Blackadders Feuilleton

  • Nachdem sich mehr und mehr herauskristallisiert, dass ich für ernsthafte Beiträge ungeeignet erscheine, erlaube ich mir, diesen Thread zu eröffnen, der sich aus (selbstverständlich selbst verfassten - keine Copyright-Probleme!) Artikeln speist und, wie ich finde, manche kulturwissenschaftliche Haltung ins Schwanken bringen könnte. Was eignet sich dazu besser, als die feuilletonistische Einstellung, die Halbwissen geschickt in knallbuntes Geschenkpapier einwickeln und so gerade noch als Unterhaltung durchgehen kann. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen...

  • Dieser Artikel sollte am 11. September 2003 in der Fachzeitschrift „Erkenntnistheorie und Hundezucht“ erscheinen. Leider kam es aufgrund eines Zerwürfnisses zwischen der Chefsekretärin und dem Verfasser nicht mehr dazu.



    Adorno zum Geburtstag


    In diesen Tagen wird allerorten kräftig der hundertste Geburtstag eines großen Denkers gefeiert, nämlich jener des Theodor W. Adorno. Leider steht ein Mann damit im Schatten, der in diesen Tagen ebenfalls hundert Jahre alt geworden wäre, Ludwig Theodor Unkel. Auf den ersten Blick wird dieser Name den wenigsten etwas sagen. Doch Adorno-Kenner, die nicht nur die „offiziellen“ Quellen kennen, wissen, dass Unkel der schärfste Kritiker des Denkers war und zeitlebens mit diesem in einem, der Öffentlichkeit bis heute verborgenen, Wettstreit stand. Pünktlich zu diesem Geburtstag erscheint eine erste Biographie über Unkel, verfasst vom langjährigen Feuilleton-Chefs des „Klein-Koselbüchener-Dorfanzeigers“ Herbert K. Bollwieser. Diese Biographie wartet mit erstaunlichen Thesen auf, deren Auswirkungen auf das Geistesleben der Bundesrepublik nachhaltig erschüttern könnten, sollten sie von anderer Seite bestätigt werden.
    Wir kennen Adorno als Verfasser der „Minima Moralia“, jenen „Reflexionen aus dem beschädigten Leben“, verfasst zur Zeit des zweiten Weltkrieges, die jene berühmte Phrase enthält, deren Kenntnis sich viele rühmen, dessen Auslegung sie aber kaum verstehen, die Phrase von der Unmöglichkeit des richtigen Lebens im falschen. Wer aber kennt Unkels Ausspruch von der Widerwärtigkeit des Nichts, erschienen zeitgleich mit den „Minima Moralia“, jenem Band der Reflexionen, die Unkel bescheiden als „Maxima Culpa“ herausgab. Wer kann sich daran erinnern, dass Unkel einer der größten Vertreter des Nihilismus war? Berühmt seine Worte aus der „Dialektik der Verdunkelung“, die ihn als größten Kenner der Verneinung, als Intimus des sagenumwobenen „Nichts“ kennzeichnen: „Ich weiß nichts“, „Ich glaube nichts“ und „Ich sage nichts“.


    Adorno erkennt den Gehalt dieser Ausführungen, er erkennt zudem, dass sie seinen Ansichten aus Marxismus und Psychoanalyse diametral entgegenstehen. Er versucht den Konkurrenten aus Hammelburg zu ignorieren oder gar zu diffamieren, möchte Unkel auf einem Gebiet schlagen, mit dem die Fachwelt nicht rechnet. Und 1950 ist es soweit. Adorno gründet seine erste Fluggesellschaft: TWA. Marcuse avanciert dort schnell zum Chefsteward. Unkel ist verblüfft. Gerade erst aus seinem Exil in Madagaskar nach München zurückgekehrt, wo er den Lehrstuhl für Dämonologie innehat, beschließt er, diesen Affront mit gleicher Münze heim zu zahlen. Er gründet kein Jahr nach der Provokation Adornos seine eigene Fluggesellschaft. Ohne zu zögern nennt er sie LTU. Adorno ist überrascht. In Horkheimers Tagebuch lesen wir: „Teddie kam gegen vier, trank seinen Kakao mit Wodka und verfiel plötzlich in einen Weinkrampf. Unkel, sagte er, habe auch eine Fluggesellschaft gegründet. Dieser verfluchte Unkel. Ich konnte ihn kaum trösten, aber als ich ihm sagte, es gäbe zum Abendessen Pfannkuchen mit Ahornsirup, da war er wieder etwas gefasster.“


    Unkels Siegeszug hingegen scheint ungebremst. Seine Aufsätze erscheinen nun in so renommierten Fachblättern wie „Der lustige Metaphysiker“ oder „Ontologisches Nudistencamp“. Und zwar auf der ersten Seite, während Adornos Arbeiten hinter den Kontaktanzeigen erscheinen. Adorno sieht nur noch eine Chance. Er muss es schaffen, Unkel aus dem universitären Betrieb zu entfernen, ihn auszulöschen. Aber Adorno muss auch aufpassen. Einige Mitarbeiter scheinen etwas zu wittern. Vor allem der junge Habermas ist auf der Hut. Horkheimer notiert in sein Tagebuch: „Hasenscharte scheint was zu wissen. Wir müssen den Plan, Unkel durch gezieltes Vergiften mit arsenhaltigen Weinbrandbohnen aufgeben. Teddie, der nur noch mit Lorbeerkranz und Toga durch mein Haus läuft wird langsam größenwahnsinnig. Seine Idee: Die Studenten sollen gegen Unkel rebellieren. Nicht nur die in München, sondern alle. Aber die Idee begeistert mich. Vielleicht könnten wir sie aufhetzen. Ich wird gleich mal dem M. (Marcuse?) Bescheid geben. Der kann doch Massen aufhetzen. Das wird ein Spass.“


    Das Ergebnis: Die Stundentenunruhen waren gezieltes Instrument gegen Unkel, der tatsächlich dadurch alles verlor. Er starb in der Münchner Mensa, die er nicht rechtzeitig verlassen konnte, als Studenten diese mehrere Tage durch Sitzblockaden bestreikten. Nur, weil er nicht rechtzeitig von der Toilette kam, weil seine geliebten Weinbrandbohnen in letzter Zeit seltsam schmeckten. Unkel geriet schnell in Vergessenheit und er konnte es nicht mehr sehen, wie sein Plan, seine drei Nichten barbusig auf Adorno loszulassen doch noch fruchtete. So, laut Bollwieser, hat sich das Leben Unkels zwischen Adorno und dem Nichts abgespielt. Eine weitere vergessene deutsche Biographie. Zu erwähnen bleibt, dass Bollwiesers Faktenreichtum unerschöpflich scheint. Lediglich die Sprache macht dem Leser manchmal zu schaffen, hat man doch den leisen Verdacht, die durchaus angebrachte Unkel-Sympathie weicht einem kleinen Adorno-Hass (vgl. S. 34 „dieser kleine, fette Glatzkopf Adorno“ oder „Teddie, die Arschnase, klaute, wo er konnte. Bei Freud, Marx…“) Aber dennoch ein leicht zu lesendes Werk, das ein neues Licht auf den Mythos Adorno werfen könnte.


    Zu entdecken gilt es das Werk Unkels, das demnächst in 283 Bänden erscheinen soll.


    Herbert K. Bollwieser, Unkel, DVA, 1099 Seiten, 130 €

  • Lieber Blackadder,


    vielen Dank für den Hinweis auf Unkel, ich werde dem lesend nachgehen. Und der barbusige Angriff seiner Nichten hatte doch eniges bewirkt! Man sollte Adornos schwierige Beziehung zu dem griechischen Nihilisten Pancras Amordinis (Gründer der PanAm) mit einbeziehen!

  • Und diesen sensationellen Text mit seinen spektakulären Erkenntnissen ließen sie Dich nicht drucken? 8o
    Vielleicht würde Joachim Kaiser dann sein Lebenswerk neu orten und noch etwas Unkel studieren :D


    :hello:
    Stefan


    PS: es freut mich, dass nach der ewigen Tratscherei endlich Seriosität ins Forum Einzug hält 8)

    Viva la libertà!

  • Die Weimarer Klassik, die sich großer Namen rühmen darf, kennt neben Goethe, Schiller, Wieland und Herder auch Willibald Ernst von Boskopp, Arzt, Dichter und Kritiker, geboren 1744 in Jena, gestorben unter mysteriösen Umständen am Silvesterabend 1802 in Weimar...


    Er war unbequem. Zuweilen sehr unbequem. Und viele sahen darin den Grund, warum Boskopp im Alter von 58 Jahren plötzlich und unerwartet auf einem Kartoffelacker nahe Weimar tot aufgefunden wurde. Karl August Böttiger, der den Weimarer Alltag der Geistesriesen schilderte, spottete über ihn drei Jahre zuvor, - als der Arzt aus dem Jenaischen nach Weimar übersiedelte, um „diese Gesellschaft mal so richtig aufzumischen“, wie er in einem Brief an den Verleger Karl Gustav Schickenrieder schrieb -, „dieser Boskopp ist ein rechter Schwätzer, seyn Maul drey mahl so groß als wie Goethens“.


    Und in der Tat hatte Boskopp keine Bedenken, große Geschütze gegen Goethe & Co. aufzufahren. Er nannte Goethe einen „Laberer vor dem Herrn“, seinen Faust ein „Sammelsurium von Wahnsinn und Banalität, gepaart mit perversen Fantasien und elender Hybris“, und Schiller bezeichnet er als eine „moralinsaure Zitrone, die nach Abwaschwasser schmeckt“. Allein der Tatsache, dass Boskopp seine Kritiken in so unbekannten Zeitschriften wie dem „Teutschen Almanach für Schönfärberei und Kriegskunst“ oder „Almdichtung“ veröffentlichte, hatte er es zu verdanken, dass man ihn nicht recht ernst nahm und es bei Geringschätzung beließ.


    Als er aber 1799 nach Weimar übersiedelte um seine Kritik vor Ort anzubringen, da wurde man auf ihn aufmerksam, vor allem, als er einmal bei einer Soirée der Frau von Stein unangemeldet hereinplatzte und Goethe eine lange Nase drehte und Schiller vor das Schienbein trat, ehe er durch die offene Terrassentür entschwand. Böttger entsinnt sich auch, dass „Boskopp Wieland einmal narrte, als dieser beim Mittagessen beim Schneiderschen saß. Boskopp schlich sich an den Tisch, nahm einen Löffel und schlug in den Teller mit der Suppe, dass Wieland wie ein begossener Pudel dasaß.“ Und so ging es fort. Boskopp besuchte im Frühjahr 1801 eine Messe Herders, bei der der Theologe über die paradiesischen Verheißungen sprach. Boskopp störte die Versammlung, indem er immer den Platz wechselte, mal in der ersten Bank saß, dann wieder ganz hinten, links und rechts, sogar am Fuße der Kanzel saß und immer wieder „Stimmt ja gar nicht!“ hereinrief, was Herder so irritierte, dass dieser immer wieder auf seine Blätter schauen musste und sich zunehmend in den Zeilen vertat.


    Immer öfter störte Boskopp das Treiben, so dass die Angeschmierten sich einen Plan ausdachten, wie sie dem Störenfried Einhalt gebieten konnten. An Weihnachtstag 1802 kommen sie zusammen: Goethe, Wieland, Schiller, schon kränkelnd, weil Boskopp immer nachts seine Haustür öffnete, um „frischen Wind hereinzulassen“, Herder und ein unbekannter Signore aus Italien, der erst einige Tage zuvor in Weimar angekommen war. Ein bisher unbekannter Brief Wielands schildert diese Zusammenkunft. Sie treffen sich in Goethes Gartenhaus, Schiller macht Glühwein und je mehr das erhitzende Getränk die kühlen Leiber erwärmt, desto eifriger und toller werden die Pläne. Jeder schildert sein Ungemach mit dem Arzt aus Jena, zuweilen brechen diese großen Männer in Tränen aus, als sie sich gegenseitig die Schmähungen gestehen, nur der Mann aus Italien sitzt ruhig da, spricht nicht, hört nur zu. Goethe schildert, wie die Existenz Boskopps sein Schaffen behindert. Vielleicht wird er niemals mehr schreiben. Er denkt an eine Existenz als Schafhirte in Arkadien. Schiller, immer wieder hustend und heißer krächzend, erklärt, Boskopp verleide ihm das Menschsein. Er gehe Gefahr, seine Moral zu verlieren. Das sitzt. Wieland nickt nur, er wolle einen ruhigen Lebensabend haben, man müsse nicht zum Äußersten gehen, aber wenn die anderen das möchten, dann stehe er nicht hinten an. Herder, seit Boskopps Auftauchen ein einziges Nervenbündel, schmiedet die grausamsten Fantasien. Man möge „ihn sieden, ein Vorgeschmack des Höllenfeuers, das ihn ohne Zweifel erwarte“. Nachdem sich alle schnell darauf einigen, dass Boskopp sein Leben lassen muss, blicken sie zum Italiener, den Goethe als Graf Cagliostro anredete. Der italienische Graf spricht, dass er alles genau verstanden habe und auch willens sei, etwas in „ihrem Sinne“ zu unternehmen. „Aber möglicherweise, vielleicht aber auch nie, werden Sie, Herrschaften, mir einen Gefallen tun müssen.“


    Am Silvesterabend ist es soweit. Boskopp verlässt sein Haus gegen Mitternacht, um wie immer Schillers Haustür zu öffnen, da schnappen ihn drei vermummte Männer, schleppen ihn auf einen Acker unweit der Stadt und binden ihn an einen Pfahl. Einer der Vermummten tritt immer wieder gegen die Schienbeine, ruft schwäbelnd „Abwaschwasser, noi? Wie schmecket dir dasch?“. Am nächsten Morgen finden zwei Bauern die Leiche Boskopps, dessen Mörder noch gefrorene Kartoffeln in die Ohren des Arztes gestopft hatten...

  • Die Veröffentlichung dieses schockierenden Berichts wurde seinerseits von der Fachzeitschrift "Sucht" niemals in Erwägung gezogen. Möglicherweise hätte ich ihn doch einreichen sollen...


    Die Welt der Krankheiten gewinnt für einen durchschnittlichen Mann jenseits der Dreißig unheimlich an Format und Tiefe. Vor allem dann, wenn man spürt, dass die Spannkraft des Körpers nachlässt und der Gedanke, man sei unsterblich, schon lange ungedacht blieb. Ein Privileg der Jugend, die in meinem Fall schon etwas zurückliegt.


    Nun, Zipperlein hin oder her, in der Rückblende erscheinen einige Verhaltensweisen genauso pathologisch wie der jährliche Schnupfen oder die Blinddarmreizung. Aber manche Begebenheiten, die aus der Reihe der „harmlosen“ Krankheiten herausragen, verdienen eingehender Betrachtung, vor allem, wenn man eine Behandlung durch einen Spezialisten unterlässt und versucht durch Selbstmedikation die Sache in den Griff zu bekommen. In der Regel scheitert dieser Versuch kläglich, ein „mehr desselben“ chronifiziert die Beschwerde, es wird zu einem Wesensmerkmal und der Umstand, diese Krankheit zu verbergen nimmt gewaltige Ausmaße an. Der Stress wird unerträglich, ein herkömmliches Leben wird immer schwieriger, bis man es aufgibt, eine Fassade aufrecht zu erhalten. Man verfällt zusehends, und wenn man Pech hat, kann dann auch kein Spezialist mehr helfen.


    Besonders schlimm verhält es sich, wenn Beschwerden sind, die man sich selbst zufügte, die kein Virus oder Unfall verursacht hat. Beschwerden, die man in grenzenloser Selbstüberschätzung seiner Willenskraft für jederzeit kurierbar hielt, Beschwerden und Schmerzen, die zuerst als das genaue Gegenteil auftraten und paradiesische Gefühle verbreiteten. Der Kenner wird schon wissen, dass ich von Drogen spreche. Ich gebe es zu: Ich habe mein Leben an eine Droge verschwendet und ich werde nicht mehr davon loskommen. Aber bevor sie in Erstaunen und Mitleid ausbrechen, so möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich sehr wohl weiß, dass ich nicht das Opfer der Gesellschaft bin, sondern im Bewusstsein meiner eigenen Verantwortung gehandelt habe. Was den vernichtenden Effekt meiner Droge nicht lindert, aber mich auch nicht von Schuld freispricht.


    Es begann vor mehr als zwanzig Jahren. Der erste Kontakt wurde durch einen freundlichen Herren vermittelt, der mir riet, diese Droge doch einmal auszuprobieren. Es sei nichts dabei, wenn es mir nicht gefiele, dann könne ich jederzeit aufhören. Das Wort Sucht existierte einfach nicht, auch wenn ich in meinem Freundeskreis auf wenig Gegenliebe stieß. Was ich damit wolle, sagte man mir, ich würde mein Leben verschwenden, ich würde keine Zeit mehr für meine Freunde haben. Ich hielt alle für verrückt, wie gesagt, ich hielt mich für unzerstörbar. Und anfangs war auch alles unter Kontrolle. Hin und wieder sagte ich der Droge zu (ich hatte zwei, drei verlässliche Anlaufstellen), verbrachte aber viel Zeit mit Freunden, alles schien wunderbar ausbalanciert, was mich natürlich unvorsichtig machte. War ich bisher der Meinung, alles wunderbar unter Kontrolle zu haben, so wurde mein Verlangen an den Rausch stärker. Die bisherige Dosis war auf einmal zu schwach geworden. Es musste mehr sein, um meine Nerven zu reizen. Es musste qualitativ und quantitativ mehr sein. Die bisherige Droge war Kinderkram, trivial und banal. Es wurde Zeit, „eingeweiht“ zu werden und langsam in der „Szene“ aufzusteigen. Aber diese Drogen waren nicht mehr so einfach zu bekommen. Die wenigen Dealer, die man gefahrlos angehen konnte, hatten nur die Einstiegssachen, die manche, das wusste ich, ein Leben lang nehmen konnten, ohne jemals diesen Wunsch zu verspüren (haben Sie auch festgestellt, dass viele Menschen im Internet „verspühren“ schreiben?), mehr zu wollen, einen größeren Kick zu bekommen, so wie ich nun.


    Es wurde gefährlicher und vor allem teurer. Aber meine Hybris war grenzenlos. Ich versteckte die Drogen nicht mehr, ich schichtete sie auf wie Jagdtrophäen, Freunde, die das sahen, sagten zwar nichts, aber ich merkte ihren zweifelnden Blick, was mir seltsamerweise einen inneren Triumph bescherte. Sollten Sie bei Alkohol und Zigaretten bleiben, diese Schwächlinge.


