BWV 32: Liebster Jesu, mein Verlangen
Kantate zum 1. Sonntag nach Epiphanias (Leipzig, 13. Januar 1726)
Lesungen:
Epistel: Röm. 12,1-6 (Die Pflichten des Christen)
Evangelium: Luk. 2,41-52 (Der zwölfjährige Jesus im Tempel)
Sechs Sätze, Aufführungsdauer: ca. 24 Minuten
Textdichter: Georg Christian Lehms (1684-1717); Dichtung aus dem Jahr 1711
Choral: Paul Gerhardt (1647)
Besetzung:
Soli: Sopran, Bass, Coro: SATB; Oboe, Violino solo, Violino I/II, Viola, Continuo
1. Aria Sopran, Oboe, Streicher, Continuo
Liebster Jesu, mein Verlangen,
Sage mir, wo find’ ich dich?
Soll ich dich so bald verlieren
Und nicht ferner bei mir spüren?
Ach! mein Hort, erfreue mich,
Lass dich höchst vergnügt umfangen.
2. Recitativo Bass, Continuo
Was ist’s, dass du mich gesuchet? Weißt du nicht, dass ich sein muss in dem, das meines Vaters ist?
3. Aria Bass, Violino solo, Streicher, Continuo
Hier in meines Vaters Stätte,
Find’t mich ein betrübter Geist.
Da kannst du mich sicher finden
Und dein Herz mit mir verbinden,
Weil dies meine Wohnung heißt.
4. Recitativo Sopran, Bass, Streicher, Continuo
Seele
Ach! heiliger und großer Gott,
So will ich mir
Denn hier bei dir
Beständig Trost und Hülfe suchen.
Jesus
Wirst du den Erdenstand verfluchen
Und nur in diese Wohnung geh’n,
So kannst du hier und dort besteh’n.
Seele
Wie lieblich ist doch deine Wohnung,
Herr, starker Zebaoth;
Mein Geist verlangt
Nach dem, was nur in deinem Hofe prangt.
Mein Leib und Seele freuet sich
In dem lebend’gen Gott:
Ach! Jesu, meine Brust liebt dich nur ewiglich.
Jesus
So kannst du glücklich sein,
Wenn Herz und Geist
Aus Liebe gegen mich entzündet heißt.
Seele
Ach! dieses Wort, das itzo schon
Mein Herz aus Babels Grenzen reißt,
Fass ich mir andachtsvoll in meiner Seele ein.
5. Aria Duetto Sopran, Bass, Oboe, Streicher, Continuo
Beide
Nun verschwinden alle Plagen,
Nun verschwindet Ach und Schmerz.
Seele
Nun will ich nicht von dir lassen,
Jesus
Und ich dich auch stets umfassen.
Seele
Nun vergnüget sich mein Herz
Jesus
Und kann voller Freude sagen:
Beide
Nun verschwinden alle Plagen,
Nun verschwindet Ach und Schmerz!
6. Choral SATB, Oboe, Streicher, Continuo
Mein Gott, öffne mir die Pforten
Solcher Gnad’ und Gütigkeit,
Lass mich allzeit allerorten
Schmecken deine Süßigkeit!
Liebe mich und treib mich an,
Dass ich dich, so gut ich kann,
Wiederum umfang und liebe
Und ja nun nicht mehr betrübe.
Eine Kantate, die von Georg Christian Lehms gedichtet wurde (auf Alfons' Beitrag zu dessen Leben sei hier nochmals ausdrücklich hingewiesen ) und die einen zur Barockzeit äußerst beliebten Dialog-Typus zur Grundlage hat:
Die gläubige Christenseele spricht mit ihrem Heiland (als "Vox Christi" fiungiert hier traditionellerweise die Bass-Stimme).
Thema ist wiederum die Suche nach dem vermeintlich verloren gegangenen Jesus, wie sie in den beiden anderen Kantaten zum 1. Sonntag nach Epiphanias bereits Thema war.
Sogar das zentrale Bibelzitat des Evangeliums für diesen Sonntag aus Lukas 2, 49 wird in einem eigenen Satz (Rezitativ Nr. 2) in diese Kantate eingebaut.