Moderne Inszenierungen-Totengräber der Oper?

  • Servus Theophilus, C. Huth und Rocco,


    Euch zu lesen bringt Gewinn. Das ist kein Schmäh.
    Obwohl ich den Don Hansi schon einige Male gehört, gesehen habe. Darauf habe ich nicht geachtet.


    Nochmals Danke für den Genuß, Eure Beiträge zu lesen.


    PS: Mein Beitrag aus dem Bereich der Trivialliteratur
    Vom Don Hansi mag ich die Furtwängler-Interpretation am liebsten, weil sie sooooo dramatisch ist.

    Otto Rehhagel: "Mal verliert man und mal gewinnen die anderen".
    (aus "Sprechen Sie Fußball?")

  • Servus Rienzi,


    wunderbar, jeder Künstler freut sich, wenn's dem Publikum gefällt. :D


    Dass dir am besten gefällt, wie Furtwängler den Don Giovanni zur Hölle fahren lässt, ist auch kein Fehler (auch wenn die zahlenmäßig überwiegende Mozart-Schnellspiel-Fraktion in diesem Forum das möglicherweise anders sieht).


    Rocco's Anregung, diese Diskussion in den Don Giovanni Thread zu verpflanzen, ist ein sanfter Wink an den Administrator...


    Ciao

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo Theophilus,


    Zitat

    Original von Theophilus
    Dieser Hilferuf kann nur funktionieren, weil sie ihn dann wirklich als Leporello erkennen (auch im Duinkeln), nachdem er seine Verkleidung abgeworfen hat. Ansonsten wäre es ein plumper Rettungsversuch des Don Giovanni ("Ich sehe zwar aus, wie Don Giovanni, ich bin angezogen, wie Don Giovanni, aber ich bin nicht!!! Don Givanni"; das ist in einer Situation, wo ein aufgebrachter Gegner mit gezücktem Degen vor dir steht und dich abstechen will, eine ziemlich unglaubwürdige Ausrede. Da würde Don Ottavio wohl zuerst zustechen und dann Fragen stellen).


    Da kann ich schlecht weiterdiskutieren, weil es drauf ankäme, wie die Figuren bei Sellars sonst angelegt sind, und das weiss ich nicht, da ich die Inszenierung nicht kenne. Dass die beiden gleich aussehen, dürften die anderen schon von vorherigen Begegnungen wissen. Und Don Ottavio ist wohl nicht ganz so willensstark, wie er tut, jedenfalls keiner, der markig handelt. Aber egal, das muss ich offenlassen, über Dinge, die man nicht kennt, kann man schlecht streiten. Ich halte die Lösung nicht für ganz unmöglich, müsste es aber um Zusammenhang sehen.


    Beste Grüsse,


    Claus

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Hallo Antracis,


    Zitat

    Es mag sein, das ein oftmals hoffnungslos überaltertes Abonementpublikum daran Anstoß nimmt bzw. sich nicht darauf einstellen kann oder will, aber vor allem in den jungen Publikumskreisen ist man da offen und letztendlich wird dies zukünftig die Opernhäuser füllen müssen.


    erst einmal meine Gratulation zu deinem Beitrag. Wie auch immer man zu seinem Inhalt steht, derartige Artikel formen den Wert eines Forums.


    In meinem Zitat möchte ich auf einen Schwachpunkt deiner Argumentation hinweisen. Die Tatsache, dass das Abonnementpublikum der Opernhäuser 'hoffnungslos' überaltert ist, resultiert ja gerade aus der verhängnisvollen Entwicklung des deutschen Regietheaters der letzten Jahrzehnte. Viele Kunden laufen davon und es kommen keine dauerhaften jungen Besucher nach. Das junge Publikum, das Opernhäuser füllen könnte, gibt es zur Zeit nicht. Und wer soll dieses junge Publikum in die Opernhäuser bringen, wenn man ihre Eltern erfolgreich daraus vertrieben hat?


    Wenn man gegen das Wüten vieler moderner Regisseure argumentiert, kommt unfehlbar irgendwann die Geschichte mit der 'Freiheit der Kunst'. Gut, wenn ein Liedsänger beschließt, Lieder nur mehr in Zeitlupe oder von hinten nach vorne zu singen, kann er entweder Furore machen, oder ist in Kürze gezwungen, seinen Betrieb einzustellen. Es tangiert mich nicht, ich muß ja nicht in seine Konzerte gehen oder seine Platten erstehen. Wenn ein Maler Bilder schafft, mit denen ich rein gar nichts anzufangen weiß, muss ich sie ja nicht kaufen, ich muss ihn ja nicht einmal unterstützen, indem ich in seine Ausstellungen gehe und dafür eine Eintrittskarte bezahle. Wenn aber ein Opernregisseur eine Inszenierung in den Sand setzt, so dass außer den immer spärlicher werdenden Abonnenten nur mehr ein paar wegen der Aufregung Neugieriger ins Haus finden, so tangiert mich dass sehr wohl, denn ich habe das Desaster ja auf jeden Fall mitfinanziert, ob ich hingehe oder nicht!


    Wir haben im deutschsprachigen Raum die weltweit höchste Dichte an Opernhäusern. Anstatt daraus eine Tugend zu machen und dafür zu kämpfen, auch das weltweit höchste Niveau an Operninszenierungen anzustreben, machen wir uns in den letzten Jahrzehnten mehrheitlich zum Gespött des Rests der Welt. Wie kommt es, dass der Opern-DVD-Sektor von der MET dominiert wird, und nicht von Paradeinszenierungen deutscher Häuser? Weil die Amerikaner es verstehen, das Produkt Oper zu verkaufen, während wir es auf theoretisch höchstem Niveau ruinieren.


    Ciao

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo reklov29


    Zitat

    Die Idee, laßt uns konzertante Opernaufführungen in die Konzerthalle (Oetkerhalle), berühmt wegen ihrer sehr guten Akustik, verlegen.
    Die Meinung in den örtlichen Medien war gespalten, geht so etwas, kann man ohne Bühnenbild eine Oper einfach in die Konzerthalle verlegen?