    Mein Kleidungsstil veränderte sich. Ich begann nur noch schwarze Klamotten zu tragen, mich dadurch einer bestimmten Lebensform zuzuordnen, die der Normalbürger ablehnen musste. Ich wurde als Satanist bezeichnet, dementierte immer nur halbherzig, mein Musikgeschmack änderte sich dramatisch. Mein Verhalten glich immer mehr der Indifferenz. Ich machte also die ganze Skala der Veränderungen durch, die die Hilfe-Broschüren der Drogenberatung auflisteten. Und das blieb dann auch nicht allen verborgen. Ich erinnere mich, wie ein Lehrer einmal auf mich zukam und mich mit einem Tonfall, der Verständnis und Besorgnis zugleich ausdrücken sollte, fragte, ob ich Drogen nehmen würde. Ich? Niemals! War meine Antwort.


    Aber der Untergang nahm seinen unheilvollen Verlauf. Ich brauchte mehr. Drogen und vor allem Geld, um mir diese zu leisten. Ich machte Schulden. Ich klaute meiner Mutter Geld. Erst kleine, dann größere Beträge. Ich verkaufte Teile meiner Schallplattensammlung und was ich sonst noch entbehren konnte. Oft musste ich einige Tage warten, bis meine Drogen da waren, ich begann sogar in die Großstadt zu fahren, um mir die Dinge zu besorgen, die ich in meiner kleinen Heimatstadt nicht bekam. Ich sah nicht mehr, wie meine Eltern sich Sorgen machten. Wie sie darunter litten, dass sie mich nicht mehr erreichten, wie ich in meiner Traumwelt lebte und täglich eine größere Dosis brauchte. Meine Freunde wandten sich von mir ab. Nur mein (ebenfalls drogenabhängiger) Cousin verstand mich. Wir saßen oft zusammen, wenn wir versuchten, uns die Drogen selbst herzustellen. Aber in unserer Sucht waren wir isoliert und wir schaukelten uns immer mehr hoch. Überall frönte ich nun der Sucht. In der Kneipe, auf dem Klo, ja sogar auf öffentlichen Plätzen. Niemand war da, der mich darauf ansprach. Ich erntete nur Unverständnis und Hilflosigkeit, war darüber aber nicht erbost. Im Gegenteil. Ich fühlte mich heroisch, unzerstörbar, jenseits der „normalen“ Spießerwelt. Und dann kam der verhängnisvolle Tag. Der Tag, der meine Sucht ausufern ließ in die Situation, in der ich mich jetzt befinde; unheilbar, verschuldet und einsam: Ich bekam einen Internetanschluss und konnte nun per amazon, libri und booxtra meine Bücher frei Haus liefern lassen. De profundis…

  • Heidegger blinzelt kurz auf. Das Geschoß dringt neben seinem Kopf ins Gebälk und lässt das Holz zersplittern. Er wirft sich zu Boden, wechselt atemlos das Magazin seiner PK Walther und sprintet hinter den umgeworfenen Sessel, auf dem er Kant zu lesen pflegt. „Ich werde dich nichten, wenn du mir zuhanden kommst“, brüllt er herüber.


    Sartre flucht, weil er den Balken getroffen hat und er verschanzt sich wieder hinter dem Couchtisch, der etliche Schusslöcher aufweist und neben dem Camus seine letzten Sekunden ausröchelt. „Bastard“, entfährt es seinem blutvollem Mund. „Elender Bastard.“


    Heidegger schießt zurück, aber er zielt nicht genau. Es sind Salven, die seinen Weg zur Goethebüste decken sollen. Sartre duckt sich hinter dem Tisch, aber eine Kugel zerfetzt seinen rechten Fuß, den er unvorsichtigerweise nicht hinter seinen Schutz gezogen hat. Er schreit auf und hätte beinahe seine Waffe fallen lassen. Der Schmerz scheint seine Sinne berauben zu wollen, die Blutfontäne, die seinem Fuß entströmt, versiegt erst, nachdem er ein abgelegtes Hemd Heideggers auf den blutigen Stumpf presst. Provisorisch bindet er das Hemd um den Rest des Fußes und blinzelt über die Tischkante. Warum hat Heidegger aufgehört zu schießen? Er kann ihn im Pulverdampf nirgends erkennen, da rollt plötzlich etwas von der Größe einer Melone durch den Qualm und Sartre erkennt den Kopf Heideggers, fein abgetrennt über den Boden schlingernd. Verdammt, denkt Jean Paul. Wer kann das gewesen sein? Wer hat den Nebel und die Stille genutzt, Heidegger zu köpfen? Das kann nur Jaspers gewesen sein, der kann so mit einem Schwert umgehen. Aber der ist doch auf einem Kongress irgendwo in Australien. Oder ist er doch nicht in Australien? Plötzlich bemerkt er ein leises, feines Singen und der kalte Blitz von Stahl tritt in seine Augenwinkel und bringt ihn dazu, sich instinktiv zur Seite zu werfen. Die blutverschmierte Klinge trifft den Tisch und fährt krachend bis zur Mitte der Platte hinein. Sartre dreht sich auf den Rücken und feuert dorthin, wo er den Schwertträger vermutet und das folgende hohle Plumpsen und Klatschen eines gewaltigen Körpers lässt ihn aufatmen. Der Schmerz in seinem zerfetzten Fuß kehrt zurück. „Hannah…“ flüstert er ergriffen…


    So beginnt Tarantinos Film „Sweat Ted“, der sich mit der Existenzphilosophie auseinandersetzt. Tarantino wäre nicht Tarantino, wenn er nicht seine visuellen Fähigkeiten einsetzen würde, was ein Übermaß an Gewalt natürlich mit einschließt. Hervorzuheben ist der peitschende Siebziger-Jahre—Soundtrack von Isaac Hayes, wenn Samuel L. Jackson als Husserl den „Phänomenologie-Overdrive“ tanzt. Uma Thurman bleibt als Simone de Beauvoir seltsam ungelenk, was aber auch daran liegt, dass sie keine Silbe spricht und, nur mit einem Killerbumerang bewaffnet, die weiblichen Hörer einer Ontologie-Vorlesung auf brutale Weise dezimiert. Es fließt das Blut in Strömen, wie wir es gewöhnt sind, kafkaesk wirken die Rückblenden auf Nietzsche und Schopenhauer (William H. Macy). Eine Szene ist besonders schockierend: Nietzsche (Steve Buscemi) beugt sich zu seiner Schwester herab und streichelt sie sanft…


    Harter Tobak also, aber ein echter Tarantino. Ansehen!

