Operninszenierungen - modern vs. "altmodisch"

  • Dabei hast Du die wichtigste Zeile nicht genannt


    Zitat

    Grund sei dessen [i.e. Michael Kehlmanns] Einstellung gewesen, dass der Regisseur ein Diener des Autors sei.


    LG, Paul

  • Ich würde gerne die Rede hier komplett veröffentlichen, darf dies aber aus Copyrightgründen nicht. Daher wird es nur kurze Auszüge in einem eigenen Thread geben, da ich fürchte, daß hier nur mehr ein harter Kern mitliest - der Thread ist schon sehr umfangreich.....


    Und hier ist schon der neue Thread
    Vielleicht ist der Titel ein wenig zu reisserisch (obwohl der Rede entnommen) aber ich bin mir sicher, daß er auf diese Weise nicht überlesen wird.....


    Regietheater - letzte verbliebene Schrumpfform linker Ideologie ?




    LG


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Ich würde gerne die Rede hier komplett veröffentlichen, darf dies aber aus Copyrightgründen nicht. Daher wird es nur kurze Auszüge in einem eigenen Thread geben, da ich fürchte, daß hier nur mehr ein harter Kern mitliest - der Thread ist schon sehr umfangreich.....


    LG


    Alfred


    Ich habe diese Rede gerade im Internet (Welt Online) gelesen, und ich gebe Daniel Kehlmann sehr gerne recht. Endlich sagt mal ein kompetenter Vertreter was zu diesem Thema (oder habe ich bisher was überlesen?).

  • Zitat

    Original von monteverdi13
    Ich habe diese Rede gerade im Internet (Welt Online) gelesen, und ich gebe Daniel Kehlmann sehr gerne recht. Endlich sagt mal ein kompetenter Vertreter was zu diesem Thema (oder habe ich bisher was überlesen?).


    Und was macht Daniel Kehlmann bitteschön zu einem "kompetenten Vertreter"? Meines Wissens ist Herr Kehlmann ausgebildeter Literaturwissenschaftler und hat sich bislang als Schriftsteller und Literaturkritiker betätigt. Von einem theaterwissenschaftlichen Studium, einer praktischen dramaturgischen Tätigkeit oder wenigstens einer Theaterhospitanz konnte ich bislang nichts in Erfahrung bringen. Sein Vater war zwar Regisseur, aber soviel ich weiß, vererbt sich ein erlernter Beruf des Vaters nicht genetisch auf dessen Sohn. Die zugeschriebene "Kompetenz" leitet sich also wohl lediglich aus einer Sympathie für seine Auffassungen her. Dabei ist Herr Kehlmann in dieser Hinsicht nichts weiter als ein (interessierter) Laie (was man z.B. daran merkt, dass er wie so viele Kostüme und Ausstattung mit Regie verwechselt). Mir scheinen da eher unterschwellige psychologische Mechanismen am Werk (Rehabilitierung des geschassten Vaters etc.). Wahrscheinlich macht er das böse "Regietheater" auch noch für die Demenz seines Vaters verantwortlich...


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Es haben schon früher kompetente Vertreter was dazu gesagt (Kehlmann bezieht sich in seiner Rede darauf)


    Zitat

    Als vor vier Jahren der Satiriker Joachim Lottmann im SPIEGEL einen spöttischen Artikel über deutsche Regiegebräuche veröffentlichte, ging eine Empörungswelle durch die Redaktionen, als schriebe man das Jahr 1910 und einer hätte Kaiser Wilhelm gekränkt.


    Aber was fehlte war die RESONANZ.


    Die ist nun vorhanden - und die ist wichtig.
    Daß diese Rede gewagt wurde - an prominenter Stelle von einem Prominenten - verbreitete sich wie ein Lauffeuer qur durch die Medien, als hätte man auf sowas nur gewartet - (und ich bin davon überzeugt: Man HAT darauf gewartet) was unsere Arbeit natürlich erleichtert.


    Es ist wie mit einem Riss in einem Staudamm: Wenn der Riss mal eine bestimmte Breite hat, kann man machen was man will. Man kann den Zeitpunkt des Kollaps zwar verzögern, aber der Dammbruch ist unaufhaltbar....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred,


    ich habe es schon früher gesagt und ich wiederhole es gern noch einmal: Theaterinszenierungen sind immer ein Ausdruck ihrer jeweiligen Zeit. Auch das sog. "Regietheater" altert mit seinen Protagonisten und wird irgendwann einmal Theatergeschichte sein wie heute etwa die Inszenierungen Wieland Wagners. Die Entwicklung geht allerdings weiter, neue Generationen werden neue, ihnen zeitgemäß erscheinende Formen der Inszenierung finden. Allerdings (und da gehe ich jede Wette ein) wird es keine Rolle rückwärts zu "Opas Theater" sein. Einen solchen "Dammbruch", wie Du ihn so sehnlich seit Jahren herbeiwünschst, wird es nicht geben.


