Gibt es die ultimative Gesamtaufnahme von Bachs Orgelwerk?

  • Zitat

    Original von Stoeff
    Zur Frage: Seit zwanzig Jahren ist (...ab jetzt war...) mein Bezugwerk die Gesamtausgabe von Lionel Rogg auf der Silbermannorgel zu Arlesheim (CH), das ich zuerst als Platten-, dann als CD-Ausgabe besitze. Bei der ganzen Diskussion um die ultimative Gesamtausgabe vermisse ich Aussagen zu dieser Interpretation bis dato.


    Die Lionel-Rogg.Aufnahme ist meiens Wissens seit einigen Jahren leider vergriffen, war zuvor aber mal kurzzeitig im "Ausverkauf" recht günstig zu haben. Leider hatte ich zum "Schnöppchenzeitpunkt" andere Prioritäten. Von meinem kurzen Reinhören war die Aufnahme wirklich sehr schön und durchaus "musikantischer" als z.B. Stockmeier.
    Ich glaube die Aufnahme ist im französischen/schweizerischen Sprachraum einfach bekannter/verbreiteter.


    Gruß
    Karsten

  • Zitat

    Original von Stoeff
    Von IPC habe ich übrigens erfahren, dass im Herbst eine Neuauflage als Gesamtbox von Weinbergers Orgelwerk Bachs erscheinen soll.


    Vielen Dank für diese wichtige Information - ich hatte schon darauf gehofft, dass diese Gesamtaufnahme als Box wiederveröffentlicht wird, denn etliche CD's daraus sind mittlerweile nicht mehr erhältlich (jedenfalls nicht bei jpc).


    Zitat

    Seit zwanzig Jahren ist (...ab jetzt war...) mein Bezugwerk die Gesamtausgabe von Lionel Rogg auf der Silbermannorgel zu Arlesheim (CH), das ich zuerst als Platten-, dann als CD-Ausgabe besitze. Bei der ganzen Diskussion um die ultimative Gesamtausgabe vermisse ich Aussagen zu dieser Interpretation bis dato.


    Ich hatte von dieser Aufnahme eine Doppel-LP mit den sechs Triosonaten und einigen anderen Werken - Roggs Interpretation gefiel mir sehr gut. Leider habe ich es später versäumt, die Gesamtaufnahme auf CD zu kaufen (was sich bestimmt gelohnt hätte), und mittlerweile ist die Aufnahme gestrichen. Wenn ich mich richtig erinnere, handelte es sich sogar um Quadrophonie-LP's, d. h., die Aufnahmen wurden mit vier Kanälen gemacht. Hier würde sich heute sogar eine Wiederveröffentlichung auf SACD anbieten.


    :hello: Andreas


  • Da diese "Gesamtausgabe" momentan halbwegs günstig (82 Euro) zu haben ist, möchte ich Fugatos Frage nochmal in den Raum stellen: Kennt jemand von Euch diese Aufnahmen?


    Gruß aus Linz,
    Günter

    Ja ja, nicht jeder, der die Bretter, die die Welt bedeuten, betritt, merkt, dass er auf dem Holzweg ist. (Heinz Erhardt)

  • Zitat

    Original von Stoeff
    Von JPC habe ich übrigens erfahren, dass im Herbst eine Neuauflage als Gesamtbox von Weinbergers Orgelwerk Bachs erscheinen soll.


    Bisher ist die noch nicht erschienen - würde mich auch ärgern, weil ich mir inzwischen die vergriffenen mühsam zusammengekauft habe.
    Und fertig ist Weinberger ja auch noch nicht ...

  • Zitat

    Original von miguel54


    Bisher ist die noch nicht erschienen - würde mich auch ärgern, weil ich mir inzwischen die vergriffenen mühsam zusammengekauft habe.
    Und fertig ist Weinberger ja auch noch nicht ...


    1- 20 habe ich von Weinberger (zum teuren Erstveröffentlichungspreis :wacky:) , meine aber auch, mich zu erinnern, dass es 21 werden sollten. Aber da kommt nix.
    Und außer einigen Varianten, dem Pedalexercitium und ähnlich dubios-apokryphen Dingen fallen mir auch eigentlich keine Werke mehr ein, die noch fehlen könnten.
    Weiß jemand mehr?


    Eine ganz wunderbare (und in meiner Nostalgie verklärte :pfeif: ) Aufnahme ist die Gesamteinspielung von Lionel Rogg, die in England Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre erschienen war. Davon besitze ich aber nur die Clavierübung 3 auf der Metzler-Orgel des Großmünsters Zürich.
    Kennt die jemand? Hat die jemand?
    Biete Unsummen! (Das ist gelogen, aber interessieren würde mich schon, ob die noch irgendwo herumgeistert)

  • Inzwischen sind bei JPC nur noch 9, 13, 14 (für je € 1,99), 17, 18, 19, und 20 (für je € 7,99) lieferbar, eine soll noch erscheinen.
    17 bietet Werkvarianten und Frühfassungen, ab 18 kommen die Werke zweifelhafter Echtheit.


    Ich habe bis jetzt 1-16 bis auf die 8, aber die habe ich in einem Laden erspäht.


    Dass diese doch hochinteressante und ambitionierte Einspielung nicht lieferbar gehalten wird, wundert mich schon.

  • Zitat

    Original von gueze


    Da diese "Gesamtausgabe" momentan halbwegs günstig (82 Euro) zu haben ist, möchte ich Fugatos Frage nochmal in den Raum stellen: Kennt jemand von Euch diese Aufnahmen?


    Gruß aus Linz,
    Günter


    82 Euro! :faint:
    Nein, 19,99 Euro bei 2001! 8o
    Habe ich dort vor einer Woche schon gekauft. Kann gar nicht verstehen, wie man eine solche Ausgabe für so wenig Geld noch gewinnbringend verkaufen kann.
    Vielleicht ist es nur ein Resteverkauf...


    Reingehört habe ich leider noch nicht. Könnte sogar mit Weinberger vergleichen, von dem ich Vol. 9, 11, 13 und 14 für 1,99 Euro erworben habe und der mir sehr gut gefällt bisher.


    Leider habe ich momentan immer nur sehr wenig Zeit und komme absolut nicht dazu hier alles zu schreiben, was ich gerne würde...


    Viele Grüße
    Frank

    From harmony, from heavenly harmony
    this universal frame began.

  • Frank1970 schrieb

    Zitat

    82 Euro!
    Nein, 19,99 Euro bei 2001!


    82 Euro war der Preis Mitte 2007, inzwischen wird die Box eh überall abverkauft.
    Reinhören lohnt sich jedenfalls, die Interpretationen von Knud Vad finde ich persönlich recht gut und die Marcussen-Orgel der Klosterkirche von Soro ist klanglich sehr interessant:
    "Das Instrument wurde 1942 vom dänischen Unternhemen Marcussen & Sohn gebaut, P.G. Andersen ist für die Stimmung des Instruments in einem Stil verantwortlich, der auf Grundlage wiederentdeckter Pfeifenmaße, die in etwa dem Jahr 1520 zugeordnet werden, entwicklet wurde. Dies prägt den ganz besonderen Klang der Orgel und hat ihr damit weltweiten Ruhm eingebracht." (Originaltext aus dem Begleitbuch)

    Ja ja, nicht jeder, der die Bretter, die die Welt bedeuten, betritt, merkt, dass er auf dem Holzweg ist. (Heinz Erhardt)

  • Schreiben sie, wie die Marcussen-Orgel gestimmt ist? 1520 wäre noch mitteltönig angesagt gewesen, aber Bach würde man so kaum spielen ...

  • Zitat

    Original von miguel54
    Schreiben sie, wie die Marcussen-Orgel gestimmt ist? 1520 wäre noch mitteltönig angesagt gewesen, aber Bach würde man so kaum spielen ...


    Im Begleitbuch habe ich nichts gefunden aber drei Hörproben der Orgel findet man hier: Marcussen-Orgel

    Ja ja, nicht jeder, der die Bretter, die die Welt bedeuten, betritt, merkt, dass er auf dem Holzweg ist. (Heinz Erhardt)

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Tja, auch auf Organs in Denmark findet sich nichts - das klingt mir nicht so recht nach barocker Stimmung. Bei einem Baujahr von 1942 ... andrerseits finde ich hier:


    Zitat

    Marcussen-Orgel der Klosterkirche zu Sorø (DK)
    Erbaut 1942 von Marcussen & Sohn Gehäuse aus dem 16. & 17. Jhd.
    Stimmung durch Anderssen nach Vorbildern um 1520
    Renovierung 1972 durch Anderssen


    Hier ein Foto des guten Stücks:



    Die Beschreibung auf der Website der restaurierenden Orgelbauer Andersen macht mich auch nicht schlauer: http://www.andersen-bruhn.dk/de_Referenzen.asp?ID=5

  • Habe mir die Box von Knud Vad bei Zweitausendeins gegönnt, für den Preis, und SACD ...


    Nach erstem Ohrenschein - die erste Disc enthält netterweise meinen Lieblings-Orgel-Bach, die Triosonaten - scheint das eine temperierte Stimmung nach Werckmeister o.ä. zu sein, eindeutig nicht mitteltönig, aber auch nicht gleichschwebend temperiert. Aber nirgendwo im Booklet steht etwas dazu ... seltsam.


    Mir registriert Knut Vad die Trionaten etwas zu weich und gleichförmig - woran die mangelnde Transparenz trotz SACD liegt, wird weiteres Hören zeigen, manchmal spielt er etwas verwaschen.


    Den Begleittext hat Organistenkollege Hans Karup ursprünglich für die Programmhefte von Vads Recitals geschrieben - dass bei Bach die Tempoangaben in der Taktvorzeichnung und nicht in den italienischen Bezeichnungen stehen, die eben manchmal fehlen, weil sie das Tempo giusto der Taktvorzeichnung nur modifizieren, scheint noch nicht zu Herrn Karup vorgedrungen zu sein ... X(

  • Hallo zusammen,


    nach den Einspielungen von Walcha (DG), Stockmeier, Fagius (Brillant) und Koopman (Teldec) habe ich mir noch die Gesamteinspielung mit Simon Preston besorgt. Das ist die beste! Sehr lebendig, was Tempi und Artikulation angeht, aber nie so betont individualisitisch wie Koopman.


    Habe bis jetzt nur die ersten beiden CDs gehört (Triosonaten und einige Präludien und Fugen), aber das war vom Feinsten.


    Nach vollständiger Hörlektüre schreibe ich hier nochmal was.


    Im Übrigen gefällt mir die 3CD-Box mit Karl Richter sehr gut. Artikulation und Aufzeigen der Architektur sind modellhaft; lediglich über seine Manualwechsel kann man streiten. Die sind nicht mehr Stand der Zeit. Da ich seine Aufnahmen der großen Bachschen Vokalwerke nicht so sehr mag (Ausnahme: Wihnachtsoratorium wegen der Solisten), war ich hier doch positiv überrascht.


    Viele Grüße,
    Wolfram

  • Von Simon Preston habe ich zwar nur 2 CDs, aber sein Zugriff ist mir doch zu "brillant" und vordergründig. Rasend schnell, aber da fehlen mir so einige Zwischentöne (Artikulationen...).
    Nachdem Stockmeier in der öffentlichen Kritik ja meist weniger gut wegkommt(?), habe ich jetzt mal bei jpc reingehört und habe mich doch ziemlich erschrocken, wie blutleer und "stur" man Bach auch spielen kann (die Kreienbrinkinnen können da nicht sooo viel für)..
    Naja, so bleibt's spannend ;-)


    Martin


    PS Mein deutlicher Favorit ist Fagius (nebenbei: zumindest die alten schwarzen BIS-CDs (die Lizenzausgaben kenne ich nicht) gehören zu den wenigen mit Preemphasis, die also auf standardkonforme Behandlung (Höhenabsenken) der Abspielgeräte angewiesen sind, was heute keineswegs mehr vorausgesetzt werden kann - auch Softwareplayer berücksichtigen die meist nicht, was sich in einem grellen Klangbild bemerkbar macht - was hier umso "schader" ist, sind doch die Aufnahmen auch klangtechnisch sehr gelungen (obwohl damals die Aufnahme-Digitaltechnik (aber nicht die Mikrofonierungstechnik, die natürlich deutlich wichtiger ist) in ihren ersten Zügen lag..)