  • Ich hatte Friedrich-Karl Brandbichler, den Chefredakteur des "Fuldataler Bischofsboten" immer gewarnt, Dich als freien Mitarbeiter des Feuilletons wegen unüberbrückbarer Grammatikdifferenzen hinauszuwerfen --- nun müssen wir die Folgen ausbaden!!! :faint:


    Oder, wie der ehemalige Cheflektor meines ersten Arbeitgebers, der großartige Dr.B. in der wöchentlichen Lektorratssitzung die Diskussion unverlangt eingesandter Manuskripte zu kommentieren pflegte:


    "Der junge Mann leidet unter einer ernstzunehmenden Erkrankung: er kann die Tinte nicht halten!" :baeh01:


    Aber, nichts für ungut, mach ruhig weiter so, wenn es Dir guttut....


    Grüße :)

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  • Köstlich, großartig, mehr davon...! :hahahaha:


    Allerdings hätte ich im Heideggerschen Haushalt erwartet, dass sich Sartre seine blutende Wunde mit etwas von Elfriede Hs. Selbsgestricktem stillt.


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Zitat

    Original von Blackadder


    Harter Tobak also, aber ein echter Tarantino. Ansehen!


    Pfff, der kommt bestimmt nur gekürzt ins Kino. :D Danke für den Lesegenuss!

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Ich freue mich über die positive Resonanz und werde in der nächsten Zeit forumsrelevante Artikel einstellen; unter dem Titel "Musikerlegenden".
    Werden Sie Zeuge, wie Beethoven einen aufdringlichen Schüler verprügelt, und dabei auch nicht vor den Eltern halt macht, lachen Sie mit Mozart über Kinderkrankheiten, die man an der Farbe des Stuhls erkennen kann, begleiten sie den seekranken Haydn nach London, u.v.m... Dinge, die man in keiner musikwissenschaftlichen Abhandlung findet... Tamino schließt Wissenslücken endgültig... (oder mich aus, man kann nie wissen :stumm: )

  • Als Haydn am Neujahrstag 1791 nach stürmischer Fahrt das erste Mal in Dover anlangte, wusste er nicht, dass der Kapitän des Schiffes, Aleister Blackwell, einige Jahre zuvor mit der Tücke der See zu kämpfen hatte, aber durch Disziplin, Willen und Geschick dennoch zu einem hervorragendem Seemann wurde. Folgende Auszüge aus dem Tagebuch des Seebären mögen dies verdeutlichen.


    Diese Geschichte gewinnt ungemein an Wirkung, wenn man dazu einen Satz aus einem Streichquartett von Haydn hört. Ich weiß zwar nicht warum, aber der Vergleich mit dem Baulärm, der von draußen an mein Ohr dröhnt, lässt mich an der nötigen Sicherheit meines Hinweises wenig zweifeln.


    16. Juni 1777
    Endlich! Ich habe ein Schiff gefunden und sofort gekauft. Die „Apocalypse“ ist zwar etwas baufällig, dafür billig und ich hoffe bald eine Mannschaft zu finden, die sich traut, mit mir Kap Hoorn zu umrunden.


    17. Juni 1777
    Heute Nacht ist der Hauptmast eingestürzt. Aber das wird schon wieder… Ich studiere eifrig die Künste der Nautik, damit mir nicht wieder so ein faux pas wie letzte Woche passiert, als ich nach Besichtigung der Kombüse nach einer Kochgelegenheit fragte.


    18. Juni 1777
    Hurra! Ich habe die ersten Männer. Im „Seadevil’s Inn“ fand ich zwei patente Männer, die auf die Namen Long John Bronze und Esmeralda Ramirez hören. Ich weiß, der Name klingt nicht sehr männlich, aber was kann Long John Bronze dafür, dass er so heißt? Ich habe kurzerhand den Hauptmast entfernen und ein Sonnendeck einrichten lassen. Wenn wir genug Wäsche aufhängen, sollten wir schnell vorankommen. Ich kann es kaum abwarten, die Segel aufzuziehen, ich meine aufzuhängen, … ähm… zu hissen… hissen ist das richtige Wort.


    19. Juni 1777
    Esmeralda hat mir gestanden, schwanger zu sein. Ich bin bestürzt. Nutzt er diesen Trick um von seiner Verpflichtung loszukommen? Ich wies ihn auf den Vertrag hin, worauf er mir seine Brüste präsentierte, um zu beweisen, dass er eine Frau wäre. Nein, was sich diese Jungs alles einfallen lassen, wenn sie Polynesien oder die Karibik besuchen: Tätowierungen, Ohrringe und jetzt auch noch falsche Brüste…


    20. Juni 1777
    Das Glück ist mir hold. Blind Pete wird mein Steuermann…


    22. Juni 1777
    Es ist soweit, wir stechen in See. Was wird es für ein Triumph sein, wenn wir in zwei Jahren wieder in Southampton anlangen. Da mag der alte Jack Aubrey lästern wie er will. Mit acht Männern und einer Frau kann man kein Schiff führen, sagte er mir gestern abfällig. Blödmann! Und wie kommt er darauf, ich hätte eine Frau an Bord? Allerdings macht mir der Umstand, eben keine Frau an Bord zu haben, Gedanken. Wie werden die Seebären damit umgehen? Wir haben nicht mal Schafe…


    23. Juni 1777
    So ein Pech. Das Ruder ist abgebrochen. Aber Blind Pete macht mir Mut. Ob mit oder ohne, sagt er, das mache keinen Unterschied. Nicht bei ihm… Ein wundervoller Optimist…


    24. Juni 1777
    Land in Sicht! Es sieht verflixt nach Dover aus…


    25. Juni 1777
    Es war Dover. Gelegenheit, das Ruder zu erneuern… Und auf geht’s, encore…


    28. Juni 1777
    Endlich auf dem offenen Meer. Herrlich ist es, wenn die Wellen das geschmeidige Schiff umspülen, die Sonne vom Himmel lacht, die Möwen freudig die Kehlen bemühen; welch herrlicher Gesang. Der Gesang der Entdecker. Kolumbus konnte sich nicht besser fühlen. Ich bin der König der Welt und die Möwenscheiße kriege ich auch noch aus den Haaren…


