Der Dirigent Wilhelm Furtwängler - unvergänglich?

  • Du hast recht, Edwin.
    Ich sage nur: klassik-akzente: obwohl es leider auch in diesem Forum User gibt, die nicht verknusen können, wenn man anderer Meinung ist.
    Ich nenne natürlich keinen Namen, aber ich hatte diese Erfahrung schon im oben genannten Forum gemacht.


    Gruß Guido

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

  • Zitat

    Ich finde es gut, über verschiedene Meinung sachlich zu diskutieren, was nicht immer möglich ist (leider auch in diesem Forum).


    ?( ?( ?(



    Zitat

    Toscanini, von dem ich auch sehr viele Aufnahmen habe, ist in Sachen "Genauigkeit", was das Notenbild angeht, Furtwängler vielleicht überlegen, jedoch zu "kalt" im Ausdruck.


    Bei Toscanini muss man etwas wichtiges berücksichtigen. Er war ein Praktiker, der kaum dazu zu bewegen war, Plattenaufnahmen zu machen. Es gibt auch nur sehr weniges aus seinen mittleren Lebensjahren.
    Das änderte sich erst, als er nach Amerika umzog. Dort erkannten einige clevere Leute die Chance, die sich ihnen da bot, und konnten Toscanini zu Radiokonzerten überreden, indem sie ihm fast märchenhafte Arbeitsmöglichkeiten boten. Es geschah faktisch alles nach seinem Wunsch, kein Wunder, dass dann auch reine Studio-Aufnahmen folgten (aber auch die Radio-Übertragungen wurden fast unter Studio-Bedingungen gespielt).
    Man darf dabei aber nicht vergessen, dass das Ganze begann, als Toscanini schon über 70 war! Also in einem Alter, wo z.B. Furtwängler schon längst tot war. Wir kennen also von Toscanini überwiegend ein extremes Alterswerk, und er gehörte zu jener kleinen Gruppe von Dirigenten, die im hohen Alter knapper und schneller wurden - "kälter", wenn du meinst.
    Es gibt aber genügend Hinweise, dass er in jüngeren Jahren völlig anders dirigiert hat, hält er doch z.B. noch immer Rekorde für die längsten Aufführungen in Bayreuth!

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    hält er doch z.B. noch immer Rekorde für die längsten Aufführungen in Bayreuth!


    Der berühmte "Parsifal" - obwohl ich glaube, dass Levine noch langsamer war.
    Aber auch die Einspielungen zeigen, dass Toscanini bei Wagner langsame Tempi nahm. Auf mich wirken diese Aufnahmen auch absolut nicht kalt, wenngleich ich zugebe, dass mir die unpathetische Langsamkeit Knappertsbuschs lieber ist. (Zumal Kna auch einen recht flotten Wagner hinlegen konnte, wenn er in entsprechender Stimmung war: Man höre die Münchener "Meistersinger"! Ich glaube, flotter ist keiner - und schon gar nicht Toscanini in Salzburg!)

    ...

  • Sagitt meint:


    Ich sage nur: klassik-akzente: obwohl es leider auch in diesem Forum User gibt, die nicht verknusen können, wenn man anderer Meinung ist.
    Ich nenne natürlich keinen Namen, aber ich hatte diese Erfahrung schon im oben genannten Forum gemacht.( Zitat).


    Wenn man extreme Positionen formuliert, muss man sich nicht wundern, wenn es deutlichen Widerspruch gibt. Ich bin kein Freund unsinniger Streiterein, aber das heisst noch lange nicht " Friede,Freude,...".


    Jede Meinung kann eine Gegenmeinung finden.Wenn diese sehr poinitiert ist, kann dies auch bei Entgegnung passieren.