  • Zitat

    Original von MartinH
    PS Mein deutlicher Favorit ist Fagius (nebenbei: zumindest die alten schwarzen BIS-CDs (die Lizenzausgaben kenne ich nicht) gehören zu den wenigen mit Preemphasis ... auch Softwareplayer berücksichtigen die meist nicht, was sich in einem grellen Klangbild bemerkbar macht...


    Hallo MartinH,
    ich benutze auf dem PC die Kombination EAC (zum rippen) und foobar (zum Abspielen). Das von Dir genannte Manko läßt sich beim "rippen" mit EAC recht gut korrigieren.
    Gruß :)

  • Zitat

    Original von Wolfram
    Habe bis jetzt nur die ersten beiden CDs gehört (Triosonaten und einige Präludien und Fugen), aber das war vom Feinsten.


    Man darf das auch für halbleeres Virtuosengeklingel halten, bei dem zudem die Instrumente in der Nachbearbeitung dermaßen aufgebohrt worden sind, dass man sie mit den realen Orgeln überhaupt nicht mehr in Zusammenhang bringt.
    Was daran besser als etwa bei Walcha sein soll...


    Weinbergers Gesamteinspielung wird nächsten Monat zu Ende gebracht. Danach soll es eine Box mit allen 21 CDs geben.
    Diese Schachtel wird eine ganze Zeit der Maßstab bleiben, da bin ich mir sicher.

  • Ja, auf den Weinberger bin ich auch schon gespannt.
    Hoffentlich bleiben äusserst unschöne Schnitte wie einer in den paar online verfügbaren Takten der C-Dur-Fuge (8 kleine) die große Ausnahme (IIRC - hatte mal online reingehört)

  • Hallo!


    Kürzlich hat das französische Label LigiaDigital mehrere Bach-Aufnahmen seines "Hausorganisten" Olivier Vernet in eienr Sonderedition sehr preisgüsntig auf den Markt gebracht:



    Die 19-CD-Box enthält folgende CD-Editionen, die zuvor schein einzeln bzw. als Box erhältlich waren:


    L'œuvre pour orgue (15 CD) The organ works - Das Orgelwerk
    - Guillemin-Orgeln in Merignac und Chavagnes
    - Aubertin-Orgel in Saessolsheim, Vichy und Vertus
    - Freytag & Aubertin-Orgel in Lyon
    - Ahrend-Orgeln in Porrentruy und Mailand
    - Bossart-Orgel in Muri
    - Treutmann-Orgel in Grauhof-Goslar
    - SIlbermann-Orgel in Freiberg (Dom)


    Clavier-Übung 0 (1 CD)
    ‘Un album pour la jeunesse' / An Album for Young Musicians'
    Praeludium and fuguen BWV 553 à 560, 823-1/845, 895, 899 à 902, 925/908b, 933/953, 934/961, 940/180, 943/952, Kleines harmonisches Labyrinth BWV 591


    Concertos pour 2, 3 et 4 orgues (1 CD)
    Concertos for 2, 3 and 4 organs BWV 1060, 1061, 1062, 1064, 1065
    Marie-Claire Alain - Bruno Morin - Frédéric Rivoal - Olivier Vernet
    Collegium Baroque (sur instruments anciens / on period instruments )
    1er violon / 1st violin & direction : Nicolas Mazzoleni


    1er/ 1st CD J. S. Bach-O. Vernet (1 CD)
    Beckerath-Orgel in Montélimar, 1988


    Œuvres diverses & transcriptions (1 CD)
    Dannemarie, Fouesnant, Masevaux (*), Tulle (+), Vichy(*)
    (*) avec Guy Touvron trompette / trumpet
    (+) avec Cédric Meckler orgue à 4 mains / organ duet



    Es werden sehr klangschöne Instrumente verwendet, teils historische instrumente, teils hsitorisierende Instrumente. Die überaus lebendige und spritzige Spielweise von Vernet, historisch informiert, aber stets musikantisch und nie akademisch, machen das Hören dieser Aufnahme zu einem reinem Vergnügen. Herzliche Empfehluing!


    Gruß
    Karsten

  • Hallo zusammen,


    ich bin jetzt mit dem Durchhören der Gesamteinspielung mit Simon Preston durch und finde sie sehr gut.


    Die gewählten Tempi sind meist auf der schnelleren Seite. "Rasend schnell", wie hier geschrieben wurde, finde ich sei allerdings nicht. Auch "Virtuosengeklingel" beschreibt nicht meinen Höreindruck.


    Dass Prestons Spiel schnell wirkt, widerspricht zumindest mal nicht dem, was uns von Bachs eigener Musikwiedergabe berichtet wird. Der Nekrolog schreibt: "Im Dirigieren war er sehr accurat, und im Zeitmaß, welches er gemeiniglich sehr lebhaft nahm, überaus sicher". Es mag nicht unproblematisch sein, aus dieser Beschreibung seines Dirigates auf den Orgelspieler zurückzuschließen; wer aber mittlere oder gar langsame Tempi favorisiert, hat jedoch die Beweislast gegen sich. Und war Bach nicht gerade als Orgel- und Cembalovirtuose berühmt, viel mehr jedenfalls denn als Komponist?


    Sehr angenehm finde ich, dass Preston keine Zeigefingerartikulation oder -agogik verwendet. Wie oft finde ich bei HIP-nahen Organisten und Cembalisten jede Eins, jede Betonung, wie mit dem Vergrößerungsglas hervorgehoben - leider zu Lasten des Flusses! Preston geht hier ungleich subtiler vor. Sehr wohl weiß er artikulatorisch und agogisch zu differenzieren - man höre etwa die Sonaten oder das Orgelbüchlein -, doch dies geschieht in einem für meine Begriffe unaufdringlichen Rahmen. Agogik verwendet er, um die Architektur zu zeigen - meist an Übergängen zwischen verschiedenen formalen Abschnitten. Wer hinhört, bemerkt sehr wohl eine sehr reich differenzierte Artikulation; aber der Interpret stellt sich damit nicht vor den Komponisten. Die einzige Ausnahme davon fand ich in der F-Dur-Toccata, in der die vielstimmigen Akkordschläge für meinen Geschmack zu kurz, zu scharf abgerissen klangen.


    Ich finde diese Gesamtaufnahme ausgezeichnet, um die Werke quasi in Reinschrift kennenzulernen. Man mag sein Bachbild gerne erweitern durch Koopman und Vogel einerseits, Rübsam und Bowyer andererseits, ferner Walcha und Richter oder Aufnahmen französischer Provenienz. Preston ist jedoch in jedem Falle ein gut geeigneter Ausgangspunkt.

  • Zitat

    Original von Wolfram
    ich bin jetzt mit dem Durchhören der Gesamteinspielung mit Simon Preston durch und finde sie sehr gut.


    Da werden wir uns wohl nicht einigen können. :no:


    Zitat

    Sehr angenehm finde ich, dass Preston keine Zeigefingerartikulation oder -agogik verwendet. Wie oft finde ich bei HIP-nahen Organisten und Cembalisten jede Eins, jede Betonung, wie mit dem Vergrößerungsglas hervorgehoben - leider zu Lasten des Flusses! Preston geht hier ungleich subtiler vor. Sehr wohl weiß er artikulatorisch und agogisch zu differenzieren - man höre etwa die Sonaten oder das Orgelbüchlein -, doch dies geschieht in einem für meine Begriffe unaufdringlichen Rahmen. Agogik verwendet er, um die Architektur zu zeigen - meist an Übergängen zwischen verschiedenen formalen Abschnitten. Wer hinhört, bemerkt sehr wohl eine sehr reich differenzierte Artikulation; aber der Interpret stellt sich damit nicht vor den Komponisten. Die einzige Ausnahme davon fand ich in der F-Dur-Toccata, in der die vielstimmigen Akkordschläge für meinen Geschmack zu kurz, zu scharf abgerissen klangen.