    03. Juli 1777
    Immer noch offene See. Die Wellen umspülen das Schiff permanent, es ist sauheiß und Möwenscheiße ist ziemlich schwer zu entfernen. Immerhin haben die Männer noch keine Anzeichen sexuellen Notstandes. Im Gegenteil, sie wirken entspannt und fröhlich. Ob sie der Seemannsbraut vertrauen? Oder vielleicht liegt es an Esmeraldas Einfühlungsvermögen. Ein toller Kerl. Er scheint die ganze Mannschaft als Freund zu haben… Das Gekrächze der Möwen ist kaum zum Aushalten…


    14. Juli 1777
    Meer. Wellen. Hitze. Elende Hitze. Sind das Strapazen, die auch Kolumbus aushalten musste? Ich versuche die Möwen, die uns seit England verfolgen, zu erschießen, aber leider ohne Erfolg. Dafür hält meine Frisur jetzt auch im Sturm…


    21. Juli 1777
    Langweiliges Meer. Es ist so öde. Und meine Zunge klebt am Gaumen. Esmeralda wird immer dicker. Ich sollte das Essen und den Rum rationieren… Ich habe den Türrahmen zur Kapitänsunterkunft oben aussägen lassen. Jetzt komme ich mit meinen Haaren wieder in mein Allerheiligstes. Heute abend gibt es wieder Möwe…


    02. August 1777
    Endlich! Land in Sicht! Die Westindischen Inseln grüßen uns. Unfassbar, sie sehen wie England aus, die gleichen Kreidefelsen, die steil ins Meer stürzen…


    02. August 1777 Nachtrag
    Dover! Ich hatte es geahnt…

  • Heute: Beethoven



    An einem Frühlingsmorgen des Jahres 1812 schien die Sonne über Wien und die Vögel hießen die wärmenden Strahlen mit eifrigem Zwitschern willkommen. Es sollte ein wunderbarer Tag werden, die Kälte der letzten Wochen vergessend machen. Jedermann öffnete die Fenster um den Hauch des Frühjahrs begierig aufzusaugen und um die dunkle, trübe Stimmung des kalten Winters zu vergessen.


    Leider hatte Beethoven nichts davon, weil er an diesem Tage in Karlsbad weilte und dort das Wetter weiterhin dunkel und dumpf auf den Seelen lastete. Die Sonne verbarg sich hinter dicken, tief hängenden Wolkenschichten, ab und an fielen ein paar kalte Tropfen und die Kurgäste schleppten sich mühselig und missmutig zu den Badehäusern oder flanierten mit gesenkten Schultern durch den pittoresken Ort. Aber das fochte den Tonsetzer aus Bonn nicht an. Im Gegenteil, er war, entgegen seiner Gewohnheit, sehr gut gelaunt. Ein aufmerksamer Beobachter hätte dies schon daraus geschlossen, dass Beethoven dem Jungen, der ihm das Frühstück brachte, nur eine Kopfnuss, statt deren zweien gegeben hatte, weil wieder ein Brotkrümel in der Milch schwamm. Außerdem wartete der großartige Komponist nicht mit dem Ausschütten des Nachttopfs, bis einige ahnungslose Passanten die Gasse unterhalb seines Schlafgemachs wandelten, wie es sonst seine unheilige Angewohnheit war.


    Warum war Beethoven so gut gelaunt? Über die Gründe spekulieren die Musikwissenschaftler bis heute und entschieden sich, diesen wahrhaft seltsamen Umstand totzuschweigen, passt er doch nicht in das allseits propagierte Bild, des mürrischen Genius, was wir von dem Meister haben. Und als ob die Frühlingsfrische in Wien unterschwellig bis nach Karlsbad reichte, obwohl der Regen dort eher zunahm und die Wolken bedrohlich eine Etage tiefer rückten, schien es so, als ob Beethoven das erwachende Leben in Wien mit feinem Sinne aufnahm und sogleich verschenkte, wie es sonst nur seine Musik tat.


    Verschiedene Augenzeugenberichte schildern diesen Tag beinahe minutiös. Herbert Schmeling Graf von Unzu berichtet seiner Tante Amalia auf Schloss Lauenstein: «… Einlauf. Apropos, da sah ich den Herren Beethofen heute seyn Gemach verlassen, die Promenade entlanglaufen, und zwar doppelt so schnell als es sonst seyn Gewohnheit. Ohngeachtet aller Grüße und die mächtigen Hände reybend, trieb er sich dort herum, wo an einem Holzbrett die Verlustigungen angekündigt. Unter anderem ein Concerto des unvergessenen Mozart, worauf auf einem Plakat das Conterfei des lange Verblichenen abgebildet. Und als Beethofen im Kurhaus verschwand und ich, in der Ahnung, etwas Sonderbares sey vorgefallen, mich ebendort einstellte, sah ich mit Erschrecken, dass dem Mozart ein Bart war gemahlet worden. Aber, liebe Tante, zurück zu meiner medizinischen Behandlung. Das Klistier, welches Doktor Eisenbart mir...»


    Der Bratschist Jiri Birnbichler, der in einem Streichorchester spielte, welches die Aufgabe hatte, die in der Kurhalle wandelnden Gäste zu unterhalten, schreibt in einem Brief an seine Mutter (der im Übrigen mit der weinerlichen Bitte endet, sie möge ihn, den 45-jährigen Musiker dort endlich abholen): « So wir begannen mit einer Selbstkomposition. Die Halle selbst war gefüllt, das schlechte Wetter, welches schon seit Wochen andauert, trieb die Menschen herein und wir waren alle gewillt, durch die Musik den Menschen schönes Wetter zu machen. Aber kaum, dass wir fünf Takte gespielt, drang ein falscher Ton an unsere Ohren, der uns zusammenzucken und uns gegenseitig mit missgünstigem Auge betrachten ließ, welcher wohl da eben den falschen Ton producirte. Dann ging wieder fünf Takte alles gut, alleyn das Tempo verlangsamte. Und plötzlich wieder ein falscher Ton. Wir schauten uns alle an. Wer hatte die Unverfrorenheit, solcherart das Konzert zu sabotieren? Wir spielten weiter, das Allegretto zu Lauernd verändert, jeder behielt jeden im Auge, die Gäste starrten uns an, erwarteten den nächsten falschen Ton, so wie wir auch. Aber zwanzig Takte lief alles sehr gut, das Tempo veränderte sich zu einem entspannteren Vielleichtnureinversehen. Aber dann kam doch noch ein falscher Ton, und zwar von solcher Art, dass einem die Nackenhaare auszufallen schienen und wir sofort zu spielen aufhörten. Die Gäste in der Halle, alle die Münder und Augen weit offen, verharrten wie wir regungslos, hie und da fielen Gläser aus den gichtkranken Händen und zersprangen mit lautem Klirren auf dem steinernen Boden und nur ein Mann, der nicht weit entfernt von uns mit seinem komisch ausgebeulten Mantel, unter dem man direkt eine Violine vermuten könnte, sah uns unverblümt an und sagte: „Ihr Jecken, da müsster aber noch fleissich übn, dat is voll der Driss.“ Und dann verschwand er feixend aus dem Seiteneingang.»