    Etwas sehr ähnliches gab es vor einigen Jahren in Klagenfurt. Während der Renovierung des Stadttheaters musste eine Spielzeit lang eine Sporthalle herhalten (keine gute Akustik). Die Operninszenierungen waren minimalistisch, fanden aber großen Anklang.


    Ciao

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo Theophilus,


    aus meiner Erfahrung glaube ich nicht, daß den Opern in Zukunft das Publikum fehlen wird. Mangelnde Auslastungszahlen z.B. in Berlin sind eher Folge einer Überkapazität (3 Opernhäuser für 3,3 Millionen Berliner) und des relativ geringen Durchschnittseinkommens in der Hauptstadt und Umgebung. Und die vielgescholtene "moderne" Komische Oper (Konwitschny, Bieito etc.) liegt momentan in der Publikumsgunst vor Staatsoper und Deutscher Oper.


    Moderne Inszenierungen spielen also durchaus nicht die Häuser leer, sondern sorgen oft im Gegenteil für hohe Auslastungszahlen (siehe auch Hamburg), gerade unter jungen Leuten. Natürlich geht dort, wo experimentiert und etwas gewagt wird, auch manches schief und verschwindet dann schnell wieder. Das ist aber bei einer lebendigen Kunst auch ganz natürlich, mancher Weg erweist sich eben als Irrweg. Daraus kann man aber nicht umgekehrt schließen, da man sich besser überhaupt nicht bewegen sollte.


    Die MET in New York produziert unter anderen Bedingungen als deutsche Opernhäuser. Deswegen kann dort, teils auch zum Leidwesen des Managements, künstlerisch nicht viel gewagt werden. Finanziell u.a. von uralten blauhaarigen Milliardärswitwen und deren Stiftungen abhängig, diktiert deren Geschmack, der in den 30er bis 40er Jahren des letzten Jahrhunderts geprägt wurde, indirekt den Inszenierungsstil des Hauses. Musikalisch gesehen sind die DVDs aus der MET diskutabel bis hervorragend, nur wenn man sich mit Bühnenbild und Regie beschäftigt, dann glaubt man sich an einer zu hoch dotierten Provinzbühne von anno Tobak zu befinden. Insbesondere die Wagnerschen Ideendramen werden da auf einem derart gedankenarmen bis -leeren Niveau abgehandelt und damit kastriert, daß sich der Wagnerkenner mit Grausen wendet. Das mag für Leute, die sich geistig nicht gern anstrengen, leichter verdaulich sein, "Werktreue" (um dieses oft und falsch strapazierte Wort zu gebrauchen) im eigentlichen Sinne ist das jedenfalls nicht.


    Grüße


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Eigentlich hatte ich vor mich zu diesem Thread nicht mehr zu äussern, weil ich eventuell meine Continance verlier, aber anders zerplatze ich noch.


    Zunächst zum Aministrativen:
    Das Abgleiten des Threads zu einem Don-Giovanni-Thema hab auch ich gesehen,aber ich habe beim Besten Willen nicht sehen können wo ich hätte ohne Schaden cutten können, inzwischen sind wir ja wieder beim Thema.


    Zm Thema selbst sag ich nichts mehr, das habe ich Anfangs schon getan, lediglich ein paar Statements möchte ich relativieren.



    Zitat

    Mangelnde Auslastungszahlen z.B. in Berlin sind eher Folge einer Überkapazität (3 Opernhäuser für 3,3 Millionen Berliner


    Wien hat ebenfalls 3 Opernhäuser


    Die Wiener Staatsoper
    Die Wiener Volksoper


    und endlich wieder


    Das Theater an der Wien, Wiens grösstes und schönstes Theater






    In diesem edlen Baujuwel (Schöner als die Staatoper Wien, deren historische Bausubstanz die Amerikaner niedergebombt haben.)
    Hat man die letzten zig jahre vorwiegend Musicál gespielt !!!!
    Aber ab 2006 erfolgt die Umwidmung in ein Opernhaus
    mit Schwerpunkt Mozart-Opern.
    (Der Eiserne Vorhang zeigt übrigens ein Motiv aus der Zauberflöte)
    10 Mozart Opern stehen fürs erste Jahr auf dem Spielplan.
    --------------------------------------------------------------------------


    Aber unsere Theater sind ausgelastet. :D




    Rienzi schrieb:


    Zitat

    Persönlich, und ich kenne die meisten Neuinszenierungen in der Wiener Staatsoper, habe ich den Eindruck, daß man von den "antiquiert-werktreuen (was ist werktreu?)" Inszenierungen wegwill, aber doch nicht so richtig wirklich


    Besser könnt man es überhaupt nicht sagen.


    Hier kämpfen IMO zwei Machtblöcke gegeneinander die jeder allein zu schwach ist den anderen zu vernichten.
    In den letzten Jahren, so würde ich es sehen haben aber die "Konservativen" deutlich an Terrain gewonnen, ich sage nur durch die Vertreibung von Mortier, der Verhinderung des Vertrages mit Peymann (Burgtheater) und die Rückgewinnung des Theaters an der Wien für die Oper.


    ----------------------------------------------------------------------------


    Zitat

    Es mag sein, das ein oftmals hoffnungslos überaltertes Abonementpublikum daran Anstoß nimmt bzw. sich nicht darauf einstellen kann oder will, aber vor allem in den jungen Publikumskreisen ist man da offen und letztendlich wird dies zukünftig die Opernhäuser füllen müssen.


    Ich seh das anders, wa Du da schreibst, das hat man schon in meiner Jugend geglaubt. Ich war 23, da wurde ich gebeten, gegen Entschädigung (in Form von Brendel-Karten) Konzerte moderner Musik zu besuchen, man hätte gern Jugend im Publikum, dies hätte "Vorbildwirkung".
    Ich glaube, daß etliche Leute erst im mittleren Jahren zur Oper finden, teils wegen der Kartenpreise, teil wegen anderer Interessen, in der Disko ist man ab Mitte 30 IMO schon eine komische Figur.......