    Sicher wird es wie heute auch in Zukunft einzelne Regisseure geben, die vollkommen naturalistisch erzählen wollen und dies auch tun werden. Und es wird andere Regisseure geben, die Stücke als Steinbrüche begreifen, Textcollagen zusammenstellen und damit etwas völlig Neues schaffen. Diese Entwicklung, welche bereits jetzt schon im Theater gang und gäbe ist, steht der Opernbühne allerdings noch bevor.


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • was soll das?


    Demnächst sagt ein prominenter Vertreter genau das Gegenteil.


    Ähnliches betrifft ja auch den lang ersehnten Weltuntergang :wacky:



    Ich persönlich finde die Rede teilweise eher peinlich, aber ich kann mich bei der momentanen Hitze da auch nicht drüber aufregen.
    Vor allem finde ich es aber lustig wie die Regietheater - Gegner diesen bedeutungslosen F*** zur neuen Doktrin aufblasen :hahahaha:



    Ich kann nur nochmal davor warnen etwas zu verdammen und abzulehnen, bevor man es gesehen und erlebt hat.
    Denn diese Einstellung nennt man auch "Was der Bauer nicht kennt...."


    Und ich zähle mich nicht zu den Bauern *hüstel* :beatnik:



    Oder um nochmal meine Lieblingsbeispiele aufzuwärmen.


    Man sehe sich bitte mal diese Opern DVD's an:




    &



    Der Orfeo unter Savall ist natürlich rein musikalisch ein Hochgenuss, aber die Inszenierung...


    1. wunderschöne Gemalte Kulissen - man fühlt sich nach Arkadien versetzt
    2. die Kostüme sind historisch - also wirklich historisch, die Sänger tragen Toga :wacky:
    3. Die Personenregie ist totsterbenslangweilig, singende Statuen - ein Schlafmittel das an Langweiligkeit kaum zu übertieten ist. :no:


    So will ich keine Oper erleben!



    die anderen beiden Opern von Cavalli (Inszenierung H.Wernicke) und Rameau (Inszenierung A. Serban) würde man wohl zum Regietheater zählen.
    Aber diese Inszenierungen sprühen nur so vor Witz und Phantasie - dagegen stinken die "Staubi Inszenierungen" absolut ab.


    Genau so muss Oper gemacht werden !


    Die Inszenierung muss einfach mehr sein als bloße Illustration - und wenn sie eben nur illustrativ sein will, dann will ich aber eine gewisse Qualität.



    der wirklich historischen Ansatz wie er von B. Lazar verfolgt wird, ist meiner Meinung nach noch nicht Konkurrenzfähig, da fehlt noch einiges an Forschungsarbeit - die Ideen sind gut, aber das Budget zu klein.
    Und trotzdem sehr schön und interessant.


    Lange Rede - alles worauf es ankommt ist, das die Oper eine fabelhafte und phantasievolle Inszenierung bekommt.
    Dann ist es völlig egal ob es nun historisch ist oder nicht.

  • @ Lullist


    Ich kann mir sehr gut vorstellen, daß Opern der Barockzeit vom Inhalt her (nicht von der Musik) sterbenslangweilig sind.
    In diesem Fall plädiere ich, sie vom Spielplan zu nehmen - nicht aber zu "bearbeiten"


    Mozarts Opern hingegen und auch jene von Verdi sind NICHT sterbvenslangweilig - sie profitieren von ihren historischen Kostümen und Bühnenbild. Und die sollte man lassen wie sie sind - wobei - vielleicht -weiß das heut gar niemand mehr - jeder Regisseur - Ausstatter - Masken und Kostümbildner (in meiner Jugend) bstets bestrebt war, vorhergehende Inszenierungen an Ideenreichtum, Aussatattung und Witz zu übertreffen, das Publikum schon beim Öffnen des Vorhangs zum Applaus zu animieren -und in aller Munde zu sein.
    Und das bei Einhaltuing aller historischen Librettovorgaben - versteht sich.


    Das ging natürlich nur an ersten Häusern wo Geld keine Rolle sielten und spielen durfte.......


    Für UNSER Vergnügen war eben NICHTS zu teuer...


    @ GiselherHH


    Ich bin mit ziemlich sicher, daß´es einen Weg zurück geben wird, weil
    ja eigentlich keine Mode angestrebt wird, sondern lediglich eine Rückbesinnung aufs Libretto.



    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    @ Lullist


    Ich kann mir sehr gut vorstellen, daß Opern der Barockzeit vom Inhalt her (nicht von der Musik) sterbenslangweilig sind.


    Man sollte noch ergänzen: nicht von der Musik, nicht von der dichterischen Qualität des Textes.


    Wer mit den Inhalten Probleme hat, ist selbst Schuld.
    :stumm:

  • Bayreuth und der Spuk der Familiendynastie
    Johannes Jacobi | © DIE ZEIT, 01.08.1957 Nr. 31


    Wohin treiben die Wagner-Festspiele? / Von Johannes Jacobi


    Die Bayreuther Festspiele verzeichnen einen Publikumserfolg, der alle künstlerischen Einwände niederzuschlagen scheint. Im vorigen Jahr hatten sich gegen Wieland Wagners "Meistersinger"-Inszenierung laute Proteste sogar im Zuschauerraum erhoben. Doch die Spekulation auf den Schock erwies sich als wirksame Werbung.


    Nach den ersten beiden Akten der diesjährigen Neuinszenierung — "Tristan und Isolde", von Wolfgang Wagner in Szene gesetzt — war der Applaus verhältnismäßig matt. Aber bei der Wiederaufnahme der anstößigen "Meistersinger"-Inszenierung Wieland Wagners blieb hörbarer Protest aus. Ja, der "Jubel" war sogar sehr groß.


    Bayreuths "Erfolg" ist mehr ein soziologisches als ein künstlerisches Phänomen. Die Wagner-Erben erforschen systematisch den "Markt", die Publikumsmeinung. Dabei dient das abwägende Urteil der Fachleute nur als Blasebalg für die Sensation. Es wurde auf einer Pressekonferenz nicht so sehr nach den Argumenten der Kritiker, als nach ihrer statistisch meßbaren Stimmenzahl gefragt. Was soll im nächsten Jahre neuinszeniert werden: "Lohengrin", "Der fliegende Holländer" oder — "Rienzi"? Von rund achtzig Stimmzetteln erhielt "Rienzi" mehr als die Hälfte.


    Das Beispiel ist aufschlußreich. Im verlästerten, alten Bayreuth verfolgte man stilbildende Absichten. Da Richard Wagners Endleistung das "Musikdrama" war, wurden in Bayreuth später auch die frühen "Opern" als "Musikdramen" interpretiert. Nur "Rienzi" entzog sich diesem Prinzip. Auch Wieland "Wagner prägte, vom "Parsifal" ausgehend, zunächst einen Stil. Nun ist der Regisseur aber "durch". Schon die "Meistersinger"-Inszenierung hatte lediglich das gequälte Kunststück nachzutragen, die universale Anwendbarkeit des "Neubayreuther Stils" an einem Werk zu beweisen, das ihn von sich aus widerlegte. Was jetzt? Der "Gesprächsstoff" geht aus. Soll nach der Revolution eine Evolution, die Überprüfung der Stilprinzipien auf ihre künstlerische Qualität beginnen? Manches deutet darauf hin — zum Beispiel Wieland Wagners zunehmende Fähigkeit, Darsteller individuell zu führen. Auch das künstlerische Bündnis mit seinem Vorgänger Heinz Tietjen verspricht manches.


    Die Teilrevisionen dagegen, die in Bayreuth jeweils an besonders stark umstrittenen Inszenierungen vorgenommen werden, sind noch kein Zeichen einer denkbaren Evolution. So malte Wieland Wagner vor Jahren in die Karfreitagsaue des "Parsifal" ein paar Blümchenandeutungen und stellte später in den "Tannhäuser" des Wiederholungsjahres einige Bäume. Die Leute, denen bei grundsätzlicher Anerkennung der "Entrümpelung" die Lichtsymbolik zu weit getrieben erschien, hatten ein Zeichen des "guten Willens" bekommen. Der Regisseur selbst bezeichnet sein Entgegenkommen als "Eselsbrücken für die Phantasielosen", zumal jetzt seine radikalen Anhänger auch gegenständliche Anreicherungen der "Meistersinger"-Inszenierung als Abfall von der "Idee" empfinden.


    Das eigentliche Skandalon dieser "Meistersinger" ist dennoch geblieben: im ersten Akt die bildhafte Umprägung des protestantischen Nürnberg aus dem 16. Jahrhundert in einen katholischen Mystizismus, im zweiten Aufzug die Hypersymbolik einer chagall-violetten Mittsommernacht, und im dritten Akt die "Festwiese" als Zirkusarena mit einer Nürnberg-Parodie, worüber offiziös im Programmheft verlautet: "Diese Menschen in Weiß, diese Menschen ohne nationale Kostüme und Grenzen, die im 21. Jahrhundert leben, sind Gestalten Richard Wagners, die sich in >''■« F~"-'o r „ des 19. (sic!) Jahrhunderts zurückversetzen. Tu' der Arena vor dem Halbkreis rollt eine Art Mysterienspiel ab, das die ferne Vergangenheit heraufbeschwört ... Man findet die Nürnberger Meister wieder, aber nicht als Handwerker, sondern in prächtige, kultische Gewänder gekleidet, Gründer und Erwecker der großen Religion einer Volkskunst der ganzen Welt." Dem Franzosen, der diese erstaunliche Auslegung mit Billigung der Festspielleitung schrieb, Emile Vuillermoz, wurde wohl vor seinen eigenen Geistesblitzen bang. Denn in der Pariser Oper möchte der flinke Deuter die "Meistersinger" keineswegs so wie in Bayreuth sehen: "Außerhalb dieses Wagnerschen Mekkas würde sich jemand, der nie zuvor die "Meistersinger" gesehen hat", so schreibt derselbe Mann, "keinesfalls in der szenischen Version von Wieland Wagner zurechtfinden." Hier führt sich ein Snobismus ad absurdum.


