Bruckner-Dirigenten - gestern und heute

  • Ab wann darf man denn eigentlich "Bruckner-Dirigent" sagen, erst, wenn ein Dirigent alle Symphonien eingespielt hat?


    Mir fällt zu Bruckner nämlich noch jemand ein, nämlich Otmar Suitner.
    Suitner hat mit der Staatskapelle Berlin die ##1,4,5,7 und 8 eingespielt, die Achte finde ich besonders gelungen.


    Die #4 habe ich gerade im Auto gehört, und was Norbert bei Klemperer beschreibt, nämlich dieser Sog, der vor wichtigen Stellen erzeugt wird, teils durch Dynamik, teils durch Tempovariation, den finde ich bei Suitner besonders gelungen.


    Mit der #7 habe ich mich noch nicht richtig beschäftigt, obwohl es eine meiner ersten Bruckner CDs war (ich glaube, wahnsinnig preiswert!).


    Wer kann mir mehr zu Suitner als Bruckner Dirigent sagen?

  • Meine Lieblingsdirigenten bei Bruckner sind Celibidache und Peter Jan Marthe. Ich habe aber in letzter Zeit auch grossartigen Bruckner mit Sir Simon Rattle und vor allem mit Fabio Luisi (VII., f-moll-Messe) gehört. Man kann mit Freude in die Zukunft schauen, es wird immer beglückenden Bruckner geben.

    "Play, man, play!" (M. Davis)
    "We play energy!" (J. Coltrane)

  • In der Auflistung der Bruckner-Dirigenten vermisse ich bislang schmerzlich Jascha Horenstein.Der 1899 geborene Horenstein, dessen Repertoire wohl recht breit gefächert war, galt dennoch als Spezialist für Bruckner und für Mahler. 1928 hatte Horenstein Bruckner's 7. erstmalig für Schallplatte eingespielt (mit den Berliner Philharmoniern), in den 1950er Jahren folgten die Sinfonien Nr. 8 und 9 für das amrikanische Plattenlabel VOX (in Deutschland alternativ durch Orbis oder Pantheon/Opera vertrieben). Horenstein, der 1933 aus Deutschland nach New York geflüchtet war, hat sich an kein Orchester fest gebunden. In den 1960er Jahren bestand bis zu Horensteins Tod im April 1973 eine intensive Zusammenarbeit mit der britischen BBC, für die er alle Bruckner-Sinfonien dirigiert hatte. Leider lagert das meiste davon in den BBC Archiven, als CD veröffentlicht wurden die Sinfonien Nr. 5, 8 und 9, jeweils Mitschnitte von Live-Aufführungen. Die alten VOX-Aufnahmen sind in guter Mono-Qualität als CD erhältlich, die BBC-Aufnahmen sind zwar Stereo, aber man muß klanglich Abstriche machen. Dessenungeachtet ist der Unterschied zwischen den beiden Einspielungen der 8. Sinfonie interessant. Die spätere Einspielung zeigt deutlich mehr emotionale Beteiligung, ist ruhiger und getragener. Interesanterweise hat Horenstein zumeist die Original-Versionen der Sinfonien dirigiert. Bei der 8. zunächst die Novak, dann die Haas-Edition. Das unterschied ihn von einem anderen großen Bruckner-Dirigenten, Hans Knappertsbusch, dessen Bruckner Kanon aus den Sinfonien Nr. 3,4, 5,7,8 und 9 bestand. Die 6. hatte zeitlebens nie dirigiert (hab's mal in einem Verzeichnis seiner ehaltenen Konzertprogramme nachgelesen). Bei Kna fällt auf, daß er sich im Plattenstudio merklich unwohl gefühlt hat. Dort wo sich live-und Studio Aufnahmen miteinander vergleichen lassen (Sinfonien 3, 4 und 8 ) fallen meine Hörentscheidungen stets zugunsten des Live-Mitschnittes aus. Knappertsbusch war in seine späten Jahren für seine ausgesprochen breiten Tempi bekannt. Für mich erstaunlich wirkt sein Bruckner aber niemals langsam. Besonders der Mitschnitt von Bruckner 7. bei den Salzburger Festspielen 1949 bringt diese Sinfonie einem Spielfluß, bei dem ein anderes, strafferes Tempo kaum vorstellbar scheint.
    Bei Celibidache gibt es für mich einen eklatanten Unterschied zwischen dem Klang im Saal und dem Klang von der CD. In Köln hatte ich Celi mit Bruckners 3. Sinfonie gehört. Das war schon unglaublich langsam, bot allerdings die Möglichkeit, dem Raumphänomen Klang nachzuhören. Ich weiß nicht, ob ich das jetzt verständlich ausdrücke, aber Celis dirigieren satnd in Bezug zu dem Saal, in dem er dirigierte. Das wurde natürlich mitgeschnitten, nur genau dieses Phänomen lässt sich zwischen den heimischen Lautsprechern kaum nachvollziehen, so daß die EMI-CD's von Celibidache auf mich irgendwie leblos wirken.
    Letztens fiel mir eine DDR-Einspielung von Bruckners 5. unter Heinz Rögner in die Hand. Mein gegenwärtiger Favorit unter den Einspielungen dieses Werkes.
    Carl Suchricht wurde schon erwähnt, auch der gehört in die Reihe der großen Bruckner-Dirigenten. Liebhabe breiter Tempi dürften sich hier allerdings nicht gut aufgehoben fühlen: Schuricht war ein Freund zügiger Tempi. Nach dem Kriege wurde er von der Schallplatte entdeckt, machte Einige Einspielungen für das Label Concert Hall, sodann für die DECCA, und in der Zeit des Übergangs von Mono zu Stereo für EMI. Die Stereo-Einspielungen von Bruckners 8. und 9. Sinfonie sind heute gesuchte Plattenraritäten, als CD aber gut zu beschaffen. Schurichts zügiges Tempo bekomt besonders dem Scherzo der 9. außerordentlich gut. Beim Tempo des 3. Satzes der 8. Sinfonie eine Gegenüberstellung Schuricht Knappertsbusch: 21 min vs 28 min. Im dirketen Hörvergleich würde man den Unterschied aber nicht für derart eklatant halten. Mein Liebling unter den Schuricht-Einspielungen von Bruckner: die Nr. 7, aufgenommen für Concert Hall.
    Liebe Grüße vom Thomas

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Hallo Thomas!

