Live aus Salzburg: "Le nozze di Figaro" - Hype Hype hurra!


  • Ja, und jemandem beinahe die Kehle durchgeschnitten...


    Du hast nix verpasst...


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Ulli


    Ja, und jemandem beinahe die Kehle durchgeschnitten...


    Du hast nix verpasst...


    Servus Bastian,


    ich habe die Aufführung auch mitgeschnitten- und ob man etwas verpasst zu haben glaubt( doch: nämlich beispielsweise Christine Schäfer) - oder auch nicht- ist in erster Linie eine Frage der Perspektive und des persönlichen Geschmacks.


    Also ich würde sagen: Es war eine (im positiven Sinn) sehenswerte Auffühung- wenn auch auf die Gefahr mich zu wiederholen- keine Jahrhundertaufführung. Aber keinesfalls eine solche Katastrophe und Versündigung an Mozart wie man hier nach manchen Beiträgen meinen könnte.


    Herzliche Grüße,:hello::hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Zitat

    Original von Caesar73
    Also ich würde sagen: Es war eine (im positiven Sinn) sehenswerte Auffühung- wenn auch auf die Gefahr mich zu wiederholen- keine Jahrhundertaufführung. Aber keinesfalls eine solche Katastrophe und Versündigung an Mozart wie man hier nach manchen Beiträgen meinen könnte.
    Christian


    Ich sehe das genau so. Und ich habe gestern nochmal die Übertragung auf Bayern 4 gehört, eben nur auf Gesang und Musik konzentriert und da konnte ich mir, da nicht abgelenkt von der Inszenierung, schon ein besseres Bild machen: bis auf Marcellina (!) und stellenweise (!) die Gräfin war es eine auf jeden Fall hörenswerte und tadellose Aufführung.


    LG
    Austria

    Wir lieben Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - vorausgesetzt, sie denken dasselbe wie wir (Mark Twain)

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner


    Und jetzt denken wir einmal nach: Ist der aufklärerische Humor Mozarts wirklich mit den Psychostudien des genialen schwedischen Regisseurs verwandt?
    Für mich: Nein.


    Lieber Edwin,


    eine kurze Bemerkung zum "aufklärerischen Humanismus", zum "aufklärerischen Humor", zur Aufklärung:


    Als Beaumarchais sein Stück schrieb lag "die Aufklärung" schon in den letzten Zügen, sie war überholt, wenn man einen Blick auf die eruptiven Veränderungen in derLiteratur (in der Philosophie ebenso) wirft: Goethe schrieb seinen Götz 1773, Schillers Räuber wurden 1781 aufgeführt- um nur zwei Beispiele zu nennen. Die Aufklärung, die versuchte jedes menschliche Handeln allein vom Verstand aus zu begreifen, als "bloße Seelenmechanik" sah sich im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts scharfer Kritik ausgesetzt.


    Das Interesse für die eigentlichen Wurzeln menschlichen Handelns: Triebe und Emotionen(und die spielen im Figaro eine wichtige Rolle), das Unbewusste- Seelenzustände, für die Zusammenhänge zwischen Verstand und Emotion nimmt rapide zu, und das lange vor Freud, nämlich schon seit 1770. (Man lese beispielsweise den ersten großen Monolog Franz Moors in den "Räubern" oder noch in Schillers erster Dissertation) Die Revolution begann nicht erst 1789.


    Das die Anfänge der Romantik (mit ihrem gänzlich anderen Menschenbild) schon im letzten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts zu finden sind (Novalis, Jean Paul) ist kein Zufall.


    Verortet man den Figaro in diesem sozio-kulturellen Umfeld ist es alles andere als weithergeholt den Figaro als "Seelendrama" zu deuten.


    Übrigens: Stendahl äußerte über die Musik des Figaro: Mozart mache hier aus der Komödie Ernst.


    Herzliche Grüße,:hello::hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

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  • Hallo Caesar!


    Ich bin mit allem, was Du FÜR diese Inszenierung als Hintergrund ins Treffen führst, einverstanden!
    Wenn Du mir jetzt noch erklären kannst, inwiefern Ingmar Bergmans Individual-Psychogramme mit der im "Figaro" vertretenen Aufklärung zu tun haben, kann ich vielleicht sogar dieser Inszenierung etwas abgewinnen.


    Ich bin der Meinung, daß man den "Figaro" nicht nur als psychologisches Stück inszenieren kann, sondern soll. Und zwar mit einer aus dem Libretto und aus der Musik entwickelten Psychologie.
    Ebenso bin ich aber der Meinung, daß ein Strindberg-/Bergman-Modell der falsche Ansatz ist. Der "Figaro" ist, bei allen Verrenkungen, die man machen kann, am Ende immer noch nicht der Prototyp des skandinavischen Seelendramas. Kurz: "Figaro" ist weder "Fräulein Julie" noch "Stille".


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Caesar73


    Übrigens: Stendahl äußerte über die Musik des Figaro: Mozart mache hier aus der Komödie Ernst.


    Salut,


    ganz genau: Mozart macht erst durch die Musik die Komödie zu einer ernstlichen Komödie.


    Zitat

    Aber keinesfalls eine solche Katastrophe und Versündigung an Mozart wie man hier nach manchen Beiträgen meinen könnte.


    Was die Tempi angeht, auf jeden Fall - bei der Inszenierung wäre er zumindest enttäuscht gewesen.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Ulli


    Was die Tempi angeht, auf jeden Fall - bei der Inszenierung wäre er zumindest enttäuscht gewesen.


    Lieber Ulli,


    was die Tempi angeht: Du bist der Fachmann, insofern akzeptiere ich Deine Meinung in diesem Punkt.


    Ob Mozart von der Inszenierung enttäuscht gewesen wäre? Eine hypothetische Frage. Ich versuche einmal eine ebenso hypothetische Antwort: Wäre Mozart mit den literarischen und kulturellen Strömungen vom späten 18. Jahrhundert bis in unsere Zeit vertraut gewesen hätte ihm die Inszenierung mögicherweise gefallen ....:D Aber das ist eben rein hypothetisch.


    Lieber Edwin,



    Zitat

    Wenn Du mir jetzt noch erklären kannst, inwiefern Ingmar Bergmans Individual-Psychogramme mit der im "Figaro" vertretenen Aufklärung zu tun haben, kann ich vielleicht sogar dieser Inszenierung etwas abgewinnen.


    Eben darauf wollte ich hinaus: Man muss nicht einmal Bergmanns Individual-Psychogramme bemühen. Bergmann hat diese Psychogramme ja nicht erfunden, die finden sich eben schon in der Literatur der Mozart-Zeit- beispielsweise bei Schiller- und damit wären wir eben bei Franz Moor und Konsorten. Der Weg führt dann weiter zu Kleist, zu Büchner etc.


    Zitat

    Der "Figaro" ist, bei allen Verrenkungen, die man machen kann, am Ende immer noch nicht der Prototyp des skandinavischen Seelendramas. Kurz: "Figaro" ist weder "Fräulein Julie" noch "Stille".


    Der Prototyp sicher nicht, d´accord.


    Aber ich halte es für einen vertretbaren Ansatz zu zeigen, dass die Grundlagen hierzu schon im späten 18. Jahrhundert vorhanden waren


    [Entwicklungslinien und Zusammenhänge aufzuzeigen fand ich schon immer spannend (Muss man als Historiker wohl auch, sonst hat man seinen Beruf verfehlt ...:D )]


    Und verrenken muss man sich dazu nicht. Das hatte ich mit meiner Hintergrundskizze andeuten wollen.


    Herzliche Grüße,:hello::hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Hallo Leute,


    ich habs mir angetan und sage zum "Figaro" folgendes:


    Die Inszenierung war ordentlich, aber nichts besonderes, von der Personenregie ganz zu schweigen.
    Harnoncourts Dirigat ein Verbrechen an Mozarts Musik.
    Zu den Interpreten:
    Röschmann fand ich (persönliche Meinung) hervorragend, ebenso Schäfer und d ´Arcangelo(das bezieht sich aufs Gesangliche).
    Skovhus klang mir zu angestrengt (darstellerisch langweilig).
    Netrebko sah gut aus, sang zu tief und sollte italienisch lernen.
    Die übrigen Mitwirkenden waren ordentlich (warum sitzt Bartolo eigentlich im Rollstuhl ?).


    Fazit: Dieser "Figaro" ist kein Ruhmesblatt der Salzburger Festspiele.
    Zum Glück gibt es Aufnahmen unter Erich Kleiber und Fritz Busch (freuen wir uns darüber).


