Mozarts Klaviersonate Nr 11 in A-dur KV331 "Alla Turca"

  • Ohne mich jetzt allzuweit aus dem Fenster lehnen und generalisieren zu wollen, finde ich das eigentlich gar nicht so sehr erstaunlich. Für meine Begriffe hat Beethovens Musik eigentlich fast immer ausgesprochen männliche Züge, wenn man das so sagen kann - zumindest verglichen mit etwa Mozart oder einigen Romantikern. Die finden sich dann, für mich wenig überraschend, auch gefühlt deutlich öfter im Repertoire von Pianistinnen.

    Da wäre natürlich mal interessant zu sehen, welche Stücke besonders häufig von Frauen eingespielt werden... jedenfalls nicht nur "Liebestraum", sondern auch die h-moll-Sonate, nicht nur Träumerei, sondern auch Kreisleriana, nicht nur Chpins Nocturnes, sondern auch Preludes und Scherzi usw.
    (Im Ggs zu Bruckner scheint Beethoven jedenfalls ein Komponist zu sein, der von Frauen *gehört* wird...)



    Zitat

    Das schließt natürlich nicht aus, daß Beethovens Musik auch aus einer weiblichen Perspektive gesehen und interpretiert werden kann - und wird. Ein paar Beispiele hat wok weiter oben angeführt. Aber die Tatsache vorausgesetzt, daß die Künstler zumindest zu einem gewissen Grade frei entscheiden können, was sie aufführen bzw. aufnehmen, lässt mich vermuten, daß die Affinität zu Beethoven unter Pianistinnen einfach weniger ausgeprägt ist als unter ihren männlichen Kollegen.

    Interessanterweise gehören zB Argerich und Annie Fischer (und meines Wissens auch Yudina, wobei ich von der noch nie eine Aufnahme gehört habe) zu den sehr kraftvollen, um nicht zu sagen "brutalen" Beethoven-Interpreten. Bei diesen Interpreten würde wohl kaum je einer vermuten, dass hier eine Frau spielt...



    Zitat

    Zu weit aus besagtem Fenster gelehnt hätte ich mich wahrscheinlich spätestens dann, wenn ich meiner Mutter (!) folgte, deren Standpunkt im großen und ganzen ist, daß Männer eigentlich fast immer geeigneter sind als Frauen, klassische Musik zu interpretieren. :D ;)

    Zahlenmäßig gibt es seit dem späten 20. Jhd. m.E. eher mehr berühmte Solostreicherinnen als Männer und nicht viel weniger berühmte Pianistinnen als Pianisten.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Da wäre natürlich mal interessant zu sehen, welche Stücke besonders häufig von Frauen eingespielt werden... jedenfalls nicht nur "Liebestraum", sondern auch die h-moll-Sonate, nicht nur Träumerei, sondern auch Kreisleriana, nicht nur Chpins Nocturnes, sondern auch Preludes und Scherzi usw.
    (Im Ggs zu Bruckner scheint Beethoven jedenfalls ein Komponist zu sein, der von Frauen *gehört* wird...)


    Interessanterweise gehören zB Argerich und Annie Fischer (und meines Wissens auch Yudina, wobei ich von der noch nie eine Aufnahme gehört habe) zu den sehr kraftvollen, um nicht zu sagen "brutalen" Beethoven-Interpreten. Bei diesen Interpreten würde wohl kaum je einer vermuten, dass hier eine Frau spielt...

    Ja, klar: keine Regel ohne Ausnahme. Im Falle Bruckner (sehr gutes Beispiel!) wäre das wohl Simone Young mit ihrem Urfassungs-Zyklus.


    Aber der umgekehrte Fall ist mir schon untergekommen, also Pianisten, bei denen ich mit geschlossenen Augen gewettet hätte, es müsse sich um eine Frau handeln. Tzimon Barto war z. B. so ein Fall.



    Zitat von Johannes Roehl

    Zahlenmäßig gibt es seit dem späten 20. Jhd. m.E. eher mehr berühmte Solostreicherinnen als Männer und nicht viel weniger berühmte Pianistinnen als Pianisten.

    Ich habe sie nicht gezählt (und 'berühmt' halte ich eigentlich auch nicht für einen Wert per se), möchte aber mitnichten die Ansicht meiner verehrten Frau Mutter zu der meinigen machen... ;) Maria João Pires hatte ich weiter oben schon im Thread ja schon als prominentes Gegenbeispiel angeführt. :)

  • Kommen wir wieder zurück zur Klaviersonate Nr 11 KV 331. Interessant, daß der Thread von zahlreichen Mitgliedern mitgestaltet wurde - wobei die meisten, die dieses Thema interessiert gar nicht mehr im Forum sind. Das waren ganz interessante Gedankengänge darunter, aber zahlreiche Einspielungen, die es damals (also zwischen 2004 und 2013) schon gab wurden einfach ignoriert - ich meine hier welche von anerkannten Mozart -Spezialisten. Wobei erschwerend noch hinzukommt, daß der Wert der Mozart Klaviersonaten erst relativ spät erkannt (oder "wiedererkannt ?") wurde. Sie wurden zwar einzeln aufgenommen, aber ja ja als kompletter Zyklus. Nicht mal Geza Anda, der vermutlich der erste Pianist war der die KLAVIERKONZERTE von Mozart aufgenommen hat, hat sie eingespielt. Aber das ist ja für DIESEN Thread nicht wichtig, hier gehts ja um die fast totgespielte Sonate mit dem berühmten Schlusssatz -


    NEIN - NICHT totgespielt. Diese Sonate. kann man gar nicht totspielen..!


    Also sollten wir und mit zahlreicne Aufnahmem - jeglichen Alters - befassen. Es werden hier keine musikwissenschaftlichen Beiträge erwarte, lediglich ein paar subjektive Eindrücke. Zu diesem Zweck ist es sinnvoll jeder besprochenen oder erwähnten Aufnahme einen eigenen Beitrag zu widmen, keine Aufzählungen von "best of" ohne Kommentar.


    Für Kenner und Liebhaber von Feinheiteiten habe ich ein kleine Überraschung bereit, wenngleich schon sechs Jahre alt, aber neuer als hier der letzte Beitrag in diesem Thread


    2014 wurden einige Seiten das Autographs dieser Sonate entdeckt, welch sich in Details von der bisher gespielten Version unterscheiden. Ob das von der Musikszene wahrgenommen wird ist eine interessante Frage - die Musikhistoriker sind indes begeistert.



    mfg aus Wien

    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Es ist eine eigene Gewohnheit von mir, neue CDs zu erwerben und dann zuert wieder die alten anzuhören. (was in meiner Jugend oft frustrierende Erkenntnisse brachte)

    Und so pflege ich den alten Brauch und lege meine Aufnahme des KV 331 mit Christian Zacharias in den Player, eine wunderbar ausgewogene Aufnahme, die gegen Ende der Sonate allerdings immer dramatischer wird, ein sehr wirksames Konzept. Ideal vom Tempo her der Finalsatz "alla Turca", der mich besonders interessierte, weil ich wissen wollte wie ich HEUTE zum Einsatz des"janitscharenzugs" stehe, welche Wirkung er auf mich ausübt. Ich wusste vor vielen Jahren nicht, daß dies ein Effekt war, der in manchen Marken alter Hammerklviere sogar integriert war, der Einsatz war also kein "Gag" wie ich vermutete sondern durchaus legitim, oder wer so will: ein "historisch legitimierter Gag" Weiter oben im Thread wurde gefragt ab sich dieser Effekt - er wird extern bedient (moderne Klaviere haben sowas nicht zur Verfügung) mit dem Klang eines modernen Flügels verträgt.

    Dies kann ich nur bejahen. Anzumerken ist, daß diese Passage, welche dafür hernagezogen wird, DREIMAL im Finalsatz vorkommt. Erst beim dritten mal - wird der Janitscharenzug - ziemlich heftig - eingesetzt und sorgt so für einen finalen Überraschungseffekt.


    mfg aus Wien

    Alfred

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  • Nach dem Studium des Beitrages 63 und der Sichtung des YouTube Filmes nimmt mich wunder, ob es Aufnahmen neueren Datums gibt, welche die neu gewonnenen Erkenntnisse des aufgefundenen Autographs berücksichtigen.

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    "Um Musik zu hören, muss man seine Ohren öffnen und auf Musik warten. Zuhören ist Anstrengung; blosses Hören ist keine Leistung – auch eine Ente kann hören." Igor Strawinsky



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  • ob es Aufnahmen neueren Datums gibt, welche die neu gewonnenen Erkenntnisse des aufgefundenen Autographs berücksichtigen.

    Ich nehme an, daß dies kaum je der Fall sein wird. Man müsste sich die neue kritischa Ausgabe besorgen - das kostet Geld und wird vermutlich von den Hörern nicht honoriert. Darüber hinaus müssten die Pianisten umlernen. Die Entdeckung wird vermutlich Musikhistoriker in Entzücken versetzen - im praktischen Konzert- und Tonträgerbereich wird sich das allenfalls marginal auswirken. Immerhin sind bislang 6 Jahre verstrichen ohne, daß jemans groß davon Notiz genommen hätte. Eine der neuesten Geasamtausgaben ist jene von William Youn, auf den wir später noch im Thread zurückkommen werden. Sie ist als Box 2019 erschienen, die Folge 3 der Einzelveröffentlichungen (sie enthält die Sonate KV 221) indes bereits 2015, also ein Jahr nach der Entdeckung. Wer weiß, wie lange solche Aufarbeitungen dauern bis zur druckreifen Ausgabe, dem ist auch bewusst, daß hier keine Chance bestand sich der neunen Version zu bedienen.


    mfg aus Wien

    Alfred

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  • 2013 habe ich in diesem Thread angekündigt, dier hier geteigte Gesamtaufnahme aller Klaviersonatren von Mozat zu kaufen. Sie entstand 1967 und 1972, Eschanbach war damals 27, bze 32 Jahre alt. Ich selvst bin 9 Jahre jünger - und damals war an dern Erwarb einer Gesamtaufnahme nicht zu denken, eine Einzel LP kostete damals etwa 150 Schilling (Ca 12 Euro, aber wertberichtigt waren das in etwa 50 Euro - auf dem Monatsverdienst eines Jungverkäufers hochgerechnet komme ich auf andere Zahlr, es waren etwa 25% einer Brutto Lehrlingsentschädigung, oder 7% des kollektivvertraglcihen Bruttoeinkommens eines Verkäufers im ersten Berufsjahr (wobei auf Grund der Hochkonjunktur meist mehr bezahlt wurde) Der Vergeleich ist kaum möglich, denn Miete, Stom und Lebensmittel waren damals extrem Billig - Luxusgüter und Technik-Equipment indes wesentlich teurer als heute.

    Die nur als Erklärung, warum man dmals einerseits sehr moderat und gezielt einkaufte - und andrerseits sehr inzensiev zuhörte.

    So wurde meine erste Platte mit Klaviersonaten von Mozart jene mit Christoph Eschenbach. und es befand sich die Klaviersonate Nt 11 auf ihr, welch bis heute meine Lieblingssonate ist. Natürlich spielt da der Finalsattz eine Rolle - aber eben nicht nur.

    Ich kann es schwer einschätzen, aber irgendwie hat mich die Eschenbachsche Interpretation von damals geprägt, der leicht melancholisch verträumte Beginn mit ansatztweise hypnotischer Wirkung (auf mich) , die nicht überzogene Dynamik, welche mich bei vielen anderen Aufnahmen stört. und das stellenweise silbrig perlende Spiel ohne indes das Tempo zu überziehen.

    Vermutlich gibt es dagegen Einwände - aber Prägungen sind eben unvermeidbar.

    Es ist übrigens bemerkenswert, wie vilre Taminos ver Urgenaration sich für diese Sonate interessiert haben - und wie wenige es derzeit sind....


    mfg aus Wien

    Alfred

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  • Korrektur zu Beitrag Nr 66 vom 15- Juni 2020:

    In dieser Boc befindet sich in der Tat die

    Ersteinspielung der Klaviersonate KV 331 nach dem 2014 aufgefundenen Autograph.

    Im Booklet selbst ist darüber nichts zu findem, wohl aber in der Produktankündigung bei jpc....

    Es ist wohl der Henle Verlag genannt, aber der hat ja schon die bisherigen kritiscen Ausgaben geliefert...

    Die Box hat allerdings mehr zu bieten als das: Mozartspiel vom Feinsten zu einem Preis, wo man nicht an dem Produkt vorbeigehen hann.


    mfg aus Wien

    Alfred

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  • Alfred_Schmidt

    Hat den Titel des Themas von „Mozarts Klaviersonate in A-dur KV331 "Alla Turca"“ zu „Mozarts Klaviersonate Nr 11 in A-dur KV331 "Alla Turca"“ geändert.
  • 2014 wurden einige Seiten das Autographs dieser Sonate entdeckt, welch sich in Details von der bisher gespielten Version unterscheiden. Ob das von der Musikszene wahrgenommen wird ist eine interessante Frage - die Musikhistoriker sind indes begeistert.

    Ich finde das tatsächlich spektakulär und ein sehr interessant gemachtes Video, wenngleich Bellheim die Vorschläge auch immer noch falsch spielt - aber das ist ein anderes Thema.


    Der Henle-Verlag hat dazu auch etwas veröffentlicht (Link); mit Notenbeispielen, sehr schön gemacht - vorallem die falsche Lesart des Sopranschlüssels (cis statt a), in dem Mozart oft die rechte Hand notierte (lH teils im Altschlüssel, z.B. KV 511). Was mir allerdings übel aufstößt, ist die Behauptung, im Erstdruck stünde "Allegrino" - das ist schlicht nicht wahr, es steht dort (unschwer zu erkennen) "Allgrino"; klar wurde "Allegro" oft als Allo abgekürzt, so daß man sich das verschluckte e hier hinzudenken kann, aber die Aussage per se ist nicht richtig und unwissenschaftlich. Es könnte genausogut - zumal ein weiteres "All(e)grino" bei Mozart nicht bekannt ist - eine Abkürzung für eine Vortragssbezeichnung wie "alla turca", "alla tedesca", "alla zingarese" sein ... "all[...]grino" oder "Allo [...]rino". Bloß was? Das hochgestellte o mit (üblicher Weise zwei) Unterstrich(en) oder Punkten kann schonmal als "g" falsch gelesen werden. Möglicher Weise so wenig "alla turca" wie "für Elise" für Elise komponiert war. Im näheren Umfeld der Sonate entdeckt man Bezeichnungen wie "Andantino", "Tamburino", "Rondino" ... letzteres kommt ja hin. Metrum und Tempo entsprechen m. E. dem "Vivat Bacchus" aus der Entführung (Allegro, 2/4).


    Besser: handschriftliche Kleinbuchstaben können oft verwechselt werden: zum Beispiel -in mit m, n mit v, oder n mit u, v mit u usw. - somit könnte das gelesene rino auch einfach vivo heißen. Allo vivo antelle von Allgrino; meinethalben, weil vivo bei Mozart autograph auch nicht zu finden ist, auch die Abkürung viv. für vivace.


    Mindestens bemerkenswert ist auch die unterschiedliche Form des Großbuchstabens A beim "Allgrino" und "Alla Turca" im Vergleich zum Kopfsatz "Andante grazioso" und den anderen in diesem Druck enthaltenen Satzbezeichnungen.


    Ich freu mich schon auf die Wiederauffindung der restlichen Seiten.


    Hier noch ein paar Videos zum Thema: Zoltán Kocsis on a copy of a Walter fortepiano (eher grausig geklimpert) als erste "offizielle" Einspielung des neuen Notentextes:



    Als Pumuckl sich zum Frühstück noch ein Bier reingeorgelt hat, war die Welt noch in Ordnung.
    (unbekannt)

  • Besser gemacht als diese Ausgabe,



    die mich soeben quasi postwendend erreichte, ist die Fleißarbeit eines IMSLP-Mitgliedes, das die entsprechenden Teile des Manuscripts mit einbindet und sehr nah an der originären Notation bleibt:


    Link zur IMSLP


    :thumbup:


    Die autographen Teile sind dort ebenfalls hocheladen: Link zur ISLMP :hello:


    Die Neuedition entspricht jetzt in weiten Teilen dem Erstdruck, allerdings um einige durchaus gravierende Änderungen berichtigt.


    Man kann z.B. darüber streiten, ob die "Oktavierungen" - angezeigt durch eine 8 mit Klammer - als Oktavgriff (rH) gemeint sind, oder ob einfach der Notentext oktaviert werden soll (wie ich dies eigentlich schon immer aus Faulheit und mangelnder manueller Kompetenz tat; was natürlich kein Maßstab ist).

    Als Pumuckl sich zum Frühstück noch ein Bier reingeorgelt hat, war die Welt noch in Ordnung.
    (unbekannt)

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