Opernvoting - Die Miesen

  • Lassen wir mal die Frage, wie Puccinis Opern "gebaut" sind beiseite. Tragen denn nicht auch die jeweiligen Interpreten das ihrige dazu bei, dass die Grenze zur Rührseligkeit und zum Kitsch überschritten wird?


    Beispielsweise die "Bohème": Toscaninis Einspielung läuft in gnadenlosen gut 90 Minuten ab, da gibt es kein Schwelgen in süsslichen Melodien, kein Verweilen auf ausgedehnten Fermaten und jammernde Sänger/innen - geradezu unsentimental wirkt diese Aufnahme auf mich.


    Gegenbeispiele wären für mich der Edelkitschproduzent Herbert von Karajan mit rund 110 Minuten Spieldauer, der eine Hochglanzbohème zeigt, wo mit dickem Pinsel ein üppiger Orchesterklang präsentiert wird, wo so schön gestorben und gelitten wird, dass einem das Ohr zuklebt vor soviel Zuckerguss. Das allerdings auf durchaus hohem Niveau, sowohl, was die Sänger, als auch, was das Orchester angeht.


    Für mich noch schlimmer Tullio Serafin, etwa genauso langsam wie Karajan, der noch langweiliger dirigiert als der Österreicher - mit Sängern, die überhaupt keine Figuren mehr glaubhaft zu gestalten wissen, ein Negativbeispiel auf meiner persönlichen nach unten offenen Puccini-Kitsch-Skala.


    Auch einzelne Sängerleistungen befördern sicher den Kitsch-Verdacht gegen Puccini: Konya oder Poggi z. B.


    Für "Butterfly" lassen sich gleiche Überlegungen anhand der Discographie anstellen.


    Auch Inszenierungen können helfen, Kitschvermeidung zu betreiben. Gerade von "Butterfly" gibt es interessante Beispiele: Harry Kupfer, Giancarlo del Monaco, Christof Nel oder Calixto Bieito haben gezeigt, dass tränentreibendes Sentiment nicht sein muss.


    Da ich hier völlig OT bin, will ichs an dieser Stelle mal gut sein lassen, aber vielleicht beschäftigt uns ein solches Thema auch an anderer Stelle nochmal.

  • Zitat

    Original von Alviano
    Da ich hier völlig OT bin, will ichs an dieser Stelle mal gut sein lassen, aber vielleicht beschäftigt uns ein solches Thema auch an anderer Stelle nochmal.


    Servus Alviano,


    das interessiert mich - magst Du einen entsprechenden Thread eröffnen?


    LG
    Austria


    Edit: ich habe zwar einige threads unter "Kitsch" gefunden, aber keinen wirklich zu "kitschige Interpretationen" durch Sänger und Dirigenten.

    Wir lieben Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - vorausgesetzt, sie denken dasselbe wie wir (Mark Twain)

  • Da wäre auch ich für einen eigenen Thread, das Thema ist tatsächlich sehr interessant. Nicht zuletzt in Hinblick auf Wagner, dessen Werke ja mehr oder weniger mit Pathos-Kitsch aufgeladen wurden (in diesem Fall übrigens auch von Toscanini), bis dann Boulez kam und mit flotten Tempi und deutlich herausgearbeitetem Stimmgeflecht zeigte, daß Wagner im Grunde Kammermusik für großes Orchester ist.
    :hello:

    ...

  • Die Frage beantwortet sich in bezug auf Puccini von selbst, wenn man seinen Carteggio zur Hand nimmt. Es ging nämlich Puccini in erster Linie darum, den Zuschauer weinen zu machen - das sagt er selber an mehreren Stellen. Sänger, die versuchen, durch für unser Ohr übertriebenes Schluchzen und Pathos diese Wirkung zu verstärken, handeln also ganz in diesem Sinne - Toscanini tut es nicht. Durch sein ständiges Gesumme :angry: schon gar nicht.


  • Hallo Austria,


    es hat ja etwas gedauert, bis ich hier meinen kleinen Beitrag reingesetzt habe. Das hatte zwei Gründe: einmal wusste ich nicht, ob es einen besser passenden Thread gibt (ich habe, genau wie Du auch, keinen gefunden) und zweitens habe ich überlegt, ob ich dann - wenns keinen gibt - einfach einen aufmache. Letzteres habe ich aber überhaupt noch nie gemacht... Nachdem Du (und auch Edwin) jetzt aber Interesse bekundet hast, schaue ich mal, dass ich das hinbekomme...


    Gruss nach wien


  • Das ist ein "Bild", welches ich in mir habe...


    Aber dazu: Vergleiche bitte:


    CD-Führer Klassik
    Michael Wersin
    Stuttgart 2003
    Verlag: Reclam


    Puccini - La Bohème
    S. 178
    "Kälte und Hunger prägen das Leben der beiden Studenten Rodolfo und Marcello...".


    Wenn Herr Wersin auch falsch liegen sollte..., genau dieses Bild habe ich vor Augen und beschrieben...


    Bis dann.

  • Und ich dachte immer, ich bin der einzige, der mit Richard Strauss nix anfangen kann ;)
    Hab es ein paar Mal mit dem "Rosenkavalier" versucht aber ich konnte mir das einfach nicht lange anhören :kotz:
    Und obwohl es eigentlich ein Sakrileg ist, den berühmten Hugo zu kritisieren ... Hugo v. Hoffmannsthals Libretto ist auch sehr merkwürdig ... :(


    Florian

  • Morgen Austria


    Debussy's Pelléas et Mélisande schliess ich mich an - bin aus Langweile eingeschlafen! Die miesesten
    Hörerzahlen erreicht man mit Wagner im Doppelpack z.B. 'Die Meistersinger von Nürnberg' gekoppelt
    mit 'Parsifal' oder mit der Oper Fidelio vom geschätzten Beethoven. Georg Friedrich Händel mag ich
    eigentlich recht gut, doch Acis & Galatea treibt mich zum Verlassen des Saals. Obwohl ich
    Die Zauberflöte (wenigstens die musikalischen Einlagen sehr schätze), finde ich die Handlung mehr als
    dürftig in Szene gesetzt - die Mozartfans mögen's mir verzeihen...


    Greets, Carl

    Our cultural heritage belongs to all of us, that's why we must preserve it
    Unser Kulturgut gehört uns allen, deshalb müssen wir es bewahren
    http://www.publicdomain.ch

  • Zitat

    Original von Carl
    Georg Friedrich Händel mag ich
    eigentlich recht gut, doch Acis & Galatea treibt mich zum Verlassen des Saals.


    Lieber Carl,


    Wird es nicht Zeit der HNO-Azt zu besuchen? ;)
    Es gíbt da einige wunderbaren Tenorarien.


    LG, Paul

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  • Analog zu meinem gerade erstellten "Lieblings"-Post:


    Nichts anfangen kann ich mit:


    Don Giovanni
    Le nozze di figaro
    Ariadne auf Naxos
    La Boheme
    Der Rosenkavalier


    Ich weiß nicht, warum mich die Opern von Mozart nicht berühren; vielleicht habe ich da etwas übersehen oder überhört 8)


    Und warum ich die "Boheme" nicht mag, obwohl ich Herrn Puccini sonst sehr gerne höre ---Rätsel---

  • Hallo zusammen!


    Ich finde leider keinerlei Zugang zu Capriccio und Ariadne auf Naxos, obwohl ich andere Strauss-Opern, wie z.B. Elektra und Salome, gerne und oft höre. Aber Capriccio und Ariadne langweilen mich tödlich, sowohl szenisch als auch musikalisch.

  • Zitat

    Original von Diabolus in Opera
    Und ich dachte immer, ich bin der einzige, der mit Richard Strauss nix anfangen kann
    Florian


    Beileibe nicht! Doch ich respektiere die Strauss-Enthusiasten. Jeder soll nach seiner Fasson selig werden.
    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Hallo zusammen,


    mies würde ich die Opern die ich nicht mag auch nicht bezeichnen. Es ist meine ganz persönliche Abneigung.


    Bei mir auch Strauss :D "SALOMÉ"


    desweiteren Mozart "Die Entführung aus dem Serail"
    und Puccini "Madama Butterfly"


    LG


    Maggie

  • Wenig anfangen kann ich komischerweise mit der Walküre - die fällt mir mich deutlich ab vom Rest des Rings - ohne wirklich schlecht zu sein.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo Keith 63,
    das gefällt mir, dass Dir das auch nicht gefällt. Jetzt müssten wir nur alle Wagner-Opern, Händels Opernwerk und Pique-Dame zufügen und wir hätten die Liste, wo ich keine Investitionen mehr tätigen werde. Oper hören soll Freude machen, bestrafen tu ich mich anders.
    Übrigens das Ganze ist ja nicht ohne Delikatesse, denn "de gustibus non est disputandum" und wenn da einer Puccini liebt und Händel-Opern aushält: lass Dich nicht beirren von einem Banausen wie mir.


    Musiclover


    Ceterum censeo: Die Anna kann's noch lernen, das Singen, die Diana und die Christine können's schon und der Mozart und der Bellini und der und der und der..... die konnten wunderbare Musik schreiben, die das Leben erst so richtig lebenswert macht.