    ---------------------------------------------------------------------------------------


    Wenn die amerikanischen Milliardärinnen Geld in die Met stopfen, dann ist nur allzu verständlich, daß sie die Spielregeln machen. Der Met sünde es ja jederzteit frei auf diese Zuwendungen zu verzichten.


    Wer zahlt schafft an, das ist nichts Neues und alle Künstler der Vergangenheit, so nicht reich geboren, mussten sich diesem Gebot fügen. Trotzden, oder vielleicht gerade deshalb, erbrachten sie Spitzenleistungen.



    So und nun schweige ich,
    weil ärgern ist wohl das Letzte was ich im Forum möchte



    Gruß aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,


    na, wer wird denn gleich in die Luft gehen...


    Allerdings zeugt Dein Satz "Wer zahlt, schafft an" von einer Geisteshaltung, die schon zu Zeiten Mozarts und Beethovens gelinde gesagt "unmodern" war und, mit Verlaub, wohl eher in die Zeit von Feudalismus und Leibeigenschaft paßt. Ich jedenfalls bin froh, daß unsere Opernhäuser sich nicht dem Geschmack von privaten Financiers unterwerfen müssen (und auch die MET hat gegen die zu große Einflußnahme auf ihren Spielplan erfolgreich gegen eine Stiftung prozessiert).


    Grüße


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Hallo Theophilus,


    als Ergänzung zum von GiselherHH Gesagten noch:


    Zitat

    Original von Theophilus
    In meinem Zitat möchte ich auf einen Schwachpunkt deiner Argumentation hinweisen. Die Tatsache, dass das Abonnementpublikum der Opernhäuser 'hoffnungslos' überaltert ist, resultiert ja gerade aus der verhängnisvollen Entwicklung des deutschen Regietheaters der letzten Jahrzehnte. Viele Kunden laufen davon und es kommen keine dauerhaften jungen Besucher nach. Das junge Publikum, das Opernhäuser füllen könnte, gibt es zur Zeit nicht.


    Was meiner Meinung nach einerseits so nicht stimmt (das Theater hier erfreut sich eigentlich eines altersmässig oft sehr ausgewogenen Publikums), andererseits aber wohl eher kaum auf die "verhängnisvolle Entwicklung des deutschen Regietheaters" zurückzuführen ist, sondern wie bei Konzerten auf den, was kulturelle Werte angeht, teilweise desolaten Zustand unseres Bildungssystems.


    Was das "Gegenbeispiel" Museum angeht, das subventionierst Du als Steuerzahler ganz genauso wie das Opernhaus, ob Du hingehst, oder nicht. Ich weiss, das passt vielen nicht in das ökonomische Weltbild unserer Tage, aber ich fürchte, dass man "Kultur" (und zwar eine lebende, die sich entwickelt und wächst, keine tote) nicht in der Jahrebilanz als Zahl ausweisen kann. Dennoch ist sie - meiner Meinung nach - für unser Verständnis als Menschen wie für das Verständnis von Gemeinschaft unerlässlich.


    Zitat


    Wir haben im deutschsprachigen Raum die weltweit höchste Dichte an Opernhäusern. Anstatt daraus eine Tugend zu machen und dafür zu kämpfen, auch das weltweit höchste Niveau an Operninszenierungen anzustreben, machen wir uns in den letzten Jahrzehnten mehrheitlich zum Gespött des Rests der Welt.


    Sehe ich nicht so: Du wirst in keinem Land eine größere stilistische Vielfalt finden als in Deutschland. Die Mähr, hier wäre alles ja per se grauslich modern, lässt sich schnell entkräften, wenn man einmal hier und da in die Theater geht. Jedenfalls das Haus hier (das gerade auf ziemlich barbarische Weise politisch weggespart wird) bietet in jeder Spielzeiten eine große Vielfalt - und von anderen Häusern kenne ich das nicht anders. Ich meine also, man muss die deutsche Theaterlandschaft von keinem Standpunkt her so düster malen.


    Zitat

    Wie kommt es, dass der Opern-DVD-Sektor von der MET dominiert wird, und nicht von Paradeinszenierungen deutscher Häuser? Weil die Amerikaner es verstehen, das Produkt Oper zu verkaufen, während wir es auf theoretisch höchstem Niveau ruinieren.


    Ich wiederhole mich jetzt, aber für mich ist Kunst kein "Produkt" im ökonomischen Sinne. Jedenfalls nicht in Geldwert wirklich aufzurechnen (auch wenn sie ihren Preis hat, liegt ihr Wert doch ganz woanders).


    Beste Grüsse,


    Claus

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Hallo Forum und Andersdenkende,


    mir gefällt der Stil der Auseinandersetzung gegenüber Alfred


    - (unser aller Moderator, ohne den wir
    dieses herrliche Forum für Diskussionen nicht benutzen könnten) -


    überhaupt nicht,
    gelinde gesagt, es wurmt mich ungemein, wie mit seinem Beitrag zu diesem Thread, die Mitglieder zähnefleschend darüber herfallen.
    Lasst uns zu einer qualifizierten Diskussion zurückkehren und die Beiträge, die fast ins persönliche gegenüber von Alfred abgeglitten sind, so nicht weiter vollziehen.


    Jeder hat seinen eigenen Standpunkt,auch wenn er den vehemment vertritt, dann ist er von den anderen Foren respektvoll zu begegnen und darf nicht in Beleidigunsform ausarten.
    Ich hoffe im Sinne vieler Mitglieder einmal ein offenes Wort hierzu veröffentlicht zu haben.


    Herzliche Grüsse
    reklov29

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

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  • Hallo,
    Dein Zitat:
    Das Argument, man müsse machen, was das Publikum wolle, muss letztlich und in der Konsequenz doch dazu führen, dass man alle Kunst abschafft und nur noch solche flauen Aufgüsse wie - sorry - Lloyd Webber (da kann man heute auch gerne pompöses Spektakel haben) oder André Rieux goutiert. Da wollen wir aber doch nicht hin, oder?
    ----------------------------------------------------------------------------------
    Du sagst es, für ein modernes Theater bin ich nicht abgeneigt, wenn alles im Rahmen bleibt. Aber
    leider erfährt das Publikum immer mehr des öfteren eine Schmierenkomödie, die mit einer Opernaufführung
    nichts mehr zu tun hat. Nur reine Profilierungssucht des Regisseurs, einmal unbedingt aufzufallen...


