Johann Sebastian Bach: Das Weihnachtsoratorium

  • Ich habe daheim nochmal nachgeschlagen und wollte der Korrektheit und Vollständigkeit halber hier nochmal die Abfolge der einzelnen Kantaten unter dem Kriterium der Grundtonarten auflisten (das oben von mir aus dem Gedächtnis Geschriebene stimmte nämlich leider nur fast...):


    1. Kantate: D-Dur
    2. Kantate: G-Dur
    3. Kantate: D-Dur
    4. Kantate: F-Dur
    5. Kantate: A-Dur
    6. Kantate: D-Dur


    :angel::hello::angel:

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Als "Stille, die auf überirdische Klänge lauscht", so fasst Günter Jena in seinem Handbuch den Beginn des 2. Teils, der Sinfonia zusammen. Während die Hirten in der Dunkelheit ihre Herde hüten, erscheinen ihnen in "leuchtender Klarheit" die Engel, um die Geburt Jesu anzukündigen.


    Jena erläutert, worum es bei dieser weihnachtlichen Hirtenmusik, einer "Pastorale" also, geht: In dopppelchöriger Anlage wird hier die Begegnung der Hirten, verkörpert durch vier erdige Oboen, mit den Engeln, verkörpert durch Streicher und Flöten, geschildert. Während diese beiden Instrumentengruppen zunächst im Wechsel erklingen, kommt es ab Takt 18 der Sinfonia für einige Takte zu einer Verschmelzung von Irdischem und Himmlischen, von Mensch und Gott. Eine "musikalische Vision" (Jena), die an die Kernaussage des Weihnachtsgeheimnisses rührt.


    Dieser Auffassung der Sinfonia kommt von meinen drei Aufnahmen wohl noch am ehesten Richter entgegen.



    Hier ist etwas von dem Glanz zu hören, den dieser Satz für mein Empfinden ausstrahlen muss. Himmlischer Glanz und erdige Wärme, beides höre ich hier (wenn auch wenig Transparenz).


    So gut mir die Koopman-Aufnahme sonst auch gefällt,



    bei der Sinfonia ist sie mir deutlich zu schnell, zu leichtgewichtig, zu luftig.


    Jacobs



    ist wiederum ganz anders, erstaunlich langsam, mit 7. 48 sogar noch etwas langsamer als Richter. Auch das Erdige der dunklen Oboen kommt hier sehr schön heraus und gibt der Interpretation Würde und Gewicht. Nur leider: Glänzen und schweben will es für meine Ohren auch hier nicht so recht, die Erde kann ich zwar hören aber nicht den Himmel und wie sie einander durchdringen.


    Philipp Spitta, der erste Bach-Biograph, schrieb 1879 über die Sinfonia: "Dieses wunderbare, wie aus Silberfäden gewobene und durch seinen Farbenschmelz bezaubernde Stück ist von einer stillen Heiterkeit und doch unaussprechlich feierlich...".


    Aber vielleicht erwartet Ihr ja etwas ganz anderes von der Sinfonia und wie sie gespielt werden sollte...


    Mit Gruß von Carola

  • Guten Abend



    Spitta interpretierte die Sinfonia auch noch als romantisierend , er brachte sie als Stimmungshindergrund und als Lieblichkeit der orientalischen Idylle und den Ernst der sternklaren nordischen Winternacht in Verbindung.
    A. Schweitzer betont mehr den lebhaften Charakter des Stückes als Hirten- und Engellsmusik, er schrieb u.a. darüber:


    Bach schreibt hier wieder Situationsmusik. Die Hirten wachen auf dem Felde und blasen auf ihren Schalmeien; über ihnen schwebt schon das Heer der Engel, das ihnen alsbald erscheinen soll. Ihr Spiel mischt sich in das der Hirten. So muß, nach Bachs Empfinden, das Stück beschaffen sein, das die Einleitung zum Rezitativ ``Und es waren Hirten in derselbigen Gegend auf dem Felde..., und siehe des Hernn Engel trat zu ihnen´´ abgeben soll.


    Und Geck schreibt im Zusammenhang mit der Sinfonia, dass schon der monumentale Eingangschor der Baches Johannispassion am Anfang einer deutschen Auffassung von ernsthafter Sinfinik steht. Der Thomaskantor setzt mit der Sinfonia zum 2. Teil des WE ein Signal in eine ähnliche Richtung: eine Sin-fonia als Beginn im Sinne einer Overtüre, die nicht formal einleite sondern den Gehalt des Werkes vorstellt, einen Schlüssel zum Verständnis bietet, dabei ihre Überschrift geradezu wörtlich ernst nimmt; so Geck.
    Was man in diese wunderschöne Sinfonia alles hineininterpretieren kann :jubel::angel:


    Harnoncourt braucht in seiner aktuellen Einspielung des WE für die Sinfonia 5:17, in seiner EDinspielung von 1973 nur 4.43 !



    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Ich bin nicht sehr kompetent, meine Höreindrücke oder Reflexionen über musikalische Leistung sprachlich angemessen zu kommunizieren. Aber ich möchte meine Begeisterung über eine neue Einspielung des Weihnachtsoratoriums gern mitteilen und weise dazu auf eine Rezension hin, die mich auf diese Neueinspielung neugierig und gespannt gemacht hat. Und genau das, was hier so verführerisch für mich klang, höre ich auch in dieser Aufnahme:


    Die Einspielung, die de Vriend nun passend zum Fest vorlegt, zeigt, dass die Niederländer sich über die Jahre eine Bachsicht erarbeitet haben, die bei vollem Bewusstsein historischer Aufführungspraxis und souveräner Balance zwischen Chor, Orchester und Solisten dennoch die Natürlichkeit des Zugriffs bewahrt hat. Die Tempi de Vriends sind oft eine Kleinigkeit rascher als üblich, was einerseits gut zu dem transparenten Klangbild und den leichtgewichtigen Chorstimmen der Cappella Amsterdam passt, andererseits aber auch den festlichen Überschwang der Weihnachtsstimmung betont. Schon das berühmte "Jauchzet, frohlocket" wird beim Wort genommen und ist mit keck aufstampfenden Pauken und hellstimmig schmetternden Naturtrompeten fast eine Aufforderung zum Tanz. De Vriends Bach wirkt dabei nie unangemessen forciert, sondern folgt einfach dem musikantischen Impuls der Stücke – beispielsweise in der sanft groovenden Pastorale oder dem fetzigen Obligato in der Tenorarie "Ich will nur Dir zu Ehren leben". Auf der anderen Seite schleppen sich die Choräle nicht bedeutungsschwanger dahin, sondern fließen in einem sehr natürlich wirkenden Gesangstempo, das dennoch genug Empfindsamkeit zulässt. Ein Ansatz, in den sich auch die Solisten fügen: Schlanke, aber dennoch farbige Stimmen, die die Weihnachtsgeschichte mit Gefühl und Lebendigkeit, aber ohne rhetorische Mätzchen oder übertriebene Theatralik erzählen. Frohes Fest!


    Es handelt sich um diese Einspielung, mit einem wunderschön gestalteten und inhaltsreichen Buch versehen ... oder ist es ein Buch, das mit CDs versehen ist?



    Johann Sebastian Bach: Weihnachtsoratorium BWV 248


    (Deluxe-Edition in Buchformat, 72 Seiten. Mit einem Essay über die Rhetorik der wortgebundenen Musik Bachs von Boris Kehrmann und einem Aufsatz über den liturgischen Kontext der sechs Kantaten von dem renommierten Bach-Forscher Robin A. Leaver. Die Fotos des reich illustrierten Bandes stammen von Eddy Posthuma de Boer und gehen dem Thema Mutter und Kind rund um den Erdball nach.)


    Malin Hartelius, Kristina Hammarström, Jörg Dürmüller, Detlef Roth, Capella Amsterdam, Combattimento Consort Amsterdam, Jan Willem de Vriend


    :angel: Grüße von Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

  • In ihrem stark verinnerlichten und meditativen Gestus hat es mir dieses Stück für Alt, Solovioline und Basso Continuo aus dem dritten Teil natürlich besonders angetan. Noch dazu ist es die einzige Arie, die Bach eigens für das Weihnachtsoratorium komponiert, also nicht aus einer älteren, weltlichen Kantate übernommen hat. Die Besetzung entspricht der Arie "Erbarme dich" in der Matthäus-Passion, die Musik selbst ist hier aber deutlich entspannter und ruhiger, der Vorsatz zu einem "festen" Glauben wird hörbar.


    Günter Jena stellt in seinem Handbuch ausführlich Bachs Vorgehensweise bei der Komposition da. Da die erhaltene handschriftliche Partitur gleichzeitig Arbeitsniederschrift ist, kann man sehen, dass Bach zunächst eine Arie mit voller Orchesterbegleitung und Soloflöte vorgesehen hatte. Immerhin insgesamt 24 Takte sind hiervon bereits komponiert, als er das gesamte obere Drittel des Notenblatts mehrmals dick durchstreicht und dann erneut anfängt, diesmal in der Besetzung für Alt und Violine. Auch dies wurde dann noch einmal korrigiert, beim "Violini unisono" wird das "unisono" wieder durchgestrichen und durch ein "solo" ersetzt, ein weiterer Schritt in Richtung Intimität und Expressivität. Trotzdem, wie gerne würde ich einmal die - später verworfenen - ersten 24 Takte hören!


    Ich habe mir gestern und heute diese wunderschöne Arie mehrmals zu Gemüte geführt:


    Richter: Eine sehr ausdrucksstark, voll und warm singende Christa Ludwig; es ist immer wieder eine Freude, dieser Altistin zuzuhören. Diese Freude wird allerdings dann doch ein wenig getrübt, zum einen durch die Solovioline, die für meinen Geschmack hier mit einem allzu starkem Vibrato auftrumpft. Irgendwo im Untergrund hörte ich dazu noch ein rumpelndes, nach Instrumenten kaum unterscheidbares Rumoren (Orgel, Bass, Cello?), es dürfte sich um die Continuo-Gruppe gehandelt haben. Dann das Tempo: Obwohl ich sonst Langsamkeit sehr schätze, ist mir dies hier mit insgesamt 6, 12 Minuten doch des Guten zuviel, ein wenig mehr Schwung hätte in meinen Ohren der Interpretation sehr gut getan.


    Koopman: Auch Elisabeth Magnus singt die Arie wunderschön, noch dazu im Duo mit einer hell und weich aufspielenden Violine. Vor allem, wenn dann noch das Cello aus der Continuo-Gruppe hinzukommt, klingt das richtig gut. Allerdings geht das manchmal ein wenig auf Kosten der Orgel, die ich mir teilweise etwas präsenter gewünscht hätte. Wieder mal ein "Jammern auf hohem Niveau" natürlich - insgesamt gefällt mir diese Interpretation sehr gut.


    Auch Andreas Scholl in der Jacobs-Aufnahme höre ich ausgesprochen gerne. Hier wirkt alles herber und dunkler als bei Koopman. Das liegt zum einen natürlich an der männlichen Altus-Stimme, aber auch an der solistischen Geige und dem auf mich irgendwie dunkel wirkenden Continuo. Die Geige ist an der Grenze zur Sprödigkeit manchmal, aber eben nur an der Grenze und nie darüber hinaus. Ein herber Charme, der angesichts der hier thematisierten "Festigkeit des Glaubens" durchaus stimmig ist.


    Im Tempo unterscheiden sich Koopman und Jacobs mit 4.47 zu 4, 54 Minuten nur unwesentlich. Es ist für mein Empfinden genau richtig gewählt, nicht allzu hurtig dahinrasend, aber auch nicht sentimental verschleppt.


    Mit Gruß von Carola

  • Guten Abend


    Zitat

    Original von Carola


    Ich habe mir gestern und heute diese wunderschöne Arie mehrmals zu Gemüte geführt:


    Ich eben auch und zwar in dieser



    Einspielung mit Bernharda Fink als Solistin (die wohl ihren Zenit auch überschritten hat ?!).
    Die Arie ist ein wunderbares Zwiegespräch zwischen Altstimme und Violine. Bach hat die Violinstimme ungewöhnlich gewissenhaft mit Artikulationsbezeichnungen versehen.



    Zitat

    Im Tempo unterscheiden sich Koopman und Jacobs mit 4.47 zu 4, 54 Minuten nur unwesentlich. Es ist für mein Empfinden genau richtig gewählt, nicht allzu hurtig dahinrasend, aber auch nicht sentimental verschleppt.


    Mit Gruß von Carola


    Harnoncourt nimmt sich in der neuen Einspielung 4.55 min, in seiner Einspielung von 1973 -mit Paul Esswood als Solist- 5.04 min Zeit.


    Gruß


    aus der Kurpfalz


    Bernhard
    (Der jetzt noch zum Weihnachsmarkt auf den Schloßplatz geht :hello: )

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    Hier noch eine Geschenkidee, die ich mir mit Hilfe eines 30-Euro-Gutscheins bei einer Buchhandlung selbst bereitet habe.


    Das Label Edel führt eine ganze Reihe musikalischer Hörbücher mit effektvoll aufgemachten Bildbänden.


    Der oben abgebildete enthält natürlich die kompletten Texte und dazu eine ganze Reihe großformatiger und stimmungsvoller Gemäldereproduktionen mit passenden Motiven vor allem aus Gotik, Renaissance und Barock. Weiterhin sind immer wieder Seiten aus dem Bachschen Autograph abgebildet. (Die Partitur zu entziffern, fällt naturgemäß ein wenig schwer ...)


    Die Aufnahme selbst ist grundsolide und wurde hier bereits mehrfach erwähnt: Dresdner Kreuzchor und Philharmonie/ Fläming/ P: 1976. Eine vierte CD enthält drei weitere Bach-Kantaten zur Adventszeit (BWV 140, 61, 36).


    Besten Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Hallo, liebe Bachfreunde,


    in der Advents- und Weihnachtszeit beschäftigte ich mich natürlich viel mit diesem Werk, ebenso mit entsprechenden Kantaten, wie z.B. BWV 63 „ Christen ätzet diesen Tag“.


    Obwohl ich normalerweise beim Hören dieser herrlichen Musik nicht Quervergleiche ziehe, sondern das Werk und den Inhalt nacheinander auf mich wirken lasse, habe ich anlässlich der neuen Harnoncourt-Einspielung des BWV 248 doch noch einige Vergleiche vorgenommen.


    Interessierte Bachfreunde mögen es durchlesen, was mir dabei aufgefallen ist, für die anderen wird es wohl zu lang werden.
    Für mich als hartgesottenen Harnoncourt-Fan war es natürlich „Pflicht“, mir seine neue Einspielung des WOs zu besorgen, ohne sie vorher gehört zu haben.


    Um einiges vorwegzunehmen: Es war vielleicht das letzte Mal, dass ich seine neuen Barock-Aufnahmen „einfach so“ von der Stange weg kaufe. Vorher `reinzuhören wird auch bei seinen Produktionen für mich Pflicht sein.


    Verglichen habe ich nun folgende mir vorliegenden Aufnahmen:
    DVD „Bach at the Herderkirche in Weimar“ , Gardiner, 1999



    DVD „Bach Weihnachtsoratorium“ , Harnoncourt, 1982



    CD, Koopman, 1996



    SACD, Harnoncourt 2006/2007





    Zum Chorklang:


    Bei Harnoncourts alter DVD hört man den Tölzer Knabenchor, den ich in den 80ern klanglich den Wiener Sängerknaben seiner Erstaufnahme vorzog. Vergleicht man den Tölzer Knabenchor der 80er-Jahre mit den Spezial-Kammerchören der Herren Herreweghe, Koopman, Gardiner oder Bernius, dann fällt dieser sicherlich angesichts der technisch-musikalischen Beweglichkeit und auch der klanglichen Homogenität jener Ensembles ab. Trotzdem finde ich, dass sich die Knaben auf dieser Aufnahme recht gut schlagen und man sich relativ problemlos nach ein paar Minuten auch auf diesen Klang eingehört haben kann.
    Man darf auch nicht vergessen, dass man in den 80er-Jahren noch die alte (Un)sitte der Laien-Massenchöre der 50er und 60er-Jahre im Ohr hatte, gegen die so eine Aufführung mit einem relativ klein besetzten Knabenchor schon eine radikale Veränderung und -wie ich meine- auch Erholung war.


    Gardiners Chor hingegen ist technisch- musikalisch wesentlich versierter und kann sich auch eine zahlenmäßig schwächere Besetzung als die Tölzer leisten. Gut bis sehr gut gefallen mir klanglich die Soprane und Alte, auch noch die Tenöre.
    Den metallisch-dräuenden Pathos der Bässe (sorry für den überspitzten Ausdruck) mag ich hingegen nicht so sehr. Diese manchmal ins Ohr fallende Eigenheit ist vielleicht typisch englisch. Jedenfalls stört es aus meiner Sicht den ansonsten durchaus homogenen Gesamtklang des Ensembles. Vielleicht auch aufgrund der m.E. idealen Besetzungsstärke von ca. 4-5 Personen pro Stimme ( kommt dem Bachschen „Entwurff“ sehr nahe) hört man auch hin und wieder den einen oder anderen tremolierenden „Schmetterling“ heraus (z.B. im Sopran). Doch dies sind nur Kleinigkeiten, die nicht allzu schwer ins Gewicht fallen. Bei Forte-Einsätzen des Dirigenten würde ich mir manchmal eine etwas rundere, geschmeidigere Einzeltondynamik wünschen, wie es der Chor Koopmans macht. Beim Monteverdi-Choir kann es dann schon einmal klanglich etwas hart und dynamisch zu „gerade“ werden, was für diese Musik meiner Ansicht nach nicht ganz so optimal geeignet ist, und mich dann immer ein wenig an den Stil der 50er und 60er-Jahre erinnert. Wie gesagt, wenn ich hier etwas“ jammere“, dann auf höchstem Niveau. Ich rede hier von Feinheiten...
    Der Chor ist natürlich schon ein Wucht, keine Frage.


    Bei Harnoncourts SACD hört man den Wiener Arnold Schönberg Chor in einer verhältnismäßig starken Besetzung. Klanglich erinnert dieser Chor an gute schwedische Kammerchöre, wie etwa den Stockholmer Kammerchor. Speziell nach „Alter Musik“ klingt das Ensemble dabei eher nicht ( sie sangen ja auch schon "die Fledermaus"...), da es hier ja neben dem angestrebten „normaleren“ Klangideal auch keine Männeraltstimmen gibt. Er klingt jedoch voll, sehr rund, ausgewogen und singt naturgemäß völlig akzentfreies Deutsch. Man hört, wie immer, dass der Chor mit Harnoncourts Stil bestens vertraut ist.
    Die hörbare starke Besetzung des Chors (ich tippe auf ca. 10 Sänger pro Stimme) findet vielleicht auch seine Begründung darin, dass diese Aufführung im großen Saal des Wiener Musikvereins stattfand. Für mittlere Kirchenkonzerte und Aufnahmen Bachscher Vokalwerke gefällt mir bei entsprechend versierten Chorsängern eine etwas schwächere Besetzung allerdings doch besser. Einer der Gründe hierfür ist, neben der leichter zu erzielenden klanglichen Durchsichtigkeit, dass gerade bei einem Dirigenten wie Harnoncourt die durchaus richtigen Akzente der Detaildynamik aufgrund der größeren dynamischen Bandbreite des stark besetzten Chores schnell zu dominant und unorganisch wirken können. Bei der hier vorliegen Neuaufnahme ist das leider hier und dort der Fall. Verantwortlich hierfür ist allerdings weniger der Chor oder gar Erwin Ortner, sondern wohl Harnoncourt selbst. Außerdem übertönt der Chor bei dieser Aufnahme das Orchester stärker als bei den Aufnahmen der „Konkurrenz“.
    Trotz der hohen technischen Kompetenz des Arnold Schönberg-Chores sind die Chöre Gardiners und vor allem Koopmans etwa bei der virtuosen Beherrschung der Ornamente nach meinem Dafürhalten doch noch etwas im Vorteil.


    Am klanglich schönsten und stilsichersten singt für mich in diesem Vergleich ganz klar Ton Koopmans Amsterdam Baroque Choir, auch wenn Gardiners Chor schon auf einem unglaublich hohem Niveau singt. Klangliche Homogenität, Durchsichtigkeit und kammermusikalische Virtuosität gehen beim Amsterdamer Chor mit einem organisch-eleganter Vortrag hinsichtlich der lebendigen und doch ausgewogenen Dynamik wunderbar zusammen. Der Beitrag des Chores bei dieser Aufnahme wirkt auf mich durchweg rund und überzeugend. Natürlich hat das auch viel mit Koopmans ausgewogener Art des Musizierens und Dirigierens zu tun.


    Zum Gesamt-Orchesterklang:


    Die Geigen klingen bei Gardiner/Harnoncourt etwas obertonreicher als bei Koopman und gehen die dynamischen Akzente auch insgesamt etwas zupackender an. Allerdings höre ich den insgesamt stimmigsten und ausgewogensten Orchesterklang bei Koopmans Orchester. Bei Harnoncourts alter DVD rückt man aufgrund der direkteren Mikrofonierung den Musikern um einiges dichter auf den Leib als vor allem bei Koopmans Einspielung. Das Orchester Gardiners klingt gerade im Vergleich zur neuen Harnoncourt-Aufnahme eher „klein“, wobei ich das gar nicht nicht negativ, sondern im Sinne von „kammermusikalisch“ meine. Bei Harnoncourts neuer SACD klingt der Concentus musicus Wien zwar durchaus noch nach „typisch Concentus“, allerdings gegenüber den 80er-Jahren schon auch deutlich anders: Fülliger, grösser, abgerundeter, „symphonischer“ und im Vergleich zu früher damit auch zwangsläufig weniger kammermusikalisch bei den Streichern. Das spieltechnische Niveau der Blechbläser ist jetzt eindeutig besser als noch in den 80er-Jahren.
    Alle drei Ensembles bestehen natürlich hörbar aus top aufeinander eingespielten Spitzenkräften der Alte-Musik-Szene. Leider gibt es bei der neuen Harnoncourt-Live-Aufnahme einige, womöglich durch allzu hohen Ausdruckswillen hervorgerufene Temposchwankungen, die live noch gerade zu verschmerzen gewesen wären. Auf einer Aufnahme jedoch, die ja sozusagen „ewig“ so ist, wie sie ist, erzeugen solche Dinge bei mir jedenfalls Stirnrunzeln.


    Zu den Oboen:


    Bei Gardiner und Koopman klingen die Oboen dunkler und runder als bei Harnoncourt 1. Ich kann beides gut hören. Obwohl ich ja ein Fan des verstorbenen Jürg Schaeftleins bin, höre ich in den letzten Monaten mit wachsender Begeisterung den weicheren Oboenklang eines Marcel Ponseele, der sowohl bei Gardiner als auch bei Koopman die erste Oboe spielt (oft auch bei Herreweghe)
    Auf der neuen Wiener Aufnahme klingen die Oboen des Concentus auch schon runder und wärmer als bei der alten DVD.


    Zum Continuo:


    Ich sage es gleich: Dass bei Gardiner zusätzlich zur Orgel noch ein Cembalo mitgeht, mag ich für die geistliche Musik Bachs nicht so sehr, unabhängig davon, was der eine oder andere Bachforscher im Moment gerade als „historisch richtig“ propagiert. Ich empfinde es einfach als störend und –zugegeben- auch als ungewohnt. Bei manchen Stücken stört es mich mehr, bei anderen weniger.
    Bei Händels Messiah hingegen stört mich ein Cembalo merkwürdigerweise nicht.
    Ich kann das nicht nur sachlich erklären.


    Nur, wenn man es denn schon bei Bach einsetzt: Die Ausführung des Cembalo-Continuos klingt mir auf Gardiners DVD ein bisschen zu sehr in Richtung Hausmannskost. Bei Continuo- Cembalisten wie Glen Wilson, Herbert Tachezi oder gar Ton Koopman geht es m.E. noch gekonnter zu – z.B. in der Art des Arpeggios, in der Kunst des Weglassens, des Verzierens oder des improvisierten „Satzes“. Es ist aber auch nicht ganz so einfach, wenn auch noch eine Orgel die gleichen Akkorde mitspielt. Man muss ja zusehen, dass man sich nicht plötzlich gegenseitig störend „ins Gehege“ kommt. Vielleicht muss ich auch noch genauer hinhören.