    Lesen Sie morgen: Wie Beethoven ein Kaffeekränzchen zum Platzen bringt und wie hoch die Auslöse war, um ihm aus der Karlsbader Zelle zu holen. Außerdem: Wieso trägt Graf Rasumowsky Frauenkleider? Was macht Bettina von Arnim in Beethovens Speisekammer?

  • :jubel: :jubel: :jubel:


    Was hat das hier eingentlich im Tritsch-Tratsch verloren? ?( Ich hätte ganz andere Kandidaten, die darein verschoben gehören... aber dies hier sicher nicht. Naja, jedem das Seine...


    :pfeif:


    Blacky: Fühle Dich verehrt! [Nicht auszudenken, wenn der Lullist diese Köstlichkeiten illustrieren würde...]


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Ulli
    [Nicht auszudenken, wenn der Lullist diese Köstlichkeiten illustrieren würde...]


    Der musicophile Paul wäre dann wohl wieder in akuter Lebensgefahr :wacky:

    Viva la libertà!

  • Der Administrator, der selbst solche Artikel liebt, und gelegentlich auch als Aprilscherz getarnt, schreibt, wird eine Unterrubrik TAMINO KLASSIKFORUM LACHT einzurichten, damit diese Köstlichkeiten einer breiteren Öffentlichkeit zugängig gemacht werden können.


    Es sind allerdings einige Bedingungen daran geknüpft:


    1. Es muß nebenbei gelegentlich auch noch in anderen Nebenforen gepostet werden


    2) Das Thema muß IMMER mit Klassischer Musik (oder HIFI) zu tun haben.


    3) Satire muß so verfasst sein, daß sie hieb- und stichfest gegenüber Klagen sind.


    -----------------------------------------
    Ich werde jetzt abstimmen lassen ob das überhaupt gewünscht ist.


    LG


    Alfred :baeh01:

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Ulli
    Blacky: Fühle Dich verehrt! [Nicht auszudenken, wenn der Lullist diese Köstlichkeiten illustrieren würde...]


    Vielen Dank für die Blumen :]


    Allerdings hegte ich beim Verfertigen auch den nun ausgesprochenen Wunsch, der Lullist würde sich der Dinge mal annehmen, das wäre eine feine Sache... Aber ich fürchte, er ist (temporär?) sehr stark eingespannt und vielleicht will er das gar nicht ;(

  • Lullistisch vorgestellt hatte ich mir immerhin, wie Blackwell mit seiner Dreiwettertaftfrisur durch den ausgesägten Türrahmen marschiert...


    :rolleyes:

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • Ich würde es auch toll finden, dass etwas öffentlicher zu machen.



    Also das Logbuch würde ich sofort illustrieren :D:D:D



    ...im Moment hätte ich auch Zeit :pfeif:



    aber dauert etwas ....

  • Ja bitte, bitte, bitte, bitte, bitte :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:
    .... Ich versuch es auf Romanlänge zu dehnen :D
    Haydns Überfahrt kommt mit rein, dann ist auch etwas Klassische Musik vertreten...

  • Wäre schade, wenn man nicht auch den Rest mitnehmen dürfte - gehört ja auch zur Kultur und ist daher Tamino-würdig :rolleyes:

    Viva la libertà!

  • Zitat

    Original von Blackadder
    Ja bitte, bitte, bitte, bitte, bitte :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:
    .... Ich versuch es auf Romanlänge zu dehnen :D
    Haydns Überfahrt kommt mit rein, dann ist auch etwas Klassische Musik vertreten...


    Ist doch schon! Ich erinnere mich an Edwins lichtvolle Ausführungen bezüglich Messiaen + Möwengeschrei. Gut, du hast halt den Messiaen weggelassen....... :D
    Bitter weitermachen! :jubel: :jubel: :jubel:
    lg Severina :hello:

  • Die Begeisterungsstürme werden natürlich anschliessend gelöscht, damiit das hochwissenschaftliche Thema nicht beeinträchtigt wird...


    mfg
    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Was bisher geschah:


    Wien. November 1786. Abends. Der Regen prasselt auf das unförmige Kopfsteinpflaster. Dort, wo einige Steine fehlen und klaftergroße Löcher gähnen, bilden sich schnell unansehnliche Seen. Aber das schmutziggraue Wasser wird sofort von heranbrausenden Hufen und Kutschenräder herausgespült. Wer nicht aufpasst und zur Seite springt, erhält prompt die Quittung auf seinen Kleidern. Andreas Hrdlicka, kurz „Hrdl“ genannt, ist auf dem Weg zu Wiens bekanntestem Komponisten. Immer wieder muss er den herannahenden Gefährten ausweichen, während der Regen und die Kälte ihn zittern lassen. Unterwegs plant er, schnell bei Mozart vorbeizuschauen. Der junge Anwaltsgehilfe hat einen Brief in seiner ledernen Tasche, versiegelt mit dem Wachs isländischer Büßermönche, die eine Nationalhymne bei Amadé in Auftrag geben wollen. Der andere, lukrativere Auftrag, eine opera buffa mit sakralem Hintergrund, soll Salieri erhalten. Was Hrdl nicht weiß: der Dänische Geheimdienst ist über ihn informiert. Und als Gegenspieler des Eyulfor Errikson, dem orthodoxen Kirchenfürsten aus dem fernen Reykjavík, haben sie sich in Wien zusammengefunden, um die Auftragsverteilung zu verhindern. Denn sie wissen: Sollten Salieris Oper und Mozarts Messe in Island erfolgreich aufgeführt werden, könnte das den Unabhängigkeitsbestrebungen Aufwind geben. Dies gilt es zu verhindern. Mit allen Mitteln…