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner


    Ja, finde ich auch. Meiner Meinung nach ist das sogar eine der kurzweiligsten und unterhaltsamsten Wagner-Opern - bis zum Schlußduett. Das hängt dann ein wenig bis zu "Ewig war ich". Aber was man gegen das Werk wirklich haben kann, habe ich nie begriffen.


    Auch ich halte "Siegfried" für eine der unterhaltsamsten Wagner-Opern. Es geht wirklich Schlag auf Schlag. Diese Kurzweil vermisse ich etwa bei der "Walküre" und bei der "Götterdämmerung" z. T.
    Könnte mir auch vorstellen, daß es beim "Siegfried" in der Tat sehr auf die Sänger ankommt, und nicht erst im Schlußduett, auch schon am Anfang: wenn der Mime nichts drauf hat, ist es wohl gelaufen. :D

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Herrlich, daß man hier seine Meinung geben darf, ohne sie begründen zu müßen. :D
    Für mich ist ab etwa 1850 eher ausnahmsweise noch eine gute Oper komponiert. Also nicht nur Wagner will ich nicht hören.


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von musicophil
    Herrlich, daß man hier seine Meinung geben darf, ohne sie begründen zu müßen. :D
    Für mich ist ab etwa 1850 eher ausnahmsweise noch eine gute Oper komponiert. Also nicht nur Wagner will ich nicht hören.


    LG, Paul


    Dann bist du also morgen NICHT bei der Tristan-Premiere in Bayreuth?
    Schade! :D

    Freundliche Grüße Siegfried

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  • Meine Liste:


    Giacomo Puccini- Le Villi
    Giacomo Puccini- Edgar
    Giacomo Puccini- Manon Lescaut
    Giacomo Puccini- La Boheme
    Giacomo Puccini- Tosca
    Giacomo Puccini- Madama Butterfly
    Giacomo Puccini- La fanciulla del west
    Giacomo Puccini- La rondine
    Giacomo Puccini- Il trittico (Il tabarro, Suor Angelica, Gianni Schicchi)
    Giacomo Puccini- Turandot


    :pfeif:


    Und genau wie Christoph möchte ich auch den Parsifal hinzufügen. Was kann man an diesem Werk nur finden? :no:


    Grauslich! Schwerkranker kann nur geheilt werden, wenn ihm ein völlig verblödeter Idiot einen Speer an die Wunde hält. Speer schon da, Idiot nach 45 Minuten gefunden- Berührung erfolgt vier Stunden später. Toll! So stelle ich mir spannende Oper vor! Zwischendurch viel langweiliger Text, dessen Schallwellen allein man auch zum Weihrauchanzünden benutzen könnte, und wenig Handlung (es ist wohl schon ein Ereignis, wenn einer auch nur die Hand hebt, von einigen Metern des Gehens wollen wir erst gar nicht sprechen).


    Ehrlich- ich hab's versucht, mich damit auseinanderzusetzen. Aber es geht einfach nicht. Es passiert ja nichts!
    Also, dass Richard sein Lebenswerk mit sowas abschließen musste :boese2:...



    :hello:

  • Na, aber gerne doch.... :D:yes:


    Bin sogar für ein neues Unterforum: "Basti erklärt die Welt- Von knödelnden Bässen über langweilige Bühnenweihen bis hin zu Otto-Schenk-Verrissen. Bei mangelndem Interesse wird dieses Forum um fünfzig Themen pro Tag erweitert!"

  • Lieber Basti,


    Du kannst froh sein, daß ein gewisser Kulturjournalist und Komponist nicht mehr dabei ist, sonst gäbe es jetzt einen Disput bzgl. Wagners Opus magnum. :D


    P.S.: Ich würde Herrn B. in dem Falle voll zustimmen! :baeh01:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Wie die Geschmäcker unterschiedlich sind: "Palestrina" (allerdings nur in der Kubelik-Aufnahme) und "Hänsel und Gretel" gehören zu meinen Top 20.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Meine Liste der Opern, für die ich Karten allenfalls geschenkt nähme:


    - Zar und Zimmermann
    - Wild- und Freischütz
    - Midas'in kullaklari
    - Daphne, Schweigsame Frau und Frau ohne Schatten.


    Außerdem gehört dazu fast alles, was nach dem 2. Weltkrieg geschrieben wurde, mit Ausnahme des einen oder anderen Menotti.


    Grüße!


    Honoria

    "...and suddenly everybody burst out singing"
    Busman's Honeymoon