    Gruß Heldenbariton :hello:

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

  • Zitat

    Original von heldenbariton


    Die übrigen Mitwirkenden waren ordentlich (warum sitzt Bartolo eigentlich im Rollstuhl ?).


    Ich habs ja nciht gesehen, aber wenn man es als Fortsetzung zum "Barbier" sieht, dann ist Bartolo im "Figaro" ja schon wirklich Uralt, also: Warum nicht? :hello:

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  • heldenbariton


    Die übrigen Mitwirkenden waren ordentlich


    Hm... die Marcellina war "ordentlich"? Ich habe selten jemanden so falsch singen gehört, aber WIRKLICH falsch :D Und ich habe mir die Wiederholung wie gesagt gestern in BR 4 nochmal sehr aufmerksam angehört.


    LG
    Austria

    Wir lieben Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - vorausgesetzt, sie denken dasselbe wie wir (Mark Twain)

  • Außerdem war die Marzellina vom Timbre her keine Altistin.


    Das wäre weiter nicht tragisch,aber in dieser Oper trägt es


    doch sehr zum gesanglichen Klangbild in den Ensembleszenen


    bei, wenn die fünf Frauenstimmen verschiedene Klangcharaktere haben.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Hallo Caesar,
    Strindberg und Bergman gewinnen ihre Dramen zumeist aus dem Kampf der Geschlechter, wobei es immer wieder um gegenseitige Erniedrigung geht. Selbst wenn das Drama im Vordergrund eine andere Thematik zu haben scheint, ist im Hintergrund dieser Kampf latent vorhanden und der Auslöser des Dramas.
    Daß die historischen Gegebenheiten, die zu diesen Auseinandersetzungen führen, auch in der Mozart-Zeit vorhanden sind, stimmt.
    Dennoch haben sie IMO mit dem "Figaro" nichts zu tun, denn der ist nicht ein Kampf Mann gegen Frau, sondern einer von denen "unten" gegen die "oben". Das ius primae noctis wird schon bei Beaumarchais als ein Element der Standesgegensätze, nicht als eines geschlechtsspezifischen Rollenspiels beschrieben.
    Daher setzt die Inszenierung meiner Meinung nach an einer für das Stück nahezu irrelavanten Nebensächlichkeit an und klammert dafür den Kern aus. Und die Psychologie ist nicht ansatzweise aus der Musik entwickelt. An welcher Stelle zeichnet Mozart z.B. den Grafen als einen schweren Neurotiker?


    Hallo Austria,
    nicht WIRKLICH falsch, aber, sagen wir, SANFT falsch hat da schon noch jemand gesungen...
    :pfeif:


    :hello:

    ...

  • Bevor ich mich zum Thema äussere, möchte ich mich kurz vorstellen:


    40 Jahre alt, Musiker/Musiklehrer, Pianist, Arrangeur, Produzent, Keyboarder, und Kirchenorganist ( Vertretung) .
    Zwar spiele und unterrichte ich nicht ausschliesslich klassische Musik ( auch Pop/Rock/Gospel/Jazz) aber mein persönlicher Schwerpunkt liegt schon in der Klassik.
    Privat höre ich zu 80% klassische Musik, besonders Monteverdi, Schütz, Bach, Mozart, Beethoven, Schubert, Schumann und Brahms.
    Meine absoluten Lieblingskomponisten sind Bach und Brahms, und meine grössten klassischen Musikervorbilder der Gegenwart sind Alice und Nikolaus Harnoncourt, Dietrich Fischer-Dieskau und Alfred Brendel.
    Im Tamino-Forum bin ich schon seit ca. einem Jahr in unregelmässigen Abständen interessierter Mitleser.
    Ich wohne in Fredrikstad/Norwegen.


    Nun zum Thema:
    Ich kann mich den überwiegend negativen Bewertungen zu diesem Figaro keineswegs anschliessen.
    Für mich ist die Zeit wie im Flug vergangen, es war ein spannender und besonders in musikalischer Hinsicht hochklassiker Abend.


    Regie, Inszenierung, Bühnenbild:
    Die Handlung wurde deutlich gemacht, die Kostüme und der Bühnenaufbau passten imho zueinander und sagten meinem ästhetischen Empfinden eigentlich sehr zu. Gestört hat mich vielleicht der Engel, vor allem wenn er Bühnengeräusche gemacht hat - das Amor-Element, dass er einbringen sollte, hätte man ggf. anders darstellen können - Ich muss dazu bemerken, dass ich über Opernregie usw. nicht als Fachmann, sondern nur als unvoreingenommener Zuseher sprechen kann.


    Sänger:
    Christine Schäfer und Anna Netrepko setzen hier die überragenden Höhepunkte, schwach oder durchschnittlich fand ich aber sonst niemanden.
    Dass Netrepko lieber bei Verdi bleiben sollte, finde ich überhaupt nicht.
    Sie hat hiermit ihre erstaunlich Vielseitigkeit und stimmliche Beweglichkeit unter Beweis gestellt. Dass sie sich nicht in den Vordergrund als "Star des Abends" spielte, sondern sich in den Dienst der Gesamtaufführung gestellt hat, spricht nur für sie und zeigt, dass sie eine echte, grosse Künstlerin ist, die auf das Benehmen einer Diva verzichten kann.


    Dirigent und Orchester
    Ich möchte Harnoncourt und die Wiener Philharmoniker gegen die - wie ich finde- doch recht unsachliche und unreflektierte Kritik in Schutz nehmen, die hier geäussert wurde.
    Das Orchester hat Harnoncourts Klangvorstellungen hinsichtlich der Tongebung nicht nur umgesetzt, sondern auch mit spezifischem und "teurem" Wiener Orchesterklang veredelt. Vereinfacht gesagt klang es für mich wie eine klangliche "Wiener Luxusversion" jenes Orchestertimbres, das man vom Chamber Orchestra of Europe unter Harnoncourts Leitung kennt.


    Besonders gut gefallen haben mir die Continuo-Spieler. Es ist sehr überzeugend gewesen, dass nicht nur ein Cembalo sondern auch ein Cello zu hören waren. Der Cembalist hat richtiges, stilechtes Continuo gespielt und sich nicht auf jene überhaupt nicht komischen dal-Ponte Pseudo-Witzeleien eingelassen, die man sonst allzuoft hört.
    Wenn etwas bei seinem Cembalospiel witzig war, dann war es wirklich geistreich und zudem sparsam gesetzt.
    Der Cellist hat von der Tongebung und von der Vibratodosierung her alles richtig gemacht. Man konnte eigentlich schon an der Begleitung der Rezitative heraushören, wer die musikalische Leitung hat - wenn man sich mit Concentus-Aufnahmen auskennt.


    Harnoncourts hat das Orchester aus meiner Sicht inspiriert, atmend und gewohnt feurig geführt.
    Wie immer hat er sich den Details liebevoll gewidmet und das Orchester im Sinne der "Sprache in Tönen" der Mozartzeit hochkonzentriert und motiviert spielen lassen.
    Wenn er hier vieles offensichtlich langsamer als andere genommen hat, so hat er mit Sicherheit gute Gründe dafür.


    Hier ein Harnoncourt-Zitat aus Salzburg.com:
    "Im 19. Jahrhundert ist der "Figaro" ja ziemlich als einzige der Mozart-Opern dauernd gespielt worden. Er war in unmittelbarer Konkurrenz mit den Opern von Rossini. Und das hat stark abgefärbt auf die Interpretation. Das will ich natürlich wieder wegmachen...Ich finde es nur komisch, wenn man mir sagt, ich mache irgendein Tempo zu schnell oder zu langsam. Wenn das wer weiß, dann wäre mir sehr angenehm, wenn er mir das vorher sagen könnte. Ich möchte es ja richtig machen. Aber ich kann mir kaum vorstellen, dass dies jemand besser weiß als ich. Weil ich hab mich wirklich echt informiert über diese Fragen.


    Und es gibt kaum einen Komponisten, der so genau jede kleinste Tempo-Modifikation anzeigt. Und zwar kann man erkennen an den Autografen, dass Mozart geringfügige Änderungen mit dem Messer auskratzt und verändert. Und sehr viele meiner Kollegen spielen das Stück halt in einem Tempo, das sie für gut halten.


    Ist es denn nicht so, dass man schon seit Jahren "seine" Lieblingsaufführung von einem Werk im Ohr hat, und bei einer enttäuschten Erwartungshaltung gerne und sofort "Buh" schreit, ohne sich genauer einzuhören zu wollen?
    Schneller heisst doch nicht automatisch lebendiger. Meistens finde ich langsamere Tempi sogar lebendiger, vor allem dann, wenn man den Zeitraum mit überzeugender Artikulation, Dynamik und Tongebung ausfüllt.
    Harnoncourt tut das immer, man muss eben nur hinhören.
    Wenn man ihm eines gewiss nicht vorwerfen kann, dann wohl, dass er anders als andere spielt, nur um auf sich aufmerksam zu machen. Harnoncourts Interpretationen sind immer zutiefst reflektiert und durchdacht, verbunden mit einem eruptivem Temperament.
    Natürlich kommt dabei immer auch ein anderes Resultat als bei anderen Musikern heraus.
    Er sieht sich in seiner Interpretenrolle immer als Diener der Kunst; den Komponistenwillen herauszufinden und das heutige Publikum im Sinne der alten barocken Affektenlehre zu "rühren", also zu bewegen und es "besser zu machen", das ist sein Ziel. Meiner Ansicht nach ist ihm dies bei der hier besprochenen Figaro-Aufführung sehr gut gelungen - wenigstens bei mir, aber wohl nicht bei allen...
    heldenbariton: Die Wortwahl "Verbrechen an Mozarts Musik" halte ich für ungeeignet und unangemessen. Dem möchte ich entgegenhalten, dass man Mozarts Musik nicht dient, in dem man alle möglichen Ecken und Kanten glattschleift, unartikuliert spielt und die allgemeine Langeweile mit flotten Tempi übertüncht.
    Dabei kommt eine vielleicht musikalische Mozartkugel heraus, die in ihrer ganzen Nettigkeit gewissen wirtschaftlichen und früher auch politischen Interessen dienlich sein mag.
    Dieser Interpretationsansatz ist zwar immer noch weitverbreitet ( leider), aber es gibt zum Glück auch tiefergehende Sichtweisen.
    Mit dem Bestreben, der musikalischen Wahrheit näher zu kommen, haben jene nach oberflächlicher Zustimmung suchenden Interpretationen m.E. nicht viel zu tun, und ich bin froh, dass der geniale Mozart-Interpret Harnoncourt seinem Mozart-Ansatz auch bei den Salzburger Festspielen treu geblieben ist.


    Zur Übertragung:
    Harald Schmidts Moderationen konnte ich noch ertragen. Ich finde nicht, dass man sich daran nun aufhängen sollte. Ob Schmidt-Fans, die sonst nie Mozart hören, damit zur klassichen Musik gebracht werden konnten, wird sich wohl kaum nachweisen lassen.
    Das Dilemma ist eben, dass man die Klassik einerseits aus dem Elfenbeinturm herausholen sollte ohne sie andererseits auf ein primitives Niveau zu ziehen.
    Wer kann das eigentlich ??


    Die Tonqualität fand ich hervorragend, Kompliment an die Tonmeister.
    Ich konnte den Klang aus meinen Nubert- LS (Nuline120) im wahrsten Sinne des Wortes geniessen, wunderbar aufgelöst mit guter Breiten und Tiefenstaffelung.
    Schade war nur, dass es (vom Satelliten her ?) Tonaussetzer gab.


    Sollte diese Produktion einmal als DVD herauskommen, werde ich sie mir sofort bestellen - allen hier gegenteilig geäusserten Meinungen zum Trotz und hoffentlich ohne Tonaussetzer !

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

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  • Glockenton


    Dass Netrepko lieber bei Verdi bleiben sollte, finde ich überhaupt nicht.
    Sie hat hiermit ihre erstaunlich Vielseitigkeit und stimmliche Beweglichkeit unter Beweis gestellt. Dass sie sich nicht in den Vordergrund als "Star des Abends" spielte, sondern sich in den Dienst der Gesamtaufführung gestellt hat, spricht nur für sie und zeigt, dass sie eine echte, grosse Künstlerin ist, die auf das Benehmen einer Diva verzichten kann.


    Wenn man ihm eines gewiss nicht vorwerfen kann, dann wohl, dass er anders als andere spielt, nur um auf sich aufmerksam zu machen. Harnoncourts Interpretationen sind immer zutiefst reflektiert und durchdacht, verbunden mit einem eruptivem Temperament.


    Komm an mein Herz, Du norwegischer Glockenton :D


    LG
    Austria


    @Edwin: :baeh01:

    Wir lieben Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - vorausgesetzt, sie denken dasselbe wie wir (Mark Twain)

  • Lieber Glockenton,


    zunächst einmal herzlich willkommen bei Tamino! :D :D


    Dein "Einstand" hat mir sehr gut gefallen. Eine sachliche und sehr differenzierte Kritik.


