Faust (Gounod): Welche Aufnahme ist zu empfehlen?

  • Meine liebste Faust-Aufnahme hat nur einen Haken: sie ist in russischer Sprache und - na ja - einen zweiten´, die Klangqualität ist etwas angestaubt, da sie um 1950 aufgenommen wurde.


    Als Faust lässt Ivan Kozlovsky m.E. alle anderen Sänger weit hinter sich: er ist zu Beginn alternder Gelehrter, voll Leidenschaft, jugendlicher Liebhaber und singt ein wahrlich göttliches "Salut, demeure chaste et pure". Mark Reizen, für mich eh der großartigste Bass des vorigen Jahrhunderts, lässt Boris Christoff (mit dem ich mich nie wirklich anfreunden konnte) weit hinter sich. Bei der Marguerite (wie leider so oft bei russischen Sopranstimmen) muss man Abstrioche machen.


    Unter den französischen Aufnahmen gefällt mir Plasson am besten.


    Gruß aus Lübeck

  • Ich habe gestern noch mal ein wenig rumgestöbert. Es gab wohl mal ein Video aus Covent Garden, evtl. mit Ileana Cotrubas als Margarethe. Die Inszenierung war - soweit ich das dem einen Foto entnehmen kann - ganz nach unserem Geschmack, Sevi. Hat vielleicht jemand diese Aufzeichnung? Oder weiß, wer da singt?

  • Was sagt ihr zu dem "Met"-Mitschnitt mit Björling, Söderström, Siepi unter Morel ?


    Die Protagonisten sind (meine Meinung) rollendeckend eingesetzt, allerdings kämpft Siepi mit der französischen Sprache, die unterschätzte und unterrepräsentierte Söderström ist fantastisch.
    Siepi ist (mit der erwähnten Einschränkung) ein Mephisto, der keine Konkurrenz zu scheuen braucht. Christoff ist stimmlich nicht so mein Fall,
    als Mephisto finde ich ihn (in der Cluytens-Aufnahme 1958) zu eintönig, das Böse wird zur Karikatur, weil unglaubwürdig.


    :hello:Heldenbariton

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

  • Hallo Heldenbariton,
    ich glaube,es ist gar nicht so falsch,wenn das Böse bei
    Mephisto etwas zur Karrikatur wird.Das ist in Hoffmanns
    Erzählungen bei den vier Bösen auch so, sie können,
    wie auch Mephisto etwas Skurrilität vertragen.
    Das ist meine Meinung.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Hallo Herbert,
    natürlich kann etwas Skurrilität der Partiengestaltung nicht schaden, aber ich bezog mich auf Christoffs Stimme...


    :hello:Heldenbariton

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

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  • Zitat

    Original von heldenbariton
    Was sagt ihr zu dem "Met"-Mitschnitt mit Björling, Söderström, Siepi unter Morel ?


    Die Protagonisten sind (meine Meinung) rollendeckend eingesetzt, allerdings kämpft Siepi mit der französischen Sprache, die unterschätzte und unterrepräsentierte Söderström ist fantastisch.


    Da finde ich die Aufnahme von 1950 mit Björling, Siepi und Kirsten besser. Björlings Stimme war in der Aufnahme von 1950 besser in Schuß, und auch Siepi hat noch nicht so gewackelt. Der Valentin von Merrill ist freilich besser als der von Guarrera.
    Faust ist eine Oper, die ich überhaupt nicht leiden kann. Es gibt eigentlich nur zwei Aufnahmen, die ich hören mag, und die sind beide leider nicht auf Französisch. Ich mag die 1938-er Produktion mit Rosvaenge, Bohnen und Singenstreu (hauptsächlich wegen Bohnen) und vor allem die Aufnahme des RAI mit einem überragenden Nicola Rossi Lemeni als Mephisto, Eugenio Fernandi als Faust und Renata Scotto als Marguerite. Armando La Rosa Parodi formt diese Oper zu etwas, das selbst einen gestandenen Faust-Verächter (wie mich) überzeugt hat.

  • Also ich besitze die Aufnahme mit Corelli, Sutherland und Ghiaurov unter Bonynge und finde sie ziemlich genial. Allerdings muss ich gestehen, dass das die einzige Aufnahme von Faust ist, die ich besitze (was sich wohl demnächst ändern wird ...)


    Lg


    nufan

    Die Basis jeder Grundlage ist das Fundament

  • Hallo!!


    Ich empfehle diese Aufnahme, allerdings eher für Schellackfreunde und Opernhörern, denen Rauschen nichts bzw. wenig ausmacht:

    Live: 26.2. New Orleans 1953


    Richard Tucker :jubel: :jubel:
    Victoria de los Angeles
    Cecilia Ward
    Nicola Moscona
    Maria Mayhoff
    Henri Noel


    Dirigent: Walter Herbert


    Hauptsächlich wegen Tucker und de los Angeles empfehlenswert!


    LG joschi

  • Liebe Fäustlinge,
    ich bin überrascht, dass bisher noch nicht die bei Walhall erschienene FAUST-Aufnahme (in russisch) mit den wunderbaren Interpreten Ivan Kozlovsky als Faust, Mark Reizen als Mephisto und Ivan Burlak als Valentin genannt worden ist. Was für Stimmen! Dagegen wirkt die Aufnahme mit Gedda und Christoff ( den ich außerordentlich schätze) mäßig. Mein Enthusiasmus ist bei dieser Aufnahme nicht allein bedingt durch meine an anderer Stelle schon zugegebenen Kozlovsky-"Sucht", sondern durch die Ebenbürtigkeit der anderen männlichen Stimmen. Die weiblichen Stimmen (Shumskaya als Margarete) erträgt man. Gibt es außer mir weitere Liebhaber dieser Aufnahme?
    Gruß
    Lohengrin

  • Zitat

    Original von Lohengrin
    Liebe Fäustlinge,
    ich bin überrascht, dass bisher noch nicht die bei Walhall erschienene FAUST-Aufnahme (in russisch) mit den wunderbaren Interpreten Ivan Kozlovsky als Faust, Mark Reizen als Mephisto und Ivan Burlak als Valentin genannt worden ist. Was für Stimmen! Dagegen wirkt die Aufnahme mit Gedda und Christoff ( den ich außerordentlich schätze) mäßig. Mein Enthusiasmus ist bei dieser Aufnahme nicht allein bedingt durch meine an anderer Stelle schon zugegebenen Kozlovsky-"Sucht", sondern durch die Ebenbürtigkeit der anderen männlichen Stimmen. Die weiblichen Stimmen (Shumskaya als Margarete) erträgt man. Gibt es außer mir weitere Liebhaber dieser Aufnahme?
    Gruß
    Lohengrin


    Auf diese wirklich empfehlenswerte Aufnahme ist doch schon von vitelozzo-tamare hingewiesen worden. Du stehst also nicht alleine!


    Aus allen Beiträgen geht hervor, dass es offenbar keine Studio-Produktion gibt, bei der man keine Abstriche machen muss. Deshalb gestehe ich eine Vorliebe fuer eine Aufnahme, die ich nun wirklich nicht fuer ideal halte, und zwar fuer die unter Bonynge. Sutherland ist mehr Sutherland als Marguerite, und Corelli wohl der unidiomatischste Faust, den man sich vorstellen kann, aber der, der es mag (ich mag es), kann in seinem Prachtmaterial baden. Aber hörenswert ist diese CD IMO wegen Ghiaurov. Ihn in dieser Rolle in seiner absoluten Glanzzeit, also in den 60er Jahren, in Wien "erlebt" zu haben, gehört zu meinen ganz grossen, unvergesslichen Opernerlebnissen. Und vieles von diesem urwuechsigen Klang (der auf bei Pretre schon ziemlich abgebröckelt war), finde ich hier wieder.


    Damit ist nichts gegen Christoff (den ich als Boris und Filippo vorziehe) oder Siepi (vom Stil her IMO französischer als Ghiaurov) gesagt. Nicht vergessen sollte man jedoch einen Sänger wie Samuel Ramey als Mephisto.


    Gruesse


    Mikko

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  • Oh, peinlich, vitelozzo-tamare,ich hatte Deinen Beitrag zu schnell überlesen. Umso mehr freut mich die Übereinstimmung unserer Meinung zu dieser Aufnahme.
    Mit freeundlichen Grüßen
    Lohengrin

  • Dann möchte ich doch noch auf die meiner Meinung nach bisher beste (und noch von niemandem erwähnte) Faust-Aufnahme der neueren Zeit hinweisen, die man bisher leider nur in Japan als DVD erhält (VAI soll sie aber in Kürze auch in unseren Breitengraden herausbringen.) Sowohl die Bild-, wie auch die Tonqualität (Stereo) ist sehr gut und die Besetzung wurde seither (1973) nicht mehr auch nur annähernd erreicht: Kraus, Scotto, Ghiaurov, Saccomani unter Paul Etuhin in Tokjo live aufgenommen. (Übrigens ist auch die Inszenierung für alle Gegner des Regietheaters die reinste Wohltat, sie wurde höchstens noch von Samaritani in Chicago übetroffen). Kraus, hier in seinen jugendlichen Jahren, verfügt weder über die Unbeteiligteit eines Gedda, noch über die Larmoyanz (pace) eines Araiza, die Spitzentöne sind erwartungsgemäss von unerreichter Billanz und über die Stilistik muss man wohl keine Worte verlieren. Auch Ghiaurov ist hier noch jugendfrisch und klingt absolut balsamisch; die ganz junge Scotto ist optisch noch etwas gewöhnungsbedürftig (sie war damals recht füllig), aber an ihrem Gesang lassen sich höchstens ein paar schrille Spitzentöne bemängeln und Saccomani als Valentin ist die reinste Luxusbesetzung. Wenn auch Etuhin nicht mit dem Farbenreichtum eines Prêtre aufwarten kann, geht doch sein Dirigat weit über einen simplen Kapellmeisterstil hinaus.

  • Lustigerweise lief soeben am Sonntagabend hier in Radio Classique eine Aufzeichnung des Faust mit der von Giselher empfohlenen Besetzung.
    Ich als Exil-Französin finde in frz. Oper die Diktion ausgesprochen wichtig und war daher auch von der letztens umstrittenen Manon nicht uneingeschränkt begeistert. Monsieur Massenet wäre von dem Kauderwelsch dieser Manon und ihren stilistischen Brüchen trotz bester Schauspielkunst und guter Stimme mit ausgereifter Technik auch sicher nur halb entzückt... behaupte ich mal so.... Aus bitterer Erfahrung weiss ich, wie ungeheuer wichtig hier Aussprache und Diktion im Gesang sind. Daher ist dieser Punkt niemals als Nebensache zu betrachten. :no:
    Bei Gounod kann man nciht singen wie bei Verdi. So toll ich Mirella Freni auch finde(als Mimi, seufz!), ich habe sie in Gounods "Mireille" gehört und die Sprache........ au secours! :untertauch:
    Dagegen sind Cheryl Studer und José van Dam wiirklich vorbildlich und Studer hat auch eben die richtige Marguerite-Stimme: eine gute Mischung aus lyrischer Fülle und Koloraturfähigkeit. Van Dam ist für mch der Mephisto schlechthin(neben Raimondi vieleleciht, aber der kann eher schlecht frz. fürchte ich)) Erst recht nachdem ich ihn live in Paris in Berlioz Faust gesehen habe. :jubel: Michel Plassoon ist ein Dirigent, der den frz. Stil bestens kennt und das, was ich im Radio gehört habe und von Plassoon sonst kennte, ist nur empfehlenswert. Seine Lakmé mit Nathalie Dessay ist für mich unübertroffen. :jubel: :jubel: :jubel:
    Den Tenor kannte ich absolut nciht, aber er singt diese Rolle(die wahrlich anspruchsvoll ist) sehr schön. :jubel:
    Warum ist er dann verschwunden? Oder bin ich nur ignorant?
    Also ich würde ganz aus dem Bauch raus Giselhers Empfehlung beipflichten. ich nehme aber an, es gibt Aufnahmen mit rein frz. Besetzung, waere ein Witz, wenn nciht! :rolleyes:
    Fairy Queen

  • Hallo FQ,


    Richard Leech singt, glaube ich, immer noch, aber leider bei weitem nicht mehr auf dem Niveau wie Anfang der 90er Jahre (wo er auch einen hervorragenden Raoul in Meyerbeers "Hugenotten" auf CD eingespielt hat). Es ist wohl auch bei Leech das alte Lied: zu früh zuviel gewollt auf Kosten des Materials...


    Es gibt natürlich auch Aufnahmen mit rein französischen Besetzungen, gerade auch aus der Frühzeit der Schallaufzeichnung ("Faust" lag schließlich zusammen mit den "Hugenotten" an der Spitze der Opernbeliebtheitsskala im gesamten 19. Jhd). Empfehlenswert in dieser Hinsicht ist z.B. die Einspielung von Henri Busser mit Cesar Vezzani und Marcel Journet von 1930.


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Über meine Rätselei stieß ich gerade auf diesen Thread, den ich gerne mal wieder in Erinnerung bringe, indem ich meinen Senf dazu gebe.


    Von allen Vertonungen des FAUST ist die Gounods wohl diejenige, die den Stoff am unverblümtesten beim dramatischen Wort nimmt und das Metaphysische, das bei Boito so stark dominiert, dass das Drama darunter leidet, sehr weit in den Hintergrund drängt. Gounods LIbrettisten sind von niemandem darin übertroffen worden, die blanken Leidenschaften des Dramas so plakativ heraus zu stellen - wahrschenlich wollte das auch sonst niemand -, und Gounod ist ihnen darin rückhaltlos gefolgt. Das führte bekanntlich u. a. dazu, dass die Oper in Deutschland lange Zeit als Sakrileg am Goethe-Denkmal galt und nur unter dem Titel MARGARETHE aufgeführt wurde. Dass sie sich dennoch mit großem Erfolg im Repertoire hielt, spricht für die ungeminderte Kraft der Musik.


    Eine adäquate Einspielung sollte also dem dramatischen Affen Zucker geben, und da steht die Aufnahme unter Plasson dem vollblütigen Dirigat Georges Pretres mit dem eindrucksvoll teuflischen Mephisto Nicolai Ghiaurovs, der wunderschön singenden Mirella Freni und dem gleichfalls auf dem Höhepunkt seines stimmlichen Könnens agierenden Placido Domingo merklich nach. Da die Aufnahme zudem denkbar vollständig ist, war sie lange meine Referenzeinspielung.


    Andererseits: Gounods FAUST ist auch, wie hier vollkommen richtig betont wurde, eine sehr französische große Oper, die ihren eigenen Stil hat, den man nicht so intensiv italianisieren sollte, wie die drei internationalen Stars es bei Pretre tun. Das ist für mich gar nicht so sehr eine Frage der korrekten Aussprache, mit der man ja in Einspielungen französischer Opern in jüngerer Zeit fast immer zu kämpfen hat, als des Gesangsstils. Wie hier schon jemand gesagt hat: bei aller vermeintlichen Nähe zu ihm ist Gounod KEIN Verdi-Imitator. Das gilt übrigens erst recht für die Aufnahme unter Richard Bonynge mit einer Joan Sutherland, die wieder mal wunderschöne Töne absondert, aber sonst wenig ausstrahlt (von dem tenoralen Protz Corellis ganz abgesehen), und der von Colin Davis, die immerhin eine klare dritte Wahl ist.


    Dagegen ist die Aufnahme des zuweilen etwas pauschal lauten Kapellmeisters Plasson trotz der Mitwirkung internationaler Künstler hörbar die idiomatischste unter den klanglich zeitgemäßen, und vollständig ist sie auch. Da Richard Leech zu seiner besten Zeit dem Rollenvorbild Nicolai Gedda kaum nachsteht, dessen Aufnahme unter Cluytens leider durch eine unidiomatische Margarethe (bei aller Bewunderung für den Gesang von Victoria de los Angeles) und durch eine gekürzte Fassung bei zudem etwas angestaubtem Klangbild geschlagen ist, würde ich aus heutiger Sicht die Aufnahme Plassons als Referenz betrachten. Plasson übertrifft sich hier selbst, Cheryl Studer entspricht für mich der etwas naiven Anlage der Margarethe in dieser Oper und singt tadellos, und José van Dam ist in der Tat für mich der bis heute beste Mephisto unter den Gounod-Einspielungen, denn auch mich stört die Outriertheit Christoffs etwas. Ghiaurov ist das zwar kaum weniger, aber ihm glaube ich die Rolle, obwohl er ystimmlich schon über seinen Zenith hinaus war, während Christoff sie für meinen Geschmack etwas zu sehr spielt. Nicht vergessen werden sollte auch Thomas Hampson, der für den Valentin schon fast etwas zu kultiviert ist, aber dennoch reinen Hörgenuss bietet.


    In summa: der mich bislang am meisten überzeugende FAUST ist dieser:



    Interessieren würde mich aber, ob Ihr unter den Live- und Rundfunkmitschnitten nicht weitere Beispiele in anhörbarer Tonqualität kennt, die man sich zusätzlich ins Regal bzw. die Festplatte stellen kann. So weiß ich von einer interessanten Zürcher Aufführung mit Jonas Kaufmann und einer Covent Garden Aufführung mit Bryn Terfel, Angela Gheorghiu, Roberto Alagna und Simon Keenleyside unter Antonio Pappano, die mich sehr interessieren würde und wohl auch mal als DVD verfügbar war. Die stelle ich mir ziemlich interessant vor, nur wird sie leider derzeit nicht angeboten. Auch der schon angesprochene japanische Mitschnitt mit Alfredo Kraus, Renata Scotto und wiederum Ghiaurov klingt verlockend. Ist ein Erwerb dieser DVD auch unter technischen Aspekten zu empfehlen?


    :hello: Rideamus

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  • Ich besitze die DVD aus London mit Georhgiu,Alagna ,Terfel ,Keenlyside.
    Diese ist eine Lifeaufnahme und gefällt mir ausgezeichnet.


  • Das ist die von mir oben als dritte Wahl erwähnte Aufnahme.


    :hello: Rideamus

  • Als ich den Thread von vorne zu lesen begann, hatte ich etliche Beiträge lang die Hoffnung, auch einmal etwas Neues ergänzen und die Colin Davis – Aufnahme einbringen zu können zu können. Aber wie stets war Rideamus schneller.


    Der Faust unter Sir Colin Davis ist mein erklärter Favorit, an zweiter Stelle steht bei mir die Pretre-Aufnahme.
    Sir Colins Dirigat spricht mich - insbesondere in der die Schlußapotheose schlicht überirdisch - vom Aufbau und der Steigerung her an. Mir gefällt bei der gesamten Davis-Aufnahme die Balance zwischen Stil und Dramatik.
    Ich finde daß Pretre doch deutlich drängender herangeht, mir im Schlußterzett etwas weltlich, weswegen sich aber beide Aufnahmen gut ergänzen.


    Sängerisch gefallen mir ebenfalls beide Besetzungen, da sie das jeweilige Konzept des Dirigenten auch adäquat umzusetzen verstehen. Ich persönlich tendiere in dubio immer zu den größeren Stimmen, unter der Voraussetzung, allerdings, deren Eigner wissen das rechte Maß zu halten.
    Domingo ist aus seinem Naturell her leidenschaftlich und kann sich in noch kontrollierte Rage/Ekstase singen. Betont veristisch, wie schon oben zu lesen, geht er die Partie aber nicht an, meine ich. Araiza hätte ich eine längere Karriere gewünscht, ich liebe besonders diesen seinen Faust. Ich finde sein Timbre besonders am Beginn sehr schön, der grüblerische alte Faust zweifelt an allem, sehr schön melancholisch.
    Beide Damen gefallen mir sehr, Freni und te Kanawa harmonieren auch wundervoll mit Ihren Partnern. Ich will einfach keine Rangfolge aufstellen, die Marguerite bietet doch viele Facetten. Manchmal wundert mich die Ausschließlichkeit, mit der Partien zugesprochen werden. Ich darf mich an verschiedenen Interpretationen auf gleichem Niveau erfreuen, ohne entscheiden zu müssen. Cetius, fortius, altius – doch nicht beim schönen und anrührenden Singen.
    So bieten mir auch beide Mephistos großartige Interpretationen. Auch die anderen Partien sind ganz und gar rollendeckend besetzt, der Siebel von Pamela Coburn sei stellvertretend erwähnt, ich bin schon wieder knapp an Zeit.


    Ginge es besonders um französischen Stil, votierte ich für Plasson und Cluytens, je nach Wichtigkeit von Mono oder Stereo.


    Aber mir ist die Davis-Aufnahme die liebste.


    LG, Ulmo

    SINE IRA ET STUDIO (Tacitus)

  • Lieber m.joho,


    auch ich habe die Tokyoter Aufführung - allerdings nur als Querschnitt - im Schrank. Kraus ist in bester Verfassung und singt einen großartigen Faust; Ghiaurov aber poltert (und lispelt wie üblich, was gerade seinen Teufel zur Figur aus dem Kasperletheater macht), Scotto ist mit den Fiorituren leicht überfordert.
    Gar so begeistert bin ich also nicht. Nach drei Aufführungen in Berlin (trotz der großartigen Michaela Kaune als Marguerite) habe ich mich auch nicht mehr um Vervollständigung der Sammlung bemüht, zumal ich für die einzelnen Auftritte der Personen mit Vorlieb auf die großen Herrschaften von einst zurückgreife, siehe Melba oder Sutherland als M., Chaliapin/Bohnen/Plancon/Kipnis/Journet als Mephisto, Björling/Caruso als Faust. Auf Valentin kann ich gut verzichten.


    LG,


    Christian

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  • Die Aufnahme aus Tokio habe ich ebenfalls nur als CD-Querschnitt.
    Ich besitze jedoch eine andere Alfredo-Kraus Aufnahme des Faust, und zwar aus dem Teatro Regio in Parma aus dem Jahr 1986:



    Dirigent: Alain Guingal
    Orchestra Sinfonica dell'Emilia Romagna
    Chor des Teatro Regio di Parma
    Inszenierung: Beppe de Tomasi


    Rollen und Sänger
    Faust: Alfredo Kraus
    Marguerite: Ana Maria Gonzales
    Marthe: Wilma Colla
    Méphistophélès: Nicola Ghiuselev
    Siébel: Ambra Vespasiani
    Valentin: Roberto Coviello
    Wagner: Tito Tortura


    Mit 190 min. Laufzeit ist die Aufnahme ziemlich komplett, die Inszenierung ist konventionell und ganz auf den "Star" ausgerichtet. Anna Maria Gonzales und Nicola Ghiuselev sind jedoch nicht zu verachten - eine interessante Alternative!


    P.S. Es wird natürlich französisch gesungen!

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Die Parma-DVD habe ich als überzeugter "Krausianer" natürlich auch im Schrank, möchte aber darauf hinqweisen, dass die Aufführung aus Tokjo in erster Linie bildtechnisch aber auch akkustisch derjenigen aus Italien meilenweit überlegen ist. Man darf nicht vergessen, dass alle Aufnahmen aus Parma letztlich nur für das Hausarchiv der Oper vorgesehen waren und somit die techn. Anforderung an eine DVD nach heutigen Ansprüchen nur sehr bedingt erfüllen.

  • Für die Liebhaber von Mitschnitten habe ich in meiner LP-Sammlung noch etwas gefunden (ich bin nicht sicher, ob es in der Zwischenzeit auch eine CD gibt).


    Faust - Gianni Raimondi
    Margherita - Mirella Freni
    Mefistofele - Nicolai Ghiaurov
    Valentino - Robert Massard
    Siebel - Luigi Alva
    Wagner - Alfredo Giacomotti
    Marta - Anna di Stasio
    Dirigent: Georges Pretre
    Teatro alla Scala, 16.2.1967


    So klang also "Faust" vor 40 Jahren in Italien. Raimondi ist (jedenfalls im Vergleich zu Gedda oder Kraus) kein idealer Faust, aber durchaus rollendeckend, Freni und Ghiaurov kennen wir ja aus zahllosen Aufführungen. Dass die Rolle des Siebel hier mit einem Tenor besetzt wurde, verwundert bei einem Dirigenten wie Pretre doch etwas.


    Michael 2

  • m.joho


    Es ist richtig, dass die DVD aus Parma bezüglich der Bildqualität recht bescheiden ist.
    Die NHK-Aufnahme aus Japan ist über amazon-Marketplace inzwischen auch für rund 20 EUR zu bekommen:



    Steht inzwischen auf meinem Wunschzettel ganz oben!


    Danke für den Tipp!

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Meine Lieben,


    Bei DELTA gibt es eine Zusammenstellung "FAUST Highlights", die auf dem Markt sowohl ganz billig wie auch zu horrendem Preis angeboten wird. Bei uns in der Uni gab es diese Woche einen Bücher- und CD-Flohmarkt, wo sie und andere Aufnahmen um 1 Euro (!!!) verscherbelt wurde. Ein wunderschönes Schnäppchen, kann ich Euch sagen. Da ist keine schwache Nummer dabei, aber einige besonders herausragende.


    Der Inhalt:


    1. Introduction. Symphonieorchester Sofia unter Dimiter Dimitrov.
    2. Chor "Vin ou bière", eine bulgarische Aufnahme mit dem Symphonieorchester Sofia unter Georgi Robev.
    3. Gebet des Valentin, gesungen von György Melis, begleitet von Vilmos Komor und dem Orchester der Ungarischen Staatsoper. Komor kannte ich schon als ausgezeichneten Operndirigenten und Melis natürlich auch. Allein diese Arie wäre es wert, die ganze CD anzuschaffen!
    4. Arie vom Goldenen Kalb: Nicolai Ghiaurov mit dem Bulgarischen Rundfunkorchester unter Ivan Marionov - ganz vorzüglich!
    5. Szene und Arie des Faust "Quel trouble" mit Giuseppe Sabbatini mit dem Berliner Radio Symphonieorchester unter Roberto Paternostro. Ein weiterer Höhepunkt!
    6. Juwelenarie der Marguerite, gesungen von der 1970 geborenen Bulgarin Alexandrina Pendachanska (die einige Wettbewerbe gewann und in Frankreich, Italien und den USA wohlbekannt scheint) und dem Symphonieorchester Sofia unter Michail Angelov. Sie war mir bisher unbekannt und eine sehr angenehme Überraschung. Von dieser Stimme möchte ich einmal eine Violetta hören.
    7. Soldatenchor, wie 2.
    8. Serenade des Mephisto "Vous qui faites..." mit Nicola Ghiuselev und dem bulgarischen Rundfunkorchester unter Rouslan Raichev. Gegenüber Ghiaurov der gefährlichere, rauhere, aber gleichfalls tolle Mephisto.
    9.Intermezzo, Symphonieorchester Sofia unter Dimiter Dimitrov.
    10. Walpurgisnacht-Ballett, Wiener Symphoniker unter Yuri Ahronovitch.


    Die Serie heißt "Classical Evolution" und ist offenbar sehr sorgfältig betreut, denn auch andere CDs daraus sind absolut empfehlenswert.


    LG


    Waldi

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  • Dieses "Medley" aus verschiedenen "Faust"-Szenen wird von Delta Classics schon seit Jahren erfolgreich vermarktet. Meine CD sieht so aus:


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    Auf ein Kuriosum möchte ich an dieser Stelle noch hinweisen: Der "Faust" in englischer Sprache:



    Aufnahme: 27.–31.7.1998, Studio
    Dirigent: David Parry
    Philharmonia Orchestra
    Geoffrey Mitchell Choir
    Chorleitung: Geoffrey Mitchell
    englische Fassung: Christopher Cowell
    Kommentar: Anhang: Ballettmusik (17'04)
    gekürzte Fassung (CHAN 3089 (2 CD),
    CHANDOS CD: CHAN 3014 (3 CD)


    Rollen und Sänger


    Faust: Paul Charles Clarke
    Marguerite: Mary Plazas
    Marthe: Sarah Walker
    Méphistophélès: Alastair Miles
    Siébel: Diana Montague
    Valentin: Garry Magee
    Wagner: Matthew Hargreaves


    Chandos bietet diese Aufnahme in 2 Versionen an, einmal zum Midprice als 2-CD-Box (ohne Balletmusik) oder als 3-CD-Box ungekürzt incl. Ballettmusik als Luxusausgabe im Schuber mit 400seitigem Booklet.


    Es ist schon etwas gewöhnungsbedürftig zu hören "Come on, Siébel, I need a drink or two!" oder wenn Mephisto singt: "Is my love awake or sleeping" - aber doch irgenwie eine interessante Aufnahme!

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Hallo miteinander,


    es ist sehr spannend, sich durch diesen Thread zu lesen und die teilweise sehr diviergierenden Meinungen mitzubekommen.


    Jahrelang besaß ich von dieser Oper nur den Querschnitt mit Sutherland, Corelli, Ghiaurov, Elkins, London SO, Bonynge.


    Ghiaurov gefiel mir ausnehmend gut, Sutherlands Timbre ist nie mein Fall gewesen, aber Franco Corelli "dauerfortete" sich derart durch seine Rolle, daß Gounods "Faust" nur ein Schattendasein fristete bis ich neulich sehr preiswert und eher zufällig diese Aufnahme entdeckte



    Alleine wegen Ettore Bastianini lohnt sich eine Anschaffung immer, auch aber auch die mir bis dato vollkommen unbekannten Marcella Pobbe als Marguerite und Raffaele Arie' als Mephistopheles wußten sofort zu gefallen, Gianni Poggi als Faust ebenfalls, so daß mein Feuer für diese wunderbare Musik geweckt wurde.


    Aus der Frage "welche der beiden Aufnahmen soll ich kaufen?"


    oder


    resultierte, natürlich ;) , die Antwort "beide", aber der ideale Mephiostopheles war leider nicht dabei.


    Nesterenko ist als Brandstifter verkleideter Biedermann, und Boris Christoff mag zwar ein viel beachteter Mephistopheles-Darsteller gewesen sein, als Sänger vermag er mich mit seinem unglaublich schlechtem Französisch und seiner, wie Giselher es treffend ausdrückte, "knorrig-grobkörnigen und eher unflexiblen Stimme" nicht zu überzeugen.


    Schade, denn sowohl die Davis- als auch die Cluytens-Aufnahme sind sonst sehr gut besetzt (Kiri te Kanawa erreicht für mich die stärkste Leistung, die auf CD festgehalten wurde) und klingen, natürlich altersgemessen, sehr gut.


    Fazit: Eine weitere Aufnahme muß zukünftig meine ohnehin hoffnungslos überfüllten CD-Regale bevölkern. Zur Auswahl standen


    und


    Beide Aufnahmen klingen von der Besetzung sehr reizvoll. Unter dem Gesichtspunkt "Mephilstopheles" bietet Ghiauriov sicherlich die stimmlich reizvollere, "baßsattere" Alternative, aber bei van Dam schätze sich seine intelligente Art der Rollengestaltung (man denke beispielsweise an seinen für mich bis heute unübertroffenen Leporello).


    Letztendlich gaben Rideamus' und Giselhers Beiträge den Ausschlag zu Gunsten der Plasson-Aufnahme.


    Richard Leech schätze ich druchaus (Domingo ist ohnehin sehr oft bei mir vertreten), und wenn Giselher schreibt, "Cheryl Studer liefert ihre wohl beste Gesangs-Leistung auf Platten ab", dann bin ich sehr gespannt, denn ihre Darstellungen der Elisabeth und der Elsa haben mir unglaublich gut gefallen und setzen eine "sehr hohe Meßlatte" an.


    Ich bin sehr gespannt...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Zitat

    Original von Norbert


    Ich bin sehr gespannt...


    Ich auch, und ich hoffe, Du berichtest, ob wir Dich auf's Glatteis geführt haben oder Du nun Deinen besten FAUST erworben hast.


    Toi Toi Toi



    :hello: Rideamus

  • Lieber Norbert,


    dann balle ich beide FÄUSTE :D und drücke Dir die Daumen, dass Dir die Aufnahme gefällt.


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Merci vielmals. Ich werde natürlich berichten.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


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