    Unter den mancherlei außerkünstlerischen Gründen des Bayreuther "Erfolgs" gibt es einen, der ein "uralt" Bayreuther Spezifikum ist: die Familiendynastie. So weit man zurückblickt: Wer zur Liszt-Wagner-Familie gehört, gilt als ein Künstler à tout prix, wenn nicht gar als Universalgenie. So wurden schon im Bayreuth von Cosima und Siegfried Wagner künstlerische Mitwirkungen vergeben nicht; nach erwiesener Eignung, sondern auf Grund dynastischer Ansprüche. Eine Ausnahme machte Winifred Wagner, die zur Abdankung genötigte, jetzt sechzigjährige Witwe Siegfrieds.


    Im Enkel-Bavreuth ist nun der dynastische Spuk, eine Uralt-Bayreuther Tradition also, wieder aufgelebt. Denn doch nur durch den Herrschaftsanspruch als Familienmitglied läßt es sich erklären, daß alle paar Jahre auch Wolfgang Wagner als Inszenator das künstlerische Szepter an sich reißt. Es genügt dem jüngeren der Wagner-Dioskuren nicht, daß er persönliche Erfolge als Organisator hat, er muß auch inszenieren. Genau wie Wieland zeichnet er dabei für Regie und Bild verantwortlich. Doch die Metierkenntnis, die der Hospitant der ehemaligen Berliner Staatsoper erwarb, sie hat offensichtlich keine Früchte getragen. Das bewiesen seine "Lohengrin"- und "Holländer"-Inszenierungen der letzten Jahre. Auch "Tristan und Isolde" in Wolfgangs 1957er Ausgabe lohnt nicht die Auseinandersetzung mit ihr.


    Wenn das Neubayreuther Festspielpublikum das Interesse des alten an der "Familie" übernehmen sollte, dann sind die künstlerischen Konsequenzen der Wagner-Monarchie gar nicht abzusehen. Schon ist Gertrud Wagner, Wielands Ehefrau, als Choreographin der Festspiele tätig. Auch Wolfgang Wagner hat eine Frau, die einmal Tänzerin war. Und alle haben Kinder. Wenn das so weiter geht ...


    (Quelle: "http://www.zeit.de/1957/31/Bayreuth-und-der-Spuk-der-Familiendynastie?page=1")


    P.S.: Rechtschreibung behutsam korrigiert. Manches ist aufgrund der automatischen Digitalisierung leider kaum zu entziffern.


    "Wenn das so weiter geht ..." – der Autor ließ sich 1957 wohl kaum träumen, daß es noch 51 Jahre dauern sollte, ehe die Festspielleitung dann tatsächlich auf eine Tochter der Wagner-Enkel, noch dazu des jüngeren, überging ...

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Besser heute als morgen. Und Tschüss :yes:

  • Nur kurz ein paar Worte zu Wielands bis heute nicht mehr erreichtem Stil der Regie:
    Mit Ausnahme des Lohengrins und der Meistersinger habe ich sämtliche Werke Wagners in seiner Inszenierung gesehen, dazu noch den Fidelio. Nie war bei mir, trotz einer gewissen "Statik", das Gefühl der Langeweile aufgekommen, die Lichtgestaltung war schlichtweg genial, die Gesten (im Gegensatz beispielsweise zu Wilson) nachvollziehbar, und beeindruckend war in seiner Schlichtheit das sog. "Gummiband", das zwischen den Darstellern bestand, d.h. jede Person war mit den anderen in einer gewissen Art verbunden. Nie wurde ins Publikum gesungen, der Sänger richtete sich immer an die jeweils angesprochene Person.
    Etwas ganz wichtiges darf aber bei dem Ganzen nicht vergessen werden: Die immense Ausstrahlungskraft der damaligen Sängerdarsteller. Es wird heute viel über die Darstellungskraft von Domingo gesprochen und dies durchaus zu Recht, nur ist er sozusagen ein "Solitär" unter den +- aktiven Sängern. Damals gab es eine grosse Reihe von Persönlichkeiten, die heute vollständig ausgestorben sind. Man stelle sich einmal vor: Die zu Recht heute viel gelobte Birgit Nilsson wurde von vielen kritisiert, weil ihr Darstellung derjenigen von Tragödinnen wie Mödl und Varnay weit unterlegen war. Im Tenorfach war Windgassen (wie langweilig im Vergleich dazu seine Nachfolger Kollo und Jerusalem) im Baritonfach Hotter und London etc., etc..
    Eine parallele Regieleistung zu Wieland müsste demzufolge auch heute mit sehr starken darstellerischen Leistungen der Sänger gekoppelt sein (ich erinnere mich beispielsweise an einen 1. Akt der Wielandschen Walküre mit Callio statt Windgassen, der absolut langweilig wurde). Und diese Sängerpersönlichkeiten müssten heute leider erst geschaffen werden.
    Manchmal kommen mir die Regietheaterversuche vor, als müsste man dadurch von schlechten Sängerleistungen ablenken :stumm:

  • Ich habe mir die jüngste Covent Garden-Inszenierung von Bizet's "Carmen" angeschaut. Ich sage bewusst "Bizet's" , denn das war wirklich eine Inszenierung, die sich selbst zurücknahm und dem Werk diente, indem sie einfach die Geschichte erzählte. Nicht mehr und nciht weniger.


    Nun hatte Regisseur Franceso Zambello aber auch noch eine Starbesetzung zur Hand, die in ihren Rollen bis zur Selbstaufgabe aufging (bis auf die Micaela). Ich zitiere eine amazon-Rezension, der ich mich voll und ganz anschließe:


    "Die Antonacci ist eine wilde, verführerische Carmen, mit einer zugleich samtweichen Stimme (kein einziger schriller Ton) die ihresgleichen sucht. Jonas Kaufmann hat sich selbst übertroffen - ich habe ihm das nicht zugetraut. Ein Singschauspieler wie man es eigentlich nur von Domingo gewohnt ist. In dieser Rolle hat Kaufmann sogar Domingo in den Schatten gestellt. Ildebrando D'Arcangelo paßt in die Rolle des Escamillo wie die Faust auf's Auge. Ein wunderschöner kräftiger Bariton und es ist schade, daß er nicht mehr zu singen hat. In dieser Rolle kann er sogar mit dem großartigen Ruggero Raimondi mithalten. Als Micaela ist Ansellem nicht ganz mein Geschmack. Es fehlt ihr der etwas liebliche Ausdruck in der Stimme, der die Freni so auszeichnet. Auch schauspielerisch sollte der Gegensatz zu Carmen größer sein."


    Gerade, dass ist der Verdienst der Inszenierung, dass sie den Sängern Raum lässt, sich zu entwickeln. Da gibt es kein starres Regiekonzept, was allerdings in der Schmugglerszene zur Folge hat, dass viel und artig rumgestanden wird. Mich hat das jetzt nicht so gestört, aber ich hörte schon die höhnischen Kommentare der Regielis bzgl. "Rampensingerei."


    Nun hätte das Bühnenbild mehr hergegeben, dann hätte man auch nicht nur rumstehen müssen. Doch das besteht nur aus Versatzwänden. Im 1. Akt ist das grandios: Zinnoberrot durchglühte Verschachtelungen im Komplementärkontrast zu einem azurblauen Himmel. Das war optische Musik. Dazu die hervorragenden, zeitlich korrekten Kostüme, die nie wie Kostüme sondern wie eine zweite Haut wirkten. Perfekt!


    Im 2. Akt wurde es dann schon etwas arg schlicht: Die Stellwände verschoben, ein breiter Tisch auf dem getanzt, geliebt, geprügelt wurde. Aber irgendwie fehlte da die Atmosphäre. Und im 3. Akt war es billig: Die Stellwände gekippt als Kletterwände, die in ihren warmen Farbtönen gar nicht mehr zur Schmugglerschlucht passen wollten. Erst der letzte Akt befriedigte dann wieder.


    Dennoch: Alles in allem eine grandiose Aufführung und für mich der richtige Weg nach dem ganzen Regietheater. Eine regelrechte Wohltat, über Nuancen zu diskutieren anstelle über ein ganzes Konzept, das einen meist verstört zusammenzucken ließ.

  • Ich stelle fest, dass doch die meisten hier - wie ich selbst auch - zwar moderne, aber keine modernistischen Inszenierungen wünschen. Werkgetreu sollte es schon sein, sonst sollte es heißen "Oper sowieso, nach Motiven von XYZ". Ich ärgere mich jedes Mal, wenn der gesungene Text mit dem, was ich auf der Bühne sehe, nicht übereinstimmt: In Bonn spielte Donizettis Don Pasquale auf einem Schiff - wohin wollte dann bitte Ernesto fliehen - wollte er über Bord springen? In Rossinis Cenerentola knieten die Hofdamen vor ihren Herren, um sie zu verwöhnen - ich bin nicht prüde, gehen aber nicht gerade auch Kinder in diese Oper? Und warum singt Cenerentola am Schluss ihre Versöhnungsarie, während sie sich wieder die Kittelschürze anzieht und in den Kohlenkeller geht? Warum ist der Bay in der Italienerin in Algier hier in Bonn ein türkischer Lokalbesitzer aus Berlin-Neukölln? Wieso knallt Isabella mit Taddeo in einem zweisitzigen Sportboot durch die Kulissen auf die Bühne - mitten ins Türkenlokal? Woher kommt dann aber später ihr Gefolge? Alle auch in Sportbooten?
    Allein hier in Bonn könnte ich vieles aufzählen, aber auch aus Berlin, meiner früheren Heimat, und von Fernsehaufzeichnungen kann ich entsprechendes Berichten.
    Nein, ich tue mir das nicht mehr an: Ich möchte genießen, auch neues sehen, aber ich will mich nicht ärgern. Und wenn dann noch die Musik (Sänger/Orchester) versagt... Ich lege mir lieber zu Hause ein schönes Album auf. Ich muss keine Inszenierung einer Doris Dörrie sehen, die von sich selbst sagt, dass sie von Opern nichts verstehe.
    Und dabei gibt es sie doch, die tollen, modernen Inszenierungen: z:B. Händels Semele an der Berliner Staatsoper.

    MW

  • Zitat

    Original von tonges
    In Bonn spielte Donizettis Don Pasquale auf einem Schiff - wohin wollte dann bitte Ernesto fliehen - wollte er über Bord springen? In Rossinis Cenerentola knieten die Hofdamen vor ihren Herren, um sie zu verwöhnen - ich bin nicht prüde, gehen aber nicht gerade auch Kinder in diese Oper? Und warum singt Cenerentola am Schluss ihre Versöhnungsarie, während sie sich wieder die Kittelschürze anzieht und in den Kohlenkeller geht? Warum ist der Bay in der Italienerin in Algier hier in Bonn ein türkischer Lokalbesitzer aus Berlin-Neukölln? Wieso knallt Isabella mit Taddeo in einem zweisitzigen Sportboot durch die Kulissen auf die Bühne - mitten ins Türkenlokal? Woher kommt dann aber später ihr Gefolge? Alle auch in Sportbooten?


    Hallo von Köln nach Bonn,


    Ihr Armen seid ja wirklich arg geknechtet vom Regietheater: der Badewannen- olländer und die Jack-the-Ripper-Bohème gehörten mit zu den schlimmsten Erlebnissen, die ich in jüngster Zeit bzgl. Regietheaterunsinn hatte. Und was gab es in Bonn für schöne Inszenierungen!!!!!!

  • Zitat

    In Rossinis Cenerentola knieten die Hofdamen vor ihren Herren, um sie zu verwöhnen - ich bin nicht prüde, gehen aber nicht gerade auch Kinder in diese Oper?


    Rossini hat nicht für Kinder komponiert, die werden nur von ihren bildungsbürgerlich beflissenen Eltern dorthin getrieben. Außerdem gehören Kinder nach 20.00 ins Bett - und wenn sie es dann doch sehen: wo ist das Problem? Wird in jeder Talkshow am Nachmittag thematisiert

  • Zitat

    Original von tonges
    Ich stelle fest, dass doch die meisten hier - wie ich selbst auch - zwar moderne, aber keine modernistischen Inszenierungen wünschen. Werkgetreu sollte es schon sein, sonst sollte es heißen "Oper sowieso, nach Motiven von XYZ". Ich ärgere mich jedes Mal, wenn der gesungene Text mit dem, was ich auf der Bühne sehe, nicht übereinstimmt: In Bonn spielte Donizettis Don Pasquale auf einem Schiff - wohin wollte dann bitte Ernesto fliehen - wollte er über Bord springen? In Rossinis Cenerentola knieten die Hofdamen vor ihren Herren, um sie zu verwöhnen - ich bin nicht prüde, gehen aber nicht gerade auch Kinder in diese Oper? Und warum singt Cenerentola am Schluss ihre Versöhnungsarie, während sie sich wieder die Kittelschürze anzieht und in den Kohlenkeller geht? Warum ist der Bay in der Italienerin in Algier hier in Bonn ein türkischer Lokalbesitzer aus Berlin-Neukölln? Wieso knallt Isabella mit Taddeo in einem zweisitzigen Sportboot durch die Kulissen auf die Bühne - mitten ins Türkenlokal? Woher kommt dann aber später ihr Gefolge? Alle auch in Sportbooten?
    Allein hier in Bonn könnte ich vieles aufzählen, aber auch aus Berlin, meiner früheren Heimat, und von Fernsehaufzeichnungen kann ich entsprechendes Berichten.
    Nein, ich tue mir das nicht mehr an: Ich möchte genießen, auch neues sehen, aber ich will mich nicht ärgern. Und wenn dann noch die Musik (Sänger/Orchester) versagt... Ich lege mir lieber zu Hause ein schönes Album auf. Ich muss keine Inszenierung einer Doris Dörrie sehen, die von sich selbst sagt, dass sie von Opern nichts verstehe.
    Und dabei gibt es sie doch, die tollen, modernen Inszenierungen: z:B. Händels Semele an der Berliner Staatsoper.





    ...und die gestrige Bonner Premier vom Tannhäuser reizt mich auch nicht. Ein Blick auf die Fotos reicht mir und ich verzichte dankend. Ich habe diese Oper die letzte Zeit in so vielen Fabrikhallen gesehen, dass mein Bedarf gründlich gedeckt ist.

  • Zitat

    Original von Knusperhexe
    Ich habe diese Oper die letzte Zeit in so vielen Fabrikhallen gesehen, dass mein Bedarf gründlich gedeckt ist.


    Dann wäre es doch mal wieder an der Zeit, sie sich in einem Opernhaus anzusehen!


    :hello:


    Gerd

  • Die Inszenierung der Tragèdie "Armide von Lully, die wohl demnächst auch auf DVD erscheinen wird, ist mal wieder ein ärgerliches Beispiel...


    Die musikalische Leitung hatte William Christie - ich kenne und liebe den Radio Mitschnitt, es ist die bisher beste Umsetzung, selbst der Herreweghe Einspielung Lichtjahre überlegen (bis auf die unerreichte Guillemette Laurens)



    Das ganze ist eine halb inszenierte, halb Video-Clip-hafte Umsetzung.



    Denn das größte Problem für heutige Regisseure ist ja die Umsetzung des Prologs.
    Viele wählen die einfachste Lösung und streichen ihn einfach - aber soetwas wird von den Hardlinern - zu denen ich mich auch zähle - in keinem Fall respektiert.
    Schon damals gab es einen Aufschrei, wenn man einen Prolog der angeblich nicht mehr aktuell sei, einfach strich.
    Der Prolog gehört zur Tragödie - es ist eine erweiterte Ouverture, er stimmt auf die Handlung ein - er ist unverzichtbar.



    Bei dieser Produktion ist man auf einen wirklich witzigen und klugen Einfall gekommen und der Prolog ist mehr eine Sammlung von Videoclips aus Versailles:


    Eine moderne Touristentruppe besucht Versailles und ist völlig begeistert von dem Ort. Die Führerin besingt so gewissermaßen das Lob Louis XIV.




    Die Inszenierung der Oper selbst greift auch ständig auf Versailles zurück, vor allem das Set im ersten Akt: das stilisierte Paradezimmer des Königs (das auch immer wieder auftaucht... ja ja als verweis auf den Sex *schnarch* :rolleyes: )


    Ansonsten ist es aber eher eine langweilige und altbackene Inszenierung mit Straßenanzügen bzw. stilisierten Barock-Kostümen - was man einfach schon zu oft gesehen hat.
    Halt die üblichen Farbakzentspielereien mit einfarbigen Kostümen, modernem Ausdruckstanz der leicht ans Groteske grenzt sowie generell eher trister Stimmung die von dem ansonsten nicht vorhandenen Bühnenbild untermauert wird. (alles in grau gehalten.... man könnte meinen da war ein deutscher Regisseur am Werk :stumm: )



    die fantastische Passacaille verkommt hier leider zu einem Defilee vor einem Totenbett... das Zelebrieren der Sinnlichkeit und der Lüste sucht man hier vergebens.


    Ansonsten hat Mr. oder Madame Regisseur das Libretto nicht gelesen, von einem Selbstmord der Armide steht in dem Buch Quinaults kein Wort.
    Sondern, dass Armide von ihrem Drachenwagen in die Lüfte entführt wird und den Ort (also den Palast) ihrer unglücklichen Liebe zerstört.


    Diese Szene war so eindrucksvoll, dass sie als Stich auch zum Titelbild der Oper wurde.
    Und hier ? Hier ersticht sie sich und fällt in das Parade Bett (wenigstens das hätte zusammenbrechen können, dann hätte man noch mal einen Lacher zu Schluss :stumm: )


    Mag sein dass man sich bei anderen Opern sonstwas rausnehmen darf, aber bei Lully hört für mich der Spaß auf :hahahaha:


    nein im Ernst, das war einfach phantasielos und langweilig anzusehen - wäre nicht die grandiose Musik und die tolle Umsetzung durch William Christie, es würde nichts davon bleiben.



    Der Kauf der DVD lohnt sich aber dennoch, denn die musikalische Umsetzung ist einfach grandios.... das Bild kann man ja abstellen, bzw. die Soundspur rippen :pfeif:

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  • Zitat A. Schmidt: "ABER - Hände weg von den klassischen Stücken - dem eisernen Bollwerk der Konservativen"


    In religiösem Kontext könnte so ein Satz auch von Benedikt XVI kommen und die Kirche sieht ja, wie ihr die Mitglieder davonlaufen, weil sie sich immer mehr vom Menschen selbst entfernt.
    Der klassischen Musik wird es irgendwann mal genauso gehen, wenn sie es nicht schafft, sich in der Gegenwart zu verankern. Ich ziehe persönlich den Hut vor den jungen Menschen, die - bar der auf sie einhagelnden Kritik - eine neue Interpretation des Bekannten auf die Beine stellen. Nur so kann Kunst leben; in dem sie sich immer neu erfindet und neu hinterfragt und das muß sie sich auch gefallen lassen.
    Selbst die entfremdetste Interpretion, die die Menschen auf den Plan ruft, zur Diskussion anregt, Menschen bewegt, sich mit der Kunst auseinanderzusetzen, ist mir lieber, als die museale Verwaltung des Kulturgutes "Musik", die sie irgendwann zu einer verstaubten Reliquie in einer dunklen Asservatenkammer des Vergessens werden läßt.


    Wenn ich wutschnaubend nach einer meiner Meinung nach vergeigten Aufführung mit meiner Frau das Gesehene und Gehörte bespreche, merke ich ersteinmal welche Energien und neue Gedanken freigesetzt werden und nehme trotzdem für mich etwas Positives mit.


    Nur wer den Mut hat, einen Stein ins Rollen zu bringen, kann auch eine Lawine auslösen.


    Also, nur zu, Ihr Mutigen, K.F.

    Beste Grüße, KFB
    _________________________________________
    Being individual is more important than being popular

  • Der neue Intendant der Kölner Oper hat etwas gesagt, was ich auch schon länger beobachtet habe: "Die jungen Theaterbesucher sind häufig konservativer als das ältere Publikum. Sie sagen: Lasst diese Verfremdungen, zeigt uns das Stück, wie es ist. Wir kennen es noch nicht."

  • Zitat

    Original von Basti
    Wenn man den Don Giovanni jetzt in Strumpfhosen vom Kölner Karneval aufführt, nur weil der angeblich um 1600 spielt, verfälscht das die Aussage, da man die Oper so ins Heute transferieren muss, dass die Aussage für heutige Menschen plausibel und anschaulich wird.


    Was heißt denn "angeblich"? Das Werk spielt Mitte des 18. Jahrhunderts! Und dabei sollte man es auch belassen. Die Schöpfer einer Oper haben Zeit und Raum vorgegeben. Es ist nicht altmodisch,eine Oper heute so zu produzieren, sondern einfach werkgetreu. Und alles andere ist eben nicht werkgetreu. Ich mag keinen "Fliegenden Holländer", der sich im Börsensaal abspielt und in dem es kein einziges Schiff zu sehen gibt. Oder einen "Tannhäuser", dessen 3. Akt ein Lazarett darstellt und die ganze Bühne voller Betten ist. :kotz:Sowas passt einfach nicht. Man kann aber auch sagen: "Künstlerische Freiheit". Hier scheiden sich eben die Geister und eigentlich ist in diesem Thread so ziemlich alles schon dazu gesagt. Aber dass es genügend Publikum gibt, das werkgetreue Inszenierungen goutiert, hat mir erst unlängst der Besuch der "Salome" an der Lindenoper in Berlin bewiesen, eine Produktion aus dem Jahre 1979, Regisseur Harry Kupfer. Von ihm stammt übrigens auch eine grandiose "Meistersinger"- Inszenierung am gleichen Hause, mit einem opulenten Bühnen- und Kostümbild. Beide Male minutenlanger Beifall und Bravos (natürlich auch für fantastische Sängerleistungen).
    Als Vergleich kann man natürlich auch mal Experimente zeigen. Aber zum Glück sterben werkgetreue Inszenierungen noch nicht aus, altmodisch sind sie auf keinen Fall! !


    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Zitat

    Original von Basti
    Wenn man den Don Giovanni jetzt in Strumpfhosen vom Kölner Karneval aufführt, nur weil der angeblich um 1600 spielt, verfälscht das die Aussage, [...]


    Richtig, denn diese Art von Strumpfhosen trug man um 1600 sicher nicht.


    :P

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Strumpfhosen / Beinlinge gehören in eine etwas andere Zeit.


    um 1600 sah die Herrenmode für gewöhnlich so aus:




    (für Bürgerliche entsprechend schlichter)



    Und Strumpfhosen bzw. extra lange Kniestrümpfe ga es, waren jedoch nicht wie Heute aus Baumwolle - die gab es damals für die Textilverarbeitung noch nicht.
    Diese Strümpfe waren dann entweder aus Seide oder fein gegerbtem Leder, oder eben aus ganz feiner Wolle.

  • Hallo Lullist,


    Danke für die Fotos. Die sind aber nicht ganz die Don-Giovanni-Zeit. Da waren die Pluderhosen noch etwas knapper, die Beinlinge mehr betont und es kam die neckische Schamkapsel dazu. Das Salzburger Marionettentheater bietet noch einen Don Giovanni mit ziemlich korrekten Kostümen.


    :hello:
    Knuspi

  • Ergänzend zum "Düsseldorf"-Thread: Harald Schmidt hat erneut Stellung bezogen gegen das Regietheater. Nachfolgend ein paar Statements aus seinem Interview mit dem Tagesspiegel (04.12.09):


    Und das soll dem Publikum gefallen?


    Der Geschmack des Publikums unterscheidet sich total von dem des Feuilletons. Ich glaube, der Trend geht zurück zur Tradition. Wenn sich ein Werk über Hunderte von Jahren hält, muss das einen Grund haben. Wir spielen es in der Zeit, in der es geschrieben wurde.


    Also Wagner zurück ins Mittelalter?


    Klar. Da braucht man dann zwar einen Etat von zwei Millionen allein für die Kostüme, und es müssen Schwerter aus England rübergeflogen werden, damit die Sänger ein Gefühl für das Gewicht kriegen. Aber Sparmaßnahmen sind an Opernhäusern ja kein Thema. (lacht)



    Wie soll’s mit dem deutschen Theater weitergehen?


    Die Zeit läuft auf die Haltung von Christian Brey und mir zu. Was wir verkünden, ist wirklich revolutionär: Deutscher Abonnent, wir befreien dich vom Regietheater! Eigentlich wird man dafür in den Kantinen verprügelt.

  • Zitat

    Original von Knusperhexe
    "Die jungen Theaterbesucher sind häufig konservativer als das ältere Publikum. Sie sagen: Lasst diese Verfremdungen, zeigt uns das Stück, wie es ist. Wir kennen es noch nicht."


    Erst mit der Reife kommt dann auch der gute Geschmack.

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