Johann Sebastian Bach: Das Weihnachtsoratorium

  • Hallo mucaxel,
    Zitat:
    Ich habe heute die Aufnahme von Harnoncourt gekauft und da mit Spannung hinein gehört. Will aber dazu nichts sagen, höre das alles in der Adventszeit, die für mich erst kommenden Sonntag beginnt!
    Ja bin altmodisch, geb ich auch gerne zu.
    -----------------------
    Da stehst Du nicht alleine da, für mich beginnt das neue Kirchenjahr auch erst am 1. Advent und dann beginne ich mit dem Hören der Musik für die Weihnachtszeit....!!


    Gruß
    Volker

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.


  • Ihr sprecht mir aus dem Herzen! :angel:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Hallo Forianer,


    in den Berliner Plus-Filialen gibt es gegenwärtig eine der besten Einspielungen des Bachschen Weihnachtoratoriums (komplett!)




    natürlich in einer anderen Aufmachung, ohne Booklet, aber dafür für nur EURO 3,99 !!!!!!!!!!!!!!!!!!!



    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Nachdem ich mir nun diesen Faden zum Weihnachtsoratorium ganz durchgelesen habe, fällt mir auf, dass es, von einem kopierten Wikipdia-Artikel abgesehen, ganz überwiegend um die unterschiedlichen Einspielungen geht, nicht aber um das Werk selbst.


    Gibt es Handbücher, die diese Musik weiter erschließen können? Ich selber habe mir im letzten Jahr neben der Partitur dieses hier von Günter Jena gebraucht angeschafft:



    Wenn man von einem leichten Hang zur Zählerei absieht, gefällt mir das Buch bisher recht gut, dürfte aber kaum noch zu bekommen sein. Gibt es andere Handbücher, die ihr benutzt?


    Was ist es überhaupt, was das Weihnachtsoratorium so interessant macht? Dass wir es oft schon seit Jahren kennen? Oder ist da noch mehr?


    Mit Gruß von Carola

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von Carola
    Gibt es Handbücher, die diese Musik weiter erschließen können? mehr?


    Mit Gruß von Carola


    Kann dieses gutlesbare



    "Bärenreiter-Taschenbuch"


    Meinrad Walter; Johann S. Bach: Johann Sebastian Bach. Weihnachtsoratorium


    für rd. 14 € empfehlen.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Zitat

    Original von Carola
    Was ist es überhaupt, was das Weihnachtsoratorium so interessant macht? Dass wir es oft schon seit Jahren kennen? Oder ist da noch mehr?


    Jaja, das Weihnachtsmoratorium... :D


    Eine ebenso lieb gewordene Tradition wie die Matthäuspassion zu Ostern.
    Und dazu Bachs Highlights aus seinem Kantatenschaffen bis dato. Mit schön pompösem Pauken- und Trompetenkrawall sowie innigsten Arien.
    Diese Mischung machts wohl.

  • Das Weihnachtsoratorium ist ja eigentlich eine Serie von Sacri Concerti (vulgo "Kantaten") für sechs Abendgottesdienste an Weihnachten bis einschl. Dreikönigsfest, also nicht en bloc zu hören - kommt übrigens gut, wenn man es zuhause so über die Feiertage verteilt hört.


    Dazu kommt, dass fast alle Stücke Parodien von Sätzen aus weltlichen Kantaten sind: Ich muß gestehen, mir gefallen die Vorlagen meistens besser, weil dort textlicher Inhalt und musikalischer Affekt besser übereinstimmen.


    Davon abgesehen ist es einfach eines der schönsten Werke zur Weihnachtszeit, die es gibt - aber besser als bestimmte Stücke von Stradella und Alessandro Scarlatti gefällt es mir nicht.

  • Zitat

    Original von miguel54


    Dazu kommt, dass fast alle Stücke Parodien von Sätzen aus weltlichen Kantaten sind:


    Ds meinte ich mit den Highlights.


    Zitat

    Ich muß gestehen, mir gefallen die Vorlagen meistens besser, weil dort textlicher Inhalt und musikalischer Affekt besser übereinstimmen.


    Schon, aber bisweilen gehen mir die weltlichen Texte mit ihrer Lobhudelei ganz schön auf die Nerven. :D
    Denk an den "Leo-, Leo-, Leopold" von Telemann. :hahahaha:


    Und gleich noch eine Einspielung:


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    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:


    Immer wenn ich denke, das hat der Koopman aber schön gemacht, kommt dieser Mensch aus Japan daher und macht es besser.
    Bei Suzuki klingt alles sehr viel müheloser, selbstverständlicher, so als müsste er niemandem etwas beweisen.
    Und die besseren SängerInnen hat er auch. :yes:

  • Sagitt meint:


    War es nicht eben dieser Schriftsteller, der in seinem Buch Bach und ich darauf hinwies, dass Bach da mehr getan habe, als es nach die Gepflogenheit der Zeit üblich gewesen sei.
    Angesichts des Frustes in Leipzig nicht unverständlich, sich neue Perspektiven zu erkomponieren.
    Lobhudeleien konnten die , denen sie dienten, sicher gar nicht genug bekommen....


    PS von der Neuaufnahme des WO durch Harnoncourt bin ich nicht so überrascht, aber ich finde sie herzlich überflüssig!

  • Guten Abend


    Zitat

    Original von miguel54
    Dazu kommt, dass fast alle Stücke Parodien von Sätzen aus weltlichen Kantaten sind: Ich muß gestehen, mir gefallen die Vorlagen meistens besser, weil dort textlicher Inhalt und musikalischer Affekt besser übereinstimmen.


    Diesen Eindruck habe ich manchmal auch wenn ich diese


    51A5QsdiUeL.jpg


    CD ( :jubel: :jubel: ) mit "Festmusiken für das Kurfürstlich-Sächische Haus" höre.
    Man sollte eigentlich erst BWV 213 + 214 kennenlernen bevor man sich das WE anhört :untertauch::hahahaha:
    (So ist es ja auch den Leipzigern damals ergangen :D )


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

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  • Zitat

    Original von Bernhard
    Man sollte eigentlich erst BWV 213 + 214 kennenlernen bevor man sich das WE anhört :untertauch::hahahaha:
    (So ist es ja auch den Leipzigern damals ergangen :D )


    Ja, der Eingangschor der Königin-Kantate BWV 214 schlägt den das WO um Längen - und das will was heißen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Günter Jena beschreibt in seinem Buch "Brich an, o schönes Morgenlicht" den Eingangschor als "großen, furiosen Tanz der Freude" - das gefällt mir sehr gut. Interessant finde ich auch seinen Hinweis auf die dreifachen Trompetenfanfaren (er spricht von "Befreiungsfanfaren") gleich zu Beginn, die Bach auch in der h-moll-Messe ähnlich eingesetzt habe, dort symbolisieren sie die Erwartung der Auferstehung der Toten, im Weihnachtsoratorium kündigen sie den Erlöser an und wollen, so Jena, "unsere Blicke auf einen aufgerissenen Himmel richten".


    Zur Frage der beiden weltlichen "Vorgängerkantaten" BWV 213 und 214 schreibt Alfred Dürr übrigens in seinem Vorwort zur Bärenreiter-Partitur, erst im Weihnachtsoratorium habe diese Musik den "eigentlichen, ihr zukommenden Platz gefunden". So sehe bzw. höre ich das auch.


    Mit Gruß von Carola

  • Guten Abend


    Zitat

    Original von Carola
    Zur Frage der beiden weltlichen "Vorgängerkantaten" BWV 213 und 214 schreibt Alfred Dürr übrigens in seinem Vorwort zur Bärenreiter-Partitur, erst im Weihnachtsoratorium habe diese Musik den "eigentlichen, ihr zukommenden Platz gefunden". So sehe bzw. höre ich das auch.


    Mit Gruß von Carola


    Klar, die Kantaten BWV 213 + 214 wurden einmalig zu konkreten Anlässen, z.B. zum elften Geburtstages des Kurprinzen Friedrich-Christian (ob der Knabe diese Musik zu schätzen wußte ?) am 05.09.1733 oder zum 34. Geburtstag der Kurfürstin und polnischen Königin Maria Josepha (08.12.1733) komponiert. Dass Bach an eine Wiederrverwendung dieser weltlichen Kantaten als geistliche Werke schon bei ihrer Komposition dachte, ist sehr wahrscheinlich bis erwiesen.
    Und wurden somit zu den volkstümlichen Vokalwerken Bachs =) .
    Sie haben wirklich im WE ihren ihnen zukommenden Platz gefunden :jubel: :jubel:


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Guten Abend


    Zitat

    Original von Felipe II.
    Ja, der Eingangschor der Königin-Kantate BWV 214 schlägt den das WO um Längen - und das will was heißen.


    Schon, aber wenn der Eingangschor BWV 214 nicht den Weg als Eingangschor zum Teil I des WE gefunden hätte, hätte er wohl kaum seinen jetzigen Bekanntheitsgrad und Beliebtheit erlangt.
    Die weltlichen Kantaten Bachs führen immer (leider) noch ein gewisses Schattendasein als Gelegenheitsmusik.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Hallo Bernhard,


    ich gebe Dir Recht, sicherlich verdankt dieser wunderbare Chor dem WO insofern viel.
    Es gibt sowieso erschreckend wenige Aufnahmen von BWV 214. Die von Dir erwähnte ist ja sogar (historisch vorbildlich) mit Knabenchor! Wow, wohl eine Anschaffung wert. :)


    Liebe Grüße :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões


  • Günter Jena beschreibt in seinem Buch z.B. für die Altarie "Bereite dich, Zion" sehr detailliert, wie Bach die weltliche Vorlage an den neuen Text musikalisch angepasst hat, z.B. durch Hinzufügen einer warm klingenden Oboe d´amore zu den 1. Violinen, durch das Ersetzen von Staccato durch ein nun vorgeschriebenes Legato und anderes mehr.


    Jena fasst zusammen:"Bei der Übernahme aus der Vorlage achtet Bach auf außergewöhnliche Textkongruenz. Er behält musikalische Motive und Figuren bei, wenn sie auf den neuen Text passen, ändert sie aber (und sei es geringfügig), wenn es der neue Text erfordert." (Seite 45).


    Mit Gruß von Carola

  • Es gibt ein Buch von Martin Petzold - selbst ein begnadeter Bach-Sänger (Tenor) - über das Kantatenwerk. Ich habe es im Bach-Museum in Leipzig vergangene Weihnachten kurz durchgeblättert, konnte es aber nicht kaufen ("im Augenblick nicht lagernd"). Du hast mich jetzt aber daran erinnert und ich werde das Internet befragen, ob ich es irgendwo finde.
    Ich erinnere mich nicht mehr, ob alle Kantaten beschrieben sind (dann wäre zumindest die "Basis" für das Weihnachtsoratorium nachvollziehbar), glaube mich aber zu erinnern, dass Petzold wissenschaftlich an die Sache herangeht. Das Buch dürfte also mehr als nur eine Hilfe zu Bach sein.


    Michael 2

  • Hallo Michael


    Petzoldt bespricht in der Tat alle geistlichen Kantaten Bachs, auch die sechs, aus denen das Weihnachtsoratorium besteht. Es handelt sich um einen theologischen Kommentar. Im Bachkantatenforum habe ich die beiden bisher erschienenen Bände kurz vorgestellt, hier


    Mit Gruß von Carola


    PS. Der fragliche Band sieht so aus



    kostet leider 59 € und ist ganz normal über jede Buchhandlung oder die üblichen Internetanbieter zu beziehen.

  • Zitat

    Original von Bernhard
    Die weltlichen Kantaten Bachs führen immer (leider) noch ein gewisses Schattendasein als Gelegenheitsmusik.


    So sehe ich das auch - schon das Wort "Gelegenheitsmusik" bedeutet im heutigen Gebrauch eine Abwertung. Völlig unangemessen, wo es doch damals ohne "Gelegenheit" auch keine Musik gab ....


    Die Arie "Schlafe mein Liebster" wird mir im weltlichen Zusammenhang immer besser gefallen.
    Dieses Gerede vom "ihnen zukommenden Platz" der Stücke halte ich für reine Ideologie, die sakrale Musik über säkulare stellt - bei allem Respekt vor dem Religiösen, den auch ich habe, halte ich das für übertrieben oder zumindest einseitig.

  • Zitat

    Original von Carola
    Hallo Michael


    Petzoldt bespricht in der Tat alle geistlichen Kantaten Bachs, auch die sechs, aus denen das Weihnachtsoratorium besteht. Es handelt sich um einen theologischen Kommentar. Im Bachkantatenforum habe ich die beiden bisher erschienenen Bände kurz vorgestellt, hier


    Mit Gruß von Carola


    Hallo Carola,


    ist es denkmöglich, dass es zwei Martin Petzold gibt und beide beschäftigen sich mit Bach ? Der, den ich meine, ist Tenor (Mitglied der Oper in Leipzig und gefragter Konzertsänger) und beschäftigt sich "nebenbei" theoretisch mit Bach. Ich erinnere mich an ein Zusammensitzen nach einem Konzert in Bologna (Messias in der Fassung von Mozart) mit den Solisten, bei dem er die Bedeutung des Sächsischen für die Melodik in der Matthäus Passion erklärt hat (und originales sächsisch und heutiges deutsch vorgesungen hat). Ich habe auch das Cover des Buches im Bach-Museum anders in Erinnerung.
    Jetzt ist mein Forscherdrang geweckt und ich begebe mich ernsthaft auf die Suche.


    Grüße aus Wien


    Michael 2

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  • Hallo Michael,


    das scheint dann tatsächlich so zu sein. Zumal "mein" Petzoldt" sich mit "dt" am Ende schreibt. Und Pfarrer und Theologieprofessor in Leipzig ist.


    Wenn Du über das Buch des singenden Petzold noch etwas herausbekommst, würde mich das ebenfalls interessieren.


    Mit Gruß von Carola

  • Zitat

    Original von miguel54


    Dieses Gerede vom "ihnen zukommenden Platz" der Stücke halte ich für reine Ideologie, die sakrale Musik über säkulare stellt - bei allem Respekt vor dem Religiösen, den auch ich habe, halte ich das für übertrieben oder zumindest einseitig.


    Gerade Alfred Dürr, den ich ja in dieser Weise zitiert habe, kommt mir eigentlich gar nicht ideologisch vor. Sein Handbuch der Bachkantaten finde ich auch gerade in dieser Hinsicht erfrischend unsentimental und sachlich.


    Dass sich aber in einem Faden zum Weihnachtsoratorium zumindest auch die dezidierte Auffassung findet, dieses sei bedeutender als die vorangegangen weltliche Hudligungsmusiken, sollte doch eigentlich nicht verwundern. Es ist ja niemand gehindert, sich trotzdem eingehend mit BWV 213 und 214 zu beschäftigen, im Bachkantatenforum gibt es ja sogar auch einen eigenen Faden zu den weltlichen Kantaten.


    Mit Gruß von Carola

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von miguel54
    [
    Die Arie "Schlafe mein Liebster" wird mir im weltlichen Zusammenhang immer besser gefallen.


    Der Text dieser Arie erscheint mir als heutigen Mensch gesehen in BWV 213 wie in BWV 248/II, in der weltlichen als auch der geistlichen Textfassung, gleich schwülstig. Aber die Texte wurden ja für Menschen vor 250 Jahre und nicht für uns Heutige geschrieben, das muss man sich immer vor Augen halten :yes: :yes:.
    Seit ich aber BWV 213 + 214 kenne, kommen mir aber z.B. beim Hören von Chören statt "Jauchzet, frolhocket", "Herscher des Himmel" oder "Fallt mit Danken" auch die Texte "Tönet ihr Pauken", "Blühet ihr Linden" oder "Lasst uns sorgen"genau so ins Ohr :)


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Hallo Carola, hallo Michael!


    Da tummeln sich ja fast Heerscharen von Martin Petzold(t)en in Leipzig... :wacky:


    Nach meiner Kenntnis ist Martin Petzold zwar ein musikhistorisch außerordentlich gebildeter Musiker, der tief in der Leipziger Bachpflege verwurzelt ist, jedoch sind alle Veröffentlichungen auf dem Buchmarkt, die ich kenne, vom anderen Martin Petzoldt - seines Zeichens systematischer Theologe und Vorsitzender der Neuen Bachgesellschaft verursacht.


    Könnte Dein ( Michaels) Petzold da nicht doch ein Petzoldt gewesen sein?


    Wenn der andere Petzold nämlich jetzt auch noch schriebe, um die Menschheit vollends zu verwirren, wäre das ...frech :hahahaha::hahahaha:


    Gruß
    Stefan

    Psalmen sprechen und Tee trinken kann niemals schaden!

  • Zitat

    Original von miguel54
    Das Weihnachtsoratorium ist ja eigentlich eine Serie von Sacri Concerti (vulgo "Kantaten") für sechs Abendgottesdienste an Weihnachten bis einschl. Dreikönigsfest, also nicht en bloc zu hören - kommt übrigens gut, wenn man es zuhause so über die Feiertage verteilt hört.


    Ich möchte in diesem Jahr auch mal ausprobieren, die 6 Teile über die Feiertage verteilt zu hören.


    Wobei Günter Jena in seinem bereits erwähnten Handbuch davon ausgeht, dass Bach selbst sein Weihnachtsoratorium als eine Einheit gedacht hatte, allerdings damals keine Möglichkeit bestand, das Werk als solches aufzuführen. Hierfür führt Jena mehrere Argumente an.


    1. In Bachs eigener Handschrift findet sich auf jedem der 6 Teile die Überschrift: "Oratorium Tempore Navitatis Christi, Pars I" usw.. Über die "richtigen" Kantaten schrieb er oder wer auch immer im Gegensatz dazu stets "Concerto" oder "Cantata".


    2. Das Werk hat eine durchgehend erzählte biblische Handlung, was geradezu die Definition eines Oratoriums ist. Um dieser durchgehend erzählten Handlung willen weicht es auch von den Perikopen der Sonn- und Feiertage ab, an denen die 6 Teile damals aufgeführt wurden. Das sind die drei (!) Weihnachtstage, Neujahr, Sonntag nach Neujahr und Epiphanias. Ein solches Abweichen vom eigentlich vorgesehenen Evangeliumstext war aber bei den Kantaten ansonsten nicht üblich.


    3. Als weiteres Argument nennt Jena die "tonartlichen Beziehungen" der Teile untereinander, führt dies aber nicht weiter aus.


    Sein Fazit ist jedenfalls: Dass wir heute in der Regel das Werk als Ganzes anhören, entspräche Bachs eigener Absicht eher als die damalige Praxis, das Oratorium an sechs verschiedenen Tagen aufzuführen.


    Was meint Ihr? Wie hört Ihr das Weihnachtsoratorium am liebsten? Am Stück oder über mehrere Tage verteilt?


    Mit Gruß von Carola

  • Guten Abend


    Zitat

    Original von Carola


    Wobei Günter Jena in seinem bereits erwähnten Handbuch davon ausgeht, dass Bach selbst sein Weihnachtsoratorium als eine Einheit gedacht hatte, allerdings damals keine Möglichkeit bestand, das Werk als solches aufzuführen. Hierfür führt Jena mehrere Argumente an.


    Möchte hierzu kurz aus dem bereichts erwähnten Bärenreitertaschenbuch von Meinrad Walter "Johann Sebastian Bach Weihnachtsoratorium" zitieren:


    Mehr als sechs Kantaten


    Nicht nur Menschen, auch Kunstwerke - und nach christlichen Verständnis sogar der drei-eine Gott- leben in und mit Spannungen, etwa der Einheit und Vielfalt. Für das Weihnachtsoratorium gilt dies in besonderer Weise. Dass Bach die sechs Teile des Gesamtwerkes nicht als zusammenhanglose Abfolge von Kantaten, sondern als ein sechsteilisches Oratorium konzipiert hat, steht außer Frage.




    Zitat

    3. Als weiteres Argument nennt Jena die "tonartlichen Beziehungen" der Teile untereinander, führt dies aber nicht weiter aus


    Hierzu ist in dem Büchlein zu lesen:


    Die Anordnung der Tonarten über die sechs Teile hinweg -jeder Teil schließt in der Tonart, in der er begonnen hat- entspricht einer Kadenz, die mit verschiedenen Akkorden eine Tonart `befestigt ´: D ist die das Werk rahmende Grundtonart der Teile I und VI (und III). Teil II steht auf der Subdominante G und Teil V auf der Dominante A. Etwas aus diesem Kadenzrahmen fällt einzig der in F stehende und somit terzverwandte Teil IV, in dem allerdings auch sämtliche übrigern einheitsstiftenden Momente fehlen: Bibliche Rezitative können diesen Teil schon deshalb nicht struktutieren, weil er nu rein einziges kurzes Rezitativ enthält, das unmittelbar auf den Eingangschor folgt: die Handlung schreitet nicht voran, sondern verweilt bei der Meditation des Jesus-Namens, tonart und Besetzung (mit Hörnern) bringen neue Klangfarben; die insgesamt am meisten beschäftigte solitische Altstimme pausiert; außerdemerklingen im vierten Teil zwar Choralstrophen, aber keine einzige tradierte Choralstrophe ist zu hören.



    Zitat

    Was meint Ihr? Wie hört Ihr das Weihnachtsoratorium am liebsten? Am Stück oder über mehrere Tage verteilt?


    Mit Gruß von Carola


    Bisher meist am Stück bzw. der bei Aufführungen meist üblichen Teilung in TeileI-II und IV-Vi.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard


  • Hallo Carola,


    ich halte es wie folgt: Habe ich irgendwann im Jahr Lust auf das WO, höre ich es mir in einer meiner ca.10 Aufnahmen an. Nur EINE bleibt davon ausgenommen - die o.g. Richter Aufnahme mit Fritz Wunderlich. Die wird seit ca. 15 Jahren AUSSCHLIESSLICH auf die Weihnachtsfesttage verteilt gehört. Ich lese kurz die zu Grunde liegenden Bibeltexte und höre dann, fast meditierend, die eine Kantate.Dann erst mal auch keine andere Musik. Das ist Weihnachten für mich...
    Und es ist ein ganz anderes Erleben, als das ganze Werk hintereinander zu hören.


    Probier es tatsächlich mal aus!
    Gruß
    Stefan

    Psalmen sprechen und Tee trinken kann niemals schaden!

  • Zitat

    Miguel54 schrieb:
    Dieses Gerede vom "ihnen zukommenden Platz" der Stücke halte ich für reine Ideologie, die sakrale Musik über säkulare stellt - bei allem Respekt vor dem Religiösen, den auch ich habe, halte ich das für übertrieben oder zumindest einseitig.


    Zumindest muss man das Ganze aus der Perspektive des Komponisten sehen, der aus seiner Sicht wert- und gehaltvolle Musik komponierte und diese nicht nur zu einem einzigen Anlass erklingen hören wollte.


    Ob Bach nun regelmäßig beim Komponieren weltlicher Kantaten direkt den konkreten "Wiederverwendungsanlass" im Hinterkopf hatte, kann man sicher bezweifeln.
    Aber dass er gerade in späterer Zeit, nachdem er ja bereits mehrfach sehr erfolgreich überaus gelungenes "Recycling" weltlicher Kantatenmusik betrieben hatte, schon beim Komponieren daran dachte, dass er die gerade erdachte Musik nochmals in geistlichem Zusammenhang verwenden würde, das erscheint mir ziemlich wahrscheinlich - er dachte nun einmal überaus wirtschaftlich :]


    Und im vorliegenden Fall handelt es sich ja sowohl bei der weltlichen wie der späteren geistlichen Musik um Musik der Reifezeit Bachs, oder um bachsches "Spätwerk", das man wohl so ab 1730 beginnen lässt.


    Derartige Hintergedanken kamen natürlich der weltlichen wie auch der geistlichen Musik, die dann daraus werden sollte, sehr zugute: Schließlich gab Bach sich damit ja dann auch beim Komponieren von "Gelegenheitswerken" wie Huldigungs- und Glückwunschkantaten besondere Mühe, da er sicher nur gelungenes Material wiederverwerten wollte - somit haben also auch nicht zuletzt aus diesem Grund die heute arg vernachlässigten weltlichen Kantaten (wie eben z. B. BWV 213 und 214) eine beachtliche kompositiorische Qualität, die häufiger zum Erklingen zu bringen sich wahrlich lohnen würde... ;)

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Hallo Carola,


    der Hinweis auf die von Bach geplante Einheit der sechs Kantaten als zusammengehöriger Zyklus, eben als Oratorium, ist ein Aspekt, der interessante Rückschlüsse erlaubt, wie Bach die einzelne Aufführung der sechs Kantaten geplant haben könnte.


    Gerade dieser "Oratorien-Faktor" ist aber auch immer kontrovers diskutiert worden - es gibt Leute, die diesen Faktor nicht überwertet wissen wollen und die Eigenständigkeit und Einbindung der Kantaten in die jeweiligen Gottesdienste an den Bestimmungsttagen betonen.


    Allerdings sind da eben die Elemente, die wiederum den zyklischen Aspekt, den Gedanken, dass Bach bei der Komposition der sechs Kantaten eben in größeren Zusammenhängen gedacht und geplant hat, als er es bei der Komposition von anderen Kantaten tat, die z. B. während der Weihnachtsfesttage des Jahres 1723/24 erklangen - auch hier könnte man ja einen thematischen Zusammenhang vermuten oder konstruieren.


    Wie Du schon erwähnst, gibt es da zunächst den fortlaufenden biblischen Bericht aus den Evangelien des Lukas (Kantaten I-IV) und des Matthäus (Kantaten V + VI).


    Zitat

    Carola schreibt:
    Als weiteres Argument nennt Jena die "tonartlichen Beziehungen" der Teile untereinander, führt dies aber nicht weiter aus.


    Damit ist die Abfolge der einzelnen Grundtonarten der sechs Kantaten gemeint - ich habe sie jetzt gerade nicht auswendig im Kopf, aber es müsste ungefähr so aussehen:


    D-Dur/ A-Dur/ D-Dur/ F-Dur/ G-Dur/ D-Dur


    Jedenfalls kreist das Ganze um die "festliche" Tonart D-Dur (bevorzugt immer dann gewählt, wenn Trompeten erklingen) - verglichen mit der Wahl der Tonarten einzelner Konzert- oder Symphoniesätze (die ja meist auch um eine Grundtonart kreisen) bei anderen Komponisten lässt sich daraus schon ein weiterer Hinweis auf eine Anlage als Zyklus erkennen.


    Auch die Wahl der Instrumentation der einzelnen Kantaten ist nach einem übergeordneten Plan erfolgt:
    Jeweils zwei prunkvoller orchestrierte Kantaten (I + III und IV + VI) umrahmen eine "intimere" Kantate, die einen verinnerlichteren Charakter hat: In den erwähnten Kantaten setzt Bach Pauken und Trompeten ein, bzw. Hörner (als einzige Kantate im ganzen WO in der Kantate IV!).


    Problematisch ist für die separate Aufführung auch die Aufteilung der biblischen Handlung auf die einzelnen Bestimmungstage:


    Die fünfte Kantate erklingt am Sonntag nach Neujahr und beinhaltet den ersten Teil der Geschichte von den Heiligen drei Königen, die in der Kantate VI - die für den eigentlichen Dreikönigstag bestimmt ist - dann zu Ende erzählt wird.


    Das ergab liturgisch gesehen allerdings ein Problem, denn das Evangelium für den erwähnten Sonntag nach Neujahr war eigentlich schon die sich an den Besuch der Könige anschließende Episode der Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten (um Herodes' Häschern zu entkommen).
    Aber diese Epsiode konnte innerhalb der WOs ja nun schlecht vor der Dreikönigs-Geschichte erzählt werden...
    Und so wird sie ignoriert, was ich aus Bachs Sicht schon recht gewagt finde - der Gottesdienst (und vor allem natürlich die Predigt) an jenem Sonntag nach Neujahr des Jahres 1735 drehte sich um die Flucht nach Ägypten, dann erklang die Kantate (das war dann die 5. Kantate des Weihnachtsoratoriums) und da ging es plötzlich schon um die Weisen aus dem Morgenlande, die ja eigentlich erst ein paar Tage später am 6. Januar geehrt werden sollten... :wacky:
    Es erstaunt schon, dass die Geistlichkeit bereit war, das mitzumachen und den Kantor nicht gemaßregelt hat, doch bitte gefälligst eine thematisch passende Musica aufzuführen...
    Aber man scheint das mitgemacht (zumindest der ein oder andere Zuhörer dürfte sich damals wohl schon gewundert haben) und der zyklischen Überordnung des Oratoriums zuliebe diese thematisch so ganz anders geartete Kantate geduldet zu haben.


    Daher habe ich absolut nichts gegen eine Aufführung des WO "in einem Rutsch" (oder zumindest in zwei Teilen à drei Kantaten) einzuwenden, denn da scheint schon auch eine gewisse Berechtigung zu haben. :yes:


    Da es damals im Leipzig (anders als in Händels London) keine Oratorien-Tradition gab, musste Bach sich wohl oder übel auf den "Umweg" über die kirchlich-liturgische Aufführung verlegen.
    Er hätte die Idee einer oratorischen Aufführung aber womöglich nicht ganz uninteressant gefunden, könnte ich mir vorstellen ;)

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

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