    Zitat

    Knappertsbusch war in seine späten Jahren für seine ausgesprochen breiten Tempi bekannt.


    Er konnte aber auch ziemlich flott werden - sogar dann, wenn man's am wenigsten erwartet: Bruckners IX, München 1958 (bei Orfeo) ist im Eilzugtempo - und wirkt dennoch nicht überhastet.
    :hello:

    ...

  • Lieber Edwin, da hast Du absolut recht. Bei Music & Arts ist ein Mitschnitt von Bruckners 8. unter Kna mit den Münchnern aus dem Jahre 1955 erschienen. Da brauchts für das gesamte Werk mal eben kanpp 70 min. Das ist in der Tat ziemlich zügig. Aufgefallen ist mir das allerdings erst durch Deinen Hinweis.


    Beste Grüße vom Thomas :hello:


    (Jetzt woll'n wir doch mal sehen, ob das mit den Smilies klappt)

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
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  • Hallo Thomas,


    die reine Spielzeitangabe muß bei Knappertsbusch nichts heißen.


    Von und mit ihm gibt's auch eine 5. Sinfonie von Bruckenr mit ca. 63 Minuten Spielzeit. Die kommt aber deswegen zustande, weil Knappertsbusch eine gnadenlos gekürzte Version spielte.


    Mit 70 Minuten bei der 8. Sinfonie würde ich ähnliches vermuten, denn damit wäre er z.B. vier Minuten schneller als Jochum (Nowak-Edition) oder sechs als Boulez (Haas), wobei beide ordentlich fix unterwegs sind...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Bin auch ein großerLiebhaber von Günther Wand, seine Größe und Bescheidenheit war überwältigend. Leider gibt es nur wenige Dirigenten vin diesem Format, sein Tod erfüllte mich mit großer Trauer.

  • Ich kann mich gar nicht so recht auf einen Dirigenten einigen. Bruckner ist für mich gar nicht so ein Spezialfall, den man nur auf EINE Art deuten kann.
    Wer hier im Forum in bezug auf Bruckner fast kategorisch niedergemacht wird, ist Barenboim, was ich nicht verstehen kann. Ich selbst liebe Karajan und Wand auf diesem Gebiet am meisten, doch auch Barenboim hat durchaus einen guten Ansatz. Gerade seine Adagios mag ich sehr, weil ich da viel Gefühl höre (Struktur hin oder her).


    Obwohl ich Russell Davies auf ECM immer liebe, gefallen mir seine Brucknereinspielung mit den Linzern nicht so gut, was aber auch an der Aufnahmetechnik liegt...


    Beste Grüße,
    Lars (der gerade die 2. von Barenboim und den Berlinern genießt!)

    Laurentius



    Man benutze seine Ohren wie Augen.

  • Meine einzigen Erfahrungen mit Bruckner sind bisher seine drei letzten Symphonien und das Te Deum.


    Die IX. ließ mich damals sehr kalt - ich erinnere mich leider nicht mehr, wer dirigierte - womöglich lag es daran (und nein, es war nicht Karajan :D).


    Die VII. und VIII. hörte ich mir mal interessehalber in den beiden späten Digitalaufnahmen von H. v. K. an, die sogar von foreninternen Anti-Karajanern gelobt wurden - und seither hat sich mein Bruckner-Bild doch ins Positive gewandelt, so daß durchaus das Verlangen, beizeiten mehr kennenzulernen, gegeben ist.



    Ich nehme an, daß Karajans Bruckner eher der alten Bruckner-Interpretation verpflichtet sein dürfte.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Hallo allerseits,


    Zitat

    Es soll hier aber eigentlich nicht allein um Jochum gehen, sondern wer aus heutiger Sicht ein zeitgemäßes Brucknerdirigat anbietet.


    Ich glaube es gibt (und gab) sehr viele gute Brucknerdirigenten. Die meisten sind schon hier oben aufgelistet worden.
    Interessant ist doch, was nach Jochum, Karajan, Celi :jubel:, Wand, Furt, Böhm, Giulini kam. In den 90er wurde doch mit Haitink, Chailly, Abbado, Sinopoli, Dohnanyi usw. guter Bruckner geboten. Heute kann mich Thielemann, Nagano, Barenboim begeistern.


    Das allerheiligste ist natürlich ein Brucknerkonzert. Leider kommt es nicht so oft vor, aber wenn eine Brucknersinfonie live zu erleben ist doch ein Erlebnis.


    Zitat

    Bei Celibidache gibt es für mich einen eklatanten Unterschied zwischen dem Klang im Saal und dem Klang von der CD. In Köln hatte ich Celi mit Bruckners 3. Sinfonie gehört. Das war schon unglaublich langsam, bot allerdings die Möglichkeit, dem Raumphänomen Klang nachzuhören. Ich weiß nicht, ob ich das jetzt verständlich ausdrücke, aber Celis dirigieren satnd in Bezug zu dem Saal, in dem er dirigierte. Das wurde natürlich mitgeschnitten, nur genau dieses Phänomen lässt sich zwischen den heimischen Lautsprechern kaum nachvollziehen, so daß die EMI-CD's von Celibidache auf mich irgendwie leblos wirken.


    Da stimme ich Thomas Pape 100%ig zu. Ich habe zum Beispiel in Metz (Frankreich) im Arsenal-Saal 1991 die achte mit Celi und 1993 dieselbe im selben Saal mit Blomstedt erlebt.
    Es ist so als ob man eine Messe vom Papst im Vatikan gelesen bekommt oder von einem Pfarrer im Kuhdorf. Sie dürfen raten wer in Metz den Papst war. :angel: Gute 100 Minuten brauchte er, um die 4 Sätze in aller Breite ausschwingen zu lassen. Die Spannung und der intensive Gestaltungsatem ließen bei den extrem breiten Tempi keinen Moment nach.


    Mit Thielemann hatte ich in Baden-Baden ein fantastischer Brucknererlebnis. Die Fünfte. Mir stockte beim Coda der Atem, den Tränen nahe.


    Wer ich nicht mag: Harnoncourt, Norrington, Blomstedt, Welser-Möst. Mit Jochum habe ich so meine Probleme :untertauch: :untertauch: , nicht weil ich ihn nicht gut finde, er liegt mir einfach nicht.


    gruß
    roman

  • Zitat

    [ Mit Jochum habe ich so meine Probleme :untertauch: :untertauch: , nicht weil ich ihn nicht gut finde, er liegt mir einfach nicht.


    gruß
    roman


    Da muß ich immer an Knappertsbusch denken, der zu seinem Orchester einmal sagte: "Meine Herren, wissen Sie, was ein Ochum ist? - Ein von Jott verlassener Dirigent!"

  • : 8) Jeder kann nur nach seinem persönlichen Gusto urteilen und so möchte ich gerade aus ganz junger Vergangenheit und bei dem anderen Fall aus einem Zeitraum von sicher 18 Jahren einen Beitrag leisten, indem ich den jungen schweizerischen Dirigenten Stefan Blunier :angel:und den Wiener Friedemann Layer :yes:( Jahrgang 1941)erwähnen möchte. Layer hatte schon1992 in Mannheim eine 5te Bruckner dirigiert, die ich sehr gut fand. In 2008 im Zeitraum März/April dirigierte Layer in Mannheim die 9te Bruckner mit dem Finalsatz in der Cohrs Fassung( mit den anderen drei Mitgliedern dieser Gruppe). Das Ergebnis kann bei der Musikalischen Akademie Mannheim (http://www.musikalische-akademie.de) als Doppel CD bestellt werden. Im November 2008 dirigierte Layer noch zweimal eine tolle Aufführung der 8ten( Nowak) Sinfonie. Es war dies ein toller Abend (mal zwei, da ich das zweite Konzert auch besuchte). Hiervon gibt es keinen offiziellen Mitschnitt.Leider.
    Blunier hatte, nachdem er in Mannheim die Generalprobe der 9ten mit Layer besucht hatte und nach einer Unterredung mit dem Unterzeichner im September 2008 in Darmstadt zwei Aufführungen der 9ten -ebenfalls in der noch etwas neueren Fassung von Cohrs - dirigiert. Beide Aufführungen waren hervorragend! Es wird in Darmstadt einen Mitschnitt auf CD geben.
    Beide Dirigenten sind natürlich keine expliziten"Bruckner-Dirigenten", sie haben aber bei Bruckner, so meine ich, eine Menge zu sagen!
    Didi

  • Volkmar Andreae, den heute kaum einer noch kennt, war mehr als 40!Jahre Chef des Tonhalle Orchesters in Zürich, er hat 1911 den Posten des Dirigenten des New York Philharmonic als Nachfolger Mahlers abgelehnt, mit der Begründung, er hätte in Zürich genug zu tun.
    Und Andreae hat mehr als 300mal Bruckner Sinfonien aufgeführt, aber davon gab es so gut wie nie was was auf LP oder gar CD (Orfeo hat ne 4. rausgebracht, die hier auch abgefeiert wurde!).
    Nun gibt es von Music and Arts alle Neune mit dem Te Deum dazu und ich glaube, das Kapitel der Bruckner Dirigenten hier im Forum muss um einen Namen ergänzt werden, wenn nicht sogar um einen kompletten Absatz.
    Denn was Andreae an Bruckner Interpretation abliefert, das ist, in schlichtem aber gut durchhörbarem Mono gehalten, einfach eine Sensation.
    Was für eine Luftigkeit in der 4., 5., 6., 7. , 8. und in der 9.! (Die anderen habe ich noch nicht gehört!)
    Alle sind sehr zügig gespielt, die 9. in knapp 50 Minuten!
    Und dabei frei der Erdenschwere und des ganzen katholischen Überbaus und der Manierismen, die u.a. Jochum für einen norddeutschen Agnostiker so unerträglich werden lassen.


    Eine Großtat, diese Aufnahmen wieder zugänglich gemacht zu haben. Nicht billig, aber gut!


    Gruß S.

  • Hallo,


    was die Symphonien von Anton Bruckner angeht, setze ich nach wie vor auf die Einspielungen Herbert von Karajans. Ich denke, mit den Interpretationen von Daniel Barenboim kann man auch recht zufrieden sein.


    :hello:


    lg Helge

  • Es ist schon interessant, wie kontrovers Karajan auch hier (mal wieder) diskutiert wird. Von totaler Ablehnung bis hin zu totaler Bewunderung geht das Spektrum, dazwischen gibt es wenig. Dabei muß objektiv betrachtet doch festgestellt werden, daß die Einspielungen mit den Berliner Philharmonikern (DGG, 1975–1981) nach wie vor mit zum Besten gehören dürften, was an Gesamtzyklen überhaupt greifbar ist.



    Daß Karajan trotz unbestreitbarer Meriten selten zum engsten Kreis der Bruckner-Dirigenten gerechnet wird, finde ich merkwürdig. Vielleicht liegt das daran, daß er – vergleichbar vielleicht mit Solti, der auch von den wenigsten als "der" Bruckner-Dirigent aufgefaßt wird – ein Dirigent war, der sehr vieles aufnahm, der "typische" Bruckner-Dirigent aber meist ein recht begrenztes Repertoire aufweist. Eventuell spricht man Karajan von daher einen "Experten-Zugang" zu Bruckner (m. E. fälschlicherweise) ab.


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Original von Joseph II.
    Es ist schon interessant, wie kontrovers Karajan auch hier (mal wieder) diskutiert wird. Von totaler Ablehnung bis hin zu totaler Bewunderung geht das Spektrum, dazwischen gibt es wenig. Dabei muß objektiv betrachtet doch festgestellt werden, daß die Einspielungen mit den Berliner Philharmonikern (DGG, 1975–1981) nach wie vor mit zum Besten gehören dürften, was an Gesamtzyklen überhaupt greifbar ist.


    Definiere "objektiv".


    Um zum "besten" zu gehören, bedarf es durchgehend herausragender Leistungen. Und eben diese sind -in meinen Augen- bei Karajan nicht gegeben.


    Ich kenne aus dem Zyklus nicht alle Aufnahmen, aber die 3. und 4. sind für mich inakzeptabel, weil Karajan dort nur mit "dickem Pinsel" und "oberflächenpolierten Klangbombast" arbeitet. Das ist äußerlich effektvoll, aber für mich kein Bruckner, den ich gerne hören möchte.


    Daß Karajan auch zu differenzieren wußte und nicht gnadenlos über Feinheiten der Partitur zu Lasten des Oberflächenglanzes hinwegdirigierte, zeigt seine Interpretation der 6. Sinfonie.


    Von der 9. Sinfonie kenne ich die 1966er Aufnahme. Dort weiß Karajan in den ersten beiden Sätzen durchaus zu gefallen, weil er auch hier auf "Klangbombast" verzichtet. Allerdings ist er mir im Adagio "zu brav" (man höre sich zum Vergleich an, welche "Kämpfe" bei Schuricht oder Bruno Walter ausgefochten werden), so daß auch hier für mich ein wenig zur "Spitze" fehlt.



    Zitat

    Daß Karajan trotz unbestreitbarer Meriten selten zum engsten Kreis der Bruckner-Dirigenten gerechnet wird, finde ich merkwürdig. Vielleicht liegt das daran, daß er – vergleichbar vielleicht mit Solti, der auch von den wenigsten als "der" Bruckner-Dirigent aufgefaßt wird – ein Dirigent war, der sehr vieles aufnahm, der "typische" Bruckner-Dirigent aber meist ein recht begrenztes Repertoire aufweist. Eventuell spricht man Karajan von daher einen "Experten-Zugang" zu Bruckner (m. E. fälschlicherweise) ab.


    :hello:


    "Vieles aufgenommen" hat auch ein Eugen Jochum; von Bernard Haitink, Riccardo Chailly, Günter Wand und Carlo Maria Giulini, um nur einige zu nennen, gibt es ebenfalls reichlich Aufnahmen, ohne daß "ihr Bruckner" unter "ferner liefen" gehandelt wird.


    Karajan hat auch einen "guten Bruckner" dirigiert. Die späten Digitalaufnahmen der 7. und 8. gehören auch für mich zur "Spitzenklasse", aber, siehe oben, wenn Karajan für mich nicht uneingeschränkt als "Bruckner-Dirigent der ersten Kategorie" gilt (im Gegensatz zu den anderen genannten Dirigenten), dann hat das ausschließlich Qualitätsgründe.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Zitat

    Die späten Digitalaufnahmen der 7. und 8. gehören auch für mich zur "Spitzenklasse"


    Ja, das ist auch mein Höreindruck. Die Brucknersinfonien 7 und 8, z.T. auch 9 sind Referenzaufnahmen - für Herbert von Karajan, aber wohl nicht für Bruckner. Für diese Sinfonien gibt es Einspielungen, die so differenziert und gleichzeitig so spannungsvoll und mitreißend sind, dass Karajan in dieser Liga nicht ganz mitspielen kann, z.B. Wand, Giulini, Böhm u.a.


    Umgekehrt ist mein Höreindruck aber, dass Karajan hier großartige Aufnahmen eingespielt hat, die zum Besten gehören, was ich mit ihm als Dirigent kenne. Besonders die 7. und 8. Bruckner höre ich wirklich gern mit ihm. Und auch Karajan-Kritikaster stimmen da zu.


    Mir fällt auf, dass die besten Karajan-Aufnahmen mitunter die sind, die so untypisch für ihn sind ...


    Ich möchte Joseph II. Enthusiasmus über Karajans Bruckner aber zum Anlass nehmen, in den nächsten Tagen die Einspielungen noch einmal oder z.T. zum ersten Mal zu hören. Bin gespannt. ;)


    Herzliche Grüße von der verschneiten Waterkant sendet Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

  • Ich meinte es so: Den perfekten Bruckner-Zyklus gibt es vermutlich nicht. Da bei Karajan zumindest m. E. der Großteil der Aufnahmen sehr gut gelungen ist (inbes. Nr. I, IV – interessant, daß Du, Norbert, gerade die für schwächer erachtest, ich las bisher eigtl. auch eher positive Rezensionen zur Vierten –, V, VI, VIII und IX – ich beziehe mich jetzt auf die 70er-/frühe 80er-Einspielungen), würde ich den den Karajan-Zyklus durchaus ganz vorne sehen. Bei Jochum I etwa fallen die meisten Symphonien m. E. gegenüber Karajan ab – dies ist sicherlich subjektiv. Ich finde eigtl. nur die V. und IX. in etwa gleich gut wie bei Karajan, u. U. auch noch die VIII. Bei Jochum II hingegen würd ich nur die Nr. I und II hervorheben – beim Rest leistet sich die Staatskapelle Dresden m. M. n. zu viele Unsauberkeiten. Übrigens: Die VIII. unter Jochum 1982, die bei abruckner.com zu haben ist, mit den Bamberger Symphonikern, gefällt mir viel besser als die, die er kurz davor mit den Dresdnern aufnahm, was ja zumindest widerlegen würde, daß es an Jochums fortgeschrittenem Alter lag. Entweder war die Staatskapelle wirklich indisponiert (was komisch wäre, zumal, wie gesagt, I. und II. sehr gut gelangen) oder aber die Tontechniker tragen eine Mitschuld am mäßigen Ergebnis des späteren Jochum-Zyklus.


    Liebe Grüße
    :hello:

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    – Luís de Camões

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  • "Jochum II" ist aus meinem Besitz seinerzeit relativ schnell wieder verschwunden, da ich die Tonqualität inakzeptabel fand.


    Das Klangbild war in meiner Erinnerung viel zu pauschal und zu verhallt.


    Ob es den "perfekten" Bruckner-Zyklus gibt, vermag ich nicht zu sagen. Es gibt aber in meinen Augen Gesamteinspielungen, die sich auf einem einheitlich hohem Niveau befinden und somit imo Karajan überlegen sind: Günter Wand (der "zyklisch" Bruckner nur mit dem Kölner Rundfunk-Sinfonieorchester eingespielt hat; zur damaligen Zeit kein Spitzenorchester), Riccardo Chailly (RSO Berlin und Concertgebouw Orchester), Skrowaczewski (unter "Preis-Leistungs-Gesichtspunkten wohl erste Wahl), der Zyklus mit Tintner ist vom Dirigat her, aber nicht von den Orchesterleistungen hoch anzusiedeln, das, was Heinz Rögner eingespielt hat (4.-9.), ist ebenfalls superb.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Hätte ich Bruckner mit Jochum II kennengelernt, ich glaube, es hätte mich eher abgehalten, weiter vorzudringen ... ;)


    Das Problem vieler der genannten Zyklen scheint das Orchester zu sein. Ich meine: es ist nicht verwunderlich, daß die Berliner Philharmoniker in der Ära Karajan dem Kölner RSO und den britischen "Provinz-Orchestern", mit denen Tinter aufnahm, überlegen waren. Für mich stellt sich dann eben die Frage: Kann sowas dann noch Referenz sein? Der Dirigent mag ja einiges "raus reißen", aber die Orchester-Qualität per se spielt wohl fraglos auch eine gewichtige Rolle.


    Im übrigen war ich von der Skrowaczewski-"Nullten", die sich auf der Brilliant-Jochum II-Box befindet, auch sehr angenehm überrascht und pflichte daher gerne bei; gleiches gilt im übrigen für Tintners "Doppelnullte". Wand klang mir irgendwie zu analytisch und zu sehr an der Partitur "klebend" (allerdings nur erste Höreindrücke von seinen ganz späten Aufnahmen).


    Sicherlich habe ich eine Vielzahl an Zyklen hier gar nicht berücksichtigt und keinerlei Hörerfahrungen, seien nur mal Haitink und Chailly (dem ich aus einem unerfindlichen Grund keinen Bruckner zutraue) aufgeführt, die ja das "beste Bruckner-Orchester" (so hört man jedenfalls manchmal) mit den Amsterdamern zur Verfügung hatten.

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    – Luís de Camões

  • Wenn ich meine bescheidene Meinung in den Ring werfen darf so bin ich auch der Auffassung, dass Karajan kein Bruckner-Dirigent war. Bei Karajan wird der alte von Hanslick geschaffene Antagonismus Bruckner (via Wagner) vs. Brahms in das 20. Jh. getragen: Brahms gelingt Karajan zum niederknieen (besonders dei Aufnahmen auus den 1960er Jahren), Bruckner bleibt merkwürdig seelenlos. B9 etwa gerät ihm zum Soundtrack spätpubertären Liebeskummers (besonders der 3. Satz). Die beiden ganz späten Aufnahmen nehme ich hier ausdrücklich aus und beziehe mich auf die Aufnahmen aus den 1960er Jahren.


    Auch würde ich das BPO gegenüber dem Kölner RSO nicht so überschätzen. Der Wand-Zyklus ist schon ein Meilenstein in der Brucknerinterpretation. Daß Karl Böhm keine Zyklus vorgelegt hat (oder man ihn nicht ließ) wird ein ewiger Jammer bleiben, wenn man sich die Brucknerinterpretationen anhört, die er hinterlassen hat. Brucknerdirigenten wären noch Knappertsbusch (3-5, 7-9) , Schuricht (3,4, 7-9), Horenstein (alle neune), Klemperer (4-9), natürlich auch Jochum (auch wenn ich mit ihm nicht so recht warm werde) von den jüngeren der leider auch schon verstorbene Heinz Rögner oder selbstverständlich Haitink. Inbal würde ich dazurechnen. Chailly würde mich interessieren, kenn ich aber nicht. Nochmal zurück zu den Alten: in den Archiven des Bayrischen Rundfunks müssten alle neune unter der Leitung von Fritz Rieger schlummern (der heuer übrigens 100 Jahre alt würde). Das wäre mal ein Leckerbissen, wirklich wahr.....


    Ganz aktuell gefallen mir die Einspielungen von Ivor Bolton (jüngst B3), aber da ist es wohl noch zu früh, von einem Bruckner-Dirigenten zu sprechen.


    Bei den Russen sollte man übrigens die Herren Svetlanov ( B8 ) und Mrawinski ( B9 ) auf der Agenda haben. Allein die spezifische Art sowjetischer Orchester, mit dem Blech zu arbeiten ist ein Fazinosum besonderer Güte. (Ich weiß ja, daß Wolfgang meine Einschätzung zu Karajans Bruckner nicht teilen wird, aber hier wird er mir gewiss zustimmen).


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

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  • Jedem sei die Feststellung, Karajan wäre kein Bruckner-Dirigent gewesen, als Ausdruck der eigenen Meinung erlaubt, dagegen habe ich ja nicht das geringste einzuwenden. Diese Meinung scheint sogar eher die gängige zu sein, folgt man dem Trend bei "Tamino".


    Ich will lediglich anmerken, daß es auch gewichtige Fürsprecher für eine andere Sichtweise gibt:


    "It is Karajan who is best able to present a Bruckner Symphony as a single vision … some of the most consistently impressive Bruckner recordings of recent years" – Gramophone


    A "magnificent cycle, long a yardstick by which others were measured" – The Penguin Guide


    Es stehen sich hier also zwei "Fraktionen" gegenüber.


    Ich kenne nur die 70er- und 80er-Aufnahmen. Die bereits mehrfach erwähnten Aufnahmen aus den 60ern sind mir nicht geläufig.


    In der Tat war Karajan wohl kein genuiner Bruckner-Dirigent. Die I., II., III., VI. hat er nur ein einziges Mal im Studio aufgenommen (DGG, 1981; 1980/81; 1980; 1979); auch die V. liegt nur in einer Studio-Aufnahme (DGG, 1976), dafür aber noch live (Orfeo, 1954) vor. Von der IV. gibt es zwei Studio-Aufnahmen (EMI, 1970; DGG, 1975) sowie einige Live-Mitschnitte. Die späten Symphonien VII (EMI, 1970/71; DGG, 1975; DGG, 1989), VIII (Membran, 1944; EMI, 1957; DGG, 1975; DGG, 1979 [live]; DGG, 1988) und IX (DGG, 1966; DGG, 1975; DGG, 1976 [live]; DGG, 1978 [live]; DGG, 1985 [live]) schließlich hat Karajan etliche Male aufgenommen. Man stellt also fest, daß sich Karajan intensiv nur den letzten drei Bruckner-Symphonien, inbesondere der VIII. und IX. gewidmet hat. Von der Warte aus gesehen, leuchtet die Feststellung, Karajan wäre kein Bruckner-Dirigent gewesen, ein. Gleichwohl finde ich die Ergebnisse, gerade bei den Symphonien, die er z. T. nur ein einziges Mal überhaupt aufnahm, sehr gelungen.

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    – Luís de Camões

  • Um nun etwas zugunsten von Karajan einzuwerfen: der stammt aus einer Generation, für die Bruckner nicht unbedingt selbstverständlich war. Es war in seiner Generation nicht unüblich, sich auf einzelne Brucknersinfonien zu konzentrieren (wobei 00 bis 2 meistens durch den Rost fielen). Knappertsbusch hat nachweislich nie B6 dirigiert (00-2 natürlich auch nicht). Und er spielte bis zum Schluß die ihm aus den 1920er Jahren vertrauten Versionen (B9 also grundsätzlich Löwe).


    Überdies war Bruckner in den 1960er und 1970er Jahren dann doch eher was für Eingeweihte. Und von denen gab es nicht so wahnsinnig viele, die dann auch noch bereit oder in der Lage waren 25 DM für eine Einzel-LP zu bezahlen.


    Aber wenn wir schon beim Aufzählen sind: 4 Beethovenzyklen, 3 Brahmszyklen, man könnte jetzt munter weiter bei Karajan auflisten, was er so alles mindestens 2 mal aufgenommen hat. Und Bruckner.......?


    Dessenungeachtet: das Vergnügen an Karajans Bruckner will ich niemandem verhageln. Und, BTW: meine Liebelingsaufnahmen Karajans würde ich sogar gegen die Kulturredaktion der Wiener Zeitung verteidigen.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

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  • Hallo Thomas, Joseph und Norbert,


    das Karajan Bruckner nicht so oft eingespielt hat wie manch anderen Werkzyklus ist doch kein Qualitätsmerkmal. :yes: Im Gegenteil - die Aufnahmen waren für Karajan so perfekt, dass diese keiner Wiederholung bedurften.


    Ich denke die ganze Meinungsfindung ist letztendlich sehr subjektiv. Ich schätze Karajan´s Bruckner mit den Berliner PH genau so wie er ist.
    Viele Dirigenten, wie Tintner, Celli, Jochum (heute nicht mehr), vereinzelt Wand, geben mir nicht das, was ich bei Bruckner hören möchte; Karajan ist nicht langweilig, sondern tief empfunden und das ist für mich wichtig !


    Auch die beiden von Norbert als Spitzenklasse bezeichneten Karajan - Aufnahmen mit den Wiener PH der Sinfonien Nr 7 und 8 finde ich durch die manchmal gegebene Abgeklärtheit für mich nicht so überzeugend, wie die mit den Berliner PH (ohne die mit den Wienern im geringsten abwerten zu wollen).


    Zitat

    Zitat von Joseph:
    Gleichwohl finde ich die Ergebnisse, gerade bei den Symphonien, die er z. T. nur ein einziges Mal überhaupt aufnahm, sehr gelungen.


    Genau so empfinde ich das auch.



