. In einer Generalpause innerhalb einer besonders leisen und lyrischen Passage unterbricht Vickers sich und brüllt ins Parkett: "Shup up that damn coughing!" Dann setzt das Orchester wieder ein, und Vickers singt ungerührt weiter...


    Grüße,
    Micha

  • Zitat

    Original von fortunata
    Und die ganz Großen stehen nie nur dekorativ herum, sondern gestalten Oper immer spannend, egal in welcher Dekoration!


    Pavarotti? Botha?

  • Zitat

    Original von fortunata
    Als jahrzehntelange Operngeherin freue ich mich immer wieder neue Künstler zu erleben - und die ganz Großen stehen nie nur dekorativ herum, sondern gestalten Oper immer spannend, egal in welcher Dekoration!


    Nun gut, aber von Inszenierung kann man da nun wahrlich nicht mehr reden. Sondern eben von Dekoration. Dazu kannst du dann ja einen eigenen thread aufmachen.


    Grüße,
    Micha

  • Zitat

    Original von Michael M.


    Nun gut, aber von Inszenierung kann man da nun wahrlich nicht mehr reden. Sondern eben von Dekoration. Dazu kannst du dann ja einen eigenen thread aufmachen.


    Grüße,
    Micha


    Wieso?
    Was sagt Wikipedia:
    "Unter Inszenierung (von griechisch ú·½®, skene: zu deutsch eigentlich „Zelt“) versteht man das Einrichten und die öffentliche Zurschaustellung eines Werkes oder einer Sache."
    Das heißt nicht, dass die Leute viel herumlaufen müssen.
    :hello:
    PS: Das Griechische ist schon was Schönes.

  • Sehr spitzfindig, lieber KSM. Natürlich geht der Wikipedia-Artikel auch weiter, nämlich so, zwei Sätze später:
    "Der Begriff wird oft auch synonym mit dem Begriff Regie verwendet und unterscheidet die Inszenierung insofern als künstlerischen Akt von der reinen Ausstellung, Aufführung oder Vorführung."


    :baeh01:
    Micha

  • Genau. Und Du willst uns jetzt Deine Verwendung des Begriffes aufzwingen und uns aus diesem Thread rausschmeißen ...


    Schließlich sind die "Regielies" ja so tolerant und ganz verständnislos gegenüber dieser abgrundtiefen Engstirnigkeit ( :D ) der "Staubies".


    Ich jedenfalls lese aus Alfreds Beitrag genausoviel Toleranz heraus wie aus denen von Edwin oder Peter - oder meinen. Man gesteht dem anderen Konzept schon irgendeine Daseinsberechtigung zu. Jaja.
    :rolleyes:

  • Zitat

    Und Du willst uns jetzt Deine Verwendung des Begriffes aufzwingen und uns aus diesem Thread rausschmeißen ...


    Ach was. Bloß, den Beitrag von Fortunata


    Zitat

    - und die ganz Großen stehen nie nur dekorativ herum, sondern gestalten Oper immer spannend, egal in welcher Dekoration!


    fand ich für eine Diskussion über Inszenierung nun doch etwas dünn.


    Grüße,
    Micha

  • Zitat

    Original von Alviano
    So betont Alfred z. B. immer wieder, dass er gar nicht diskutieren möchte, sondern nur seine Position verteidigen will - er akzeptiert also eine andere Auffassung, als seine eigene grundsätzlich nicht.


    Diese Folgerung kann ich nicht nachvollziehen.



    Zitat

    Es ist keine Einladung zum Dialog, wenn die eigenen Vorurteile wertend eingebracht werden und damit die Position des Gegenübers diskreditiert wird.


    Eben: Die Staubis würden nur Unterhaltung und keine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Inhalt wollen etc. Weg mit diesen Vorurteilen ...



    Zitat

    Es ist ein Unterschied, wenn bsplsw. Edwin konkret sagt, dass ihm die Form, wie Zefirelli Oper nur bebildert, anstatt eine Handlung wirklich zu inszenieren, für eine Theateraufführung entschieden zu wenig ist - da geht es nicht um die Frage, wie der Rahmen, also das Bühnenbild oder die Kostüme gestaltet sind, sondern darum, ob eine Regie eine wichtige Aufgabe erfüllt hat, z. B. eine vernünftige, glaubwürde Personenführung erfolgt ist - oder ob man vorneherein alles ablehnt, was den eigenen Geschmacksvorstellungen nicht entspricht.


    Es ist kein Unterschied, da Edwin alles ablehnt, was seinen Geschmacksvorstellungen nicht entspricht, z.B. was keine vernünftige Personenführung bietet. Es geht ja um den Grundsatz, hier, dass die Angabe zu Zeit und Ort der Handlung befolgt werden muss, dort, dass glaubwürdige Personenführung eine Aufgabe der Inszenierung ist, die erfüllt werden muss. Dogma gegen Dogma.


    Jeder schreibt dann dazu, dass das Andere auch erlaubt ist, damit er sich als tolerant deklarieren kann. Das wäre die Folge oder der Gewinn dieses Threads.
    :D

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