    Gerade dieser "Fluss" gefällt mir überhaupt nicht, weil er über alles hinwegspült und als Gliederung nur Riesenphrasen übrig lässt.
    Das mag auch noch differenziert sein, aber wenn man sich an alte Fingersätze, rhetorische Figuren und den ganzen Kram gewöhnt hat, wirkt Prestons Spielweise sehr befremdlich.


    Aber Vorsicht, hier betreten wir wieder das beliebte Hip-Minenfeld. :D
    Lassen wir es als Geschmacksfrage doch einfach so stehen.


    Was sich allerdings nicht wegdiskutieren lässt, ist dieser abenteuerliche Umgang der Toningernieursriege mit den Orgeln. Das ist nicht mehr angepasst oder ein bisschen geschönt, das ist akustisch gelogen. Für mich stellt sich da die Frage, wie weit dieser Aspekt den ganzen Rest mit in die Unglaubwürdigkeit zieht.


    Zitat

    Ich finde diese Gesamtaufnahme ausgezeichnet, um die Werke quasi in Reinschrift kennenzulernen. Man mag sein Bachbild gerne erweitern durch Koopman und Vogel einerseits, Rübsam und Bowyer andererseits, ferner Walcha und Richter oder Aufnahmen französischer Provenienz. Preston ist jedoch in jedem Falle ein gut geeigneter Ausgangspunkt.


    Von Vogel und Richter kenne ich gar keine Gesamtaufnahme.
    Die m. E. wichtigste und beste hast Du Nicht erwähnt:
    CPO hat gerade die letzte Folge von Weinbergers Einspielung herausgebracht.
    Die halte ich für den derzeit besten Ausgangspunkt in Sachen Bachsches Orgelwerk.

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Es ist lange her, dass ich zwei von Simon Prestons Bach-CDs gehört habe, ich erinnere mich nur, dass ich ihn auf die Dauer etwas zu glatt und "sachlich" fand, zwar sehr klar, aber ohne Charme. Ich habe die CDs dann wieder verkauft.


    Von der leider gekippten Einspielung der Deutschen Harmonia Mundi mit verschiedenen Organisten auf der gleichen Orgel (von Ahrens in San Simpliciano in Mailand) hatte ich mir einiges versprochen; jetzt bin ich mit Gerhard Weinberger und der Vielfalt der historischen Orgeln eigentlich zufrieden. Kein Organist kann alles von Bach (oder irgendeinem anderen Komponisten) mit der gleichen hohen interpretatorischen Qualität spielen .....

  • Marie-Claire Alain ist bislang noch nicht erwähnt worden?


    Ihre dritte "Gesamt"-Aufnahme, diesmal digital, der Orgelwerke ist meines Erachtens eine echte Schatztruhe. Ähnlich wie Koopman registriert sie sehr abwechselungsreich und klar, was Langeweile nicht aufkommen läßt und sehr zur Durchhörbarkeit der verschiedenen Stimmen beiträgt. Abweichend von Koopman neigt sie allerdings nicht zu übermäßiger Verziehrung, was ihrem Spiel nach meinem Höreindruck einen im besten Sinne des Wortes eher nüchternen, abgeklärten Charme, vielleicht gespeist aus der Erfahrung eines langen - jahrzehntelangen - Interpretinnendaseins, verschafft.


    Ob diese Aufnahme "ultimativ" ist, vermag ich nicht zu sagen, sie vermag aber in jedem Fall neben Aufnahmen von Preston, Walcha, Koopman und anderen zu bestehen.

  • Wenn ich mich richtig erinnere, favorisierte Madame Alain in ihrer zweiten Gesamteinspielung Instrumente, die Bachs Anforderungen und seinen persönlichen Vorstellungen an das, was ein solches Instrument zu leisten habe, kaum entsprechen. Weder die Orgeln Silbermanns in Rötha, quasi vor Bachs "Haustür" entstanden, noch die Schnitkerorgel der Martinskerk zu Groningen, die zum Termin der Einspielungen noch nicht wieder auf den Zustand der Zeit ihrer "Fertigstellung" zurückgeführt wurde, hätten Gnade vor Bachs Ohren gefunden.


    Madames Preferierung der Instrumente Silbermanns, der sein Handwerk im Elsass erlernte, beschert uns quasi einen "französischen" Bach, durchaus auf hohem Niveau, wie man es von der interpretin gewohnt ist. Man hört Bach sozusagen als Nachfolger Grigyns ! :D


    Weiland war meine Präferenz, die, wie Miguel schon schrieb, leider gekippte
    Aufnahme auf der AHREND-Orgel in Mailand, hier u. a. mit dem fulminanten Lorenzo Ghielmi.
    Mit Weinbergers Einspielung, nicht zuletzt aufgrund der hier zu erlebenden Orgel-Vielfalt kann ich wunderbar leben und lst not least glaube ich sowieso nicht an "ultimative Gesamteinspielungen" weil sich jede Zeit, jede Epoche ihre
    Kunstwerke neu erarbeiten, um nicht zu sagen, "neu erfinden" muss !

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Zitat

    Original von BigBerlinBear
    Wenn ich mich richtig erinnere, favorisierte Madame Alain in ihrer zweiten Gesamteinspielung Instrumente, die Bachs Anforderungen und seinen persönlichen Vorstellungen an das, was ein solches Instrument zu leisten habe, kaum entsprechen. Weder die Orgeln Silbermanns in Rötha, quasi vor Bachs "Haustür" entstanden, noch die Schnitkerorgel der Martinskerk zu Groningen, die zum Termin der Einspielungen noch nicht wieder auf den Zustand der Zeit ihrer "Fertigstellung" zurückgeführt wurde, hätten Gnade vor Bachs Ohren gefunden.!


    Hallo!


    Marie-Claire Alain verwendete für ihre zweite Gesamteinspielung der Bach-Orgelwerke folgende Instrumente;
    - Schwenkedel-Orgel, Collegiale St-Donat, Drome
    - Metzler-Orgel der Basilika Mariastein (Schweiz)
    - Marcussen-Orgel, St. Nikolaus, Kolding (Dänemark)
    - Marcussen-Orgel Schlosskirche Augustenborg


    All diese Ogrel sind Neubauten. Marie-Claire Alain erwähnte später, dass zum Zeitpunkt der Aufnahmen ( ab 1978 ) die historischen Orgeln entweder noch nicht restauriert und aufnahmetauglich gewesen seinen oder man aufgrund der poltiischen Verhältnisse dort keinen Zugang hatte. In dem umfangreichen Booklet geht sie auch auf die Instrumentenwahl ein. So entsprächen die Orgeln auf Grund spezieller Eigenheiten (zB Mixturzusammenstellung u.ä.) durchaus den Klangvorstellungen, die Bach in der jeweiligen Entwicklungsphase gehabt habe.


    Bei der dritten Gesamteinspielung, nach dem Fall des eisernen Vorhangs und erfolgreichen Restaurierungsmaßnahmen greift Marie-Claire Alain auf historische Instrumente zurück (Ausnahme: eien CD wurde in Masevaux an einer Kern-Orgel eingespielt).


    Gruß
    Karsten

  • Hallo Karsten, die von mir erwähnten Aufnahmen stammen allesamt aus den 90gern, konkret handelt es sich um diese:





    ist das nun eine dritte Gesamteinspielung ? Ich kann ach nicht so recht verifiziren, ob diese abgeschlossen wurde. Die Values bei JPC gehen bis CD Nr. 14. Zumindest in Sachen Groningen war zum Aufnahmezeitpunkt (1992 ? )
    noch nichts wesentliches geschehen.

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Zitat

    Original von BigBerlinBear
    Zumindest in Sachen Groningen war zum Aufnahmezeitpunkt (1992 ? )
    noch nichts wesentliches geschehen.


    ?(


    Ahrend behauptet heute noch, 1984 mit der Restaurierung fertig gewesen zu sein.

