Händel "Giulio Cesare"

  • Sagitt meint:


    ...ich war ja nicht da. Frau Dessay sollte singen, war zwischenzeitlich mal durch de Niese ersetzt und die Reaktionen auf die Dessay bei ihren Wiedergaben bei youtube waren sehr gemischt.


    Ich stelle die Frage, weil ich es nicht weiß, ob die Kastraten bei Oratorien denn überhaupt auftraten?


    Wenn das eher nicht der Fall war, würde es ja meine Überlegung stärken, dass Händel diese Rollen aus wirtschaftlichen Gründen den Kastraten zugewiesen hatte...


    wie auch immer, selbst wenn es anders wäre, ich mag die Aufführungen von Julius Caesar mit schlechten Countern ( "schlecht" nach meinem Geschmack) nicht sehen. Ich finde genausi abartig, Nero in der Poppea selbst von einem Jarroussky interpretiert zu sehen und hören.

  • Jetzt verstehe ich Dich besser. Der Einsatz von Countertenören ist wirklich eine Glaubensfrage. Du bist dagegen, ich bin da nicht ganz so streng. Wenn ich die Wahl habe, dann bevorzuge ich die traditionellen Aufnahmen wie unter Karl Richter etc. Ein weites Feld.


    Philippe Jaroussky hingegen schätze ich über die Maßen. Er hat uns Einblick in ein immer noch unbekanntes Repertoire vermittelt wie kaum ein anderer Künstler. Er hat eine unglaubliche Musikalität. Und er lässt keinen Zweifel daran, dass er heute wirkt für Menschen von heute. Wenn einer seine Publikum mitnimmt, dann er. Aber auch damit vertrete ich nur meine ganz persönliche Meinung, für die ich an anderer Stelle heftig kritisiert wurde. Aber damit kann ich sehr gut umgehen, sonst wäre ich nicht hier in diesem Forum.


    Dir herzliche Grüße von Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ich finde genausi abartig,Nero in der Poppea selbst von einem Jarroussky interpretiert zu sehen und hören.


    Deine Meinung sei Dir unbenommen, lieber sagitt. Aber ist es nicht genauso "abartig", dass Frauen Männerrollen singen? Ich habe ja persönlich schon Probleme bei den Hosenrollen. Anstatt die Bühne zu verunstalten könnten die modernen Regisseure mal auf die Idee kommen, diese mit Countertenören zu besetzen. Das würde m. E. sogar mitunter der Ästhetik dienen.


    Liebe Grüße
    Joseph

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Nach einigen Stichproben sangen in den englischen Oratorien entweder Countertenöre oder Frauen Rollen wie David, Daniel, Solomon usw.
    Wenn die wikipedia-Information zu Belshazzar richtig ist, war man aber flexibel: Da die Sängerin des Daniel ausfiel, übernahm die Sängerin des Cyrus diese Partie und Cyrus wurde von einem Bass (statt Mezzo) gesungen!


    Mir ging es weniger um Falsettisten vs. Hosenrollen, sondern darum, dass auch in den dramatischen Oratorien jugendliche Helden typischerweise eher mit Alt/Mezzo besetzt sind als mit Tenor, obwohl sie nicht mit Kostümen aufgeführt wurden und in vielen Hinsichten von den Opernkonventionen abweichen. Und die etwas älteren Protagonisten können gleichermaßen Bässe (Saul, Hercules) wie Tenöre (Jephtha, Judas, Samson) sein.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Was man hier so alles liest zum Pro und Kontra über Countertenöre, Vibrato usw.ist schon ziemlich bizarr, :D wie man inzwischen wohl weiß liebe ich die Countertenöre über alles , und deshalb hier eine meiner liebsten "Giulio Cesare" mit James Bowman als Cesare und dem ganz hervorragenden >La Grande Écurie et la Chambre du Roi < mit Jean-Claude Malgoire ......


    klick


    .....auch die restliche Besetzung ist formidable


    .....ich liebe meine div. Einspielungen mit Malgoire sehr, daß ist für mich Barock Music vom feinsten! Das ist HIP mit P-Instrumtarium, bin zwar nicht ganz so pingelig aber wenn schon denn schon.
    Und es kommt noch dazu dieser Cesare ist vollständig mit 3h40 und keine Minute langweilig! :thumbsup:


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

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  • Noch zwei Aufnahmen die es lohnt erwähnt zu werden.....



    ...beide mit einem wohl ausgesuchtem Ensemble!

    Musikalisch gefällt mir der Petrou (hat mehr Drive) etwas besser als Curtis, aber das ist wohl wie immer eine reine Geschmackssache, wie auch bei den Sängern!


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Kennt jemand zufällig diese Aufnahme und könnte mir eine Einordnung geben?


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    Ich habe die Oper in dieser Inszenierung in 1994 zum ersten Mal gesehen und danach noch mehrmals, das war damals meine erste Barock- Oper, und ich habe die damals geliebt.

    Jetzt erwäge ich eine Anschaffung der CDs aus nostalgischen Gründen, habe aber die Befürchtung, dass mir die Aufnahme vielleicht gar nicht mehr gefällt.

    Meine verklärten Erinnerungen möchte ich jetzt natürlich auch nicht zerstören.^^

  • Liebe Almira,

    was hilft Dir in diesem Falle die Einordnung von anderen? Die Aufnahme soll ja Dir gefallen. Zur Auffrischung der Erinnerung kannst Du Dir bei Youtube diese Aufnahme endlos lange anhören und dann entscheiden.


    Giulio Cesare in Egitto mit Ann Murray unter Ivor Bolton (61 Audio-Tracks)

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Ach, das ist wieder typisch, auf die Idee, mal bei youtube nachzuschauen bin ich gar nicht gekommen, vielen Dank für den Hinweis.

    Dann höre ich erst einmal ausgiebig, und melde mich dann wieder.


    Viele Grüße,


    Sandra

  • Was für eine Funktion hatte denn der T. Rex? ;)

    Ich kenne die zwar nicht, hatte aber mal eine andere Oper, ich glaube Serse/Xerxes aus dieser Reihe, die war mir, abgesehen davon, dass ich das Stück nicht sooo interessant fand, etwas "zu live", d.h. man merkte anders als bei manchen zusammengeschnittenen Liveproduktionen doch recht deutliche Unterschiede in der (Klang)qualität zu einer Studioproduktion. Das kann natürlich bei dieser Aufnahme anders sein oder es stört Dich evtl. überhaupt nicht.

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  • Hallo Johannes Roehl,


    soweit ich mich erinnere, stand der T. Rex in der Inszenierung quasi als Symbol für das verfallende Römische Reich, er ist dann im 3. Akte (glaube ich) auch mit viel Gerumpel und Getöse umgestürzt und auf die Seite gefallen, und wurde dabei noch teilweise in der Bühne versenkt. Der letzte Akt der Oper fand dann um den liegenden Dino statt.

    Er war wohl auch mit ein Grund, warum die Oper anfangs total verschmäht und von der Kritik verrissen wurde, wie meistens bei uns hat er dann aber im Laufe der Zeit doch noch eine schöne Karriere als Publikumsliebling gemacht, mit tüchtig Szenenapplaus nach dem Sturz.


    Grüße,


    Sandra

  • Das römiische Reich verfällt aber noch nicht, sondern das ptolemäisch-ägyptische, oder? Da wäre eine riesige Anubis- oder Toth-Statue angemessener gewesen ;) Muss aber nicht ausdiskutiert werden... :D

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  • Da hast Du natürlich mit beidem Recht, aber Thot mit Ibiskopf und Anubis als Schakal wären auf den Plakaten nicht so dekorativ gewesen.^^

  • Nachdem ich nun ausgiebig Zeit hatte, mich wieder in den Münchner Giulio Cesare einzuhören, wollte ich mich noch einmal melden.



    Nein, die Nebengeräusche bei Live- Mitschnitten stören mich nicht, wenn ich die Wahl habe, ziehe ich diese eigentlich den Studioaufnahmen vor, bei guten Mitschnitten entsteht eine ganz eigene Dynamik, wie man sie bei Studioaufnahmen nicht findet. Bißchen Nebengeräusch kann ich da verschmerzen. Gerade bei Opern sind DVDs für mich ideal, aber die gibt es ja leider von Barockopern nicht so häufig.



    Ich hatte es zwar schon fast befürchtet, leider hat sich bestätigt, dass mir der Mitschnitt von der Bayerischen Staatsoper zumindest teilweise nicht mehr gefällt, hier hat sich in den letzten, ähem, Jahrzehnten, mein Geschmack doch sehr geändert.



    Ann Murray, die den Cäsar singt, finde ich stimmlich nicht mehr ansprechend, ihre Interpretation wirkt auf mich etwas roh und ungeschliffen, die Stimme einfach nicht so geschmeidig und ausdrucksstark, wie ich das jetzt gerne hören möchte. Da gefallen mir Sarah Connolly in der Einspielung mit William Christie und dem Orchestra of the Age of the Enlightenment und besonders Marijana Mijanović in der Aufnahme mit den Musiciens du Louvre mit Marc Minkowski deutlich besser.


    Auch Christopher Robson, der den Tolomeo gesungen hat, überzeugt mich von der Stimme her nicht mehr, da habe ich einfach zu viele gute Sänger gehört, die mir besser gefallen.


    Katarina Karneus, die den Sesto gesungen hat und Susan Gritton als Cleopatra finde ich aber immer noch sehr gut.




    Weil ich gerade dabei war, habe ich mir auf Youtube auch eine Einspielung von Dietrich Fischer Dieskau (mit dem RSO Berlin/Böhm) rausgesucht und angehört. Entgegen aller Befürchtungen ob der vernichtenden Bewertungen hier, haben meine Ohren nicht angefangen zu bluten.


    Ich fand es ehrlich gesagt ganz interessant dese Partien einmal von einer tiefen Männerstimme zu hören, hier kann man gut erkennen kann, warum dies musikalisch einfach falsch ist.


    Die Besetzung mit tiefer Männerstimme verändert völlig den Charakter der Rollen, weil die Stimme des Protagonisten nicht mehr heldenhaft über dem Orchester schwebt, sondern eine Oktave tiefer im Orchesterklang auf Tauchstation geht, durch kommt die Stimme nur über die Lautstärke. Vielleicht organisiere ich mir davon doch noch einmal eine komplette Einspielung, mich würde interessieren, wie sich die anderen Sänger da reingefunden und ausbalanciert haben.


    Falls die Frage nach der Besetzung im Gespräch mit Bekannten mal wieder aufkommen sollte, habe ich jedenfalls jetzt ein Negativbeispiel.


    Auch wenn noch nicht alles von jedem gesungen worden ist, manche Sachen sollte man dann doch besser lassen. Außer vielleicht, es ist für den 80. Geburtstag der Oma im Familienkreise.


    Bei Weitem störender finde ich allerdings das uninspirierte, nähmaschinen-artige Gefiedel im Orchester.

    Der Hornist ist allerdings Spitze.


    P.S.: Die Frage der Interpretation habe ich jetzt mal bewußt außen vor gelassen.