Die liebsten Requien der Taminos

  • Neulich war in der Tonhalle Weills Berliner Requiem zu hören, gefolgt vom Brahms'schen Artgenossen. Grossartig. Bei "denn alles Fleisch, es ist wie Gras" läufts mir seit Jahren kalt den Rücken runter, obwohl ich (hoffentlich) noch in der ersten Lebenshälfte stecke. Weills Version kannte ich nicht und scheine nach Euren bisherigen Antworten nicht die einzige zu sein. Sie hat mich sehr überzeugt. Ist natürlich was anderes und hält sich nicht an die klassische Form des Requiems. Aber Weill-Liebhabern sei wärmstens empfohlen, in einem Online-Musikgeschäft mal reinzuhören. Als Vorgeschmack auf die Texte ein Auszug (online gefunden, ohne Gewähr, ich mochte es nicht aus dem Programmheft abtippen):


    Alles was ich euch sagte
    Über Ermorderung und Tod des Unbekannten Soldaten
    Und die Verwüstung seines Gesichts
    Ausch was ich euch sagte über die Bemühung seiner Mörder
    Ihn zu hindern am Wiederkommen
    Ist wahr, Aber
    Er kommt nicht wieder


    Sein Gesicht war lebendig wie das eure
    Bis es zerschmettert wurde und nicht mehr war
    Und es ward
    Nicht mehr gesehn auf dieser Welt
    Weder ganz noch zerschmettert
    Weder heute noch am Ende der Tage
    Und sein Mund
    Wird nicht reden am Jüngsten Gericht
    Es wird
    Kein Gericht sein


    Sondern euer Bruder
    Ist tot und tot ist der Stein über ihm
    Und ich bedaure
    Jeglichen Hohn und ziehe zurück meine Klage


    Aber ich bitte euch da ihr ihn
    Nun einmal erschlagen habt
    Still! Fangt nicht von neuen am
    Zu Streiten da er doch tot ist
    Aber doch bitte ich, da ihr ihn also
    Erschlagen habt
    Entfernt wenigstens
    Den Stein über ihm
    Denn dieses Triumphgeheul
    Ist doch nicht nötig und macht
    Mir Kummer, denn mich
    Der ich den Erschlagenen
    Schon vergessen hatte, erinnert er
    Täglich an euch, die ihr noch
    Lebt und die ihr
    Immer noch nicht erschlagen seid.
    Warum denn nicht?


    (Brecht, natürlich.)


    Sonst: Mozart, Fauré, auch Schütz' Exequien. Ohne dass ich eine Rangliste aufzustellen mich erdreisten möchte. Gelten Mahlers Kindertotenlieder??? Verdi, dessen Opern ich sehr mag, ist mir im Requiem zu... opernhaft?

    writing about music is like dancing about architecture

  • Beim Brecht-Zitat fehlt der Titel: "Gedicht vom unbekannten Soldaten unter dem Triumphbogen." Nötig für das Verständnis der Passage übers Triumphgeheul, pardon.

    writing about music is like dancing about architecture

  • Hallo,
    dieser seltsame Plural ist aus dem" Duden,"
    der für unsere deutsche Sprache verbindlich ist. :D


    :hello:Herbert.

    Ich bin auch für Requiems - Requien wird als regionalsprachliche Variante angegeben, im Duden auch als österreichische Version. Nun bin ich Nicht-Lateiner, tippe aber mal auf den Akkusativ singular. Kann man davon sinnvoll einen Plural machen?? ;)

    „In sanfter Extase“ - Richard Strauss (Alpensinfonie, Ziffer 135)

  • Diesmal bin ich in der glücklichen Lage, keinen Janacek beisteuern zu müssen, weil er zwar die "Glagolitische Messe", aber kein Requiem geschrieben hat.


    Nennen möchte ich die drei, die ich schon gesungen habe:


    1. Schütz, Exequien (ich bin begeistert, dass die hier so oft genannt werden). Hier empfehlen sich Aufnahmen und Aufführungen, die auf eigene Solisten verzichten und alle solistischen Partien kompetenten Chormitgliedern anvertrauen.


    2. Mozart, Requiem


    3. Brahms (hier kann ich nur Gardiner empfehlen. Oder ich wiederhole mal eine Empfehlung aus einem anderen thread: Wer ein tolles Brahms-Requiem hören will, suche sich in seiner Stadt im November eine Kirche aus, in der das angeboten wird. Wenn er dort auf einen kleinen, leistungsfähigen Chor mit unbekanntem Orchester und noch unbekannteren Solisten trifft und er auch den Dirigenten nicht kennt, wird er ein Requiem hören, das er nie wieder vergessen wird.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

    Einmal editiert, zuletzt von Dr. Pingel ()

  • Kennengelernt habe ich dieses faszinierende Werk berits vor mehr als 15 Jahren, damals durch die Einspielung Helmuth Rillings:





    Dann kam Robert Kings tolle Aufnahme bei Hyperion





    Und schließlich Zacharias aus Lausanne





    Die Mozarts (Vater und Sohn) wirkten bei der Uraufführung Anfang Januar 1772 im Salzburger Dom mit. Anlass für Komposition und Aufführung war der Tod des salzburgischen Landesherrn, Sigismund Graf von Schrattenbach, der seit 1753 als Fürsterzbischof von Salzburg amtiert hatte. In dieser Eigenschaft übte er die geistlich-religiöse und die weltliche Herrschaft in Salzburg aus, das somit selbständiger Staat im Verbund des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation war.