    Herzliche Grüsse
    reklov29

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

  • reklov29



    Sorry, aber das sehe ich leider nicht so. Alfred hat hier nicht unwesentlich zur Verschärfung des Tones beigetragen, indem er die gesamte moderne Operregie mit einem sehr drastischen Vokabular angriff. Wer von dreckigen Fingern, Diffamierungen und Verunglimpfungen redet ist schon nahe an einer Hasstirade.
    Wer so eine Meinung in einem Forum äußert muss es sich auch gefallen lassen, dass Andersdenkende dazu entsprechend Stellung beziehen, um das umstrittene Objekt angemessen zu verteidigen. Ich habe nicht Alfred kritisiert , sondern seine Aussagen. Und ich halte dies in diesem Falle für immens wichtig. Auch wenn bei solchen Gelegenheiten selten eine Annäherung der Standpunkte zu erzielen ist, so sollte doch eine Darstellung der Sachverhalte aus einer anderen Perspektive möglich sein. Weniger in Ihrer Meinung gefestigte Leser haben so die Möglichkeit, die Argumente zu prüfen und sich gegebenenfalls davon beeinflussen zu lassen. Es geht hier um Meinungsvielfalt, nicht darum wer recht hat. Insofern kann es auch durchaus sinnvoll sein bezeiten aus einer Diskussion auszusteigen, wenn eigentlich alles gesagt ist und es nur noch um rhetorische Punktesiege geht. Sonst endet man irgendwann einmal wie Settembrini und Naphta und duelliert sich, was wiederum keinem wirklich hilft.


    Aber: Ich habe den Thread nochmals genau gelesen und konnte nicht nachvollziehen, das hier persönlich beleidigt wurde. Es wurde lediglich das strittige Objekt energisch verteidigt. Und das ist angemessen, wenn es derartig energisch angegriffen wurde!
    Sorry, da jetzt quasi moralisch auf die Verdienste von Alfred zu verweisen und deshalb zur Rücksicht aufzurufen, halte ich für unangebracht.


    @Alfred:


    Das Du nahe daran bist, Deine Beherrschung zu verlieren tut mir leid. Mir steht fern darüber zu urteilen. Ich bedauere den dadurch bedingten Rückzug allerdings aus den schon von Dir genannten Gründen nicht wirklich, weil eigentlich alles gesagt wurde und aus meiner Sicht in einer so öffentlichen Atmosphäre - zumal bei erhitzen Gemütern - bei Fortführung der Diskussion wenig zu gewinnen ist, außer verbalen Punktsiegen und gegebenenfalls einem Magengeschwür. Im Wohnzimmer bei intimer Runde mit einem Glas Rotwein kann das schon anders aussehen.
    Aber um das nochmals klarzustellen: Mir lag ein Angriff Deiner Person fern. Ich verteidigte lediglich, was mir wichtig ist. Gerade wenn Du meinst, dass die Jugend vor meiner Sichtweise zu schützen sei (sie kommt in vielem der von Dir angefeindeten nahe), ist es unerlässlich, auch die andere Sichtweise darzustellen. Nun steht es da und der nächste junge Forums-Castorp kann wählen, wem er denn nun folgen möchte.


    Die Moderne war mir wichtig, ihre aus meiner Sicht von Dir unterschätzte Bedeutung und das sakrosankte Wien. Das musste mal geschrieben werden. Aber einmal reichts mir auch persönlich aus.


    Noch eines ganz zum Schluss, da ja reklov29 auf Deine Verdienste als Forenbetreiber anspielte:
    Die sind in der Tat unbestritten und ich profitiere auch nicht unwesentlich von Deinem stetigen Einsatz und Deiner Begeisterung für die Wiener Klassik . Dem ist aber noch hinzuzufügen, dass sich aus meiner Sicht das Erscheinungsbild des Forenusers Alfred und das des Administrators hinsichtlich der Moderne stark unterscheidet.
    Als Hausherr ist ganz klar erkennbar, dass Du durchaus bestrebt bist, das Forum auch weit abseits Deiner persönlichen Interessengebiete auszuweiten. Insofern wird da der Moderne genügend Raum gelassen, darauf sollte meine Kritik nicht abzielen.


    Aber wie gesagt, für mich ist das Thema nun auch beendet.


    Gruß aus dem regnerischen Berlin
    Anti

  • Nur ganz kurz zur Klärung, Als "Mächtiger" ist man gefangen im Käfig der eigenen "Macht".
    In Foren, wo ich keine Funktion ausübe, schreibe ich natürlich wesentlich schärfer und radikaler, als hier. Ich bekämpfe dort nämlich Feinde, nicht Freunde, wer je einen solchen Beitrag von mir gelesen hat der weiß, daß ich durchaus wehrhaft bin.
    In diesem Fall liegt mir aber naturgemäß nichts daran irgendwelche (ohnedies unüberwindliche) Klüfte aufzureissen und so lasse ich das Thema ruhen, weil in meiner unmittelbaren Umgebung ist es sowieso kein Thema für die nächsten 20 Jahre.... :D
    Das mit dem Glas Wein, das Anti anspricht ist richtig: Ich war vor über 30 Jahren bekannt mit jenem Pianisten der Henzes "Tristan" uraufführte, aber wir hatten uns stillschweigendd geeinigt, zwar über Kochkünste eines Bekannten zu plaudern, das Thema Musik aber auszuklammern.......


    Aber ich bemühe mich tatsächlich, im Forum soweit möglich, Neutralität walten zu lassen, obwohl ja wohl niemand völlig neutral ist.




    Beste Grüße
    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • @ giselherrHH


    Zitat

    Inszenierungen sind vergänglicher Ausdruck ihrer jeweiligen Zeit, sind genauso, wie musikalische Aufführungen, Interpretationen, die immer nur einen Teil des Werkes beleuchten können. Nur deshalb werden sie wieder und wieder und immer anders inszeniert, eben weil es keine endgültigen Antworten auf unsere Fragen gibt


    Das finde ich einen sehr guten Aspekt. Ich glaube wir müssen eine moderne Inszenierung auch von dem Lebensalter des Regisseurs aus sehen. Früher, sagen wir mal vor 15 Jahren mochte ich keine modernen opern-Inszenierungen, auch hörte ich wenig moderne Musik, sagen wir mal Schostakowitsch usw. Ich hasste sie sogar manchmal. Heute sehe ich das anders. Ich weiß mehr, ich habe einen größeren Horizont. Vieles erschließt sich mir heute besser. Z.B. Habe ich 2002 Klaus Guths Tannhäuser in Basel gesehen. Das war auch sehr modern. Bühne als Hotel, mit Fahrstuhl usw. doch irgendwie hat es mich beeindruckt. "Mein Weg heisst mich nur vorwärts eilen, und nimmer darf ich rückwärts sehn" (I.Aufzug, 4.Szene) steht als Motto und Zitat Tannhäusers über dem Programmheft. Das sagt doch viel aus.Mit den modernen Inszenierungen ist es oft gleichermaßen. Wir Rezipienten haben leider manchmal ein beschränktes Dasein, das uns die Absichten eines Regisseurs nicht erschließt. Ein paar Jahre später, denkt man manchmal anders darüber.


    Ebenso beeindruckt hat mich ein Don Carlos (Verdi) in HH. Es gab da mächtig Furore/Skandal. Die Reihen waren geleert. Ich saß für ein paar Euro auf dem besten Platz im Parkett, da die Abonnenten schaarenweise ferngeblieben waren. Dieser Don Carlos hat mich wachgerüttelt. Diese Medienshow in der Pause. Dieser "geile", lichtdurchflutete Empfang durch die Reporter. Das war schon ein Spiegel der Zeit in der Medienstadt Hamburg.


    Drittes Beispiel Zürich: Harnoncourt/ Il Ritorno d'Ulisse in Patria. Klaus Michael Grüber hat dort sehr behutsam modern inszeniert. Leuchtende Farben, moderne Kostüme. Einfach unsere Zeit hergestellt. Das fand ich großartig. mal sehen was übernächste Woche passiert, wenn die Poppea kommt.


    Allerdings gebe ich Vorrednern Recht, Pornographie als bloße Selbstdarstellung der Regisseure ist Quatsch. (Müller-Brandes) Jede Oper zwanghaft ins 3. Reich zu verlegen - Was soll das? Ich erinnere mich auch an eine sehr deutsch/bierselige Carmen in Ulm. Da fehlte einfach das Gefühl. Moderne Inszenierungen können auch super danebengehen... Keine Frage, ich will sie aber nicht per se verurteilen.

  • Zitat

    Ich glaube, daß etliche Leute erst im mittleren Jahren zur Oper finden, teils wegen der Kartenpreise, teil wegen anderer Interessen, in der Disko ist man ab Mitte 30 IMO schon eine komische Figur.


    Zitat

    Die Tatsache, dass das Abonnementpublikum der Opernhäuser 'hoffnungslos' überaltert ist, resultiert ja gerade aus der verhängnisvollen Entwicklung des deutschen Regietheaters der letzten Jahrzehnte. Viele Kunden laufen davon und es kommen keine dauerhaften jungen Besucher nach. Das junge Publikum, das Opernhäuser füllen könnte, gibt es zur Zeit nicht.


    Ich finde, diesen Aspekt sollten wir uns noch einmal genauer vornehmen. Warum geht eigentlich das junge Publikum nicht mehr in die Oper, noch spezifischer die modern inszenierte Oper? Wie ich oben schon einmal geschrieben habe, hatte ich frühr auch damit Probleme. Ich bin dann aber trotzdem immer weiter in die Oper gegangen. Mit hoher Regelmäßigkeit. Teils weil meine Eltern mich mitgenommen haben, teils weil ich damals schon Zeitungsartikel geschrieben habe, teils aus Neugier. Es kostet aber Überwindung, in eine Oper zu gehen, die ich nicht verstehe. Vor dem flackernden Bildschirm ist es wesentlich gemütlicher... Heute kann doch kaum noch ein junger Mensch eine Stunde lang die selbe Tätigkeit verrichten. Das will gelernt sein. Da zu sitzen und 3 Stunden etwas in einer fremden Sprache anzuhören... Ja bitteschön. Untertitel gibt es in manchen Provinztheatern noch heute nicht! Da saß ich manchmal mit der Taschenlampe und habe den Inhalt dieser Wagneropern gelesen, und nochmals, und nochmals. Was hab ich damals gedacht, was für ein Quatsch... Manche Leute geben sich diese Mühe einfach nicht. Ich finde, die Lehrer in der Schule haben daran ein bisschen Schuld. Heute muss allles fix gehen Abi in 12 Jahren hier in Bayern, wegen der Rente (will Stoiber so, hat er durchgepeitscht) Ja bitte, da fehlt den Jungen dann doch ein Jahr an Reife, ein Jahr an Theater/Opernbesuch usw. Leider wird heute mit der Schul-Klasse fast gar nicht mehr in die Oper gefahren. Das war bei uns noch sehr üblich. Es sollte im Zeitalter von miserablen Pisa-Ergebnissen längst wieder eingeführt werden. - Zu dem hochspeziellen Regietheater von einer handvoll Spezialisten - (wie ihr hier im Forum) klafft da eine erbärmliche Lücke. 99% schnallen gar nichts mehr. Ich will jetzt um himmelswillen nicht Leute wie Rieu oder Justus Frantz befördern, die die "klassische Musik" populärer machten. Es müsste jemand kommen, der den jungen Leuten sagt, dass es sich lohnt, sich für die Oper (weil sie das Leben ist) einzusetzen, sich mit ihr intensiv zu beschäftigen, sich an einer Sache aufzureiben, vielleicht ein Instrument zu erlernen, im Chor zu singen (die Chöre in D haben viel Nachwuchsprobleme). Konflikte der Oper zu erleben...Erst gnadenlos besaufen, und dann Sex nach der Disko: das kann es doch nicht sein für die heute 14-21 jährigen. Leider ist das aber der Trend. Handyklingeltöne sind i n, da hört man dann noch einmal Bach oder Mozart, für Wagner reicht es schon nicht mehr. Aber, sie wissen nicht, wer diese Musik komponierte.


    Was ich sagen will: Es braucht eine Revolution unter den Pädagogen, aber die sind selbst viel zu frustriert und haben keine Lobby. Die Folge ist. Die Politiker sehen die Zahlen der Theater (Zuschauer) und drehen einfach den Geldhahn ab... Punkt, aus, Ende. Die Macht des Faktischen heißt das, sie löst "die Macht des Schicksals" ab. Wir werden es in Berlin noch erleben. Ich prophezeie eine Opern-Abwicklung in diesem Jahrzehnt. Wien bleibt Wien, die haben Touristen ohne Ende. Die füllen schon noch die Säle. Berlin - da ist (zu) viel Pöbel. Viele gehen nie in die Oper. Leider sind gerade in Ostdeutschland viele kleine Theater liquidiert worden. Dort keimt auch der Rechtsradikalismus. Ein Zusammenhang? Dummes Geschwätze jetzt über Sachsens Gloria. Der Bundespräsident ist besorgt... Andererseits Zunkunftslosigkeit für die Theater (Das Saarland kürzt die Subventionen von 24 auf 18 Millonen Euro fürs Saarbrücker Staatstheater, eine Intervention meinerseits beim zuständigen Minister wurde müde abgeschmettert) Kein Geld mehr da. Eine Spielstätte schließt! Nächstes Beispiel: Schließung von Symphonieorchestern. Weniger Kohle, weniger Bedarf,...Und die Falle schnappt zu. BR-Rundfunkorchester München, Berliner Symphoniker,usw. Die modernen Inszenierungen, Ballettensembles und Chöre werden als erstes die finanzielle Unterstützung verlieren, weil sie die kleinste Lobby haben. Eine Trauerballade. Da kann man dann wieder eine grelle opern-Inszenierung verstehen, die korrupte Politiker, die die Taschen nicht voll genug sich stopfen können, richtig durch den Kakao zieht!

  • Hallo fuchsbuhl,


    Zitat

    Original von fuchsbuhl
    Moderne Inszenierungen können auch super danebengehen... Keine Frage, ich will sie aber nicht per se verurteilen.


    Ich würde den Satz absolut zutreffend finden, wenn man das "moderne" streicht und schlicht und ergreifend sagt: Inszenierungen können auch super danebengehen. Für's danebengehen kommt es IMO nicht auf den Stil an, in dem inszeniert wird......


    Beste Grüsse,


    Claus

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • @ Anti


    Dank Dir für die besonnene und - wie ich finde - richtige Antwort an reklov bezüglich des Tones der Diskussion. Ich habe gestern abend auch staunend die ganze Diskussion zweimal durchgelesen und konnte nichts finden, was ich als persönlichen Angriff auf Alfred (den ich jedenfalls auch nicht intendiert hätte) verstehen könnte. Ich denke, wo polemisch und scharf in der Sache angegriffen wird, ist es angebracht, in der Sache gegebenenfalls ähnlich zu antworten, aber das geht nicht ad personam, sondern bezieht sich eben auf die Sache. Das wird gerade in der rein schriftlichen Kommunikation im Netz gerne verwechselt, aber man sollte sich das immer klar machen.


    Sollte mir dennoch mal irgendwo etwas herausrutschen, was der Betroffene als persönlichen Angriff wertet, mag er sich gerne per PN oder auch hier an mich wenden.


    Beste Grüsse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Noch einmal @ fuchsbuhl


    Zitat

    Original von fuchsbuhl
    Ich finde, diesen Aspekt sollten wir uns noch einmal genauer vornehmen. Warum geht eigentlich das junge Publikum nicht mehr in die Oper, noch spezifischer die modern inszenierte Oper?


    Hmm, ja, müsste man sich vornehmen, wenn die Aussage allgemeingültig stimmen würde. Das ist aber nach meiner Erfahrung nicht wirklich so. Hier in Saarbrücken - ich habe darauf hingewiesen - ist die Altersstruktur nach meiner Beobachtung (statistische Zahlen habe ich nicht) recht ausgeglichen, und auch an anderen Häusern, gerade wenn es günstige Schüler/Studententarife gibt, konnte ich nicht feststellen, dass das junge Publikum allgemein und insbesondere bei modernen Inszenierungen so stark wegbliebe.


    Zitat


    Untertitel gibt es in manchen Provinztheatern noch heute nicht!


    Und bedauerlicherweise - ich weiss, dass ich da auf recht einsamem Posten stehe - auch viel zu wenig Aufführungen in guten deutschen Übersetzungen, die das Verständnis doch noch wesentlich einfacher machen als Unter-/Übertitel, die permanent dazu geeignet sind, die Aufmerksamkeit des Zuschauers von szenischen Abläufen abzulenken.


    Zitat


    Ich finde, die Lehrer in der Schule haben daran ein bisschen Schuld. Heute muss allles fix gehen Abi in 12 Jahren hier in Bayern, wegen der Rente (will Stoiber so, hat er durchgepeitscht) Ja bitte, da fehlt den Jungen dann doch ein Jahr an Reife, ein Jahr an Theater/Opernbesuch usw. Leider wird heute mit der Schul-Klasse fast gar nicht mehr in die Oper gefahren.


    Ich hatte es schon angedeutet: Hier, im Bildungssystem (und in den immer mehr sich zu rein ökonomischen Kosten/Nutzen-Analysen verschiebenden Wertevorstellungen) sehe ich auch ein Hauptproblem für den Umgang mit unserer Kultur ganz allgemein.


