Karfreitag- welche Matthäus-Passion hört ihr ?

  • Sagitt meint:


    Herreweghe hatte soviele Musiker mit einer riesigen Erfahrung. Wieviele Passionen wird Pregardien schon gesungen haben ?


    Das kleine Ensemble war wunderbar.


    Die Solisten gut, aber wenn man Jahrzehnte diese Passion hört, sind die Maßstäbe natürlich sehr hoch.Keiner der Solisten erreichte höchstes Niveau.


    Herrweghe ist weniger dogmatisch als mit seiner Aufnahme von 1985 ( im übrigen nur schwer anzuschauen, seine eigene Passion führte er da vor).


    Biller hätte mich auch interessiert. Nicht, dass ich eine Passion mit um die hundert Sänger wirklich interessant fände, es sei denn,man kann selbst mitsingen, wie ich gestern die Johannes-Passion im Bremer Dom.
    Eher, wo die Interpretationsansätze aus Leipzig heute stehen.
    Biller hatte ja überwiegend Solisten, deren Glanzzeit vorbei ist. Wie war denn Andreas Schmidt?

  • Lieber Sagitt,


    namentlich kann ich mich bei den Thomanern nur noch an Martin Petzold als Evangelisten erinnern, es wurde doch recht spät (resp. früh).


    Ich werde nochmals recherchieren.


    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Die Aufnahme unter Herreweghe aus der Kölner Philharmonie, war die schlechteste, die ich je gehört habe.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Sagitt meint:


    Bei Biller sollen gesungen haben. Frimmer, Schmidt, Bär, Pätzold, alles erfahrene Sänger, wenn ich es etwas euphemistisch ausdrücke.


    Die Gründe, warum denn die Matthäus-Passion soo schlecht war, würden ja doch interessieren. Ich habe das Werk selbst so an die zehn Mal gesungen und fand diesen Chor bei Herreweghe ausserordentlich überzeugend. Da dort jede Menge Profis mitsangen, war auch der Blitzechor ausreichend durchschlagend,.
    Den schlanken Zugang von Pregardien hat mir gefallen, die beiden Altus waren nicht mein Geschmack, der Jesus sehr ordenlich, die Solisten aus dem Chor alle überzeugend.


    Was also war soo schlecht ?

  • Zitat

    Original von sagitt
    Was also war soo schlecht ?


    Nochmals zu Herrewege:
    Seine Werksauffassung fand ich auch schlüssig und beseelt.
    Ich habe meine Einschränkungen lediglich bei den hohen Männerstimmen (Soli) festgestellt, ansonsten war ich mit der Übertragung zufrieden.


    Was Herbert zu so harscher Kritik veranlasst, würde mich auch interessieren.


    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Was mich zu meiner harschen Beurteilung veranlaßte, war wohl in erster Linie eine Erwartungshaltung. Es war nur teilweise eine historische Aufführungspraxis. Bach hat sicherlich keine Countertenöre in den Arien eingesetzt. Im Eingangschor vermißte ich den Knabenchor, "O Lamm Gottes unschuldig", der im Zusammenklang mit dem Hauptchor ein ganz besonderes Colorid entstehen läßt. Der Evangelist war der einzige Solist, der Ausdruck in seinen Gesang brachte. Der Sänger des Jesus war außer Pregardien der einzige Solist der den Anforderungen seiner Partie gerecht wurde. Der Chor, der ja auch zum Teil aus den Solisten bestand war klein, aber präzise. Das Orchester war gut. Die Gesamtleitung durch Herreweghe war auch sehr gut. Meine Lieblingsarie aus dieder Passion "Erbarme dich", hat mich nicht bewegt, sondern eher gelangweilt. Ich habe zehn Aufnahmen der M.P. von 1935 bis in die 70er Jahre, die alle hervorragend sind. Ich habe in den 60er Jahren viele große Interpreten in der M.P. erlebt, z.B. E. Ameling, A.Giebel, M.Höffgen, K. Equiluz, T. Altmeyer, J.Traxel, F.Crass, S.Nimsgern u.a. Der Dirigent war meist Günter Wand. Ich muß zugeben, daß die Solisten für mich eine große Rolle spielen, da ich selber in der M.P. einige Male mitgewirkt habe. Meine Einschätzung der Aufnahme mit Herreweghe ist ganz sicher absolut subjektiv.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Ergänzend hier nochmals die Besetzung der Matthäus-Passion aus der Kölner Philharmoniie:


    28. März | 18.00 Uhr | Köln, Philharmonie


    Johann Sebastian Bach: Matthäus-Passion BWV 244


    Dorothee Mields Sopran
    Hana Blažíková Sopran
    Damien Guillon Altus
    Robin Blaze Altus
    Colin Balzer Tenor
    Hans Jörg Mammel Tenor
    Matthew Brook Bass
    Stephan MacLeod Bass


    Christoph Prégardien Tenor (Evangelist)
    Tobias Berndt Bass (Christusworte)


    Chor und Orchester des Collegium Vocale Gent
    Philippe Herreweghe Dirigent


    Das Konzert wurde von 3sat aufgezeichnet
    und am 2. April (Karfreitag) um 21:00 gesendet


    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Hier der versprochene Nachtrag:


    MDR-Fernsehen, 3.4.2010 00:00 Uhr – 02:55 Uhr

    Matthäus Passion BWV 244 aus der Thomaskirche zu Leipzig


    Musikalische Leitung:


    Georg Christoph Biller (Thomaskantor)


    Mitwirkende:


    Thomanerchor,
    Gewandhaus Kinder- und Jugendchor,
    Gewandhausorchester;

    Monika Frimmer (Sopran),
    Bogna Bartosz (Alt),
    Martin Petzold (Tenor),
    Andreas Schmidt (Bass),
    Olaf Bär (Bass)

    Die Interpreten der Aufzeichnung aus der Thomaskirche zu Leipzig sind fast ausnahmslos mit dem Werk des Komponisten eng verbunden. So war Martin Petzold (Tenor) Mitglied des Thomanerchores, ebenso Thomaskantor Georg Christoph Biller. Er ist der 16. Amtsnachfolger Bachs. Die Altistin Bogna Bartosz errang 1992 den ersten Preis im Fach Gesang beim Internationalen Bach-Wettbewerb in Leipzig.
    Das Solistenensemble vervollständigen Olaf Bär (Baß), der Mitglied des Dresdner Kreuzchores war, sowie Monika Frimmer (Sopran) und Andreas Schmidt (Baß). Ebenso sind Thomanerchor und Gewandhausorchester Garanten einer authentischen Bachinterpretation.


    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Sagitt meint:


    Das Dilemma vieler höchst interessanter Interpretationen aus neueren Zeiten ist, dass sie nicht so überragende Solisten haben, wie wir sie von verschiedenen Aufnahmen kennen. Eine Dorothee Mields ist keine Elly Ameling oder eine der "Grossen".


    Dafür bekommt eine differenzierte Interpretation. Alles Pathetische ist weg.
    Die Qualität des Chores ist natürlich viel höher als die eines Bach-Chores aus München oder eines grossen Ensembles, die früher eingesetzt wurden.


    Ich kann der Einschätzung zustimme, dass kein Solist dieser Aufführung bei Herrweghe den höchsten Standards gerecht wurde, aber die Gesamtinterpretation ist deswegen nicht schlecht, sondern eindrucksvoll.


    Ein wenig hat Herreweghe etwas rekonstruiert, was wohl zu Bachs Zeiten Usus war. Aus dem Chor heraus wurde die Passion aufgeführt.

  • Liebe Forianer,
    wieder bestätigte sich die allgemeine Erfahrung, dass eine Originalaufführung einer noch so guten CD-Aufnahme (z.B. Matthäuspassion unter Karl Böhm) überlegen sein kann. Diesen Karfreitag empfand ich mehrfach Gänsehaut bei einer Aufführung der Matthäuspassion in der Nikolaikirche Rostock unter dem Kantor Karl Bernhardin Kropf. Chor (St. Marien Rostock), Orchester und Solisten boten eine rundum geschlossen gute Aufführung. Die Kirche war bis auf den letzten Sitz- und Stehplatz gefüllt - auch das wirkt sich als "Rückkoppplung" für die Ausführenden anspornend aus. Es hat nun wenig Sinn, die "Lokalmatadoren" in diesem Forum zu preisen, meinen Matthäuspassions-Favoriten auf CD hatte ich oben genannt und den werde ich mir wohl spätestens in einem Jahr wieder zu Gemüte führen.
    Einen schönen Ostermontag wünscht allen
    Lohengrin

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Liebe Forianer.
    am Karfreitag fehlt mir der Sinn für eine Passion - aber während der gesamen Fastenzeit habe ich mir diesmal die Bach'sche Matthäus-Passion in vier verschiedenen Interpretationen, sozusagen vergleichend, angehört:



    Herreweghe 1998 (HIP) liefert für mich eine der beeindruckendsten Einspielungen (neben Mauersberger 1974 und Rilling 1994). Die Besetzung ist erstklassig: Evangelist: Bostridge, Jesus: Selig das Solistenquartett: Rubens, Scholl, Güra und Henschel - die Interpretation besticht neben der rein musikalischen Qualität durch hohe emotionale Intensität.


    Rilling 1994 hat in Sachen Bach'sche Vokalwerke mit seiner Gächinger Kantorei und dem Bach-Collegium Stuttgart fast immer eine zumindest interessante "moderne" Alternative zu bieten - das gilt auch hier: obwohl, trotz Evangelist: Schade, Jesus: Goerne und dem ausgeglichenen Solistenquartett Oelze, Danz, Schade, Quasthoff gilt, wenn schon konventionell dann bitte


    die Brüder Mauersberger 1970: die Thomaner, der Kreuzchor, Schreier als Evangelist, Jesus Adam, Solisten: Stolte, Burmeister, Rotzsch, Leib) das ist die Matthäus-Passiom für mich - packend, dramatisch ohne übertriebenen Pathos - ein Ereignis!!!


    Cleobury 1994 (HIP) fällt mit seinem Mitschnitt aus Cambridge gegen all die oben genannten etwas ab: sein Chor ist ausgezeichnet, sein Orchester stilrein aber bis auf die Sopransolistin (Emma Kirkby) fallen die Gesangsleistungen klar ab (Evangelist: Covey-Crump, Jesus: George Solsten: Kirkby, Chance, Hill und Thomas). Die Interpretation wirkt insgesammt etwas unausgeglichen - trotzdem, nicht nur für den Preis eine gute Aufnahme!


    Dazu kam noch am 24. März Herreweghe in der Besetzung der Fernsehübertragung im Festspielhaus St.Pölten: Live war das jedenfalls ein intensives Erlebnis - bewegend, ergreifend - eine Passion die berührte!!

    :jubel: :jubel: :jubel:



    Ergänzend dazu hörte ich noch Bach: Johannes-Passion mit Cleobury 1996 (HIP) und Ramin 1954, sowie die Telemann Matthäus-Passion TWV 5:53 unter Pal 1993 (HIP)


    Als seltenes "Zuckerl" empfand ich ergänzend, dass ich am 6. März, sozusagen als Einstimmung, live die Telemann Johannes-Passion TWV 5:29 in einer engagierten "Laien"-Interpretation erstmals hören konnte - ein leider nicht oft aufgefürtes Meisterwerk.


    Für dieses Jahr folgt nur mehr ein Parsifal in der Staatsoper, dann ist für mich Ostern komplett.


    Liebe Grüße aus Wien


    Giovanni

    Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum. (Friedrich Nietzsche)

  • Hallo Sagitt,


    dein Zitat:
    Biller hätte mich auch interessiert. Nicht, dass ich eine Passion mit um die hundert Sänger wirklich interessant fände, es sei denn,man kann selbst mitsingen, wie ich gestern die Johannes-Passion im Bremer Dom.
    Eher, wo die Interpretationsansätze aus Leipzig heute stehen.
    Biller hatte ja überwiegend Solisten, deren Glanzzeit vorbei ist.


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    Im November 1992 wurde Georg Christoph Biller zum 16. Thomaskantor berufen. Die Matthäus Passion vom MDR am 3.4.2010 Beginn: 00:00 Uhr ist eine Aufzeichnung von 1999 aus der Thomaskirche Leipzig. Somit eine alte Aufführung aus der sich neuzeitliches nicht herleiten lässt, das zur allgemeinen Information, nicht dass der Eindruck entsteht, es wäre ein Aufzeichnung aus dem Jahre 2010.


    Ich fand die Aufführung von Herreweghe in der Philharmonie Köln als Übertragung von 3sat - bis auf den Aussetzer - hervorragend, endlich einmal Gesangs-Solisten die mich überzeugen konnten. Ein Juwel für die Zukunft ist der junge Bartion Tobias Berndt (Christusworte) der kurzfristig für den erkrankten Simon Kirkbride eingesprungen ist. Sein Potential ist schon beeindruckend.


    Grüße
    Volker

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

  • Ich möchte hier diese Einspielung vorstellen.

    St. Matthew Passion BWV 244


    James Gilchrist, Matthew Rose, Sophie Bevan, David Allsopp, Mark Le Brocq, William Gaunt, Choir of King's College Cambridge, Stephen Cleobury

    Diese Aufnahme brilliert erstmal durch die phantastische Stimme von David Allsopp.

    Es scheint, als ob das ganze Werk um die wunderbare Arie "Erbarme Dich" herum aufgebaut ist.

    Hier einen Counter Tenor zu besetzen, halte ich für künstlerische Freiheit und bestimmt die Schwerelosigkeit der Gesamteinspielung.

    Die Bewertung der Einzelstimmen überlasse ich gerne anderen, für mich ist wichtiger, das ich mich nicht beim Hören "quäle", (ich muss das jetzt zu Ende hören), sondern eine wunderbare (Aus) Zeit verbringe.

    Dazu gehört auch, das ich mich nicht damit abarbeite, jedes Wort verstehen zu müssen.

    Ich höre Zimmerlautstärke, suche keine besonderen Effekte, aber in dieser Aufnahme ist der tolle Hall des Aufnahmeortes zu hören, die ganze Einspielung "atmet".


  • Diese Aufnahme hat mich vom ersten anhören an begeistert, bis HEUTE!


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Ich möchte hier diese Einspielung vorstellen.

    St. Matthew Passion BWV 244


    Vielen Dank für Deine Einschätzung – anderswo zwar nicht so gut weggekommen - trotzdem werde ich mir diese Einspielung besorgen: Eine schöne Erinnerung an den Dirigenten …


    Außerdem: Welcome back! :hello:

    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)

  • Ich möchte zum Rubrikthema folgendes sagen: Meine letzte live erlebte "Matthäus"-Passion ist leider ziemlich lange her, genau zehn Jahre: 2010 in der Berliner Philharmonie mit den Berliner Philharmonikern unter Sir Simon Rattle, (die bei Rattller geradezu unvermeidliche) Magdalena Kozena sang die Alt-Partie, Christian Gerhaher den Jesus und Thomas Quasthoff die Bass-Arien-Partie, es war glaube ich das letzte Mal, das ich Quasthoff live erlebte. Es gab ein szenisches Arrangement von Sir Peter Sellars, was ich zuerst skeptisch registrierte, was mich dann aber doch sehr beeindruckte.


    Waru ich das jetzt erzähle. Weil die Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker aktuell für jeden kostenlos zugänglich ist, auch noch über Ostern, weshalb ich mir an Karfreitag den dort eingestellten Mitschnitt dieses Konzerts ansehen und anhören werde.


    Selten hat Rattle mich so sehr überzeugt wie hier, vielleicht mein Lieblingsdirigat von ihm - nach Abbado 1997 an gleichem Ort meine eindrücklichste "Matthäus-Passion".

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ich habe nach meiner Erinnerung lediglich ein einziges Mal am Karfreitag eine Bach'sche Matthäus-Passion angehört. Das dürfte vor sieben oder acht Jahren gewesen sein. Es war die hochberühmte Einspielung unter Klemperer. Es hat mich in meiner Überzeugung bestärkt, dass mir die Johannes-Passion eindeutig mehr liegt. Seither hörte ich jene nach Matthäus nicht mehr komplett. :stumm:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich habe nach meiner Erinnerung lediglich ein einziges Mal am Karfreitag eine Bach'sche Matthäus-Passion angehört

    Instinktiv richtig. Weil liturgisch in der Karfreitagsliturgie die Johannespassion ihren Platz hat.

    Er hat Jehova gesagt!

  • Ich werde am Karfreitag sehr traurig sein, denn ich hätte meine absolute Referenzaufnahme der Matthäuspassion unter Herreweghe (2010, live aus Köln, zum Glück mitgeschnitten) live in der Essener Philharmonie erleben können; eine Karte hatte ich auch schon.

    Öfter werden hier die Matthäuspassion und die Johannespassion verglichen. Es handelt sich um zwei grundverschiedene Werke. Die Johannespassion ist für mich die Oper, die Bach ja nie geschrieben hat. Die beiden Chöre "Kreuzige, kreuzige" und "Weg, weg mit ihm, kreuzige" gehören zu den rasantesten Chören, die je (das heißt: bis heute!) geschrieben wurden.

    Ich habe diese Passion in vier verschiedenen Ensembles gesungen. Am besten klingt sie, wenn sie von einem Kammerchor (25-30 Sänger) aufgeführt wird, denn nur trainierte Sänger in kleiner Besetzung können diese anspruchsvollen Kompositionen bewältigen. Auch das Orchester sollte klein und fein sein. In allen Chören waren wir immer ergriffen vom Schlusschor "Ruhet wohl, ihr heiligen Gebeine", dem dann noch ein Choral folgt, der diese Ergriffenheit wieder in Zuversicht ummünzt ("Ach Herr, lass dein lieb Engelein").

    Die Matthäuspassion ist ein viel kontemplativeres Werk, auch wenn es kompositorische Highlights hat wie "So ist mein Jesus nun gefangen", gefolgt vom Sturm des "Sind Blitze, sind Donner", das Rossini nicht hätte besser machen können. Bei der Matthäuspassion gibt es auch zwei Chöre, dazu ein Kinderchor. Das verleitet immer noch viele Dirigenten und Kantoren, das Werk als Monumentalwerk (sozusagen ein "akustischer Sandalenfilm") aufzuführen. In meiner Jugend in Düsseldorf sowieso, zuerst schoben sich immer 8 Kontrabässe rein, dann der Rest. Im letzten Jahr in Wuppertal auch: 100 Mann im Orchester, 120 im Chor.. Ich könnte meinen Beethoven-Spruch (den Alfred so liebevoll zitiert) so variieren, dass auch Dirigenten, die die Matthäuspassion in dieser Form aufführen, wegen Fälschung großer Kunstwerke die gleiche Strafe ertragen müssen wie die Fälscher von Beethoven-Sinfonien.


    P.S. Hier ein Geständnis: es gibt in der Johannespassion einen Chor, in dem ein Dialog mit dem Bass stattfindet. Der singt: "Eilt, ihr angefochtnen Seelen", der Chor fragt: "Wohin?", und das nicht nur einmal. Weder von den Einsätzen noch von den Tönen habe ich das je richtig gesungen, bei der letzten Aufführung habe ich nur so getan ...:untertauch: Also wie bei dem Cluster von Penderecki: es wird überall nur mit Wasser gekocht.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Ich werde mir die Herreweghe Interpretation der bachschen Mattthäus-Passion in den Player legen. Ich habe die Erstausgabe mit zusätzlicher CD-ROM, die die Hintergründe medial aufgearbeitet erklärt.


    Ich sehe, dass die beiden Interpretationen der Passionen [Matthäus BWV 244 (1998) und Johannes BWV 245 (2001)] in einer 5er Box erhältlich sind.


    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Vielen Dank für Deine Einschätzung – anderswo zwar nicht so gut weggekommen - trotzdem werde ich mir diese Einspielung besorgen: Eine schöne Erinnerung an den Dirigenten …


    Außerdem: Welcome back! :hello:

    Danke schön!

    Kannst du vielleicht beschreiben, wo die Einspielung nicht so gut beurteilt wird?

    Ich nehme gerne Anregungen auf, um die Aufnahme unter verschiedenen Aspekten zu hören.

    Herzliche Grüße

    Thomas

  • Kannst du vielleicht beschreiben, wo die Einspielung nicht so gut beurteilt wird?


    aus: Notizbuch eines Rezensenten – CD-Kurzrezensionen von Remy Franck vom 8.3. (Folge 260)


    Nicht im Spitzenpeloton: Stephen Cleobury und der Chor des King’s College, Cambridge, haben die Matthäuspassion schon 2011 aufgenommen. Jetzt gibt es eine Neuaufnahme von 2019, entstanden kurz vor dem Tod des Dirigenten. Es ist eine wohl intimistisch angedachte, aber letztlich müde Interpretation, der es viel an Dynamik fehlt. Weder der Chor, noch die Akademie für Alte Musik können auf Dauer die Aufmerksamkeit des Zuhörers aufrechterhalten. Auch die Solisten bleiben blass. Der Evangelist wirkt pathetisch, Mathew Rose ist ein sympathischer Jesus, vielleicht sogar zu sympathisch. Die Sopranistin Sophie Bevan kämpft mit den unteren Lagen und die übrigen Herren, David Alsopp, Mark Le Brocq und William Grant haben auch Mühe ihrem anspruchsvollen Part gerecht zu werden. Wie schon für die Johannespassion (Rezension) bleibt Cleobury auch für die Matthäuspassion außerhalb des Spitzenpelotons. (KGS0037) – ♪♪♪

    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)

  • Ich werde vermutlich diese Aufnahme hören:



    Das Tempo spricht mir sehr zu und die Solisten sind gut bis sehr gut. Die Altistin Sophie Harmsen gefällt mir sehr gut und Tilman Lichdi ist IMHO der zur Zeit beste Evangelist weit und breit.

    "Lassen Sie sich ruhig fallen, bei Bruckner fallen Sie immer nach oben"
    Günter Wand


  • aus: Notizbuch eines Rezensenten – CD-Kurzrezensionen von Remy Franck vom 8.3. (Folge 260)


    Nicht im Spitzenpeloton: Stephen Cleobury und der Chor des King’s College, Cambridge, haben die Matthäuspassion schon 2011 aufgenommen. Jetzt gibt es eine Neuaufnahme von 2019, entstanden kurz vor dem Tod des Dirigenten. Es ist eine wohl intimistisch angedachte, aber letztlich müde Interpretation, der es viel an Dynamik fehlt. Weder der Chor, noch die Akademie für Alte Musik können auf Dauer die Aufmerksamkeit des Zuhörers aufrechterhalten. Auch die Solisten bleiben blass. Der Evangelist wirkt pathetisch, Mathew Rose ist ein sympathischer Jesus, vielleicht sogar zu sympathisch. Die Sopranistin Sophie Bevan kämpft mit den unteren Lagen und die übrigen Herren, David Alsopp, Mark Le Brocq und William Grant haben auch Mühe ihrem anspruchsvollen Part gerecht zu werden. Wie schon für die Johannespassion (Rezension) bleibt Cleobury auch für die Matthäuspassion außerhalb des Spitzenpelotons. (KGS0037) – ♪♪♪

    Hallo Maurice,

    ich habe gleich mal Romy Franck gegoogelt und bin auf die pizzicato Seite gestoßen.

    In einer Rezension über die Gesamtaufnahme von Fazil Say mit den Beethoven Sonaten sagt er im letzten Satz.

    "Dagegen ist Pollini ein Plüschbär und Gilels ein ausgestopfter Grizzlybär".


    Ich liebe solche Vergleiche, da weiß ich gleich, wem ich nicht folgen muss.


    Im Chor der Kritiker reicht es für Herrn Franck höchstens zum Wasserträger.


    Nun, die Passion schafft es mühelos, meine Aufmerksamkeit zu erhalten. Gleich beim ersten "Reinhören" hat die Aufnahme mich berührt, was sonst nur selten passiert. Außerdem ist mir dann gleich das Wort Kontemplation in den Sinn gekommen.

    Eine besondere Qualität liegt auch im der Instrumentalisierung, die sich nahtlos in das Gesamtbild der Einspielung einfügt.

    Hier wird nicht mit dem Holzhammer agiert, sondern in einer zarten Art und Weise das Werk nahe gebracht, im wahrsten Sinn des Wortes.

  • Zitat von kalli

    leider geht der link trotz händischer Eingabe nicht

    81cWgeWL8qL._SL300_.jpg


    Lieber kalli, verstehe ich nicht irgend was machst du da falsch!


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Danke,


    am PC geht es aber mit meinem MacBook Air geht es einfach nicht, händisch oder mit kopieren/einfügen.....


    Kalli

  • Ich liebe solche Vergleiche, da weiß ich gleich, wem ich nicht folgen muss.


    Dto. Das macht aber die Aufnahme für mich erst recht interessant … :hello:



    Hier ebenfalls die Matthäus-Passion in einem Mitschnitt (2016) aus dem Royal Concertgebouw Amsterdam:


    Die Solisten sind:

    Lucy Crowe, Lydia Teuscher, Carolyn Sampson, Sopran | James Gilchrist (Ev.), Chr. Maltman (Christus)

    James Laing, Lawrence Zazzo, Countertenor,

    Jeremy Ovenden, Tenor; Thomas Oliemans, Bariton

    Netherlands Radio Choir; Netherlands Nation. Knabenchor


    Royal Concertgebouw Orchestra,

    Ivor Bolton

    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)

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