    Es ist ein tolles Werk, das zu kennen sich wirklich lohnt. Ich würde die Aufnahme mit Robert King empfehlen. Viele der Kirchenwerke Michael Haydns sind solide gearbeitete Beispiele aus der Spätblütezeit der süddeutsch-österreichisch-böhmischen katholischen Kirchenmusik. An die genialen Messen seines älteren Bruders Joseph reichen Michaels Werke nicht heran. Dieses Requiem hier zählt aber wirklich zum Besten, was er sich im Leben abgerungen hat. Es liegt deutlich über seinem eigenen Durchschnitt.


    Grüße


    Garaguly


  • Dieses Requiem in c-moll (MH559) stammt nicht von Michael Haydn.
    Der Komponist ist Georg Pasterwiz.


    Ich weiß nicht, ob Dein Posting eine Reaktion auf mein vorhergehendes ist. Aber nur um Missverständnisse auszuräumen: das von Dir gezeigte c-moll Requiem Michael Haydns ist nicht identisch mit dem von mir oben angepriesenen von 1771. Das 1771er-Requiem ist 'echter' Michael Haydn - und hervorragend gelungen. Die von Dir gezeigte Scheibe habe ich auch: deutlich schwächeres Werk.


    Grüße,


    Garaguly

  • das ist schwierig, nur die nummer 1 ist klar :
    Mozart !
    2.) Faure
    3.) Durufle
    4.) Brahms
    5.) Rutter


    tja - und eigentlich mag ich auch noch Verdi und Suppe - von letzterem fehlt mir noch eine gute aufnahme - ich hatte es vor einigen jahren live gehört und war sehr positiv überrascht.


    kalli

  • Auch mir fällt eine Auswahl schwer, da es so viele schöne Requien gibt.


    In letzter Zeit hat mich als Musiker das Schrattenbacher Requiem von Michael Haydn besonders berührt!


    Beste Grüße

    Gustav Mahler: "Das Wichtigste in der Musik steht nicht in den Noten."

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Ich kenne etliche der hier genannten Requien-Vertonungen und mag sie auch alle von Zeit zu Zeit immer mal wieder hören. Insofern liebe ich die, die ich gerade höre (eine Aussage, angelehnt an Karl Böhm, der auf die Reporter-Frage, welche Musik er am meisten liebe, sagte, das sei die, die er gerade dirigiere). Dennoch ist es gerade diese Requiem-Vertonung, die mir ganz besonders gefällt...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Zitat

    der Lullist
    eines der größten Meisterwerke des 18. Jahrhunderts. Zwar nur als Konzert Messe gedacht - aber umso genialer!


    ....dem Stimme ich aus vollstem Herzen zu, ein geniales über 70min. Werk!


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Mein Lieblingsrequiem neben den Werken von Mozart , Cherubini und Brahms ist das Requiem von dem weitgehend unbekannten russischen Komponisten Osip Kozlovsky. Es stammt aus dem Jahr 1798, ist aber inhaltlich seiner Zeit weit voraus! Es hat eine emotionale Dichte, die ihresgleichen sucht.


    Es ist praktisch nur über YouTube oder Spotify erhältlich, daher hier mein Link:

    Man lese ruhig mal durch die Kommentare dort, von Leuten, die das Werk das erste Mal hören und überwältigt sind ...


    Gerd

    "When I was deep in poverty, you taught me how to give" Bob Dylan

  • Hallo gerdprengel, das müsste ich mal wieder hören! .......


    Ich habe diese Aufnahme von Melodya....

    .....ist momentan sehr preiswert :untertauch:!


    Bass Vocals – Vladimir Motorin

    Mezzo-soprano Vocals – Valentina Panina

    Soprano Vocals – Galina Simkina ,Lidiya Tchernykh

    Tenor Vocals – Konstantin Lisovsky

    Choir – State Moscow Choir, Moscow Choir Of Teachers

    Orchestra – USSR Ministry Of Culture Symphony Orchestra Conductor – Vladimir Esipov


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Das war eine sehr gute Empfehlung von gerdprengel. Ihm sei Dank. Die Aufnahme klingt bei YouTube schon mal sehr ordentlich. Im Vergleich mit der originalen CD kann sich diese Quelle durchaus hören lassen. Auch bei Spotify ist sie zu finden. Bei Discogs ist das Requiem derzeit ausverkauft. Nach meiner Erfahrung wird es aber bald wieder auftauchen, zumal es gelistet ist. Der Preis bewegte sich dort so um die 13 Euro. Man muss sich also nicht gleich verschulden für die Erwerbung bei Amazon. Die Musik ist sehr packend und kraftvoll. Zunächst meint man sich für einen kurzen Moment bei Mozart. Kozlovsky dürfte dessen "Requiem" gut gekannt haben. Es gibt aber auch sehr vaterländische Klänge, gar italienische Stimmungen und romantische Schwelgereien, wie ich finde. Immerhin war der Komponist ja vornehmlich für den Zarenhof tätig. Was ich nicht wusste, ist, dass Tschaikowski in der Ballszene seiner "Pique Dame" eine Polonaise des Kollegen zitiert hat. Das höre ich mir gleich mal an. Vielleicht finde ich es heraus. Ich würde gern mehr von Kozlovsky kennenlernen.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent