• Zit:“ Meine Kenntnisse über die Technik der modernen Lyrik sind aber leider gleich Null …“

    Ach, lieber hami, ich bin auch nicht klüger und wissender im Umgang mit moderner Lyrik, - vielleicht nur ein wenig geübter. Aber Übung macht in diesem Fall – wie überhaupt in allem Umgang mit Kunst – bestimmt nicht den Meister. Es ist tatsächlich, wie Du es ja - fast wie in einer Geste der Entschuldigung - bekennst, im Grunde eine Sache der unmittelbaren emotionalen Rezeption von Sprache.


    Schön finde ich, dass man im Tamino-Forum Kunst in ihrer gleichsam originären Gestalt unmittelbar begegnen kann: In diesen Gedichten von klingsor. Ich empfinde das wie eine Art Ausgleich zu der permanenten Reflexion über Musik in Gestalt des Kunstliedes, der ich mich hier verschrieben habe. Reflexion und Dialog über Musik sind ja der eigentliche Gegenstand dieses Forums. Aber das ufert zuweilen doch in einen argen Grad von Gedanklichkeit aus, von den üblen Verunstaltungen des Diskurses, wie man sie gerade hier wieder einmal erlebt hat, einmal ganz abgesehen. Dabei ist das Nachdenken über Kunst und Musik doch so schön. Denn es rührt, wie Schopenhauer das einmal sehr klug formuliert hat, an das Geheimnis dieser Welt. Und zwar deshalb, weil Musik und Dichtung diese Welt nicht einfach abbilden, sondern das sind, wovon die Welt eigentlich nur Erscheinung ist.


    Und deshalb braucht der Dialog über Kunst, wie er sich hier eignet – oder ereignen sollte, wie ich aus gegebenem Anlass gerade denke - gleichsam eine Kompensation durch die reflexiv ungebrochene Begegnung mit ihr, um nicht zur schattenhaften „Gedanken-Blässe“ zu werden. Diese Begegnung kann das Hören von Musik in der Realisation des Konzerts sein, oder eben das Lesen von Lyrik, wie klingsor sie hier den Mitgliedern und „Nutzern“ dieses Forums bietet.

  • vielen dank euch beiden für die intensivere beschäftigung mit dem gedicht, die diskussion und die klugen worte!
    leider eben erst gesehen ...
    ich freue mich und stimme zu. :)

    --- alles ein traum? ---


    klingsor



  • Aria V: Dein Ohr



    Mondsicheln,
    in Schläge verspannt


    Ein Gang
    umspielt rau


    Schall
    schleift die Sinne,
    und ein Ton
    greift ins Gesicht


    In Muscheln
    kauert das Lachen


    und sein Tasten
    wird taub




    (c) 21.IV.2013
    J. B.

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Nur ein Flügel



    Nur einen Flügel,


    um mich
    aus dem Himmel
    auszulösen


    Nur einen,


    um als Du
    in Erde
    aufzusteh’n


    Ja, einen nur,


    ein Fallen


    und einen
    kurzen


    bloßen Schnitt




    (c) 21.IV.2013
    J. B.

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • OT
    Das Gedicht bringt mir die Erinnerung an die Filme "Der Himmel über Berlin" und "Stadt der Engel" zurück.
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Lichtgeflüster


    Lichtgeflüster


    Nachtfersen geh’n,
    und uns’re Arme
    belauschen sich leicht


    Sie streichen
    die Wipfel


    und auf dem Weg in die Augen


    tasten sie Himmel
    und einen Schwall


    voll Mond




    (c) 26.IV.2014
    J. B.

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Schattenriß



    Kreisbild aus Büsten,
    schwarzes Papier -
    zwei Köpfe
    treibt man heraus


    Verletzt wird ein Dunkel:
    Ein Umriß aus Klingen,
    und Daumen
    haben Boden verlor’n


    Blind sind Figuren;
    Muster verenden -
    allein ein Schnitt gibt noch frei:


    Das Schattenspiel lügt,
    und im Halbrund der Leiber
    legt eine Schere


    ein Schwarz über Kreuz




    (c) 24. V. 2009
    J. B.

    --- alles ein traum? ---


    klingsor