    Als bereichernde Alternative zur Truhenorgel gefällt mir für die geistliche Musik Bachs übrigens eine durchsetzungsfähige Theorbe mit ihrem weicheren Anriss wesentlich besser als ein Cembalo. Bei Koopmans neueren Kantatenprojekten ist das auch so gut wie obligatorisch; zur Zeit der Aufnahme der vorliegenden Koopman-Einspielung des Weihnachtsoratoriums aber spielte dieser Musiker noch nicht im Orchester mit, weswegen man hier „nur“ die Truhenorgel Koopmans, bzw. seines damaligen „Continuo-Vertreters“ Kleinbussing hört, der immer dann einsprang, wenn Koopman dirigieren musste.
    Die hier gewählten gedeckten Registrierungen können mich für diese Musik durchweg überzeugen.
    Herbert Tachezis Continuospiel (Concentus musicus Wien) schätze ich ebenfalls sehr, wenn er sich denn – wie zum Glück meistens- auch an die dunkleren Registrierungen hält. Im Gegensatz etwa zu Herreweghes Aufführungen, bei denen der Organist tendenziell einen nahezu alles verbindenden Legato-Teppich legt, setzt Tachezi wesentlich öfter ab und lässt dadurch die Basslinien m.E. noch besser atmen.


    Ähnlich macht es auch Ton Koopman. Allerdings spielt er noch verzierungsfreudiger (Triller, Mordente,etc. ), erfindet noch mehr kleine Gegenstimmen, usw. Wenn es denn nicht zu dominant wird, und man es gekonnt und geschmackvoll präsentiert, dann lass ich mir das auch gerne gefallen.


    Bei den Cellisten/Fagottisten/Violonisten möchte ich die Beträge der Musiker Gardiners als grundsolide bis sehr gut bezeichnen. Die wundervollen Bässe J.S.Bachs (auf denen ja schließlich seine ganze Musik aufbaut) erfordern nach meinem Geschmack eine besonders liebevolle und phantasievolle Zuwendung der Musiker. Damit meine ich vor allem Tongebung, Dynamik, Artikulation. Vor diesem Hintergrund überzeugen mich noch mehr die Cellisten Rudolf Leopolt/Herwig Tachezi ( Sohn des Herbert!) von der neuen Harnoncourt-SACD und Jaap ter Linden von Koopmans CD, aber auch deren jeweilige Fagottisten.


    Bei manchen Arien, wie z.B. dem Duett „Herr, Dein Mitleid, Dein Erbarmen“ finde ich es schade, dass Harnoncourt neuerdings die ganze Continuo-Gruppe , also Fagott, Cello und den Violon durchgängig mitspielen ließ, wodurch eine individuell solistische Prägung wie bei seinen vorhergehenden Aufnahmen ( bei der Erstaufnahme spielte er das Cello sogar noch selbst) nicht mehr so gut möglich war. Ich kann mir vorstellen, dass er es mit Rücksicht auf den großen Konzertsaal so wollte, bin mir bei ihm aber nicht so sicher.


    Zu den Sängern:


    Angesichts des interessanten und kontroversen Threads „Vibrato in der Barockmusik“ kann ich mir vorstellen, dass hierüber die Meinungen weit auseinandergehen können.


    Zunächst die Sopranistinnen/der Sopranist:


    Bei Gardiner sang Claron McFadden, bei Harnoncourt 1 ein nicht genannter Tölzer Knabe mit langen Engelshaaren, bei Koopman übernahm Lisa Larsson und bei Harnoncourt 2 Christine Schäfer (die Echo-Preisträgerin) diesen Part.
    Nun könnte man ja meinen, dass der Junge in diesem Vergleich von vornherein chancenlos sein muss, die Gunst des Hörers zu erlangen.
    Bei mir ist das allerdings nicht so, was nicht nur daran liegt, dass er seine Sache für einen Jungen seines Alters erstaunlich gut und musikalisch macht, sondern vor allem auch an Christine Schäfers opernhafter Art, die Sopranpartien des WOs zu singen. Zwar hat sie im Vergleich die mit Abstand vollste und „größte“ Stimme, doch geht das mit einigen Nachteilen einher, die ich als Hörer immer weniger bereit bin, für mich als noch erträglich zu akzeptieren. Mehr denn jemals zuvor ( siehe Bach/Harnoncourt- DVD : Magnificat +anderer Kantaten oder auch Bach/Harnoncourt-DVD-Audio: Matthäus-Passion) ließ sie ihre Stimme fast durchgängig und stark vibrieren – man könnte so etwas manchmal schon für einen Triller halten-und sang dynamisch oftmals gerade und einfallslos daher. „Auf Stimme-Singen“ sagt man dazu, glaube ich.
    Dann kommen als „besonderer Ausdruck“ an einigen Stellen noch „geschmackvolle“ kleine Portamenti hinzu.
    Bei den Stellen, wo ein Triller gefordert wird, verstärkte sie einfach nur das Vibrato …


    Wenn man sich nun auf den vielen Kantatenaufnahmen Koopmans anhört, wie rein und deutlich selbst sein Chor solche Ornamente gemeinsam singen kann ( von Sängerinnen wie Emma Kirkby und Nancy Argenta & Co. ganz zu schweigen) dann verstehe ich nicht, wie Harnoncourt mit so einem in die Vergangenheit weisenden Beitrag wirklich zufrieden sein konnte.
    Das passt doch weder vom Klang, noch vom musikalischen Verständnis der barocken Klangrede her mit seinem in Jahrzehnten geformten Aufführungsstil des Orchesters zusammen.
    In seinem Buch „Musik als Klangrede“ geht er – zu Recht, wie ich finde- gegen die langweilig-gerade Sostenuto-Dynamik an, die es im 18. Jahrhundert, wenn überhaupt, dann nur als seltene Ausnahme gegeben habe, wofür auch die natürliche Glockentondynamik des Barockbogens ein Beleg sei. Aber genau solche dynamisch „geraden“ Töne hört man von der Schäferin hier sehr oft. Früher argumentierte Harnoncourt auch noch, dass sich das helle und reine Timbre der Knabenstimmen besser mit dem Klang der alten Instrumente mische.
    Andererseits hörte man schon damals wie heute sinngemäß vom ihm, dass er nichts von „blutleeren“ Barock-Spezialisten „mit Staub in den Adern“ halte, weder instrumental noch vokal, denn diese könnten aufgrund ihrer Spezialisierung eher selten etwas zustande bringen, was die heutigen Menschen wirklich rühren könne, was er immer gerne als Begründung für seine Vorliebe der opernhaft schweren Stimmen anführt.
    Ich vermag ihm da nicht zu folgen. Wie kann man nur den Concentus musicus Wien mit solchen eher "schweren" Stimmen kombinieren, vor allem bei Bachs Musik, bei der ja eine Vermengung des Vokalen mit dem Instrumentalen so stark wie nirgendwo anders vorherrscht?


    Den Arnold-Schönberg-Chor lässt er hingegen die instrumentale Concentus-Dynamik mitmachen, was einerseits ja sehr zu begrüßen ist, andererseits aber aufgrund der hohen Besetzungsstärke dem Auf-und Ab der Detaildynamik eine zu auffällige Bedeutung zukommen lässt.
    Dies geschieht dann zu Lasten der zusammenhängenden „Satzteile“ der „Klangrede“ , die es ja neben den „Worten“ ( den Figuren) ebenso zu beachten gilt.
    Wenn er dann seine Solisten zu einer Mischung aus opernhaftem Singen mit einer Prise Harnoncourt-Dynamik auffordert, dann empfinde ich das Ganze oft als Stilbruch in mehrfacher Hinsicht. Ich fühle mich manchmal sogar an jenen Stil der alten Garde aus Richters Zeiten erinnert, gegenüber dem ich die damaligen Aufnahmen mit den schlicht und schlank singenden Knabensolisten als eine Wohltat empfand, trotz aller gesangstechnischer Unreife der Buben.
    Aus diesem Grund höre ich tatsächlich den Jungen von der Harnoncourt-DVD immer noch lieber als die opernhaften Beiträge Schäfers. Schon wenn sie mit dem solistisch gesungen Choral „Er ist auf Erden kommen arm“ anfängt, habe ich eigentlich schon genug gehört.


    Wie eine Erholung wirkt bei diesem Beispiel die chorische Ausführung durch die Sopranistinnen der Chöre Koopmans und auch Gardiners.
    Claron McFadden ( wahrscheinlich eine Choristin des Monteverdi-Choirs ? ) sang trotz „kleinerer“ Stimme nach meinem Empfinden stilistisch wesentlich angemessener als Frau Schäfer, wenngleich ich auch bei Gardiners Kantaten schon Sängerinnen –etwa die unglaubliche Nancy Argenta – gehört habe, deren Vortrag mir mehr noch zusagt.


    Lisa Larsson unter Ton Koopmans Leitung gefällt mir in diesem Vergleich eindeutig am besten. In diese Richtung sollte es m.E. gehen: Schlank, beweglich, eine instrumental geführte Dynamik und Phrasierung sowie ein entsprechendes Verständnis der Ornamentik. Bei einem solchen Gesang kann einem schon das Herz aufgehen…


    Bach schrieb ja seine Gesangsstimmen einerseits sehr instrumental, andererseits sollten die Instrumentalisten neben dem sprechenden Spiel auch das Gesangliche immer im Auge behalten.
    Für mich ist Bach der Komponist, dem es von allen Komponisten am besten gelungen ist, ein wunderbar ausgeglichenes Miteinander von Vokal- und Instrumentalmusik in seinen Werken zu verwirklichen. Bei unseren heutigen Aufführungen muss dann aber auch in genau diese Richtung gearbeitet werden, meine ich.
    Es widerstrebt nach meinem Empfinden den Intentionen Bachs, wenn man durch die Aufführung die Bereiche Vokal und Instrumental als zwei unterschiedliche Welten hört.


    Bei den Altistinnen/dem Altisten komme ich zu ähnlichen Ergebnissen wie zuvor bei den Sopranstimmen:


    Der Tölzer Knabe singt wirklich nicht schlecht, auch nicht die anspruchsvolle „Schlafe mein Liebster“ -Arie.
    Klar wünschte man sich noch mehr Ausdruck, aber dazu hätte er einfach eine reifere Gesangstechnik benötigt. Sein Timbre kommt mir jedenfalls wesentlich angenehmer vor, als das des technisch versierteren Paul Esswood, der auf Harnoncourts Erstaufnahme aus den 70ern zu hören ist…


    Bei Gardiner und bei Harnoncourts neuer Aufnahme ist die Altistin Bernarda Fink gleichermaßen zu hören. Hier entsteht für mich eine ähnliche Problematik wie oben im Falle Christine Schäfers schon beschrieben.
    Zum Klang der sprechend auf Originalinstrumenten spielenden Instrumentalisten will es mir einfach nicht passen.
    Allerdings geht es bei Gardiners Aufnahme mit den opernhaften Unarten noch nicht so weit, dass ich anfange, mich wirklich aufzuregen.
    Harnoncourt forderte von Bernarda Fink wahrscheinlich noch mehr dramatischen Ausdruck und erhielt es dann auch: Eine teilweise schon heftig vibrierende Stimme mit viel Dynamik, die sich aber kaum noch so anhört, dass jedenfalls ich es für ein geistlich-barockes Werk Bachs noch als wirklich angemessen empfinden könnte. Liegt es nur an den unterschiedlichen Dirigenten, oder machen sich bei der Solistin bereits eine gewisse natürliche Verschleißerscheinungen der Stimme bemerkbar? Das lässt sich schwer aus der Ferne schwer sagen.


    Zum Glück gibt es ja auch noch die Koopman-Aufnahme mit Elisabeth von Magnus. Harnoncourts Tochter ( die ja früher im Concentus selbst als tolle Blockflötistin mitwirkte) versteht von Haus aus eine Menge von der Gestaltung Bachscher Vokallinien, die ja mit den instrumentalen und rhetorischen Elementen so eng verknüpft sind. Obwohl bei ihr möglicherweise eine etwas deutlichere Konsonantenausprache wünschenswert gewesen wäre, finde ich in diesem Vergleich ihre Altpartien am ansprechendsten gesungen.


    Christoph Genz sang die Tenorpartien bei Gardiners Live-Aufführung aus der Herderkirche. Er hat ein weiches, vielleicht ein bisschen an Helmut Krebs erinnerndes Timbre und machte seine Sache ziemlich gut. Technisch war er sogar dem aberwitzigen Tempo Gardiners bei „Ich will nur Dir zu Ehren leben“ fast gewachsen – der Arme, möchte man fast bemitleidend sagen.
    Aufgrund seiner Jugend sollte man vielleicht auch nicht gleich die Tiefe und Persönlichkeit erwarten, die z.B. Peter Schreier bei Harnoncourts DVD mitbringt. Schreier ist ja irgendwie schon seit Urzeiten einer „der“ Evangelisten des Weihnachtsoratoriums überhaupt. Allein schon wegen seiner wunderbar ausdrucksstarken, klaren und doch nicht überinterpretierten Vortragsart lohnte sich für mich die Anschaffung dieser DVD.


    Auf Harnoncourts neuer SACD singt Werner Güra für mich durchaus noch zufriedenstellend und manchmal auch ziemlich gut. Er hat die im Vergleich „größte“ und heidenmäßigste Stimme aller hier besprochenen Tenöre ( also wahrscheinlich wieder ganz nach Harnoncourts Geschmack), hat aber sein Vibrato noch ganz gut im Griff und bemüht sich auch, seinen Vortrag der barocken Stilistik etwas anzugleichen.


    Bei Koopmans Aufnahme ist Christoph Prégardien in seiner Glanzzeit zu hören. Beim schlechtesten Willen kann ich da nichts zu meckern finden. Er sang hier auf dem gleichen hohen Niveau wie Peter Schreier damals bei Harnoncourt , wenn auch mit seiner eigenen stimmlich-musikalischen Prägung – toll!


    Bei den Bässen werden die Unterschiede wieder größer:


    Gardiners Dietrich Henschel ließe ich mir live noch sehr gerne gefallen, bei einer Aufnahme hingegen wünschte ich mir vielleicht noch einen Schuss mehr Persönlichkeit, und vom Timbre sowie vom Interpretationsansatz her etwas mehr „Barockverträglichkeit“ (wohlgemerkt für meine Ohren, andere werden das anders hören)


    Bei Harnoncourts Wiener Aufführung wirkten in den Kantaten 1-3 Gerald Finley, und bei den Kantaten 4-6 Christian Gerhaher mit. Beide haben – wieder einmal- recht „große“ Stimmen. Während ich Finleys Beiträge noch durchaus genießen kann, ohne allerdings wirklich in Verzückung zu geraten, gibt es bei Gerhaher einiges zu hören, worauf ich beim ersten Hören nur kopfschüttelnd reagiert habe. Beim Rezitativ und Ariose „Immanuel, du süßes Wort“ etwa, wechselt er anscheinend zwischen der Resonanzstimme und der Bruststimme( also Sprechstimme!) hin- und her. Ist er selbst auf diese „geschmackvolle“ Ausdrucks- Idee gekommen oder wurde ihm das etwa vom Dirigenten nahegelegt?


    Überhaupt ist das ganze Arioso und Rezitativ ziemlich überinterpretiert, auch vom Orchester, dass vom Dirigenten zu allzu forcierten Akzenten getrieben wurde. Wenn dann noch der von Frau Schäfer irgendwie opernhaft vorgetragene Choral „Jesu, du mein liebstes Leben“ hinzukommt, juckte mir anfangs noch der Finger an der Fernbedienung ( jetzt nicht mehr, aber der Mensch kann sich ja an alles gewöhnen)


    Um wie viel schlichter, eindringlicher und schöner ist die gleiche Stelle doch bei Harnoncourts DVD von 1982 zu erleben: der Knabe singt zwar schlicht aber ergreifend.


    Ja, Robert Holl war als Bachsänger unter Harnoncourts Leitung eine Klasse für sich.
    Er hatte eine unglaublich große Dynamik, eine volles und rundes Timbre und ein angenehmes, nicht zu starkes und von der Geschwindigkeit her behagliches Vibrato, das er ganz natürlich an den passenden Stellen eingesetzte. Dazu kommen noch eine gute Textverständlichkeit und ein sehr überzeugend umgesetztes Konzept für die sprachlich-gesangliche Gestaltung von Rezitativen. Merkwürdigerweise bin ich von Holl als Bachsänger so sehr begeistert, obwohl er ja nicht unbedingt eine schlankes, „Barocktimbre“ hat. Es liegt wohl an seinem guten Geschmack bei der Ausbalancierung der Aspekte Singen, Rezitieren, Dynamik und natürlich an seinem wahnsinnig volltönendem Timbre. Harnoncourt soll in einer Probe einmal sinngemäß gescherzt haben: „Den Holl kannst Du hinstellen wo du willst, der dröhnt immer“


    Bei der neuen Aufnahme Harnoncourts verschiebt sich die ganze Geschichte zu sehr in Richtung des opernhaften Sprechens ( vor allem bei Gerhaher) . Irgendwas gerät da aus der Balance und wirkt irritierend.


    Bei Koopman sang und singt wie immer der bewährte und bewundernswerte Klaus Mertens, für mich einer der besten Bachsänger überhaupt. Im Vergleich zu Holl sehe ich ihn auf ähnlichem Niveau, wenngleich er ganz anders singt und kaum mit Holl zu vergleichen ist. Stilistisch ist er wohl der Versiertere von beiden, was Holl aber durch seine noch dynamischere Art des Singens und die schiere Gewalt seines volltönenden Organs wieder wettmachen kann.
    In den Duetten mit den wesentlich leiseren Knaben vermag er sich auch wunderbar zurückzunehmen, ohne jedoch diesen vollen Klang auch im Piano aufzugeben. Ich höre wie gesagt sowohl Mertens als auch Holl sehr gerne und möchte beide Interpretationen auf keinen Fall missen.


    Nun zu den Dirigenten:


    Eine ganze Reihe von Stücken gefällt mir bei unter Gardiners Leitung richtig gut. Dass der Mann kein Feuer habe, kann ihm auch ein an Harnoncourt gewöhnter Hörer nicht vorwerfen. Auch sein Sinn für Perfektion kommt meinem Geschmack sehr entgegen.
    Leider kann ich nicht umhin, mich wieder einmal über seine teilweise aberwitzigen Tempi zu beklagen: Der arme Tenor etwa muss die schwierigen Partien der Arien „Ich will nur Dir zu Ehren leben“ oder vor allem auch „Frohe Hirten, eilt ach eilet“ derart unmenschlich schnell bewältigen, dass einem nicht nur die Augen, sondern schon bald die Ohren tränen. Kein Wunder, dass da der eine oder andere Ton nicht mehr sauber zu schaffen war. Auch der Chor „Herrscher des Himmels“ ist einfach viel zu schnell aufgefasst. Gardiner denkt und dirigiert schon die nächstgrößere Zähleinheit, worin wahrscheinlich der „Fehler“ liegt, wenn ich das einmal so respektlos sagen darf. Dadurch verlieren die durch Paukenschläge unterstützen Orchesterakkorde an Kraft und Zielgerichtetheit und die Musik entwertet sich selbst.
    Jene manchmal viel zu schnellen Tempi sind eigentlich mein grundsätzlicher Hauptkritikpunkt zur Bachauffassung Gardiners ( und dann ja auch noch das Cembalo im Continuo)
    Wie man z.B. an seiner Ersteinspielung der Motette „Jesu meine Freude“ erkennen kann, hat er früher noch mehr von gestalteten und ausgekosteten moderaten Tempi gehalten – sehr schade so etwas.


    Damit macht er sich vieles wieder kaputt, was eigentlich sehr gut sein könnte. Es hilft dann auch nicht viel, dass er ein ganz tolles Orchester mit hervorragenden einzelnen Musikern hat. Ab einem gewissen Tempo läuft die Musik einfach in Gefahr, zur verhetzten Karikatur zu werden.
    Ich finde es schon sehr richtig von ihm, dass er in seinen Äußerungen auf den DVDs immer wieder den „Dance“-Charakter der Bachschen Musik erwähnt. Richtig erkannt!
    Man kann diese stilisierten Tänze aber doch auch in etwas langsameren Tempo noch viel schwingender und in einer den Körper noch stärker mitreißender Art und Weise zum Klingen bringen – oder nicht? Das müsste ihm mal einer sagen, auf den er hört.


    Bei Harnoncourts DVD passen die Tempi nach meinem Geschmack noch recht gut (manches, was etwas langsam war, macht er heute etwas schneller), und die Gesamtinterpretation ist sowohl durchdacht als auch vor allem musikantisch inspiriert.
    Die Geigen-Soli seiner Frau Alice Harnoncourt sind sehr bewegt ,stark sprechend im Vortrag und agogisch freizügig musiziert.
    Ich möchte diesen ihren Personalstil nicht missen, der einen großen Teil meiner Bachauffassung geprägt hat, auch wenn ich es als Geiger agogisch etwas linearer machen würde, etwa wie ihr Nachfolger Erich Höbarth ( Concentus) oder auch Margaret Faultless ( Amsterdam Baroque Orchestra) .
    Gegenüber seiner Erstaufnahme aus den 70er-Jahren finde ich bei der DVD aus den 80ern vieles einfach schwungvoller, ausgereifter und schöner. Schade vielleicht nur, dass es eben mit Knaben stattfand und nicht mit tollen „Barocksängern“ (eine witzige Bezeichnung, denn die leben ja auch heute).
    Aber er mochte diese Spezialisten ja schon damals nicht, bis auf P. Esswood mit seinem leicht panikartigen Vibrato.
    Auch Harnoncourts damals schon vorhandene Neigung, bei den Fermaten der Choräle immer komplett anzuhalten, überzeugt mich heute nicht mehr so recht.


    Meine Reaktionen beim Hören der neuen Harnoncourt- SACD reichten von Zustimmung für einige neue Artikulations-Details (bei „Bereite dich Zion“) über Stirnrunzeln bis zur enttäuschten Komplett-Ablehnung eines Satzes. Das komplette Anhalten bei den Chorälen fällt hier noch deutlicher auf als in den 80er-Jahren. Auch die Echoarie leidet neben Schäfers Tremolo vor allem an Harnoncourts offensichtlicher Freude, unbedingt Einsätze geben zu wollen.


    Der musikalische Fluss wird ständig unterbrochen, manchmal aus meiner Sicht nicht mehr nachvollziehbar, z.B. gleich beim Einsatz des Soprans:


    Sopran: „Flößt mein Heiland“ – ( Echo Oboe) ……………..( unsinnige Pause)+ Einatmer Harnoncourt und weiter mit Sopran: „Flößt Dein Name“…usw.


    Wenn das dann auch im Stück immer wieder kommt, dann sage auch ich irgendwann: Oh no!
    Das ist doch schon eine merkwürdige, sehr subjektive Sicht, die er früher zum Glück nicht so extrem vertrat.
    Ist es wirklich nur die zur Gewohnheit gewordene Freude, die Musik komplett anzuhalten und möglichst oft einen neuen ach so „wichtigen“ Einatmungs-Einsatz zu geben?
    Solche Merkwürdigkeiten, die sich auch kaum mit dem Notentext belegen lassen, sind mir schon bei Harnoncourts neuen „Messias“ unangenehm aufgefallen.
    Was ist bloß los? Nimmt man sich zu wenig Zeit zum Proben?


    Und dann die nicht zu überhörenden Temposchwankungen bei „Fallt mit Danken“ (dessen immer noch lange Trillervorhalte ich allerdings schön finde): das Orchester wird nachdrücklich zu Akzenten und betonendem Ausdruck durch ein entsprechendes Dirigat angehalten (an der von mir gemeinten Stelle durchaus berechtig), aber darf es dadurch bei Profis diesen Formats zu Tempowacklern kommen?
    Ich meine nein, und wenn doch, dann nicht auf einer groß herausgebrachten Aufnahme.
    Überhaupt kommt es mir vor, als ob Harnoncourt manchmal seinen Klangapparat unbewusst wie ein riesiges Harmonium oder Akkordion behandelt, in das er seine energiereichen Akzente im Sinne eines ständigen „Vor- und Zurücks“ hineindrückt.
    Immer wieder kommen solche Sachen, wie z.B. ein plötzlicher aus dem vorherigen Zusammenhang gerissener Oboenakzent vor dem Basseinsatz „ wer will die Liebe recht erhöhn“ . Ja sicher, es ist zwar der Beginn eines neuen Abschnitts, bei dem der Oboenchor eine Art ausgeschriebenes Rezitativ-Continuo spielt, aber der erste Akkord ist eben auch der letzte Ton der vorhergehenden Phrase. Man hätte es nicht derart bewusst holzig und zeigefinderartig machen müssen, finde ich.


    Konnte man bei seinen früheren Aufnahmen (wie z.B. beim Tenor-Arioso BWV 93 „ Was frag ich nach der Welt“ , bevor es heißt: „ ein Stolzer baut die prächtigsten Paläste“ ) solche Dinge noch als logisch und aus der Musik heraus entstanden nachvollziehen, so wirken auf mich manche der heutigen Sachen eher schon als sehr gewollte, interpretatorische Rückgriffe auf frühere Glanzzeiten.
    Die alte Überzeugungskraft scheint zu verfliegen und an ihre Stelle tritt der Eindruck einer gewissen Willkürlichkeit.


    Oder einfacher gesagt:
    Früher klangen solche Effekte noch nach „Bach aus der Sicht Harnoncourts“, heute höre ich da „nur noch Harnoncourt, und nichts als Harnoncourt“.
    Negativ unterstellt könnte man nun sagen: Bachs Musik wird an diesen Stellen dazu benutzt, um die persönliche Visitenkarte des NH abzugeben, was den aufmerksamen Bach-Hörer und Harnoncourt-Freund jedoch kaum überzeugen kann.
    Trotz allem bin ich nämlich in erster Linie ein Bach-Freund.
    Da ich jedoch Harnoncourts zutiefst seriösen Grundüberzeugungen und seine große Ehrfurcht vor den Komponisten kenne, vermute ich etwas Anderes (man traut es sich hier kaum zu sagen): Alter schützt vor (gewissen) Torheiten nicht…auch wenn diese auf höchstem Niveau stattfinden.


    Die persönliche Obsession des ständigen Hinterfragens (auch der eigenen interpretatorischen Errungenschaften) hat in der Vergangenheit zu vielen positiven Korrekturen und zu einem überfälligen Paradigmenwechsel geführt.
    Jetzt scheint sich diese Grundeigenschaft Harnoncourts aber zunehmend gegen ihn selbst zu richten, falls es eben nicht an zu wenigen Proben liegt.


    Es klingt an manchen Stellen für mich einfach zu sehr nach "gewollt", nach "aufgesetzt" und "extra- originell".


    Bei derartig hochkarätigen Barock-Spezialisten, die ja im Concentus sitzen ( z.B. Konzertmeister Erich Höbarth) könnte er es sich ab und zu leisten, mehr auf deren Kreativität und deren Input zu vertrauen, als immer nur der alleinige Ideengeber zu sein, möglicherweise allein schon aus Zeitgründen.


    Bachs Musik ist jedoch von sich aus wesentlich „demokratischer“ strukturiert, was z.B. bei der ersten Harnoncourt-Aufnahme der Matthäus-Passion noch wunderbar in Klang umgesetzt und im Buch "Musik als Klangrede" auch so beschrieben wurde.


    Die Musik kann sich bei dieser neuen WO-Aufführung einfach nicht häufig genug aus sich selbst heraus entwickeln, weil da einer vorne steht, der durch ständiges „Hier und Da“ und ein „hier auch noch“ verhindert, dass es eben so geschehen kann.
    Früher wurde im Concentus ja sehr detailverliebt und noch „demokratischer“ gearbeitet, obwohl es ja echte Demokratie bei Orchestern ohnehin niemals geben kann.


    Mit veröffentlichten Live-Ergebnissen wie diesen läuft Harnoncourt in Gefahr, sich selbst und seinem eigenen Vermächtnis als unglaublich wichtiger und wegweisender Interpret des 20.und 21. Jahrhunderts zu schaden.


    Nun gut, es gibt sie natürlich immer noch, die schönen Momente und die tollen, überzeugenden Ideen. Schön finde ich bei dieser Aufführung z.B., dass er nun ein moderates Tempo beim Hirtenchor „Lasset uns nun gehen…“ angibt, wodurch dem Hörer die Streicherbegleitung wieder leichter nachvollziehbarer wird ( es heißt ja auch nicht: Lasset uns nun rennen…)


    Auch das neuerliche Grollen der Pauken beim Eingangschor „Jauchzet frohlocket“ kann mir gut gefallen.

    Die wichtige Basis des sprechenden Concentus-Spiels ist ja auch noch da, keine Frage.


    Es wäre aber vielleicht besser gewesen, wenn man die Aufnahme in aller Ruhe und ohne Publikum in einer Kirche gemacht hätte.
    So ist es ja noch vor einigen Jahren mit seiner dritten Matthäus-Passion geschehen, und die ist ja auch sehr gut gelungen, wenn man von einigen Ausrutschern im Solo-Vokalbereich absieht.
    Vielleicht hätten dann die Sänger/innen wegen der geeigneteren Kirchen-Akustik auch leiser und weniger "auf Stimme" singen müssen.


    Kann man in letzter Zeit nicht allgemein eine Tendenz zum eiligen und kostengünstigen Live-Mitschnitt erkennen?
    Aufnahmen wie diese können durchaus als Warnung dagegen fungieren.


    Was live auf im Saal auf das Publikum noch stark gewirkt haben mag, muss als Konserve im Wohnzimmer nicht zwangsläufig gut `rüberkommen.

    Insofern bin ich immer mehr zum Fan von Studioalben geworden, auch durch die mitgeschnittene Wiener Messiah-Aufführung Harnoncourts, die in die gleiche Richtung ging wie dieses Weihnachtsoratorium.
    Seine mich wesentlich mehr ansprechende erste Messiah-Aufnahme aus Schweden ist allerdings auch live mitgeschnitten…



    Doch nun endlich zu Koopman:


    Seine Interpretation ist sowohl sehr lebendig als auch ausgewogen, hat viele Details und vernachlässigt trotzdem nicht den großen Bogen.


    Vor allem: Es klingt bei ihm nicht so furchtbar gewollt; die Musik kann aus sich selbst heraus ihre großen Wirkungen entfalten, sie geschieht sozusagen wie von selbst.
    Die unterschiedlichen Affekte werden richtig erkannt und entsprechend ausgespielt. Es findet auch durchgängig Klangrede und Artikulation statt, aber nicht so, als ob man ständig jemanden mit Gewalt darauf stößt.

    Leonhardt hat einmal sinngemäß gesagt: „Wir brauchen Artikulation, aber wir sollten sie nicht bewusst zeigen.“
    Eine Überbetonung wäre also ungefähr dasselbe, als ob jemand ständig mit überdeutlicher Aussprache spräche – einfach nur kurios und nicht sehr natürlich.
    Bei Koopman scheinen solche Gedanken auf fruchtbaren Boden gestoßen zu sein.
    Mit fast allem, was er auf der Aufnahme macht, kann ich so einverstanden sein. OK, bei einigen wenigen Details ( z.B. die Streicher bei der oben von mir besprochenen Stelle aus „Fallt mit Danken“ ) würde ich mir etwas mehr Schwung und Schmiss wünschen.


    Oder die Arie „Nur einen Wink aus seinen Händen“ ( Teil 6) finde ich sowohl bei ihm als auch bei Harnoncourts 80er-DVD zu zackig -schnell genommen. Bei Harnoncourts neuer Aufnahme ist er zum Glück wieder zum alten Tempo aus der Erstaufnahme zurückgekehrt.

    Bei Gardiner erklingt die Arie ebenfalls sehr schön, geradezu himmlisch jedoch bei seiner alten CD-Einspielung (dazu später mehr).


    Zur Aufnahmequalität:


    Mit Abstand ist die neue SACD die technisch beste Aufnahme.


    Wenn man sie dann auch noch- so wie ich- mit einer Surround-Anlage, bestehend aus Lautsprechern der Firma (Nubert Nuline 120) hören kann, dann ist das schon ein guter Trost dafür, dass man live nicht dabei sein konnte.
    Alles klingt sehr räumlich, luftig und dreidimensional. Die Phantomschallquellen lassen sich m.E. gut lokalisieren, und zum ersten Mal höre ich, dass der Wiener Musikvereinssaal offensichtlich auch einen tollen Hall haben muß, oder irre ich mich?
    Andere Aufnahmen aus diesem Saal waren mir nämlich immer zu trocken, auch der letzte Messiah Harnoncourts.
    Oder haben die Techniker diesmal etwa gar mit Lexicon-Hall nachgeholfen?? Wer weiß…


    Die alte Harnoncourt-DVD wurde am direktesten mikrofoniert und abgemischt. Alles klingt dadurch gut durchhörbar, allerdings im Vergleich etwa zur neuen SACD auch etwas klinisch- unnatürlich.
    Man hört auch vor den Einsätzen leise das Rauschen des Analogbandes. Wenn es z.B. bei den Bläsern eine raue Stelle gegeben hat, dann gibt es hier auch nicht die Gnade des Raumes, d.h. man hört dann auch solche Dinge.


    Gardiners DVD ist ebenfalls gut aufgenommen, wobei ein noch guter Kompromiss zwischen Direktheit und Räumlichkeit zu hören ist. Für meinen Geschmack könnte es noch räumlicher aus den Rücklautsprechern klingen, aber es geht so schon ganz gut. Die DTS-Spur klingt hier für mich um einiges natürlicher als die Dolby-Digital-Spur.


    Koopmans Aufnahme ist „nur“ in Stereotechnik und verlangt schon nach einer sehr gut auflösenden Anlage, um wirklich gut zu klingen.
    Hat man sich jedoch eingehört, ist man auch damit sehr zufrieden.
    Tini Mathot bevorzugt einen indirekteren Klang, den ich eigentlich auch am besten und natürlichsten finde, weil er dem Live-Erlebnis aus der „ersten Reihe mittig“ näher kommt. Das Konzept der räumlichen Mikrofonierung überzeugt mich aber noch mehr, wenn es bei hochauflösenden Mehrkanal-SACDs angewandt wird.


    Ich habe mir nebenbei gesagt nach meinem Umzug einen extra Hörraum eingerichtet, dessen erste Reflexionen ich mit einigem Aufwand stark mit Noppenschaumstoff gedämpft habe, so dass ich mir –mit Verlaub- „einbilde“, über die Aufnahmequalität schon etwas brauchbare Aussagen treffen zu können. Meine Lautsprecher stehen normgerecht und freistehend wie im Kreis auf den Hörer zeigend, wodurch die Phantomschallquellen akustisch „sichtbar“ werden können. Es sind zwar keine aktiven K+H-Monitore, aber es klingt jetzt schon ziemlich gut.


    Zur Bildqualität:


    Die alte DVD Harnoncourts kann mit Gardiners neuer DVD in dieser Hinsicht natürlich nicht mithalten.
    Negativ fällt auch auf, dass man die einzelnen Arien nicht vom Menü her direkt anwählen kann, sondern nur die Anfänge der sechs Kantaten.


    Anders hingegen bei der neueren DVD mit „Bach at the Herderkirche in Weimar“. Hier gibt es noch auf Wunsch auch eine „only conductor“ Kamerasicht und interessante Hintergrundinfos vom Maestro, der die alten Wirkungsstätten Bachs aufsucht. Das ist auf alle Fälle sehenswert und für Leute wie mich natürlich immer ein „gefundenes Fressen“.


    Fazit:
    Alle Aufnahmen haben ihren Reiz, und ich bereue nicht, alle zu besitzen.


    Leider überzeugen mich bei der neuen Einspielung Harnoncourts vor allem die wirklich grandiose Aufnahmetechnik, und die Einzelleistungen einiger Instrumentalisten des Concentus, vor allem dann, wenn Harnoncourt nicht zu gewaltsam selbst eingreift oder, besser gesagt, in seinen Klangapparat „`reingreift“.


    Mir ist das jedoch zu wenig.


    Sängerisch passen durchgängig nur die Beiträge Güras und Finleys in den durchaus weiten Rahmen meines Stilempfindens.
    Selbstverständlich sind Orchester und Chor sind immer noch Weltklasse; allerdings wurde der Chor im Verhältnis zu den vom Dirigenten gewünschten Betonungen zu stark besetzt und dem Orchester blieb an manchen Stellen wohl nichts anderes übrig, als die teilweise unorganischen Spontan-Befehle des Ideengebers auch mehr oder weniger unorganisch umzusetzen.
    Immer noch würde ich diese Aufnahme einer CD von Richter, Rilling oder Münchinger klar vorziehen, da viele gute Grundsätze akustisch vorhanden sind, die ich bei den alten Aufnahmen vergeblich suchen würde.
    Für mich als bekennenden HIP- und Harnoncourt-Fan jedoch ist diese SACD insgesamt enttäuschend, auch vor dem Hintergrund, dass ich schon seit Jahrzehnten auf eine Neuaufnahme gehofft habe.


    Übrigens war ich kurz davor, für diese Live-Aufführung nach Wien zu fliegen. Nun bereue ich nicht wirklich, dass es aus Kosten- und Zeitgründen nicht dazu gekommen ist.


    Trotz der Knabenstimmen würde ich mir zum reinen Hören also eher die alte DVD einlegen, wenn es dann Harnoncourt sein soll. Hier sind neben der ausgewogeneren Gesamtinterpretation und den tollen Musikern des Concentus vor allem die beiden Sänger Schreier und Holl die großen Pluspunkte.


    Gardiners DVD möchte ich ebenfalls nicht missen, auch wenn ich mich immer wieder neu zwingen muss, das mitgehende Cembalo nicht als störend zu empfinden.
    Die Aufnahme könnte für mich beinahe Referenzcharakter haben, wenn es nicht einige der zu harsch klingenden Forte-Einsätze beim Chor und vor allem die ab und zu viel zu schnellen Tempi gäbe.


    Koopmans Aufnahme ist momentan meine Referenzaufnahme, weil sie sich keine wirklichen Schwachpunkte leistet ( vielleicht nicht mehr auf dem allerneuesten aufnahmetechnischen Stand, aber das auch nur im Vergleich zur neuen SACD), sondern viele Glanzpunkte bei den Solisten, den Choristen und dem Orchester setzt.
    Je länger ich verglich, desto mehr hat mich diese ausgewogene Aufnahme überzeugt. Schön ist vor allem, das bei aller Lebendigkeit alles natürlich und nichts forciert oder gewollt klingt.


    Etwas muss ich allerdings noch nachtragen: Gestern hörte ich bei JPC in alle möglichen anderen WO-Aufnahmen hinein. Dabei bin ich zum ersten Mal auf die ältere CD Gardiners gestoßen



    und fand diese musikalisch eigentlich noch besser als seine spätere DVD, vor allem auch die durchaus profilierteren Sänger, allen voran die traumhafte Nancy Argenta.
    Aber auch bei den anderen Solisten konnte ich nichts zum Meckern finden, noch nicht einmal beim Vibrato-Timbre von Otters.
    Der leichte englische Akzent des Evangelisten ist mir zwar aufgefallen, stört mich aber noch nicht.
    Diese CD werde ich mir zum nächsten Weihnachtsfest ( oder vielleicht schon früher?) auf jeden Fall auch noch gönnen.
    Aufnahmetechnisch soll sie ja auch sehr gut sein, denn Testmagazine wie Areadvd.de oder auch Audio gebrauchten sie ja oft als Referenzaufnahme.



    So viel also zu meinen persönlichen Gedanken anlässlich dieses Vergleichs. Mir ist schon klar, dass es viele Leute geben wird, die zu völlig anderen Meinungen und Geschmäckern kommen. Selbst meine Frau war schon von Frau Schäfers Gesang sehr angetan… aber so ist es nun einmal immer.


    Das Wichtigste ist natürlich, die Musik und den Text mit offenem Herzen auf sich wirken zu lassen, vor allem in der Advents- und Weihnachtszeit.


    Dazu sind alle der hier besprochenen Aufnahmen bestens geeignet.


    Noch ein Gutes Neues Jahr wünscht
    Glockenton :hello:


    mit herzlichen Grüßen aus Norwegen

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Mittlerweile ist fast ein Jahr vergangen, und ich habe im Laufe der Weihnachtszeit 2009 wieder mehrfachl das Weihnachtsoratorium gehört.


    Die in meinem vorherigen Beitrag letztgenannte Gardiner-Aufnahme habe ich mittlerweile auch. Allerdings kann sie mich aus vielen Gründen nicht restlos überzeugen oder gar begeistern.


    Wie vor einem Jahr beschrieben, ist es auch in diesem Jahr, nur noch wesentlich eindeutiger:


    Koopmans Aufnahme liegt für mich weit vorne. Ich höre immer neue schön gemachte und aus meiner Sicht richtig interpretierte Feinheiten heraus - wunderbar.
    Nehmen wir z.B. Track 9 bei den JPC-Beispielen:
    Vor einem Jahr noch und davor war ich noch der Meinung, dass man den Choral "Ach mein herzliebes Jesulein" sanft singen sollte und dann die Pauken und Trompeten mit Macht und Pfeffer einfallen sollten, damit der Kontrast, den Jesus in seiner Person vereint ( das Baby "Jesulein" und der Herrscher der Heerscharen) deutlich herauskommt. Ich dachte, dass Bach das so gemeint habe. Peter Schreier z.B. macht dies als Dirigent in seiner Aufnahme mit modernen Instrumenten so.


    Erst heute bin ich durch Koopmans Interpretation endgültig eines Besseren belehrt worden.
    Bach setzt die Naturtrompeten in eine recht hohe Lage. Dort können sie leise und weich klingen ( von der Tendenz her anders als moderne Trompeten)
    Die Ritornelle mit den Trompeten und der Pauke können also sehr wohl weich und gefühlvoll gespielt werden. Sie klingen bei Koopman wie ein sanfter Weihnachtsglanz und haben auch etwas Wiegendes, Schwingendes.
    So werden die Attribute des Königs ( = Pauken und Trompeten) mit dem des Kindes ( der König in Windeln und in einer Krippe) vereint.
    Es wird zwar durch die Instrumentenwahl angedeutet, um wen es sich bei dem Kind eigentlich handelt, aber auch nicht mehr.
    Der "Witz" ist ja gerade, dass auch diese üblicherweise für einschüchternde Knalleffekte bekannten Instrumente ein süsses Einschlaflied für das "liebe kleine Jesulein" anstimmen können.
    Das hat Koopman sehr schön erkannt :jubel: und ich endlich auch ;)


    Wie das bei einem Ritornell so ist, erklingt es öfter.
    Hätte Bach den Überraschungs- bzw. Konstrasteffekt wirklich beabsichtigt, dann fragt es sich, warum der sich dann so oft wiederholen sollte?
    Einen Witz erzählt man ja auch nicht 4x hintereinander, weil sich die Pointe dann irgendwann abgenutzt hätte.
    Wenn irgendeiner einen guten Geschmack und ein feines Empfinden für solche Dinge hatte, dann wohl Bach selbst....


    Das ist nur ein kleines Beispiel von vielen, die mir bei Koopmans Einspielung positiv aufgefallen sind.


    Sie gefällt mir insgesamt so gut, und ich finde sie in sich so stimmig, dass ich bislang sogar darauf verzichtet habe, mir beispielsweise die neue Aufnahme mit Hermann Max zu bestellen.
    Die klingt in den Ausschnitten zwar gut und die SACD-Klangtechnik reizt mich auch. Der von mir hier beschriebene Choral aber klingt mir dort zu hektisch. Max hat in Bezug auf den Affekt des Satzes offensichtlich eine andere Auffassung.
    Auch die obligatorische Mitwirkung des Cembalos mag typisch für die Aufführungspraxis des Jahres 2009 sein. Zwar gibt es von namhaften HIP-Bachinterpreten zwar auch immer noch die Meinung, dass die dokumentierte Verwendung des Cembalos eher eine Ausnahme gewesen sei, aber die Auffassung, dass man mit einem Doppelcontinuo Orgel-Cembalo den Bachschen Intentionen besonders nahe kommt, scheint sich durchzusetzen.
    Vielleicht würde ich es live mögen - auf den Aufnahmen hat es mich bis jetzt eher gestört, weil es z.B. den Chorälen so etwas Unkantables hinzufügt. Ich hätte da noch mehr musikalische Gründe. Dass das alles nur meine eingefahrenen Hörgewohnheiten wären, kann ich so nicht sehen.



    herzlichen Weihnachtsgruss :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)


  • Ich habe mir die neue Aufnahme von Max gekauft und bin im wesentlichen zufrieden damit, als Gesamtheit wirkt da nichts hektisch, sondern im positiven Sinne flott aufgrund der Orientierung am Dresdner Stil.

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    Diese ausgezeichnete Sammlung enthält übrigens die im vorliegenden Thread mit am häufigsten genannte und auch fast immer sehr gelobte Einspielung unter René Jacobs mit dem RIAS-Chor.


    Eine Petitesse stört (mich) dabei (ein wenig) - bei der Originalveröffentlichung ganz genauso, wie ich soeben festgestellt habe. Um 80 Minuten nicht zu überschreiten, sich aber drei Scheiben zu sparen, wurde auf der ersten CD die dritte Kantate drei Nummern, also keine vier Minuten vor Ende abgebrochen und auf CD zwei zu Ende geführt. Nicht ganz so genial.


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Zitat

    Original von miguel54


    Ich habe mir die neue Aufnahme von Max gekauft und bin im wesentlichen zufrieden damit, als Gesamtheit wirkt da nichts hektisch, sondern im positiven Sinne flott aufgrund der Orientierung am Dresdner Stil.


    Der hektische Eindruck entsteht bei mir ja vor allem dann, wenn ich direkt vorher Koopman gehört habe, also einen Quervergleich gemacht habe. Koopmans Interpretation des Chorals und vor allem des Ritornells konnte mich aus oben genannten Gründen überzeugen, und dass, obwohl ich das jahrelang genau anders herum gesehen habe.


    Im Zusammenhang mag die neue Einspielung aber durchaus stimmig wirken; das glaube ich auch.
    Die Klangproben der Maxschen Aufnahme klingen für mich ansonsten durchaus sehr gelungen. Es ist sicher eine empfehlenswerte Aufnahme, die vielleicht auch irgendwann einmal den Weg in meine Sammlung finden wird.


    Mit meiner Bemerkung oben wollte ich zum Ausdruck bringen, dass ich mit Koopmans Fassung in diesem Jahr so glücklich und zufrieden bin, dass das bei mir normalerweise immer vorhandene Bedürfniss nach anderen, ebenfalls hervorragenden Aufnahmen ausnahmsweise einmal nicht aufkommt, selbst wenn sie neu auf den Markt kommen.
    Wenn Herreweghe sich jedoch zu einer Neuaufnahme entschlösse, würde ich diese kaufen, selbst wenn es die Möglichkeit des vorher Reinhörens nicht gäbe.
    Suzukis Aufnahme habe ich einmal in Radio gehört - sie fehlt mir auch noch...


    Aber was ist jetzt mit dem Dresdner Stil gemeint( a la Heinichen)?
    Und ich dachte immer, man müsste sich für diese Musik eher dem Leipziger Stil annähern....



    Gruss :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Ich meine, es wurde noch nicht gesagt, dass zu den fantastischen vier Vokalsolisten der Richter-Aufnahme (Janowitz/Ludwig/Wunderlich/Crass) ein ebenso fantastischer Maurice André an der 1. Trompete kommt. (Vielleicht habe ich dies hier im Thread aber auch übersehen.) Im letzten der sechs Teile des WO lernt man dies zu schätzen.


    Mein Favorit ist die hier schon zweimal lobend erwähnte Aufnahme unter Ralf Otto, gefolgt von Gardiner. Harnoncourt (die alte Aufnahme), Richter und Kurt Thomas kommen da für mich nicht ran. Herreweghe, Jacobs und Suzuki würden mich schon noch interessieren ...

  • Zitat

    Original von Glockenton
    Aber was ist jetzt mit dem Dresdner Stil gemeint (a la Heinichen)?
    Und ich dachte immer, man müsste sich für diese Musik eher dem Leipziger Stil annähern....


    Ähnlich wie bei der h-moll Messe hat Bach hier, was die Instrumentierung angeht, bis auf die Hörner so ziemlich das verwertet, was er auch in Dresden gehabt hätte. 1734 hat er diese 6 Kantaten erstmal zusammengestellt, was Hermann Max im Zusammenhang mit den Bemühungen um einen sächsischen Kapellmeistertitel sieht - die Vorlagen stammten ja zum überwiegenden Teil aus den "Dramma per musica" überschriebenen Festmusiken für Angehörige des sächsischen Herrscherhauses. Die Chöre sind wesentlich einfacher komponiert als man das von ihm gewohnt ist, wie eine Demonstration, daß er das auch konnte. Die Konfrontation mit der Musik des neuen Kapellmeisters Hasse in Dresden hatte diese Tendenzen sicher bestärkt. Heinichen hatte ja schon eingängiger als Bach geschrieben, Hasse erst recht ...
    "Leipziger Stil" wäre in diesem Fall Bachs Annäherung an Dresdner musikalische Moden unter möglichster Beibehaltung seiner eigenen Präferenzen.

  • Noch ein Wort zur Richter- Aufnahme:


    Wie schon vor Jahren von mir geschrieben, ist es auch noch heute:
    Wenn mir im Jahreslauf nach WO ist, gibts Otto, Jacobs, Harnoncourt, Gardiner, Flämig oder eine der anderen Aufnahmen aus meinem reichgefüllten Schatz, je nach momentanen Gelüsten.


    Aber an Weihnachten, an den jeweiligen Festtagen gibt es die Kantate aus Richters Aufnahme, weil das halt MEIN Weihnachten ist. Und in diesem Jahr ist mir deutlich geworden, das neben den funkelnden Diamanten der Solisten seit Jahren ein wunderbarer Edelstein dieser Aufnahme fast im verborgenen mein Herz erfreute und es mir in diesem Jahr klar wurde:


    Nicht der geringste Grund für meine Liebe zu dieser Aufnahme ist das funkelnde, glockenklingende Orgel- Continuospiel von Hedwig Bilgram. Das gibt es SO in keiner anderen Einspielung...


    Gruß
    Stefan

    Psalmen sprechen und Tee trinken kann niemals schaden!

  • DAS kann ich nicht bestätigen! - Die Richter-Aufnahmen sind mir mittlerweile zu zäh! - Anfangs schwärmte ich davon.
    Die neueren Aufnahmen sind zügiger, leichter, flockiger gesungen.
    Auf YouTube kann man verschiedene Interpretationen hören. -
    Sehr interessant! -
    Welches Tempo würde Bach wohl wählen? - Vielleicht altersabhängig? -
    In jungen Jahren flotter, in vorgerückten Jahren etwas behäbiger? -
    Was weiß die Wissenschaft darüber?


    Sonnige Grüße,


    Melisma :hello:

  • Ich bringe eine weitere sehr gute Einspielung in Erinnerung:


    XO-Beringer-R2-1.jpg
    Beringer 1991


    Das ist übrigens m. W. die einzige Aufnahme, in der der Anfangschor mit "Tönet, ihr Pauken! Erschallet, Trompeten!" (à la BWV 214) startet und erst dann zum altbekannten "Jauchzet, frohlocket!" überzugeht, was ich gelungen finde.


    Mittlerweile sieht die Aufnahme offenbar so aus:



    Weitere Favoriten:



    Thomas 1958



    Richter 1964



    Harnoncourt 1973



    Flämig 1975



    Harnoncourt 1982 (hier m. E. vorteilhaft, daß alles von Knaben gesungen wird)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Oh! Joseph, es freut mich, dass du die Harnoncourt-Aufnahme als Vorteilhaft ansiehst, weil von Knaben gesungen! -
    Habe die 64er-Aufnahme von Richter. -
    Wenn man die stelle des Alt-Einwurfs "Schweigt, schweigt! Er ist schon wirvklich hier" auf der Richter-Platte (Christa Ludwig!) mit der Harnoncourt-CD vergleicht, dann bekommt man doch bei Richter einen Schreck! -
    So erging es mir jedenfalls. - Viel zu krass, viel zu laut, viel zu viel Vibrato!
    Nein! Die Frauenstimmen sind mir hier zu theatralisch! -
    DAS machen die Knabensoprane und -altstimmen viel besser!
    Ich liebe die Harnoncourt-Aufnahme sehr! - Bei YouTube sind viele Ausschnitte zu sehen, wenn nicht sogar das gesamte Werk!


    Liebe Weihnachtsgrüße,


    Melisma :hello:

  • Liebe Forianer,


    die Adventszeit rückt näher und bei vielen ist wieder Bachs Weihnachtsoratorium zu hören. Vielleicht gibt es ja noch den einen oder anderen, der noch gar keine Aufnahme besitzt. Ein anderer möchte vielleicht noch eine andere Einspielung erwerben. Ähnlich wie bei der "Matthäus-Passion" möchte ich mich wieder auf drei Einspielungen pro Beitrag beschränken. Auch hierbei handelt es sich wieder um Produktionen, die aus meiner Sicht Referenz-Charakter tragen.



    :hello: LT

  • Bachs "Weihnachtsoratorium" zählt zu den beliebtesten Vokalschöpfungen des großen Meisters. Jahr für Jahr lauschen viele tausende Besucher in Konzertsälen und Kirchen dieser festlichen Musik. Manch einer besitzt selbst schon die eine oder andere Aufnahme, um nun auch zu Hause diese Musik zu hören. Manch einer hat vielleicht noch gar keine Aufnahme.


    Bach, der ja selbst in Leipzig Thomaskantor war, schrieb ja auch dieses Werk mit dem Ziel, den Knabenchor gezielt einzusetzen. Wer Bachs Intentionen am nächsten kommen will, der kommt gar nicht umhin eine Aufnahme mit Knabenchor zu wählen.


    In meinem heutigen Beitrag gilt es, drei bedeutsame Produktionen dieses Meisterwerks zu benennen, die unter Mitwirkung von Knabenchören entstanden sind, die jedoch nicht HIP sind.


    1. Giebel, Höffgen, Traxel, Fischer-Dieskau Thomanerchor Leipzig, Gewandhausorchester Leipzig, Dirigent: Kurt Thomas Aufnahmejahr: 1958



    Vor uns liegt ein wahrlich monumentaler Klassiker, die erste Stereo-Einspielung des "Weihnachtsoratorium". Ein weiterer Glücksfall ist der, dass die Aufnahme auch gleich noch an Bachs früherer Wirkungsstätte entstanden ist: in Leipzig, mit dem Thomanerchor.


    Das Solisten-Ensemble mit Agnes Giebel, Marga Höffgen, Josef Traxel und dem jungen Fischer-Dieskau ist in Alter Musik sehr geschult. Das tut dem Gesamteindruck sehr gut. Der Thomanerchor befand sich damit noch in einem ausgezeichneten Zustand. Insbesondere die Choräle werden zum niederknien dargeboten.


    Natürlich darf man (das Aufnahmedatum beachtend) keine schnellen Tempi erwarten. Dennoch überzeugt das Gewandhausorchester unter Kurt Thomas. Nichts wird verschleppt. - Grandios!


    2. Ameling, Fassbaender, Laubenthal, Prey Tölzer Knabenchor, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Dirigent: Eugen Jochum, Aufnahmejahr: 1973



    Leider ist diese Aufnahme gegenwärtig nicht erhältlich. Daher auch nur ein Bild der Auszüge-CD, die bei Amazon noch zu erwerben ist. Insgesamt eine sehr gelungene Aufnahme, der aber irgendwie das letzte i-Tüpfelchen fehlt. Die Gesangssolisten schlagen sich allesamt sehr meisterhaft. Auch sie sind alle geschult im Gesang der Alten Musik. Der Tölzer Knabenchor kann allerdings mit der stimmlichen Prachtentfaltung der Thomaner und der weiter unten genannten Kruzianer nicht mithalten.


    Eugen Jochum ist mit dem Orchester schon etwas schneller unterwegs. Aber natürlich ist er noch weit enfernt von dem flotten Spiel heutiger Tage. Aber natürlich ist Tempo auch Geschmacksache. Einfach mal reinhören - vielleicht gefällt es ja!


    3. Augér, Burmeister, Schreier, Adam Dresdner Kreuzchor, Dresdner Philharmonie, Dirigent: Martin Flämig, Aufnahmejahr: 1975



    Eine hervorragende Aufnahme. Hier stimmt alles: ein herausragendes Solisten-Ensemble, der Kreuzchor Dresden damals noch der zweitbeste deutsche Knabenchor (wobei das "Jauchzet frohlocket" etwas freudbetonter herübergebracht werden könnte). Der damalige Kreuzkantor Martin Flämig sorgte am Pult der Dresdner Philharmonie für einen sehr überzeugenden musikalischen Gesamteindruck, mit einem festlich-stilvollen Trompetenklang.




    :hello:

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  • Heute stehen drei Aufnahmen des „Weihnachtsoratoriums“ ohne Knabenchöre im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, die nicht HIP sind.


    1. Janowitz, Ludwig, Wunderlich, Crass,
    Münchner Bach-Chor
    Münchner Bach-Orchester, Richter
    Aufnahmejahr: 1964





    Vor uns liegt ein wahrer Klassiker der Aufnahmegeschichte. Nicht nur der Chor und das Orchester sind in Bestform, sondern auch das Solistenensemble stellt einen wahren Glücksfall dar. Dazu noch der Meistertrompeter Maurice André mit seiner virtuosen Kunst. Was will man mehr? Selbst die Tempi kommen nicht so langsam daher, wie man zunächst vermuten möchte. Auch heute noch ist diese Einspielung sehr hörenswert und gehört für mich zur absoluten Spitzenklasse!



    2. Ameling, Krause, Watts, Pears
    Lübecker Kantorei
    Stuttgarter Kammerochester, Münchinger
    Aufnahmejahr: 1966





    Nur zwei Jahre später präsentierte sich diese Aufnahme. Sie klingt orchestral wesentlich schlanker, nicht so stark romantisierend musiziert wie einst unter Richter. Leider stand und steht Karl Münchinger mit seinen an HIP-orientierten Aufnahmen und dem Stuttgarter Kammerorchester immer noch im Schatten von Richter / Harnoncourt / Rilling. Auch er kann mit einem exzellenten Solisten-Ensemble aufwarten: allem voran Peter Pears als vorzüglicher Evangelist und dann noch der wohltuende Sopran der Ameling. Auch der Chor lässt keine Wünsche offen. Ich wünsche dieser Aufnahme mehr als nur eine schweigende Registrierung.



    3. Hartelius, Hammarström, Dürmüller, Roth
    Capella Amsterdam
    Combattimento Consort Amsterdam, de Vriend
    Aufnahmejahr: 2006





    Hierbei handelt es sich um eine recht neue Einspielung des Werks. Auch sie lehnt sich an HIP-orientierte Interpretationen an, und dies durchaus sehr hörenswert und nicht nur deshalb, weil es sich um SACDs handelt. Zunächst singt Jörg Dürmüller einen ausgezeichneten Evangelisten und die Tenor-Arien. Auch Malin Hartelius braucht sich mit ihrem Gesang nicht hinter ihren großen älteren Rollenvertreterinnen zu verstecken. Die Chöre werden hervorragend und sehr klangvoll zu Gehör gebracht. De Vriend feuert sein Orchester zu Spitzenleistungen an. Es ist ein wahres Hörerlebnis! Schade, dass die Aufnahme in vielen Regalen der CD-Klassik-Abteilungen noch immer ein Schattendasein führt. Muss denn heute alles nur HIP sein? - Unbedingt anhören!




    :hello: LT

    Einmal editiert, zuletzt von Liebestraum ()

  • Es ist ein wahres Hörerlebnis


    Ja. Uneingeschränkte Zustimmung. :yes:


    Auch wenn man einen bestimmten Sättigungsgrad erreicht hat, was das WO im Besonderen und Weihnachten im Allgemeinen angeht, so bringt diese lebendige und frische Einspielung einen doch wieder zum Hören und Stauen, vielleicht sogar zum Jauchzen und Frohlocken. Seit Erscheinen (ich glaube 2007) begleitet mich diese Aufnahme durch die Weihnachtszeit. Vermutlich wird das auch in diesem Jahr so sein, obwohl ich da auch öfter mal in Harnoncourts neues WO hineinhören will.


    Freundliche Grüße aus der Heimat des Weihnachtsmannes sendet Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

  • Hier stehen allerdings nur zwei Aufnahmen mit Referenzstatus zur Auswahl:


    1. Esswood, Equiluz, Nimsgern
    Wiener Sängerknaben
    Concentus Musicus, Harnoncourt
    Aufnahmejahr: 1973





    Auch Harnoncourts erste Annäherung an das Werk ist heute bereits ein Klassiker. Noch ohne Manierismen musizierend wie in seinem letzten "Weihnachtsoratorium" besticht die Aufnahme noch heute. Viele Arien werden solistisch von den Wiener Sängerknaben gesungen. Das mag nicht jedermanns Geschmack zu sein, ist aber durchaus sehr reizvoll. Die beiden Sänger Esswood und Equiluz, damals zur ständigen Sänger-Riege Harnoncourts gehörend, lassen keine Wünsche offen. Die Wiener Sängerknaben lösen die choristischen Aufgaben hervorragend. Was Harnoncourt damals mit seinem Concentus Musicus bewerkstelligte ist schon grandios. Er legte damals eine Aufnahme vor, die noch heute Referenzstatus besitzt.



    2. Altmeyer, McDaniel
    Tölzer Knabenchor
    Collegium Aureum, Schmidt-Gaden
    Aufnahmejahr: 1973





    Diese fast völlig vergessene Aufnahme des "Weihnachtsoratoriums" stammt aus dem gleichen Jahr wie Harnoncourts erste Deutung. Damals erhielt diese Einspielung den "Deutschen Schallplatttenpreis". Bei genauem Hinhören muss man beeindruckt feststellen, dass diese Auszeichnung völlig zu recht vergeben wurde. Da gibt es zunächst keinen Ausfall bei den Solisten: neben den an den Aufführungen alter Musik geschulten Sängern Altmeyer und McDaniel übernehmen Sänger des Tölzer Knabenchores solistische Aufgaben. Der Tölzer Knabenchor ist gut auf diese Produktion vorbereitet worden. Ich habe diesen Chor noch nie besser gehört als in dieser Aufnahme. Mit dem Collegium Aureum präsentiert sich in dieser Aufnahme eines der ältesten deutschen HIP-Orchester, das unter Schmidt-Gadens Leitung eine Meisterleistung ablieferte. - Herausragend!



    :hello: LT

  • Heute stehen drei Aufnahmen des „Weihnachtsoratoriums“ ohne Knabenchöre im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, die HIP sind.



    1. Ziesak, Groop, Pregardien, Mertens
    Vokalensemble Frankfurt
    Concerto Köln, Ralf Otto
    Aufnahmejahr: 1990





    Für viele ist diese Aufnahme bereits zur allerbesten Referenz geworden. Das kann ich völlig verstehen! Bei manchen Hörern ist sie bis dato noch völlig unbekannt. Wer sich also nach einer weiteren Aufnahme umschaut, der sollte unbedingt einmal hineinhören. Zunächst muss man das einzigartige Solistenensemble nennen: allem voran der damals konkurrenzlose Envangelist Prégardiens. Aber auch die anderen Sänger sind einfach famos. Das Vokalensemble Frankfurt gehört seit längerer Zeit zu den Spitzen-Chor-Gemeinschaften im Bereich der Alten Musik. Sie leisten auch hier Herausragendes. Ralf Otto ist mit dem Concerto Köln eines der glückvollsten musikalischen Umsetzungen des Bachschen Werkes gelungen! - Auch meine absolute Referenz!!!



    2. Zomer, Markert, Türk, Harvey
    The Netherlands Bach Society, Veldhoven
    Aufnahmejahr: 2002





    Zunächst besticht einmal eine dem festlich Anlass betreffende Ausstattung in Form eines Samtschubers und darin ein mustergültig illustriertes Begleit-Booklet. Aber kann das Äußere mit der musikalischen Umsetzung mithalten? Aber ja!!! Was uns da aus den benachbarten Niederlanden herübergeflattert kommt ist mehr als beachtenswert. Die Gesangssolisten bewegen sich allesamt auf allerhöchstem Niveau. Gleiches lässt sich vom Chor und Orchester der Netherlands Bach Society vermelden. Veldhoven lässt das Orchester zügig-angemessen und sehr warmherzig musizieren. Dieser Aufnahme zu lauschen ist einfach ein Hörgenuss! Dazu kommt noch, dass es SACDs sind, die äußerst klangvoll an unser Gehör gelangen. Hört euch diese Aufnahme an - ihr werdet begeistert sein!



    3. Dawson, Landauer, Daniels, Mertens
    Coro della Radio Svizzera
    I Barocchisti, Fasolis
    Aufnahmejahr: 2002




    Auch diese Aufnahme stammt aus dem Jahre 2002. Hier spielt ein herausragendes schweizer Ensemble für Alte Musik, das leider noch nicht so bekannt ist oder von vielen noch skeptisch beäugt wird. Vor uns liegt ein recht flott gespieltes "Weihnachtsoratorium". Für manch einen vielleicht zu flott. Aber sei's drum: jedenfalls ist es mehr als nur beeindruckend und beachtenswert. Auch hier gibt es bei den Gesangssolisten nur das Allerbeste zu berichten. Der sehr gut vorbereitete Chor hinterlässt einen herausragenden Eindruck. Diego Fasolis, ein für mich herausragender Interpret der Alten Musik, führt leider noch immer ein Schattendasein. Was er hier mit seinen I Barocchisti vollbracht hat ist einfach famos. Dazu kommt noch, dass diese Einspielung dank SACDs in vortefflicher Klangqualität in unseren Wohnzimmern zu hören ist. - Bravourös!



    :hello: LT

  • Da liege ich ja mit meiner Werkauswahl gar nicht so schlecht.


    Die hier bereits besprochenen Aufnahmen mit Karl Richter, Karl Münchinger, Ralf Otto und die drei Versionen von Nikolaus Harnoncourt, die 70er CD-Aufnahme, die 80er Video-DVD und die neue Aufnahme, die ich aber noch durchhören muss, stehen ebenfalls in meiner Sammlung. Ich kann die positiven Aussagen, die hier schon gemacht worden sind, nur bestätigen.
    Hinzu kommt in meiner Sammlung noch die Aufnahme von Helmuth Rilling, die ich im Rahmen seiner Bach-Gseamtaufnahme habe.


    Liebe Grüß


    Willi :hello:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Liebe Forianer,


    die Adventszeit rückt immer und der eine oder andere sucht noch eine visuelle Aufnahme des Bachschen Werkes auf Video und DVD. Heute möchte drei Referenz-Produktionen empfehlen.



    1. Banse, Kallisch, Schäfer
    Windsbacher Knabenchor
    Münchner Bachsolisten, Behringer
    Aufnahmejahr: 1992





    Leider ist diese Aufnahme noch nicht auf DVD erhältlich. Auch auf Video ist sie gegenwärtig nur selten verfügbar. Diese Produktion hat einen ausgezeichneten Evangelisten zu bieten: Markus Schäfer. Juliane Banse glänzt mit ihrer vorzüglichen Sopranstimme. Der Windsbacher Knabenchor macht seine Aufgaben sehr gut. Behringer sorgt mit seinen Münchner Bachsolisten für eine anmutig-klangvolle Umsetzung der Partitur.




    2. McFadden, Fink, Genz, Hentschel
    Monteverdi Choir
    English Baroque Soloists, Gardiner
    Aufnahmejahr: 2000





    Gardiner nahm dieses Werk zu Beginn seiner "Bach Cantata Pilgrimage" 2000 in Weimar auf. Es handelt sich hier um eine exemplarische Deutung des Bachschen Werks. Hier stimmt einfach alles: Solisten, Chor, Orchester!
    - Hervorragend!



    3. Rubens, Kulan, Schreier, Petzold, Scheibner
    Münchner Bach-Chor
    Bach Collegium Mänchen, Schreier
    Aufnahmejahr: 2005





    Peter Schreier, sowohl Richter- als auch Harnoncourt-geschult präsentiert sich hier letztmalig als Evangelist. Mit dieser Partie hat er jahrzehntelang für Furore gesorgt - und das weltweit. Auch in dieser Produktion singt er hervorragend. Die anderen Solisten bemühen sich sehr stark an den großen Künstler anzuschließen. Schreier hat das Orchester sehr gut im Griff. Wobei man keine schnellen Tempi erwarten kann. Auch der Chor meistert seine Aufgaben sehr gut. - Insgesamt eine sehr sehens- und hörenswerte Aufnahme.




    :hello: LT

  • Im vergangenen Jahr besuchte ich ein Konzert mit Bill Dobbins und der WDR Big Band. Er hat von dem WO ein Jazzarrangement erstellt und dirigierte seine Jazz-Version in einem gemeinsamen Konzertmit den King’s Singers. Die Präzision und der unverwechselbare Klang der King’s Singers in Kombination mit einem der renommiertesten europäischen Jazzensembles entlockten Bachs Weihnachtsoratorium, einen völlig neuen Klang, der Klassik- und Jazzliebhaber gleichermaßen begeistern wird.


    Ich bin ein bekennender Barock-Fan und begab mich mit gemischten Gefühlen in dieses Konzert, aber was dort abging, hat mich teilweise sehr fasziniert, ich kam mir vor wie in einer Pop-Veranstaltung. So habe ich Besucher noch nie erlebt, swingend und den Oberkörper im Rhythmus wiegend begleiteten sie die Big-Band und die überragenden King's Singers, das war modern und Zeitgemäß, das WO einmal in dieser Form den überwiegend jungen Besuchern zu vermitteln. Bach hält jede Form einer Musikinterpretation aus und das ist seine Größe..!!



    Von den Konzerten aus 2009 ist in 2010 eine CD davon veröffentlicht worden und bei jpc zu bekommen, Hörproben sind vorhanden.




    Jazz-Launige Adventsgrüße
    Volker

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

  • Was ich im pre-hear mitbekomme, reizt mich nicht wirklich, das Repertoire damit zu erweitern. Vielleicht braucht man mehr Jazz-Hintergrund, um es zu goutieren? Die Klangfarben erinnern mich mehr an merry christmas, in einer Hollwood-Produktion.


    Zwischendurch singt ein Counter Arien, die Ludwig und Co. so wunderbar gestaltet hatten,zum Weghören....


    Am 30.11. soll sie veröffentlicht werden, bei amazon.com.


    Bach sei nicht tot zu kriegen? Ja, das stimmt wohl, aber man muss ja nicht jede Veränderung mitmachen... :S

  • Hallo Sagit,


    wir kennen uns schon seit es Tamino gibt und kennst meine Barock-Liebe zur "Klassischen Musik." Man kann es persönlich in dieser Form dargereicht bekommen, aber würde nicht noch einmal so eine Veranstaltung besuchen das ist wirklich nur etwas für eingefleischte Jazz-Enthusiasten. Ich wollte mir das einmal zu Gemüte führen, wie so etwas in dieser Form erklingt. Wie ich schon aussagte, wurde das alles zu einer Pop-Veranstaltung und befremdete mich mehr als das ich davon angetan wäre. Aber, was die Vokalisten King's Singers boten war schon Spitze und gekonnt vorgetragen.


    Jetzt liegt wieder Herreweghe's und Gardiner's WO im Player und wandele auf den Original-Spuren von J.S. Bach und genieße diese barocken Spitzenergebnisse..!!


    Eine schöne Adventszeit wünscht dir
    Volker
    :hello:

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

  • Herzlichen Dank an Liebestraum für seine Empfehlungen!
    Dem ist wohl wenig hinzuzufügen. Ich selbst kenne einen Großteil der Aufnahmen und pflichte ihm insofern absolut bei.
    Anmerken möchte ich noch, daß es die tolle Beringer-Aufnahme, die er als Video erwähnte, auch auf CD gibt.


    Schwierig, bei so einer Auswahl eine liebste Aufnahme zu küren. Ich probiere es dennoch mal:


    - Non-HIP mit Knabenchor: Beringer 1991, Thomas 1958
    - Non-HIP ohne Knabenchor: Richter 1964
    - HIP mit Knabenchor: Harnoncourt 1973 und 1981 (Video)
    - HIP ohne Knabenchor: bisher keine


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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