    Zitat


    Ich will jetzt um himmelswillen nicht Leute wie Rieu oder Justus Frantz befördern, die die "klassische Musik" populärer machten. Es müsste jemand kommen, der den jungen Leuten sagt, dass es sich lohnt, sich für die Oper (weil sie das Leben ist) einzusetzen, sich mit ihr intensiv zu beschäftigen, sich an einer Sache aufzureiben, vielleicht ein Instrument zu erlernen, im Chor zu singen (die Chöre in D haben viel Nachwuchsprobleme). Konflikte der Oper zu erleben...


    Es gibt solche Leute, gottseidank, wenn auch selten. Für mich war es der Regisseur Christian Pöppelreiter, der, als ich in der 10. oder 11. Klasse war, hier in Saarbrücken "Wozzeck" von Berg einstudierte. Wir waren sicher in vier Proben und der Aufführung, und Pöppelreiter hat sich jedesmal nach den Proben sehr viel Zeit genommen, mit uns ins Gespräch zu kommen und seine Begeisterung zu vermitteln.


    Im Kleinen kann allerdings jeder etwas dafür tun, der sich für Oper/Musik/Kunst/Kultur begeistert, würde ich sagen. Das fängt ja schon im Freundeskreis an.....


    Zitat


    Andererseits Zunkunftslosigkeit für die Theater (Das Saarland kürzt die Subventionen von 24 auf 18 Millonen Euro fürs Saarbrücker Staatstheater, eine Intervention meinerseits beim zuständigen Minister wurde müde abgeschmettert) Kein Geld mehr da. Eine Spielstätte schließt!


    Es freut mich zu lesen, dass nicht nur wir Einheimische massiv beim Ministerium und dem Ministerpräsidenten deswegen interveniert haben. Was man zu der Debatte noch sagen muss (dass gespart werden muss ist keine Frage, denke ich): Die jetzt getroffenen Maßnahmen (schliessung einer Spielstätte, Streichung von dreieinhalb Stellen im Schauspiel, Streichung einer Musiktheaterpremiere und einer Wiederaufnahme, Verzicht auf Werbung und auf sämtliche Programmhefte - kann man sich eigentlich deutlicher selbst auf Dauer überflüssig machen?) sparen noch nicht einmal 1/6 der vom Land geforderten Summe ein.


    Beste Grüssse,


    Claus

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Hallo,


    ich persönlich kann mit sog. modernen Opern-Inszenierungen nicht das Geringste anfangen.
    Bis vor kurzem stand ich Opern generell eher skeptisch gegenüber - sicherlich ein Vorurteil meinerseits. Generell fällt mir auf, daß sich heutzutage viele Leute zur klassischen Musik bekennen, jedoch nicht zur Oper. Die Oper erschließt sich meiner Meinung nach auch keinesfalls so einfach wie etwa Mozarts "Kleine Nachtmusik" oder Beethovens "Fünfte", Werke, mit denen doch ziemlich viele etwas anfangen können.
    Die Oper dagegen - so empfinde ich es - wird heute viel zu sehr mit Kino-Filmen verglichen; sie wirkt v.a. auf junge Menschen oft "zäh" und langatmig - z.B. die als ewig lang empfundenen Arien. Das schreckt doch viele heutzutage ab.
    Nur meine ich: wenn schon Oper, dann aber richtig. D.h.: historische Kostüme, werkgetreue Inszenierungen (so, wie es der Komponist wollte) und absoluter Konservativismus hinsichtlich Zeitströmungen.
    Ich habe bisher zahlreiche positive Erfahrungen mit Opern (auf DVD) gemacht, und zwar beispielsweise Verdis "Don Carlo" (ital.) (Carreras, Izzo d'Amico, Baltsa, Furlanetto, Cappuccilli, Salminen; Berliner Philharmoniker, Herbert von Karajan; 1986) und Wagners "Parsifal" (Meier, Jerusalem, Moll, Weikl, Mazura, Rootering; Metropolitan Opera Orchestra & Chorus, James Levine; 1993), beides ältere Iszenierungen, aber eben glücklicherweise verschont von modernen Einflüssen.
    Dagegen war ich ziemlich entsetzt, als ich heute aus Interesse die Internetseite der Wiener Staatsoper durchforstete und auf die frz. Version von "Don Carlo" stieß (Link). Erst war ich erfreut, daß solch ein schönes Werk überhaupt gespielt wird, doch dann Ernüchterung nach Betrachten des Videobeispiels: eine grauenhafte moderne Iszenierung - und das in der Wiener Staatsoper. Auch die Iszenierung von Wagners "Fliegendem Holländer" wirkt in dem Videobeispiel (Link) viel zu modern und z.T. sehr lächerlich.


    Wann endlich werden Opern wieder gespielt, ohne durch wirre Strömungen der heutigen Zeit entstellt zu werden?
    Ein Musterbeispiel bzgl. werkgetreuer Inszenierung sind die häufig deswegen unverständlicherweise kritisierten Bayreuther Festspiele. Es geht doch!


    Gruß
    Don Felipe

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • @Felipe


    Dem kann ich nur zustimmen. Manche mögen das vielleicht anders sehen, aber ich kann mich mit diesen modernen Inszenierungen einfach nicht anfreunden.