    Herzliche Grüße, :hello::hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)


  • Austria
    Sehr gerne, ist von Østfold bis Wien aber ein bisschen weit :)
    Deswegen muss es bei lieben Grüssen nach Wien bleiben, für mich immer noch eine, wenn nicht die Haupstadt der guten Musik.


    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Hallo Glockenton und Austria,
    wenn das eine erstaunliche Vielseitigkeit ist,Verdi und Mozart
    zu singen,dann gibt es hunderte erstaunliche Sängerinnen
    und Sänger.Hier nur einige wenige Sängerinnen:Lilli Lehmann,
    E.Rethberg, M.Cebotari,T.Stich-Randall,A.Moffo.A.Rothenberger,etc.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Zitat

    Original von Caesar73
    zunächst einmal herzlich willkommen bei Tamino! :D :D


    Christian


    Caesar73: Verbindlichsten Dank für die netten Worte und den Willkommensgruss !


    Herzlichst
    Bernd

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

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  • Hallo zusammen!


    Während des ersten Aktes dachte ich: Das kommt dabei heraus, wenn ein humorloser Regisseur auf einen ebenso humorlosen Dirigenten trifft, Mozarts Figaro a la Strindberg, im Verlauf der Handlung erkannte ich, dass dies sehr wohl eine mögliche Figaro-Deutung ist, trotzdem vermisste ich den Morzartschen Humor vor allem in der musikalischen Seite, die mir insgesamt zu ernst und vor allem in den Tempi zu langsam war, manchmal hatte ich den Eindruck, dass auch die Sänger mit den langsamen Tempi zu kämpfen hatten, die bereits angesprochene Christine Schäfer gefiel auch mir stimmlich am besten, enttäuscht war ich von der stimmlichen Leistung Bo Skovhus' und d'Arcangelos Stimme fand ich für den Figaro stellenweise etwas zu hart, Seligs Bartolo war mir in der Diktion zu "deutsch". Dorothea Röschmann gefiel mir gesanglich nicht besonders gut, Netrebko war eine solide Susanna und hat damit den Rummel um ihre Person für mich wieder nicht verständlich gemacht,
    alles in allem eben eine Möglichkeit diese Oper zu präsentieren, aber mir ist der Humor doch sehr abgegangen, auch wenn das Beziehungsgeflecht in dieser Oper sicher nicht immer lustig für alle Beteiligten ist.


  • Hallo Herbert,


    A.Moffo und A. Rothenberger gehörten in Ihrer Zeit sicher zu den erstaunlichen Sängerinnen, keine Frage.
    Und wenn es tatsächlich hunderte erstaunliche Sängerinnen und Sänger gibt, dann ist das doch nur gut und ein Grund, sich darüber zu freuen.


    Anna Netropkos Beiträge fand ich in jeder Hinsicht sehr erfreulich, musikalisch, schauspielerisch und ja, ich gebe es zu, auch optisch.


    Ich liess mich sogar einen Moment lang zu der Vermutung hinreissen, dass sie auch wunderbar Bach singen könnte ( sprachliche Aspekte einmal aussen vor gelassen). Ob das wirklich stimmen könnte, weiss ich nicht, aber es ist auch ein anderes Thema.


    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Netrepko wird meiner Meinung nach auch ein wenig plakativ kritisiert. Man meint das drum herum und kritisiert pauschal die Leistung ein wenig mit, so mein Eindruck.


    Die Inszenierung ist sicherlich zu hinterfragen. Die Tempi waren zu langsam, was aber auch für interessante Momente sorgte, ich hörte Sachen heraus, die ich sonst noch nie gehört hatte.


    Insgesamt fand ich diese Aufführung auf jeden Fall sehr interessant. :untertauch:

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner


    Dennoch haben sie IMO mit dem "Figaro" nichts zu tun, denn der ist nicht ein Kampf Mann gegen Frau, sondern einer von denen "unten" gegen die "oben". Das ius primae noctis wird schon bei Beaumarchais als ein Element der Standesgegensätze, nicht als eines geschlechtsspezifischen Rollenspiels beschrieben.
    Daher setzt die Inszenierung meiner Meinung nach an einer für das Stück nahezu irrelavanten Nebensächlichkeit an und klammert dafür den Kern aus. Und die Psychologie ist nicht ansatzweise aus der Musik entwickelt. An welcher Stelle zeichnet Mozart z.B. den Grafen als einen schweren Neurotiker?


    Lieber Edwin,


    meiner Meinung nach schon ...:D Aber ich werde eben nochmal das Libretto lesen, mir die Aufführung nocheinmal ansehen und dann mehr dazu schreiben. Und ceterum censeo sind die gesellschaftskritischen Tendenzen auch nur ein Element unter mehreren- die des "Seelendramas" ein anderes. Später mehr.


    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

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  • Hallo Glockenton,
    ich wollte eigentlich sagen,daß es garnicht erstaunlich und
    vielseitig ist,wenn ein ausgebildeter Sänger Mozart,Verdi und
    auch Wagner singt.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Hallo,


    Wir sollten - so wir was speziell zu Frau Netrebko zu sagen haben (was über diese Aufführung hinausgeht) - das im dafür vorgesehenen Thread tun.


    Ich komme wieder zur Aufführung.


    Wie abwegig und absurd diese Inszenierung tatsächklich ist, muß jedem klar werden, der sie mir jener relativ neuen aus Paris vergleicht, welche vergangenes Jahr über die Bildschirme flimmerte.


    Wenngleich ich Mozart gerne NOCH konservativer sehe, so muß doch gesagt werden, daß es sich bei jener aus dem Theätre des Champs Elysees um eine ausgezeichnete Einstudierung handelt wo weder Witz noch der tiefgründige Ernst des Stückes auf der Strecke blieben.


    Mein Angriff richtet sich vor allen DESHALB gegen die Salzburger Neuinszenierung, weil hier mit medialer Brachialgewalt versucht wird,
    zu suggerieren, es handle sich um eine "hervorragende" Inszenierung, ein "Ereignis". Und das ist einfachj nicht wahr.


    Das positivste, das mir dazu einfällt wäre:


    Als Experimentalinszenierunge für Leute, die das Werk schon 20 mal in verschiedenen Aufführungen gesehen haben - und deshalb seiner bereits überdrüssig sind - sicher eine geeignete - nicht uninteressante Alternative. Mit dem Stück an sich hat das Ganze jedoch nur mehr bedingt etwas zu tun. Ein Schüler, der das Werk noch nie gesehen hätte (und der über keine sonstigen Hintergrundinformationen verfügt) würde die Geschichte mit einiger Wahrscheinlichkeit so erzählen, daß der geflügelte "Eros" die prägende Figur wäre.
    Alles in allem recht schlüssig - aber um den Effekt noch zu verstärken, sollte man an Da Pontes Texten noch feilen und Mozarts Musik durch was moderneres ersetzen...... :baeh01:


    mfg
    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Salut GLockenton,


    erstmal herzlich willkommen in der virtuellen Musikwelt!


    Dann bitte ich um Erläuterung von:


    Zitat


    [...] und sich nicht auf jene überhaupt nicht komischen dal-Ponte Pseudo-Witzeleien eingelassen, die man sonst allzuoft hört. [...]


    Das sagt mir jetzt überhaupt nichts... ?(


    Danke im Voraus!
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo Austria!

    Zitat

    :baeh01:


    Also, ich meinte den Bo Skovhus. Die andere Möglichkeit als Quelle sanft falscher Töne hat diese, wie ich schon anmerkte, in erstaunlichem Ausmaß unterlassen. Für ihre Verhältnisse halt... :D
    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt


    Mein Angriff richtet sich vor allen DESHALB gegen die Salzburger Neuinszenierung, weil hier mit medialer Brachialgewalt versucht wird,
    zu suggerieren, es handle sich um eine "hervorragende" Inszenierung, ein "Ereignis". Und das ist einfachj nicht wahr.


    Lieber Alfred,


    meinst Du nicht, dass man das mediale Theater um die Inszenierung von der Inszenierung trennen sollte? Die Aufführung alleine deshalb zu verdammen nur weil das Medieninteresse groß ist, schießt über das Ziel hinaus. Und offengestanden läßt mich der mediale Hype um solche Großereignisse ziemlich kalt. Ich sehe sie mir an; gefallen sie mir: gut; gefallen sie mir nicht: auch nicht weiter tragisch. Darüber ob mir eine Inszenierung bedeutend scheint- oder auch nicht- entscheide ich selbst nach eigenem Urteil. Dixi.


    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

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