Operninszenierungen - modern vs. "altmodisch"

  • Ja, habe ich gesehen und ich war doch ziemlich enttäuscht (besonders vom Sänger des Ochs - keine Tiefe in der Stimme...).


    Die Inszenierung war so was von belanglos - im Prinzip die Personenführung der STOP-Schenk-Inszenierung in eine modernere Zeit versetzt (und das dann komplett gegen das Libretto.). Ich finde, dass der Rosenkavalier zeitlich nicht rübergehoben werden kann - das geht nicht gut...

    Hear Me Roar!

  • Zitat

    Original von Knusperhexe
    Hat gestern jemand den Rosenkavalier auf 3Sat geschaut?


    Ich hab's aufgenommen, weil ich mir dachte, daß ich (ziemlicher) Opernmuffel das auch mal gesehen haben müßte. Aber wenn ich hier Eure Beiträge lese, vergeht mir eigentlich gleich wieder die Lust....

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Lieber Dreamhunter,


    Deine Meinung über die Regie deckt sich fast vollständig mit meiner. Es war wenigstens nett anzusehen, aber das war`s dann auch schon. Der Regisseur hat etwas versucht, was nicht zu schaffen ist. Da müsste man schon das Libretto biegen.


    Frau Koch ist im wienerischen Dialekt nicht zu Hause, und das schmerzt besonders im 1. Akt. Jonas Kaufmann ? Franz Hawlata hat durch wenig Tiefe viel verschenkt. Leider .... :no:


    Aber ansehen kann man sich`s ruhig einmal !


    Liebe Grüße -


    vom Operngernhörer :hello:

  • Ja, also ich konnte auch nix damit anfangen. Die Kostüme fand ich sowas von geschmacklos: Ochs in Lederhosen, Sophie im New Look der 50er und dann diese peinlichen Barockfototapete. Nicht mein Geschmack. Renee Fleming als Marschallin fand ich allerdings sehr, sehr, sehr gut!!!!!!

  • Nun, wer hat denn von einem (vergangenen) Vertreter des Regietheaters wie Wernicke etwas Akzeptables erwartet? Immerhin hat man rein musikalisch durchThielemann, Fleming und Damarau Leistungen, die vor grossen Interpreten der Vergangenheit nicht zurückstehen müssen. Hätte man die Investition gewagt das Werk durch z.B. Arlaud neu inszenieren zu lassen, wäre u.U. etwas wunderschönes entstanden...

  • Hallo!


    Ich habs nur teilweise gesehen, daher fass ich mich auch kurz: Ein wenig besser als der Salzburger Rosenkavalier von vor ein paar Jahren mit Kirchschlager als Octavian, aber ein für mich schöner Rosenkavalier wars trotzdem nicht!


    LG joschi

  • Also, mit der Tosca, die gerade glubschäugig aus Bregenz übertragen wird, kann ich nix anfangen. Habs ausgeschaltet. Wem gefällts und kann mir sagen, wieso, weshalb, warum?????

  • Zitat

    Original von Knusperhexe
    Also, mit der Tosca, die gerade glubschäugig aus Bregenz übertragen wird, kann ich nix anfangen. Habs ausgeschaltet. Wem gefällts und kann mir sagen, wieso, weshalb, warum?????


    Ich hatte mir diese Tosca auch noch einmal angeschaut bzw. angehört, da ich vor kurzem in Berlin in der Deutschen Oper Tosca mit Nadja Michael erlebt habe.
    Nadja Michael war dort um mehr als eine Klasse besser.
    Jonas Kaufmann übertraf Zoran Tordorovich bei weitem und Raimondi war trotz seines Alters ein besserer Scarpia als dieser Scarpia.
    Mit der Inszenierung konnte ich mich durchaus anfreunden. Man muss einfach bedenken, wo diese Oper aufgeführt wird. Trotzdem gab mir diese uralt Inszenierung in Berlin mehr. Ich merke immer wieder, dass ich im Grunde meiens Herzens trotz meiner Toleranz für alle neue Inszenierungen ein "Staubi" bin.


    LG
    Jolanthe

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  • Wer das Moderne will, soll etwas Neues schreiben und nicht die Kunst des Ursprünglichen verhunzen.
    Ich möchte das sehen, was der Komponist mir geben wollte und was er selbst empfand.
    Ich will Rigoletto nicht nackt über die Bühne hüpfen sehen.
    Sehe ich mir eine Oper an, so möchte ich auch in die damalige Zeit versetzt werden, da bin ich ganz konservativ.
    Gruß
    Orpheus2

  • Ich habe nichts dagegen, dass Rigoletto nackt über die Bühne hüpft, wenn das tatsächlich Teil eines Inszenierungskonzeptes (und nicht lediglich ein Show-Effekt) ist und diese Inszenierung der Oper tatsächlich gerecht wird.


    Ich hätte allerdings nichts dagegen, wenn der Sänger wenigstens auch eine Adonisfigur hätte, wenn er sich das schon antun muss. :D

    Il mare, il mare! Quale in rimirarlo
    Di glorie e di sublimi rapimenti
    Mi si affaccian ricordi! Il mare, il mare!
    Percè in suo grembo non trovai la tomba?

  • Liebe Waltrada !


    Ich möchte den Rigoletto auch mit Adonisfigur nicht nackt über die Bühne hüpfen sehen. Vorbeugend sage ich gleich dazu, nicht einmal seine Tochter muß nackt auf der Bühne stehen.


    Oder ist das eine neue Idee für FKK - Opernaufführungen ?
    Durch fehlende Kostüme (Chor !) lassen sich die Produktionskosten ganz toll senken. :baeh01:


    Ganz liebe Grüße -


    vom Operngernhörer :hello: :hello: :hello:

  • Ich möchte jetzt gern einmal meinen Standpunkt zu diesem Thema darlegen. Wie bereits aus meinem Thread "Die Tamino-Regisseure" ersichtlich ist, bin ich modernen Interpretationen nicht abgeneigt. Ich denke aber auch intensiv darüber nach, wie ich eine Oper inszeniere.
    Meiner Meinung nach gehört zum Beispiel Robert Wilson zu den Regisseuren, die dies nicht tun, er legt es einfach auf Ästhetik an.


    Genauso wenig, ja, fast noch weniger halte ich jedoch von Menschen wie Otto Schenk. Das sind für mich keine Inszenierungen, sondern hirnlose, langweilige Aufgebote von dem, wofür Lieschen Müller in die Oper geht. Eine Inszenierung bedeutet eine Interpretation des Werks. Ich kann in Schenks "Ring" keine Interpretation entdecken.


    Natürlich kann man die Aussage des Werkes verfälschen. Man muss aber bedenken: Die Opern sind für die damalige Zeit und das damalige Publikum geschrieben. Der Komponist wollte dem damaligen Publikum etwas mitteilen. Wenn man den Don Giovanni jetzt in Strumpfhosen vom Kölner Karneval aufführt, nur weil der angeblich um 1600 spielt, verfälscht das die Aussage, da man die Oper so ins Heute transferieren muss, dass die Aussage für heutige Menschen plausibel und anschaulich wird. Das ist mit Asbach Uralt nicht zu machen.


    Dass ich eine Inszenierung verstehe, meint noch nicht, dass ich sie gut finde. Solch naheliegende Interpretationen wie im Münchener "Lohengrin" sind langweilig, aber- oder gerade weil- nicht verfälschend. Ich bin jedoch ein großer Fan der Inszenierungen von Hans Neuenfels und Nikolaus Lehnhof, Harry Kupfer, Peter Konwitschny und der letzten "Ring"-Inszenierung am Covent Garden.


    Und wer weiß, ob eine moderne Interpretation dem Komponisten nicht doch gefallen hätte? Knusperhexe schrieb letztens, er hätte aufgrund einer Überproduktion kein Interesse an freien Interpretationen. Aber wie soll denn bitte eine Interpretation sein, wenn nicht frei? Dadurch legt man sich doch nur selbst Fesseln an. Wagner wäre vielleicht ein schlechtes Beispiel, aber wer weiß- vielleicht wäre er ja von Kupfers "Ring" mehr angetan gewesen als von Otti Schenks.


    Die Essenzen der Oper herauszufiltern und sie für heutige Zuschauer plausibel, anschaulich, spannend und bildhaft zu machen, das ist für mich die Aufgabe von Inszenierungen.


    Oper ist zum Denken da. Wer so inszeniert, dass man selbst beim besten Willen kein Konzept mehr erkennen kann, inszeniert aber am Werk vorbei.


    Ich habe nichts gegen altmodische Inszenierungen. Aber ich sehe sie mir nicht an. Das sind keine Inszenierungen. Wer weiß schon, wie der Komponist sein Werk gern gesehen hätte? Von wem (außer Wagner) sind Aufzeichnungen darüber überliefert? Ich glaube, bis auf W. hätte jeder Komponist zugestimmt, wenn ich ihm gesagt hätte:


    "Ich will, dass das Publikum die Botschaft deiner Oper erkennt. Dazu ist es nötig, ihnen die Oper im Heute zu zeigen, so wie du sie im Damals gezeigt hast. Ich will dein Opus nicht verfälschen, aber ich will auch nicht, dass die Zuschauer nach Hause gehen, ohne etwas von deinem Werk fürs Leben mitzunehmen."


    :hello:

  • Na ja, daß Otto Schenk nicht interpretiert, kann man auch Librettotreue nennen, Dienst am Werk. Wie Du richtig anführst, wollte Wagner eine sehr genaue Umsetzung seines Librettos, ich denke etwa an einen möglichst realistischen Drachen für "Siegfried".


    Wieso ein Komponist des 19. Jahrhunderts Menschen des 21. Jahrhunderts ansprechen soll, wird mir nicht deutlich. Schreiben heutige Komponisten für Leute des 23. Jahrhunderts? Nein. Das war wirklich für das zeitgenössische Publikum geschrieben. Wenn das Publikum von heute unfähig ist, sich zurückzuversetzen in jene Zeit, ist es fehl am Platze in der Oper. Der heutige Mensch muß sich quasi in den damaligen Menschen hineinversetzen, will er die Werke erfassen. Plumpe Modernisierungen gegen den Willen des Komponisten halte ich für einen Bärendienst am Werk.


    Vielleicht hätte Wagner der Covent Garden-"Ring" wirklich zugesagt (er ist m. E. gut gemacht, dezentes Regietheater). Wir wissen es nicht und werden es nie erfahren. Daher bleibt für mich zumindest, das, was wir wissen über seinen Willen, verbindlich, und der lautet: Librettotreue. ;)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Original von Basti
    Wer weiß schon, wie der Komponist sein Werk gern gesehen hätte?


    So, wie es damals möglich wäre.
    Denkst Du, das ein Komponist jemals gedacht hätte an Scheinwerfer, wie es sie heute gibt? Oder an Verstärker von heute?
    Versetze Dich in die damaligen Umstände; mit damalig meine ich die Zeit der Komposition. Was gab es damals an Möglichkeiten. Was muß man aus praktischen Gründe ändern (keine Kerzen mehr, sondern elektrisches Licht z.B.).


    Von Mozart ist das schöne Beispiel bekannt, daß er das "Pa-pa-papagena" Duett komponiert hatte, worauf Schikaneder ungefähr gesagt haben würde "Das ist doch nix. Man muß das Staunen hören". Darauf hat er das Duett gemacht, wie wir es jetzt kennen. Und er hat die Oper auch selbst dirigiert. Denn das wissen wir u.a., weil er einmal das Glockenspiel selbst bespielte. :D
    Von ihm ist aber nicht überliefert worden, daß er unzufrieden war mit der damaligen Inszenierung.


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von Joseph II.
    Vielleicht hätte Wagner der Covent Garden-"Ring" wirklich zugesagt (er ist m. E. gut gemacht, dezentes Regietheater). Wir wissen es nicht und werden es nie erfahren. Daher bleibt für mich zumindest, das, was wir wissen über seinen Willen, verbindlich, und der lautet: Librettotreue. ;)


    Also, mir war das zu poppig. Und dann diese Mutanten als Nibelungen. Nee, mein Lieblings-ring ist und bleibt der von der MET-

  • Lieber Christoph,


    ich beziehe mich jetzt in erster Linie auf das Ende der "Götterdämmerung", das fand ich optisch ganz schön imposant (freilich mit m. E. unnötigen Modernisierungen, die es nicht gebraucht hätte), Fafner im "Siegfried" war auch recht eindrucksvoll.


    Den MET-Ring kenne ich indes noch nicht. Ist Fafner da wirklich ein Drache, wie Wagner es vorschwebte?


    Liebe Grüße
    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Original von Basti
    Ich habe nichts gegen altmodische Inszenierungen. Aber ich sehe sie mir nicht an. Das sind keine Inszenierungen.


    Ahja, man lernt nie aus...


    :faint:

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)


  • Die Götterdämmerung habe ich nicht gesehen. Es ist doch die Inszenierung aus dem Marinskiij, nicht wahr?


    Den MET-Ring gibt es auf DVD. Sehr detailverliebt (als Mime den Trunk für Siegfried zubereitet, nimmt er extra Wachteleier)


    Im Rheingold hat es einen Riesenwurm und bei Siegfried ist der Drache so: Die ganze Bühne ist ein tiefer Wald. Mittig ist eine Vertiefung, die sich öffnet und ein Maul freigibt. Alles, was man bis dahin für Äste und Wurzelwerk hielt, sind in Wirklichkeit Arme und Beine, Auswüchse des Drachen, der den armen Siegfried zum Erschrecken aller einmal quer über die Bühne fegt.

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  • Bei youtube ist ein Video des Covent Garden-"Ringes", ich glaube, alle vier Teile, darauf beziehe ich mich, London, Royal Opera House 2005.


    Oh, das klingt sehr interessant, mein Geschmack. Ich glaube, der MET-"Ring" wird auch noch besorgt in absehbarer Zeit. :yes:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Der einzige Regisseur, dessen Regietheater-Konzepte mich bisher überzeugten, ist und bleibt Wieland Wagner.


    Er löste sich nicht von den Werken, sondern abstrahierte sie nur, indem er den z. T. wirklich unnötigen Kitsch der Zeit davor entfernte und auf das Wesentliche reduzierte.


    Was Wieland Wagner nun von den späteren Regisseuren m. E. unterschied, ist, daß er nie gegen das Werk inszenierte.


    Leider gibt es ja nur zwei vollständige Video-Aufnahmen seiner Inszenierungen (noch dazu nur S/W): den berühmten "Tristan" und die berühmte "Walküre" von der Japan-Tournee 1967. Ich habe neulich aber ein faszinierendes Farbphoto seiner "Parsifal"-Inszenierung gesehen (von 1956, glaube ich): Der Gralstempel, bestehend aus zwei goldenen, aber eher schlichten, nur im Halbdunkel erkennbaren Säulen, der Gral ähnlich einer hell leuchtenden Flamme. Die Wirkung ist absolut verblüffend und in ihrer Intensität wirklich überwältigend.



    Würde man heutzutage solches Regietheater machen, ich wäre sicher nicht dagegen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich glaube, lieber Basti, daß Wieland Wagners Konzept das richtige wäre, um beide Lager, die "Staubis" und die "Regietheatler" an einen Tisch zu bringen. Beinahe jeder zollt ihm heute Respekt. Damals war auch er nicht unumstritten: Die '56er "Meistersinger"-Inszenierung ging in die Geschichte ein als "Die Meistersinger ohne Nürnberg". Bereits 1961, als die Inszenierung auslief, war sie aber legendär. (Die 1951/52 war noch konventionell im alten Stil.)


    Sein vielzu früher Tod 1966 war nicht nur eine menschliche Tragödie, sondern auch eine für den weiteren Verlauf des Regietheaters, das mehr und mehr entartete und sich m. E. in der heutigen Form bereits überlebt hat.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Original von Joseph II.
    Ich glaube, lieber Basti, daß Wieland Wagners Konzept das richtige wäre, um beide Lager, die "Staubis" und die "Regietheatler" an einen Tisch zu bringen. Beinahe jeder zollt ihm heute Respekt. Damals war auch er nicht unumstritten: Die '56er "Meistersinger"-Inszenierung ging in die Geschichte ein als "Die Meistersinger ohne Nürnberg". Bereits 1961, als die Inszenierung auslief, waren sie aber legendär. (Die 1951/52 war noch konventionell im alten Stil.)


    Sein vielzu früher Tod 1966 war nicht nur eine menschliche Tragödie, sondern auch eine für den weiteren Verlauf des Regietheaters, das mehr und mehr entartete und sich m. E. in der heutigen Form bereits überlebt hat.


    Ich bin stolz darauf, ein Tondokument der Bayreuther Meistersinger von 1956 zu besitzen, es ist möglicherweise sogar die Premiere (jedenfalls war es damals eine Live-Radioübertragung).


    Und damit, dass Wieland sozusagen "völkerverbindend" ist, hast du natürlich auch absolut Recht. Seine Inszenierungen regen zum Nachdenken an, verfälschen das Werk nicht, sind aber eigenständige Interpretationen, die weit über eine bloße Illustration hinausgehen. Otto Schenk illustriert nur, und diese Illustrationen wirken auf mich immer unfreiwillig komisch, vor allem wenn Siegfried Jerusalem singt:


    "So schneidet..."-RIESIGER ATMER-"...Siegfrieds..."-GIGANTISCHER ATMER"-"...Schwert"-Puuuuhhh....


    :hello:



    (Nachwort in eigener Sache:
    TÄTERÄTÄ!


    Hiermit gratuliere ich mir selbst zu meinem hundertsten Beitrag! :beatnik:


    Vielen Dank an euch alle! Dieses Forum ist wahrlich zum :jubel: und eure Kompetenz und eure Leidenschaft machen einfach Spaß!)

  • Nur mal zur Information zwei Zitate Wieland Wagners zum Begriff der sog. "Werktreue":


    Erst das nachwagnersche Bayreuth, vor allem aber Hans Pfitzner und seine eifernden Gefolgsleute haben Wagners szenische Vorschriften zum sakrosankten Bestandteil des Werkes erklärt. Pfitzners gereizter Ruf nach einem "Reichgesetz zum Schutz von Kunstwerken gegen willkürliche Entstellung" - nach dem Maulkorb also für Dirigenten und Regisseure! - ist die fragwürdige Konsequenz des Dogmas von der wahren Werktreue [...]. Obgleich Pfitzners Forderungen nur durch polizeiliche Reglementierung der Kunst realisierbar wären, bilden sie bis heute das geistige Rüstzeug aller strammen Parteigänger der sogenannten Werktreue.


    Die von "Altwagnerianern" so gern gestellte Frage, wie "der Meister" sich selbst zu einer modernen Inszenierung gestellt hätte, "wenn er heute leben würde", ist genauso sinnlos wie die Frage, was etwa Beethoven zu der Interpretation seiner "Neunten Symphonie" durch Toscanini gesagt hätte oder wie Goethe die Hamburger Inszenierung seines "Faust" durch Gustaf Gründgens beurteilt hätte. Nur die geistige Aussage eines Werkes, nicht seine zeitbedingte Aufführungsform, hat für künftige Generationen Bedeutung und sichert ihm Bestand - und Wirkung! - für weitere Jahrhunderte. Es kann deshalb auch kein Sondergesetz für das Wagnersche Werk anerkannt werden, das dieses aus der zwangsläufigen Entwicklung der Kunst- und Geistesgeschichte ausschließt.


    (Aus: Wieland Wagner: "Denkmalschutz für Wagner?")



    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Zitat

    Original von Basti
    Und damit, dass Wieland sozusagen "völkerverbindend" ist, hast du natürlich auch absolut Recht. Seine Inszenierungen regen zum Nachdenken an, verfälschen das Werk nicht, sind aber eigenständige Interpretationen, die weit über eine bloße Illustration hinausgehen. Otto Schenk illustriert nur, und diese Illustrationen wirken auf mich immer unfreiwillig komisch, vor allem wenn Siegfried Jerusalem singt:


    erst mal herzlichen Glückwunsch zum 100. Beitrag


    Wie unterschiedlich eine Inszenierung doch wirken kann:


    Ich habe rein illustrative Inszenierungen sehr gern. Auf mich wirkt das Regietheater immer unfreiwillig komisch, dazu langweilig, im besten Falle: ärgerlich.


    Zu Wieland Wagner. Ich habe nur Unmengen von Fotos seiner Inszenierungen gesichtet - nie Inszenierungen von ihm gesehen, allerdings Inszenierungen, die in seinem Schatten standen.


    Also, ich kann damit nicht so viel anfangen. Auf Fotos wirkt das stets gigantisch und beeinduckend. wenn man das live erlebt, läuft sich das schnell tot. Ich fand es irgendwie öde.


    Gut, ein Lichtfleck, jetzt atmet er, jetzt zittert er, jetzt ist er weg. Finsternis. Da schimmert wieder was und dann geht das wieder von vorne los. Sterbenslangweilig. Könnte abe auch am Parsifal selber gelegen haben. :untertauch:


    Obwohl es kann eigentlich nicht nur am Parsifal gelegen haben. Denn die Ausschnitte, die ich von den Schenk-Inszenierungen im Bühnenbild von Schneider-Siemsen gesehen haben, die haben mich sehr angesprochen: der Karfreitagszauber war da sehr beeindruckend. Silberne Lichtstralen fielen durch Birken und auf einmal war die Aue voller Blumen.

  • Zitat

    Original von GiselherHH
    Erst das nachwagnersche Bayreuth, vor allem aber Hans Pfitzner und seine eifernden Gefolgsleute haben Wagners szenische Vorschriften zum sakrosankten Bestandteil des Werkes erklärt. Pfitzners gereizter Ruf nach einem "Reichgesetz zum Schutz von Kunstwerken gegen willkürliche Entstellung" - nach dem Maulkorb also für Dirigenten und Regisseure! - ist die fragwürdige Konsequenz des Dogmas von der wahren Werktreue [...]. Obgleich Pfitzners Forderungen nur durch polizeiliche Reglementierung der Kunst realisierbar wären, bilden sie bis heute das geistige Rüstzeug aller strammen Parteigänger der sogenannten Werktreue.


    Die von "Altwagnerianern" so gern gestellte Frage, wie "der Meister" sich selbst zu einer modernen Inszenierung gestellt hätte, "wenn er heute leben würde", ist genauso sinnlos wie die Frage, was etwa Beethoven zu der Interpretation seiner "Neunten Symphonie" durch Toscanini gesagt hätte oder wie Goethe die Hamburger Inszenierung seines "Faust" durch Gustaf Gründgens beurteilt hätte. Nur die geistige Aussage eines Werkes, nicht seine zeitbedingte Aufführungsform, hat für künftige Generationen Bedeutung und sichert ihm Bestand - und Wirkung! - für weitere Jahrhunderte. Es kann deshalb auch kein Sondergesetz für das Wagnersche Werk anerkannt werden, das dieses aus der zwangsläufigen Entwicklung der Kunst- und Geistesgeschichte ausschließt.


    (Aus: Wieland Wagner: "Denkmalschutz für Wagner?")


    Zum Henker, der hat von mir abgeschrieben, was erlaubt er sich?


    Kann mir jemand seine Adresse geben? Ich werde ihn wegen Urheberrechtsverletzung verklagen!


    Wieland Wagner ... gleich mal im Telefonbuch von Bayreuth nachsehen. Der kann sich auch was gefasst machen...




    Thomas Deck

  • Zitat

    FAZ
    25. Juli 2009 Mit einer harschen Kritik am Regietheater sind am Samstag die 89. Salzburger Festspiele in Österreich eröffnet worden. Der 34 Jahre alte Schriftsteller Daniel Kehlmann setzte sich in seiner sehr persönlichen Festrede mit seinem Vater, dem Regisseur Michael Kehlmann, auseinander und kritisierte scharf den Modernisierungszwang des heutigen Theaters.


    http://www.faz.net/s/Rub4D7EDE…Tpl~Ecommon~Scontent.html

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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