    Teil 87


    Hrdl sah die zwei Kutschen herannahen. Und nachdem seine Beinkleider vor Nässe troffen, beschloss er in den dunklen Arkaden stehen zu bleiben und abzuwarten, bis die potenzielle Gefahr vorüber war. Die Augen auf die schlecht beleuchtete Gasse und die rumpelnden Wagen geheftet, bemerkte er nicht die vermummte Gestalt, die sich ihm von hinten näherte.
    «Entssuldigung», sagte der Unbekannte und tippte Hrdl auf die Schultern. Dieser zuckte unvermittelt zusammen und fuhr entsetzt herum. Dabei trat er unbeabsichtigt ein Stück auf die Gasse. Der Kutscher auf dem herannahenden Bock lächelte und steuerte die nächstgrößere Pfütze an. Kaum hatte sich Hrdl von seinem Schrecken erholt, hatten sich mehrere Liter Schmutzwasser über ihn ergossen. Die vermummte Gestalt lächelte verlegen, aber das konnte Hrdl natürlich nicht sehen.
    «Was wollen sie?» fragte Hrdl unwirsch und schüttelte sich unter den Arkaden die Beine aus.
    «Sie haben da was, was ich møchte», sagte die dunkle Gestalt bestimmt.
    «Bitte?»
    «Sie haben da was, was ich møchte» beharrte der Unbekannte.
    «Møchte?« Hrdl kratzte sich am Kopf. «Sie sind Däne?»
    «Ups» Die Gestalt errötete. Hrdl sah auch das nicht. «Ertappt. Aber da sie so scharfsinnig sind, møchte ich ihnen natürlich nicht verhehlen, dass ich vom Dænischen Geheimdienst bin. Darf ich sie nun ersuchen, die Auftræge herauszugeben? Und zwar ohne grøßeres Aufsehen und schnell, ich muss dringend wohin.» Dabei trat der Vermummte von einem Bein auf das andere.
    »Dænischer Geheimdienst, hm?« fragte Hrdl skeptisch.
    »Ja, sagte ich bereits«, antwortete der Däne etwas unwirsch.
    »Da kann ja jeder kommen«, sagte Hrdl, ohne in seiner Skepsis nachzulassen.
    Der Däne zuckte mit den Schultern und suchte in seinem dunklen Umhang etwas. »Oh, ich hasse dieses aufgeklærte Zeitalter. Was waren das früher für Zeiten, in denen man sich nicht legitimieren musste. Heute zweifelt jeder alles an. Das ist eine ungesunde Haltung. Das wird die Menschheit nicht weit bringen.«
    Hrdl schüttelte trotzig mit Kopf. »Trotzdem, ich bestehe auf…«
    Der Däne hatte gefunden, was er suchte. »Ja ja, ist ja schon gut. Hier, mein Dienstausweis.« Mit diesen Worten überreichte er dem Anwaltsgehilfen eine altertümlich wirkende Pergamentrolle. Dieser rollte sie ein Stück weit auf und begann zu lesen:
    »Hiermit bestætigen wir, Seine kønigliche Majestæt, Kønig… blabla… Geheimdienst… blabla… Einheit Islands mit Dænemark… blabla… sie dürfen die Braut jetzt küssen?« Hrdl schaute den Dänen ungläubig an.
    »Was?« fragte dieser erschrocken.
    »Hier steht: „Sie dürfen die Braut jetzt küssen“«
    »Quatsch, zeigen Sie mal her.« Der Vermummte riss das Dokument an sich. »Blablabla… Seine kønigliche Majestæt, Kønig… blabla… Geheimdienst… blabla… Einheit Islands mit Dænemark… blabla… „Der Effendi haut ins Kissen“ heißt das…«
    »Der Effendi haut ins Kissen?« Jetzt war es Hrdl, der seinem Gegenüber das Dokument aus den Händen wand.
    »Eindeutig!«
    »Und das ist sinnvoller als die Braut küssen?« fragte Hrdl mit zusammengekniffenen Augen.
    »Naja…« druckste der Agent.
    »Effendi?« beharrte Hrdl.
    »Ich gebe zu, das ist etwas merkwürdig…« begann der Däne.
    »Ach? Jetzt plötzlich?«
    Das Klappern von Sohlen auf der Gasse schreckte die beiden auf. Hrdl erkannte den Mann, der mit einer Flasche Wein bewaffnet, an den Arkaden vorbei kam.
    »Ach, Herr Mozart… wie passend«, sagte Hrdl und stürzte auf den kleinen Mann zu.
    »Ich kenne sie doch…Hrdlicka, altes Haus«, sagte Mozart erfreut.
    Hrdl drückte ihm das Pergament in die Hand. »Würden sie uns einen Gefallen tun? Was steht hier ihrer Meinung nach hier in dieser Zeile?« Er legte seinen Finger auf die betreffende Stelle.
    Mozart starrte eine Weile konzentriert auf den Text. »Moment… Ja, jetzt kann ich’s lesen… blablabla… Seine kønigliche Majestæt, Kønig… blabla… Geheimdienst… blabla… Einheit Islands mit Dænemark… blabla, einen großen Haufen hat er gesch….“
    (Textstörung. Wir bitten um Geduld. Textstörung. Wir bitten um Geduld. Textstörung. Wir bitten um Geduld Textstörung. Wir bitten um Geduld Textstörung. Wir bitten um Geduld)

  • Ich habe, ehrlich gesagt, nicht die geringsten Zweifel, dass es sich tatsächlich genau so zugetragen hat, in Wien anno 1784, denn mal im ernst:


    wer dächte sich so etwas aus !?


    Liebe Grüße
    V.

  • Wenn jetzt noch die schnell [unter NH's Leitung] Kermes ihr c4 singt, piss ich in die Hose...


    :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha:


    Schønen Abend noch
    :hello:
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Violoncellchen
    Ich habe, ehrlich gesagt, nicht die geringsten Zweifel, dass es sich tatsächlich genau so zugetragen hat


    Ich auch nicht. Absolut nicht 8)

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