Kaum ein Komponist wird so sehr aufgrund der falschen Werke geliebt wie der Spanier Manuel de Falla (1876 in Cádiz – 1946 in Alta Gracia, Argentinien). Kompositionen wie „Nächte in spanischen Gärten“, die Suiten aus dem Ballett „Der Dreispitz“ und „El amor brujo“ genießen unverminderte Popularität. Kaum durchsetzen konnten sich hingegen Werke wie die Oper „Meister Pedros Puppenspiel“, das Konzert für Cembalo und fünf Soloinstrumente und die unvollendet hinterlassene Szenische Kantate „Atlántida“.
De Falla war der Sohn eines Kaufmanns und einer Pianistin, von der er seinen ersten Musikunterricht erhielt. Das kompositorische Frühwerk umfasst 5 Zarzuelas (eine Art spanische Operette). Der Durchbruch kam mit der Oper „La vida breve“ (1905).
De Falla ging nach Paris, wo er zum Kreis um Claude Debussy gehörte und Einflüsse von Debussy, Ravel und Dukas aufnahm. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs kehrte de Falla nach Spanien zurück. Hier komponierte er die „Gitanería“ (etwa „Zigeunerstück“) „El amor brujo“ (1915; Umarbeitung als Ballett mit Gesang 1921), „Noches en los jardines de Espana“ (konzertante Suite für Klavier und Orchester, 1916), die Pantomime „El corregidor“ (1917, Umarbeitung zum Ballett „El sombrero de tres picos“ 1919; denselben Stoff verarbeitete Hugo Wolf in seiner Oper „Der Corregidor“).
1923 folgte „El retablo de maese Pedro“, 1926 das Konzert für Cembalo. Danach begann de Falla an „Atlántida“ zu arbeiten.
1936 emigrierte de Falla als überzeugter Pazifist nach Argentinien, wo er nach langer Krankheit 1946 starb. Sein Leichnam wurde nach Spanien überführt und in der Kathedrale seiner Geburtsstadt beigesetzt.
De Falla komponierte, auch durch seine Krankheit bedingt, in deren Folge immer wieder Lähmungen auftraten, extrem langsam, aber auch sehr sorgfältig. Er war bestrebt, kein Werk zu wiederholen (auch die beiden Ballette sind Ergebnisse von Umarbeitungen einander formal kaum verwandter Werke).
Stilistisch war de Falla in seiner ersten Schaffensphase von der Farbenvielfalt Debussys und, stärker noch, Ravels geprägt. Die Volksmusik der Spanischen Zigeuner ist für ihn die zentrale Inspirationsquelle.
Das ändert sich um 1919 radikal. De Falla wendet sich von der rhapsodischen Ornamentik und dem schwelgerischen Farbenzauber des Orchesters ab und einem herben Neoklassizismus zu, der immer noch auf der Basis folkloristischer Erfindung steht, diese aber stilisiert und mit einem herb-dissonanten polyphonen Satz verbindet.
„Meister Pedros Puppenspiel“ ist eine erste Kostprobe dieses neuen Stils, das Cembalokonzert und „Psyché“ für Gesang, Flöte, Harfe und Streichtrio setzen den Weg konsequent fort.
Einen Kulminationspunkt erreicht de Falla dann in „Atlántida“: Abermals ist die Musik herb dissonant, Septimen und Nonen prägen das Klangbild, das außerdem mit Tonsymbolen durchsetzt ist. De Fallas Schüler Ernesto Halffter ergänzte das Werk in mehreren Anläufen.
Charakteristisch ist, dass das Publikum seine Wertschätzung nur den Werken aus de Fallas erster Schaffensperiode entgegenbringt. Tatsächlich entsprechen sie perfekt den Klischees von „spanischer Musik“ und lassen vom Urlaub träumen. In seiner zweiten Schaffensperiode macht es de Falla dem Zuhörer weniger leicht: Die Musik klingt zwar noch immer „spanisch“, nähert sich aber dem Folklorismus eher eines Bartók. Der üppige Farbauftrag mit den zart dissonierenden Klangreizen ist verschwunden, der Klang ist herb, auf das Wesentliche reduziert. Die Zigeunermusik hat als Inspirationsquelle fast ausgedient, an ihre Stelle tritt die alte spanische Kirchenmusik und die Musik des spanischen Barock, der allerdings weder imitiert noch persifliert wird, sondern als Inspirationsquelle dient.
Problematisch ist die Einschätzung de Fallas für die Musikgeschichte: Für Spanien ist er von größter Bedeutung (obwohl die unmittelbaren de Falla-Nachfolger auch eher an die erste Schaffensphase anknüpfen; lediglich Halffter besinnt sich eher der zweiten). International sieht es anders aus: Eher Kodaly als Bartók, eher Respighi als Malipiero, eher Delius als Vaughan Williams, zählt wohl auch de Falla zu jenen Komponisten, deren nationale Bedeutung nicht der internationalen entspricht. Sein Frühwerk bleibt den Konzertsälen als „Reißer“ erhalten, sein wesentlich bedeutsameres Spätwerk hingegen wird aller Wahrscheinlichkeit nach auch weiterhin kaum wahrgenommen werden.
Mich würde nun interessieren, wie Ihr de Falla einschätzt und welche Werke in Euren Augen ein Muß sind, um den Komponisten kennenzulernen.