  • Zitat

    Original von BigBerlinBear
    Hallo Karsten, die von mir erwähnten Aufnahmen stammen allesamt aus den 90gern, konkret handelt es sich um diese:


    ist das nun eine dritte Gesamteinspielung ? Ich kann ach nicht so recht verifiziren, ob diese abgeschlossen wurde. Die Values bei JPC gehen bis CD Nr. 14. Zumindest in Sachen Groningen war zum Aufnahmezeitpunkt (1992 ? )
    noch nichts wesentliches geschehen.


    Hallo!


    Ja, das ist Marie-Claire Alains dritte Gesamteinspielung der Bach'schen Orgelwerke. Die erste Gesamteinspielung machte sie in den 60er Jahren. Die gab es allerdings nur als Schallplatte. Ich habe diese Aufnahmen nie gehört, aber da muss sie noch recht "legato" gespielt haben (wie damals halt üblich).
    In der zweiten Gesamteinspielung trägt dann ihre Beschäftigung mit historischer Aufführungspraxis (Artikulation etc.) Früchte. Das umfangreiche Booklet der zweiten Gesamtaufnahme ist sehr interessant und deckt eigentlich alles Aspekte ab, die Bach und die Orgel betreffen. Leider ist das Booklet nur in Französisch und Englisch. Ich weiß auch nicht, ob es das Booklet in die Low-Budget-Box "geschafft" hat...


    Die dritte Gesamteinspielung ist abgeschlossen. Sie wurde ja auch als Box auf den Markt gebracht. Man kann sich nun streiten, wie "vollständig" eine Gesamteinspielung sein muss. Eigentlich fehlen in jeder Gesamtaufnahme irgendwelche Einzelwerke, sei es, weil sie definitiv nicht von Bach sind oder weil es "nur" kleinere Werke sind, die man nicht unbedingt haben muss. Die Einspielungen von Weinberger und Fagius scheinen mir mit die "vollständigsten" zu sein (wobei Weinberger beispielsweise das Pedalexercitium meines Wissens nicht aufgenommen hat, wohl weil es gar nicht für Orgel gedacht war).


    Gruß
    Karsten

  • Zitat

    Ahrend behauptet heute noch, 1984 mit der Restaurierung fertig gewesen zu sein.


    Ich gehe einmal davon aus, daß Ahrend damit recht hat und ich werde wohl wieder einmal mehr Groningen mit Zwolle verwechselt haben, weil BEIDE Orgeln sch in Martinskirchen befinden. Aber wie sagte doch schon ein Fussballgott:


    Zitat

    Mailand oder Madrid, Hauptsache Italien


    Karsten, vielen Dank für Deine Ausführungen, die jetzt "Licht" ins Alainsche Dunkel brachten. Weisst Du zufällig, on MCA noch Konzerte gibt ? Ich hab sie zuletzt 2000 gehört.


    Wenn alles das, was man Bach an Orgelwerken zuschreibt, noch einmal gründlich gesichtet würde, verschöben sich die Proportionen bestimmt noch einmal und dann wäre eine "Gesamteinspielung" der authentischen Werke vielleicht auf 4 CD unterzubringen. Ich selber habe in Sachen Bach nicht den Anspruch an enzyklopädische Vollständigkeit, dergleichen taugt mehr für das Guinnessbuch der Rekorde als zu einer ernsthaften Auseinandersetzung mit Leben und Werk eines Komponisten.

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Zitat

    Original von BigBerlinBear
    Karsten, vielen Dank für Deine Ausführungen, die jetzt "Licht" ins Alainsche Dunkel brachten. Weisst Du zufällig, on MCA noch Konzerte gibt ? Ich hab sie zuletzt 2000 gehört.


    Ob Marie-Claire Alain noch Konzerte gibt, kann ich nicht sagen. Überraschen würde es mich jedenfalls nicht. Sie hat wohl schon vor einigen Jahren angekündigt haben, sie auch dem aktiven Konzertleben zurückziehen zu wollen, aber in den letzten Jahren ließ sie sich hin und wieder zu Meisterkursen und Konzerten überreden (oder sie löste weiter zurückliegende Zusagen ein).
    2007 beispielsweise spielte sie an der Walcker-Orgel in Schramberg...


    Gruß
    Karsten

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose