Hallo,
Es scheint noch keinen Thread über Iberia von Albéniz zu geben, und dem möchte ich hiermit abhelfen.
Zuerst eine kleine Vorstellung des Werkes: Es handelt sich um einen Zyklus von 12 Klavierstücken (4 Hefte à 3), geschrieben von Isaac Albéniz (1860-1909) zwischen 1905 und 1908, also gegen Ende seines bewegten Lebens. Albéniz war ein fruchtbarer Komponist, der zahlreiche Klavierstücke, Lieder, sinfonische Werke und sogar Opern geschrieben hat - aber eigentlich hat davon nur Iberia überlebt.
Die Stücke tragen die folgenden Titel:
I/1: Evocacion
I/2: El puerto
I/3: Fête-Dieu à Seville
II/1: Rondeña
II/2: Almeria
II/3: Triana
III/1: Albaicin
III/2: El Polo
III/3: Lavapies
IV/1: Malaga
IV/2: Jerez
IV/3: Eritaña
Wie die spanischen Titel schon andeuten, ist das Werk durchtränkt von der Folklore des Landes, ähnlich wie die Mazurken Chopins dem polnischen Boden entwachsen sind. Pianistisch wird ganz schweres Geschütz aufgefahren, und in dieser Hinsicht steht Iberia in der Liszt-Nachfolge (Albeniz hat Liszt getroffen). Dabei handelt es sich nicht um Tastengengedonner, sondern um filigrane und immer inspirierte Musik. Manchmal erinnert Iberia in seiner Klangsinnlichkeit und seinen exotischen Melodien an Debussy (dessen Zeitgenosse Albeniz schliesslich war). Ich zitiere nicht von Ungefähr Chopin, Debussy und Liszt, denn in seinen besten Momenten bewegt sich Albeniz auf deren Höhe (zumindest höre ich Iberia ebenso gerne wie die Musik der genannten).
Es gibt recht viele Aufnahmen des Werkes: Alicia Larrocha (3 mal !), Aldo Ciccolini, Rafael Orozco, Esteban Sanchez, Roger Muraro, Jean-François Heisser, Daniel Barenboim, Guillermo Gonzales, Leopoldo Querol, Ricardo Requejo, Hervé Billaut, Marc-André Hamelin... Pianisten des deutschsprachigen Raumes scheint das Werk dagegen nicht zu inspirieren...
Ich habe nur zwei Aufnahmen: die zweite von Larrocha (Decca 1972) und die recht neue von Hervé Billaut (Lyrinx 2004). Obwohl auch Larrocha (sicher die bekannteste Interpretin des Werkes) ausgezeichnet ist, gebe ich dem "No-Name" Billaut hier den Vorzug: Er spielt deutlich langsamer, macht viele Nuancen hörbar und das Ganze wirkt so unglaublich nostalgisch. Die hervorragende Aufnahmetechnik tut ein übriges.
Live gibt es Iberia recht selten zu hören, wahrscheinlich weil es die Ausführenden allzusehr ins Schwitzen bringt. Ich hatte einmal vor langer Zeit das Vergnügen: Ein excellentes Konzert von Rafael Orozco in Toulouse vor über zehn Jahren.
Andere Klavierfreunde unter den Taminos können sicher ihre Sichtweise zu Iberia beisteuern. Ich persönlich jedenfalls würde Iberia ohne Zögern den Titel "bestes Werk eines marginalen Komponisten" verleihen.
Beste Grüsse,
Jürgen