    Zitat

    Zitat von Thomas zur Mrawinsky - Aufnahme der Bruckner 9:
    Ich weiß ja, daß Wolfgang meine Einschätzung zu Karajans Bruckner nicht teilen wird, aber hier wird er mir gewiss zustimmen.


    Korrekt, die Mrawinsky-Aufnahme (Melodiya/auch Brillant) schätze ich genau aus den von Dir genannten Gründen. Darüber hatte ich im Bruckner 9-Thread schonmal berichtet.



    Zitat

    Wenn ich meine bescheidene Meinung in den Ring werfen darf so bin ich auch der Auffassung, dass Karajan kein Bruckner-Dirigent war.


    Seltsame Definition ??? Wie oft muß denn deiner Meinung nach einer Bruckner aufnehmen um Bruckner - Dirigent zu sein ? Du wirst doch hoffentlich Karajan nicht die Qualität absprechen kein kompetenter Bruckner - Dirigent gewesen zu sein, auch wenn Du andere Favoriten hast ?


    Wenn Thomas behauptet Karajan sei kein Bruckner-Dirigent, dann trifft das um so mehr auf Mrawinsky zu, der Bruckner nur vereinzelt und sporadissch dirigierte - eine GA existiert ohnehin nicht.
    Mrawinsky´s Bruckner 9 ist Klasse, hat Klasse, ich schätze diese Aufnahme hoch, weil er fern jeder Langeweile zupackend agiert. ;) Ein "Bruckner-Klang" im Sinne der Wiener Klassik ist das jedoch nicht.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Also ich finde, es geht hier gar nicht vorzugsweise darum, wer Bruckner dirigieren konnte - und wer nicht, sondern in erster Linie um Dirigenten, die sich "Bruckner auf ihre Fahne geheftet haben"


    Und auch hier ist es - zumindest in diesem Thread nicht - eine erstrangige Frage, ob der Bruckner Dirigent scheiterte oder (nach Meinung von Kritik und Publikum) erfolgreich war.


    Es geht vielmehr um den Einsatz in Sachen Bruckner, aus welchen Motiven immer.


    In Meiner Jugend waren zwei Bruckner Zyklen für die Schallplatte von Bedeutung: Jener von Bernard Haitink (für Philips), und jener von Eugen Jochum (für die Deutsche Grammophon Gesellschaft).


    Haitink zählt für mich jedoch eher zu den Universaldirigenteb, während Jochum , von seiner Kompetenz in Sachen Wiener Klassik mal abgesehen, ein ausgesprochener Bruckner Spezialist war, der sogar Aufsätze zum Thema, wie Bruckner denn zu interpretieren sei , verfasste und lange Zeit Präsident der Internationalen Anton-Bruckner-Gesellschaft (Abteilung Deutschland) war.



    Bei ihrem Erscheinen sorgte die CD Edition unter Eliahu Inbal für Aufsehen - sämtliche Kritiker streuten diesem Zyklus Rosen - zu Recht oder Unrecht - ich weiß es nicht.


    Wenn iichmich erinnere lagen die Rechte ursprünglich bei DENON (?)
    und wurden erst später von TELDEC übernommen, liegen heute also folgerichtig bei WARNER -Classics.....


    .



    Karl Böhm war sicher ein hervorragender Dirigent in Sachen Bruckner - ein Bruckner Dirigent im engeren Sinne war er meiner Meinung nach indes nicht - Böhms Herz schlug für die Wiener Klassik - und natürlch für Richard Strauß (mit dem er befreundet war) und Richard Wagner.


    .



    Den Nimbus als idealer Interpret Bruckners könnte indes Sergiu CELIBIDACHE erfolgreich für sich reklamieren.
    Sein quasi pseudoreligöser Ansatz war wie geschaffen für Bruckner - zumindest für einen Teilaspekt Bruckners.


    .


    .





    Ich erwähne hier auch den Dirigenten Peter Jan Marthé , der eine gewisse Bruckner Gemeinde um sich scharte, ein Gelegenheitsorchester, das nur gelegentlich bei Festspielen auftrat, zu
    Höchstleistungen brachte, und durch sein selbstkomponiertes - mit Bruckners Musik vermischtes Finale von Bruckners 9. von sich reden machte, aber gleichzeitig von vielen Bruckner-Puristen geschnitten wurde. Er war ein Meister der PR und eine charismatische Erscheinung. Leider geriet er als Mitglied des Tamino Klassikforums in Konflikt mit einem anderen Mitglied, was letztlich zu einem Verlust einiger Mitglieder führte, die nicht verstehen konnten, daß ich den damaligen Thread geschlossen hatte um einen Eklat zu vermeiden. (Es kam wie es kommen musste...)


    Ungeachtet dessen stelle ich hier einige Aufnahmen von Marthé ins Netz.


    .


    Der zeitliche Abstand macht eine Beurteilung leichter, und ich meine hier dass Dirigat, nicht inwieweit die Ergänzung zulässig war oder ist...


    Ich weiß, ich habe Wichtiges ausgelassen - aber letztlich wollen - so hoffe ich zumindest - auch andere Taminos ihren Senf dazugeben....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt


    Wenn iichmich erinnere lagen die Rechte ursprünglich bei DENON (?)
    und wurden erst später von TELDEC übernommen, liegen heute also folgerichtig bei WARNER -Classics.....


    .


    Lieber Alfred,


    um einmal kurz zu korrigieren: Es war Inbals Mahler-Zyklus, der zuerst bei Denon erschien. Inbals Bruckner wurde zuerst von Teldec herausgebracht.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Zitat

    Original von Joseph II.


    Das Problem vieler der genannten Zyklen scheint das Orchester zu sein. Ich meine: es ist nicht verwunderlich, daß die Berliner Philharmoniker in der Ära Karajan dem Kölner RSO und den britischen "Provinz-Orchestern", mit denen Tinter aufnahm, überlegen waren. Für mich stellt sich dann eben die Frage: Kann sowas dann noch Referenz sein? Der Dirigent mag ja einiges "raus reißen", aber die Orchester-Qualität per se spielt wohl fraglos auch eine gewichtige Rolle.


    Natürlich ist die Orchesterqualität wichtig, aber ich erkenne es tausendmal mehr an, wenn ein ambitionierter Dirigent wie Georg Tintner versucht, "seine Sichtweise" darzulegen und an spieltechnische Grenzen stößt als wenn ein Mariss Jansons z.B. Bruckners 3. und 4. mit "seinem" Concertgebouw Orchester einspielt und ich mir denke "klingt klasse, aber warum hat er die jetzt aufgenommen?".


    Bruckner fordert insbesondere die Blechbläser exorbitant, denn sie haben nicht nur eine Menge zu spielen, sondern auch differenzeirte Vortragsbezeichnungen zu beachten. Ein Orchester, das die Tonsprache Bruckners nicht so gewohnt ist, stößt insbesondere beim Blech an die Grenze, so das Kölner RSO zu Zeiten, in denen Günter Wand Bruckners Sinfonien einspielte. Bei Wand klingt das Blech zu oft zu pauschal, zu wenig differenziert.


    Ähnliches, sogar noch stärker, ist Georg Tinter mit "seinen Orchestern" passiert. Das Royal Scottish Orchestra, das New Zealand Symphony Orchestra oder das National Symphony Orchestra of Ireland schlagen sich wacker und spielen engagiert, aber es fehlt schlichtweg an Brillianz.


    Nichtsdestotrotz ist auch bei Tintner keine komplette Überforderung des Orchesters festzustellen. Es kommen auch keine groben Spielfehler vor. Auch diese Aufnahmen sind sehr gut "anhörbar".

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Zitat

    Original von Joseph II.


    Das Problem vieler der genannten Zyklen scheint das Orchester zu sein. Ich meine: es ist nicht verwunderlich, daß die Berliner Philharmoniker in der Ära Karajan dem Kölner RSO und den britischen "Provinz-Orchestern", mit denen Tinter aufnahm, überlegen waren. Für mich stellt sich dann eben die Frage: Kann sowas dann noch Referenz sein? Der Dirigent mag ja einiges "raus reißen", aber die Orchester-Qualität per se spielt wohl fraglos auch eine gewichtige Rolle.


    Einspruch, Hoheit. Das Wichtigste sind die Noten. Ich gehe mit Norbert völlig konform, daß Bruckners Sinfonien ziemlich starker Tobak für die ausführenden Musiker sind. Unter uns gesprochen: Celi live, der hatte durchaus auch mit Intonationsproblemen der Bläser zu kämpfen. Referenz ist für mich nicht die technisch perfekte Ausführung (ein großer Differenzpunkt zwischen Wolfgang und mir), sondern die Anlage des Werkes, Temporelationen, Erarbeiten von Spannungen und Höhepunkten.


    Ich komme gerade aus der Kölner Philharmonie, Markus Stenz hat B4 dirigiert. Es gibt in Köln die Möglichkeit, bei den Gürzenich-Konzerten sofort nach dem Konzert einen Mitschnitt (ungeschnitten latürnich) zu kaufen. IMHO: Stenz hat eine grandiose B4 gemacht, wenngleich mit einem schwächelnden 2. Satz. Ohne nun Details der übrigen drei Sätze zu rühmen gebe ich zumindest dies zu Protokoll, daß Stenz perfekte Tempi vorgegeben hatte, Abstimmungen Streicher vs. Bläser exzelent, wunderbare Dialoge Holz vs. Blech im Trio und eine beindruckende Final-Coda, die es ganz gut mit Celis ablaufender Uhr (wer seine Einspielungen von B4 kenn weiß, was ich meine) aufnehmen kann. Und jetzt kommt das Aaaaaaber: Die drei Trompeter gehören füsiliert :pfeif: . Für Tuba und rechte Pauke würde ich mir auch noch was einfallen lassen :D .


    Im Modus Karajani et altri (auch Wand) würde man solche bösen Patzer aus den Aufnahmen herausschneiden und durch perfekte Einsätze ersetzen. Diese technischen Schwächen ändern aber nichts daran, daß Stenz mit seinem Gürzenich-Orchester einen Bruckner abgeliefert hat, der mir viele neue Aspekte der vierten eröffnet hat, und dessen Ansatz ich für definitf plattenmarktreif halte (liest hier jemand von Oehms mit???).


    Es steckt mehr Bruckner drin als in so mancher technisch perfekten Aufnahme.


    Und, wie gesagt: auch bei Celis posthum veröffentlichten Platten ist so manches im Nachhinein korrigiert worden. Auch bei Wand.


    Referenz mache ich persönlich - um darauf zurückzukommen - nicht an der technischen und handwerklichen Brillianz einer Aufnahme fest.


    Und ein "Bruckner-Dirigent" muß nicht notwendig eine Zyklus eingespielt haben (siehe meinen Einwand oben). Vor allem die älteren nicht (meine Güte, allein die Editionsfragen...).


    Wenn man allein auf die technische Brillianz zur Bewertung von Refernz setzt, dann ist das in etwa so, als wolle man einen inhaltlich überzeugenden Sachtext abwerten (oder gar nicht lesen), weil er Rechtschreibfehler hat.


    Hatten wir hier eigentlich schon Bruno Walter bei den Brucknerdirigenten?


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:


    (der jetzt noch ein bisschen in den Stenz-Mitschnitt reinhören wird; die Tontechniker in der Kölner Philharmonie sind schon sehr gut)

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

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