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner


    Der berühmte "Parsifal" - obwohl ich glaube, dass Levine noch langsamer war.
    Aber auch die Einspielungen zeigen, dass Toscanini bei Wagner langsame Tempi nahm. Auf mich wirken diese Aufnahmen auch absolut nicht kalt, wenngleich ich zugebe, dass mir die unpathetische Langsamkeit Knappertsbuschs lieber ist. (Zumal Kna auch einen recht flotten Wagner hinlegen konnte, wenn er in entsprechender Stimmung war: Man höre die Münchener "Meistersinger"! Ich glaube, flotter ist keiner - und schon gar nicht Toscanini in Salzburg!)


    No Sir. Der längste Parsifal stammt immer noch von Toscanini, mit 4:42, an zweiter Stelle liegt abgeschlagen Jimmy Levine mit 4:33. ;)
    Hermann Levi dirigierte die Uraufführung in 4:04, von da an gings bergauf, d.h. es wurde immer langsamer, mit Toscanini als Höhepunkt. Nach dem Krieg gab es kurz eine Gegenströmung, Klemens Krauss sprintete mit 3:44 durch das Werk, auch Boulez ist berühmt flott unterwegs, dann wird es wieder zäh...

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo Theophilus und Edwin,


    Levine und Toscanini (Bayreuth) sind zwar langsam, aber Reggie (Sir Reginald Goodall) ist in seiner EMI-Einspielung aus Wales noch eine Spur langsamer: 4 Stunden und 46 Minuten! :D


    Grüße


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner


    Mir kam's vor wie 5:33. Mindestens. :evil:


    Da wiederum will ich dir nicht widersprechen. ;)



    @Giselher: Ja, wird schon so sein, aber ich schrieb von Bayreuth-Aufführungen. Aber 13 Minuten sind fast mehr als eine Spur langsamer!

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Interessante Furtwängler-Filmdokumente bei "YouTube":



    - Schluss aus der Aufführung von Beethovens 9. Symphonie vom 19.04.1942 (Wochenschau-Ausschnitt)


    wehwehweh.youtube.com/watch?v=Yqff1F0Ijn0



    - Ouvertüre zu "Die Meistersinger von Nürnberg", Aufführung 1942 (AEG)


    wehwehweh.youtube.com/watch?v=wEAAX__eRcg



    - Probe des Schlusses von Brahms 4. Symphonie ( London, 1948 )


    wehwehweh.youtube.com/watch?v=leYbb5KZYDg



    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Hallo wehleidiger Giselher


    Wäre es bitte möglich, die Schmerzensschreie durchs Original zu ersetzen und das Ganze einfach in Doppelhochkommata zu setzen? Dann könnte man hurtig mit Copy/Paste auf deine interessanten Links hüpfen, z.B. "www.youtube.com/watch?v=Yqff1F0Ijn0", und müsste keine Energie mit der Eingabe des world wide web verschwenden. ;)


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo energiesparender Theophilus,


    ich werde es, zu Deiner und des Forums Bequemlichkeit, fürderhin beherzigen.


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Hallo,
    ich muss gestehen, dass ich erst durch dieses Forum in den letzten Wochen auf die differenzierten Diskussionen bezüglich diverser Ringeinspielungen gestoßen bin, obwohl ich seit geraumer Zeit fleißig :angel: meine drei DVD-Kollektionen zu Wagners Ring parallel höre/sehe (Wen es interessiert: Levine, Boulez, Kupfer (Barcelona)).
    Erst kürzlich stellte ich mir eine CD-Kollektion zu diesem Thema zusammen und erwarb in gebührendem zeitlichen Abstand die Gesamteinspielungen des Rings von Barenboim, Böhm, Solti und nicht zuletzt von Furtwängler (Scala 1950).


    Ich kann mir nicht helfen, aber wie kann man sich mit Genuss eine derart schlechte Tonqualität antun? Es fällt mir wahrlich schwer die Größe des Maestros, der Sänger und des Orchesters zu bemessen, da ich schlicht nicht viel heraushören kann. Helft mir doch bitte mal auf die Sprünge oder nennt mir andere Quellen (meinetwegen auch in Mono), die eine für heutige Verhältnisse gute Qualität haben.
    Danke
    (ein angehender Wagnerianer)

    Tuba mirum spargens sonum....

  • Es gibt von Furtwängler auch eine Studioversion des Rings von der RAI, die besser klingt als die in der Tat nicht idealen Mitschnitte aus Mailand. Von letzteren gibt es auch diverse Ausgaben, die sich in der Qualität der Bearbeitung deutlich voneinander unterscheiden (ich habe die Edition von Gebhardt, mit der ich recht zufrieden bin). Einsteigern in die Materie empfehle ich generell erst einmal die Wiener Studioaufnahme der "Walküre". Allgemein muß ich aber sagen, daß bei Livemitschnitten auch viel Gewöhnungssache ist. Wenn man nicht gerade mit den ganz miesen anfängt, ist man ziemlich schnell in der Lage, das Rauschen "auszufiltern" und das wesentliche beurteilen zu können. Daher würde ich zu einem langsamen Vorgenen raten ; das kommt schon mit der Zeit!

  • Hallo Sven,


    für einen "angehenden Wagnerianer" nennst Du aber schon einer sehr ordentlichen "Ring"-Grundstock an gut klingenden CDs und DVDs aus der jüngsten und jüngeren Vergangenheit Dein Eigen!


    Das Hören historischer Aufnahmen erfordert sicherlich ein wenig Geduld und auch Hörpraxis. Wenn man dolbystereophonisch verwöhnte Lauscher sein Eigen nennt, dann fällt es natürlich anfangs schwer, solche Dokumente wie Furtwänglers Scala-Ring von 1950 zu genießen. Aber das Gehör stellt sich mit der Zeit hörpsychologisch gesehen auf die schlechteren akustischen Rahmenbedingungen ein und gewinnt nicht nur mehr und mehr "Informationen", sondern schließlich auch Vergnügen am Gehörten. Also heißt es: Üben, üben, üben! :D


    Furtwänglers Wagner kann man leider nur in Mono haben, was zu Lasten der Orchesterfarben geht, aber dafür entschädigt er m.E. mit einem zwar sehr subjektiven, aber spannenden Dirigat, welches den Emotionen freien Lauf läßt, ohne die Zügel völlig schleifen zu lassen. Eine Alternative zum Scala-Ring wäre noch die konzertante Einspielung des "Ringes" 1953 bei der RAI, die EMI herausgebracht hat. Die Sänger sind bis auf ein paar Ausnahmen (u.a. Flagstad, Lorenz, Aldenhoff) dieselben, musiziert wird ordentlich (das Scala-Orchester ist aber besser!) bei besserer Tonqualität, aber eben auch nicht so spannend. Furtwängler war live meistens besser als im Studio, ein Umstand, der auf so manchen Dirigenten seiner Generation zutrifft.


    Ansonsten würde ich Dir raten, nur die jeweils besten Überspielungen zu kaufen. Ich habe die "Archipel"-Ausgabe der 1950er Scala-Ringes und bin damit aufnahmetechnisch recht zufrieden. Die Überspielungen von "Walhall" und "Naxos Historical" sind im allgemeinen gut und sorgfältig, meiden sollte man zumeist Ausgaben italienischer Label wie "Grammofono 2000", "Iron Needle" usw., die meistens ziemlich lieblos mittels Computerprogramm "cedarisiert" wurden und daher dumpf und wattig klingen, weil die Höhen zusammen mit dem Rauschen weggefiltert wurden.


    Mein Rat also: Dranbleiben und nicht verzagen!


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Hallo


    Meine Arcadia-Ausgabe des Scala-Rings ist auch nicht so übel (bei Naxos gibt es meines Wissens nur den Met-Ring, der noch älter ist), allerdings ist es bei Live-Aufnahmen aus dieser Zeit oder früher oft so, dass sie mehr über den Gesang als über die Orchesterleistung aussagen. Wenn man also großes Ohrenmerk auf das Orchester legt, dann hat man mit diesen Aufnahmen ein zusätzliches Handicap zu tragen. Da bleibt bei Furtwängler wirklich nur die Wiener Walküre, die aber sehr gut ist, während einige Bayreuther Ringe aus den 50ern akustisch schon wesentlich mehr zu bieten haben, als die Furtwängler Live-Mitschnitte (der RAI-Ring ist keine Studio-Aufnahme sondern eine damals im Radio live übertragene konzertante Wiedergabe).


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von Theophilus
    Hallo


    (der RAI-Ring ist keine Studio-Aufnahme sondern eine damals im Radio live übertragene konzertante Wiedergabe).


    :hello:


    ich präzisiere mich: eine unter Studiobedingungen gemachte Aufnahme.

  • Zitat

    Original von GiselherHH
    Das Hören historischer Aufnahmen erfordert sicherlich ein wenig Geduld und auch Hörpraxis. Wenn man dolbystereophonisch verwöhnte Lauscher sein Eigen nennt, dann fällt es natürlich anfangs schwer, solche Dokumente wie Furtwänglers Scala-Ring von 1950 zu genießen. Aber das Gehör stellt sich mit der Zeit hörpsychologisch gesehen auf die schlechteren akustischen Rahmenbedingungen ein und gewinnt nicht nur mehr und mehr "Informationen", sondern schließlich auch Vergnügen am Gehörten. Also heißt es: Üben, üben, üben! :D


    Da kann ich Dir nur beipflichten. Das lernt man aber mit der Zeit. Am Ende vermißt man bei den modernen Aufnahmen sogar das Rauschen :rolleyes:


    Ich hatte um Archipel immer einen großen Bogen gemacht. Das ist doch auch ein ital. Label mit Hang zum Filtern, oder irre ich ich da?


    Ich habe den RAI-Ring in der EMI-Box und bin ganz zufrieden, obwohl das Remastering der großen Labels nicht immer die Sorgfalt aufweist wie bei kleineren Labeln.

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Zitat

    Original von Robert Stuhr
    :


    Ich hatte um Archipel immer einen großen Bogen gemacht. Das ist doch auch ein ital. Label mit Hang zum Filtern, oder irre ich ich da?


    Archipel ist die Budgetreihe von Gebhardt, also nix Italien.

  • Gerade lese ich auf Spiegel-Online, dass kein geringerer als Michael Gielen zum Mailänder Furtwängler-Ring mit den Worten zitiert wird:
    "Und dann habe ich mir das angehört - es war ganz große Scheiße! Von Furtwängler und vom Orchester." :faint:


    Loge

  • Wobei Furtwängler und Gielen natürlich zwei so diametral entgegengesetzte Dirigententypen sind, daß man von einer völlig untypischen Furtwängler-Interpretation ausgehen müßte, hätte sie Gielen gefallen.
    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Wobei Furtwängler und Gielen natürlich zwei so diametral entgegengesetzte Dirigententypen sind, daß man von einer völlig untypischen Furtwängler-Interpretation ausgehen müßte, hätte sie Gielen gefallen.
    :hello:



    Wobei Gielen durchaus in der Lage ist, über ihm entgegengesetzte Dirigententypen differenziert zu urteilen - so auch über Furtwängler. Dazu zwei Zitate aus seinen Erinnerungen "Unbedingt Musik" (FFM 2005):


    Zitat

    Ein bleibender Eindruck war es, Assistent von Wilhelm Furtwängler bei der Einstudierung der Matthäus-Passion zu sein. 1947 kam der Großmeister, und ich spielte die Klavierproben mit den Solisten, hatte auch bei der Choreinstudierung geholfen und spielte das Continuo auf einem Flügel - das Colon besaß kein Cembalo -, direkt unter seiner mächtigen Gestalt; mächtig von der Ausstrahlung her, körperlich war er lang und dünn. Ich weiß, welch außerordentlicher Dirigent er war, habe später auch hinreißende Aufnahmen mit ihm und den Berliner Philharmonikern gehört, am eindrucksvollsten für mich ein Mitschnitt der zweiten Leonoren-Ouvertüre aus der Zeit der schlimmsten Bombardements, kurz vor der Zerstörung der Philharmonie. Da hört man quasi die existentielle Situation, den historischen Moment. Dort werden die Inhalte der Begleitmusik zu einer Lichtspielszene von Schönberg in dieser Beethovenschen Musik stärker zum Ausdruck gebracht als in dem schwächeren Werk von Schönberg […].



    Zitat

    Wenn man das Glück hat, an großen Häusern engagiert zu sein, kann man große Vorbilder bei der Arbeit beobachten; für mich waren es Erich Kleiber, Fritz Busch, Tullio Serafin, Herbert von Karajan und Dimitri Mitropoulos, zudem auch Wilhelm Furtwängler, Clemens Krauss und Karl Böhm.



    Viele Grüße


    Bernd

  • Auch an dieser Stelle sei hingewiesen auf Audites Veröffentlichung aller Furtwängler-Konzerte beim RIAS Berlin:



    Über einen Zeitraum von fast exakt sieben Jahren (25.05.1947-23.05.1954) wurden seine Konzerte mitgeschnitten. Die Originalbänder sind Grundlage der neuen Edition.


    Neben "den Klassikern" der Klassik und Romantik gibt es auch zeitgenössisches: Z.B. Fortners Violonkonzert, Hindemiths Sinfonie "Die Harmonie der Welt" und Blachers Concertante Musik für Orchester.


    Einige Werke (Beethovens 3., 5. und 6., Schuberts 8. und Brahms' 3.) liegen doppelt vor. So können Interpretationsvergleiche angestellt werden.


    Da ich nicht viele Aufnahmen Furtwänglers besitze, bin ich käuflich tätig geworden. Mal schauen, wie mir die Edition gefällt. Ich werde berichten...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Das Besondere an Furtwängler ist mir bei dieser Stelle zuerst aufgegangen: "Einsam wachend in der Nacht" usw.


    Ich bin groß geworden mit dem Böhm-Tristan von 66, der ja recht forsch dirigiert ist.


    Ich liebe an dieser Aufnahme gerade die ideale, unübertroffene Brangäne der Christa Ludwig.


    Als ich das zuerst bei Furtwängler hörte (wer ist Blanche Thebom?), hab ich die Stelle gar nicht wiedererkannt.


    Woran liegt´s? Am Tempo, gewiß. Aber Böhm begleitet auch zurückhaltender; im Vordergrund steht der ariose Gesangspart, die Orchesterpassagen treten diskret zurück. Dachte ich.


    Bei Furtwängler wird der (erste) Habet-Acht-Gesang einerseits so weit auseinandergezogen, daß er fast wie eine Vokalise klingt. Andererseits wird er (Brangäne steht ja "auf der Warte" weit weggerückt) so leise eingebettet in die schwelgerische Kammermusik der vielfach geteilten Violinen, die so klar in Führung gehen, daß man es nicht besser als mit Thomas Mann sagen kann:


    "Und es erfolgte zu Brangänens dunklem Habet-Acht-Gesange jener Aufstieg in den Violinen, welcher höher ist als alle Vernunft."


    Die Betonung der unheilvollen Warnung zuungunsten des sublimen Rauschs der Liebenden bei Böhm paßt ja zu der im Ganzen recht wehmütigen und pessimistischen Tendenz seines Bayreuther Tristan. Dennoch - daß er Wagner hier fast wie Mozart dirigiert (es führt die melodische Gesangslinie), offenbart doch auch die unendlich raffiniertere Qualität der Furtwängler-Fassung. Böhm zwingt die statische Kette der Vorhalts-Harmonik in eine treibende, kadenzierende Steigerungsrichtung (Klimax: "Erwachen"), der sich nicht allein die Soloviolinen unterordnen, gleichsam als stünden plötzlich gefahrankündigende Sternbilder am Himmel. - Die sempre-pinao-Vorschrift der Geigen zu "Habet Acht!" wird in ein wirkungsvolles Crescendo verwandelt (während die Partitur doch eine zwischen ppp und p webende Nachtstimmung beschreibt, mit einigen sf- und mf-Akzenten, die sogleich wieder in die zarte Dynamik zurückgenommen werden).


    Brangänes Ruf ("von der Zinne her, unsichtbar") beginnt p und bewegt sich auch im crescendo bloß in zurückhaltenden Farben; erst das "Habet Acht!" hat ein forte (und hierbei ist die szenische Position der Stimme zu berücksichtigen).


    Die Partitur spricht allenfalls von einem leise an und abschwellenden, tendenziell diminuierenden Orchester; beim zweiten Brangäneruf ebenso, der bei Böhm - gewiß wirkungsvoll - zum crescendo f - ff gesteigert wird, und zwar in den Bläsern, obwohl alle Stimmen pp haben.


    Ich bin kein Experte, habe auch bloß die Eulenburg-Partitur. Für mein Verständnis aber bewegt sich Furtwängler an dieser Stelle viel dichter am Text und erzielt eine entsprechend komplexere Wirkung.


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Vor einiger Zeit wurde in diesem Thread schon mal auf den Film hingewiesen, der heute im MDR gezeigt wird:


    MDR - Do., 21.01. - 23:40 Uhr (102:13 min)
    Der Fall Furtwängler
    Kamera: Lajos Koltai
    Buch: Ronald Harwood
    Regie: István Szabó


    Major Steve Arnold - Harvey Keitel
    Wilhelm Furtwängler - Stellan Skarsgard
    Lieutenant David Wills - Moritz Bleibtreu
    Oberst Dymshitz - Oleg Tabakov
    Helmut Rode - Ulrich Tukur
    Rudolf Werner - Hanns Zischler
    Captain Ed Martin - August Zirner
    Captain Vernay - Robin Renucci
    Ensign Simons - Frank Leboeuf
    Schlee - Armin Rohde
    u.a.


    Zitat

    Steve Arnold, Major der US-Armee, soll ein Exempel statuieren und beweisen, dass der in Deutschland hoch angesehene Dirigent Wilhelm Furtwängler mit den Nazis kollaboriert hat. Das Chaos im besiegten Deutschland, die Lügen und gegenseitigen Anschuldigungen der Betroffenen machen die Angelegenheit zu einem verminten Gelände für den Major.


    Arnold geht bis zum Äußersten, um "seine" Wahrheit zu finden: Seine Schwarz-Weiß-Philosophie eignet sich jedoch wenig zur Schuldfeststellung im Fall eines sensiblen Künstlers, der trotz des totalitären Regimes entschlossen seine künstlerische Aufgabe erfüllen wollte und sich durch ein Dickicht moralischer Ambivalenz zu manövrieren versuchte.


    Der Film basiert auf realen Ereignissen kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Berlin.


    Sendung am Donnerstag, 21. Januar 2010, 23.40 Uhr

    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Ich finde die von Norbert genannte Edition der sog. RIAS-Recordings bei Audite hervorragend. Viele gute Musik für vergleichsweise wenig Geld.


    Bei den Doubletten gefiel mir jeweils die zweite Aufnahme besser (Beethoven 3./6./5.; Brahms 3.), dies sind vielleicht auch die Highlights der Box.


    Blacher und Fortner sind hörenswert, letzterer insbes. wegen Taschner als Solisten. Ungewohnt ist die Hindemith-Sinfonie "Die Harmonie der Welt" mit Furtwängler. Man kann mit Hindemiths eigener Aufnahme vergleiche (so man si hat).


    Mehr unter dem Gesichtspunkt der Interpretationsgeschichte sind die Aufnahmen von Werken Bachs und Händels zu sehen, sinfonisch aufgeblasener Barock. Interessant.


    Ich bereue den Kauf nicht.

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