    Zwei Dinge sind unendlich: Das Universum und die Menschliche Dummheit. Aber beim Universum bin ich mir nicht ganz sicher.
    - Albert Einstein (1879-1955)

  • Hallo Felipe,


    du hast da offenbar einen falschen Eindruck bekommen. Am franz. Don Carlos in der WSO (es läuft weiterhin auch der italienische Don Carlo!) ist nichts grauenhaftes und sehr wenig modernes! Peter Konwitschny übertrug ein schon früher erprobtes Konzept auf den Don Carlo (die Inszenierung kommt aus Hamburg), und lässt die ganze Oper in einem mehr oder weniger leeren weißen Raum spielen.
    Das führt ganz automatisch zu einer extremen Fokussierung auf die Beziehungen zwischen den handelnden Personen, und da Personenführung eine der stärkeren Seiten von Konwitschny ist, ist das Ergebnis zumindest sehr interessant.
    Es gibt einige ungewöhnliche, aber auch nicht mehr neue Elemente, so marschiert der spanische Hofstaat vor der Vorstellung nicht durch die Hintertür sonder ganz "offiziell" durchs Foyer in die Oper, auch die Opfer des Autodafé kommen durch den Zuschauerraum. Und was in dem Videoclip so gar nicht hineinpassend erscheint, ist ein Gag: es wird nämlich für die heutige Zeit ganz ungewöhnlich die vollständige Ballettmusik gespielt. Dazu wird aber nicht getanzt - das wäre in diese Art Inszenierung nicht integrierbar - sondern es wird eine Pantomime gezeigt, in der Form eines Blicks in die Zukunft der handelnden Personen.
    Wer auf schöne Ausstattungen Wert legt, wird hier nicht ausreichend bedient (es gibt aber historische Kostüme, aber richtig alles in Schwarz), aber es gibt keine Neudeutungen, sondern Reduktion auf die tatsächlichen Inhalte und eine formal sehr einheitliche Inszenierung (in der es natürlich auch diskussionswürdige Details gibt)..
    Was aus dem Videoclip offensichtlich nicht recht herauskommt, ist eine der intensivsten und erfolgreichsten(!) Neuproduktionen der letzten Jahre an der WSO. Da sie nur selten gezeigt wird, sollte man bei Interesse lange im Voraus Karten bestellen!


    Der von dir ebenfalls angesprochene Holländer ist tatsächlich wesentlich anfechtbarer. Man sieht neben bekanntem ein Sammelsurium an Bilderrätseln, das für Leute gedacht scheint, die ohnehin nicht auf die Musik hören, oder denen das zuwenig ist.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo Theophilus,


    danke Dir für Deine präzisen Erläuterungen.
    Ich persönlich ziehe dennoch eher etwas in der Art der mittlerweile 19 Jahre alten Karajan-Aufnahme vor, aber wie gesagt: das ist Geschmackssache.


    Gruß
    Don Felipe

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Original von Felipe II.
    Auch die Iszenierung von Wagners "Fliegendem Holländer" wirkt in dem Videobeispiel (Link) viel zu modern und z.T. sehr lächerlich.


    Mir persönlich ist es zweitranigig, ob eine Inszenierung "modern" ist oder nicht. Sie muß "stimmen", muß ein erkennbares Konzept haben. Dann ist es mir egal, ob die Kostüme z.B. traditionell oder modern sind.


    Deine o.g. Inszenierung lief auf 3sat. Ich sah mir das Werk an und konnte kein erkennbares Konzept vernehmen oder mir eine schlüssige Frage auf das "was soll das?" geben. Und wenn ich das nicht kann, dann ist eine Inszenierung bei mir durchgefallen, auch hier wieder: egal, ob "modern" oder "klassisch".


    Zitat

    Ein Musterbeispiel bzgl. werkgetreuer Inszenierung sind die häufig deswegen unverständlicherweise kritisierten Bayreuther Festspiele. Es geht doch!


    Gruß
    Don Felipe


    Oha, eine höchst gewagte Behauptung ;) (und nebenbei auch nicht ganz zutreffend).
    Der "Jahrhundertring" von Patrice Chérau ist bezüglich der inszenierten Werktreue sehr kontrovers diskutiert (und im ersten Aufführungsjahr heftig angefeindet) worden.
    Die "Tristan und Isolde"-Inszenierung von Heiner Müller fand weitgehend ohne Bühnenbild und Aktionen statt und war ebenfalls Gegenstand sehr kontroverser Diskussionen.
    Oder nimm den "Parsifal" des letzten Jahres (bei dem ich den Regisseur nicht mehr parat habe), in dem neben vielen anderen Ungereimtheiten eine sehr beleibte Frau oben ohne auftaucht...


    Du siehst, auch Bayreuth hat sich gewandelt.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Hallo Felipe


    Zitat

    Ich persönlich ziehe dennoch eher etwas in der Art der mittlerweile 19 Jahre alten Karajan-Aufnahme vor, ....


    Das ist dir unbenommen, und es ist schon so, dass sicherlich viele Leute gerne "schöne" Ausstattungsopern sehen würden. Aber abgesehen davon, dass viele Regisseure etwas dagegen zu haben scheinen, ist es auch ein finanzielles Problem. Solche Ausstattungen, wie in der von dir bevorzugten Karajan-Aufnahme kann sich gerade einmal Salzburg leisten (und vielleicht alle paar Jahre einmal die MET). Aber für "normale" Opernhäuser ist das fast nicht mehr machbar.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von Norbert
    Du siehst, auch Bayreuth hat sich gewandelt.


    Hallo Norbert,


    das ist bedauerlich, aber anscheinend ist das gerade ein Trend. Nächstes Jahr soll glaube ich wieder "Der Ring des Nibelungen" aufgeführt werden; mal schauen, wie die Inszenierung ausfällt... Ich befürchte Schlimmstes...


    Gruß
    Felipe

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Felipe,


    ich weiss nicht, ob es Dir bekannt ist, aber auch die heute so gerne als "werktreu" und "genau wie Richard Wagner es wollte" bezeichneten Inszenierungen eines Wieland Wagner in der Nachkriegszeit in Bayreuth stiessen beim damaligen Publikum zunächst auf erbitterten Widerstand. Das werden teilweise die Leute sein, die sie heute als "ach wie war das früher so toll" hochhalten. Der "Trend", den Du bezeichnest, ist sicher keiner, der erst seit ein paar Jährchen vonstatten geht (auch Chéréaus Ring-Inszenierung ist schon lange her)...


    Ich glaube, man muss sich einfach eines klar machen: Ästhetiken wandeln sich permanent, und das ist gerade in Künsten, die der Aufführung unbedingt bedürfen (wie eben im Theater oder in der Musik, denk an die "historische" Aufführungspraxis), besonders deutlich zu spüren. In 20 Jahren, da bin ich mir sicher, wird alles nochmal ganz anders aussehen. Und wahrscheinlich wird man dann hier lesen können - so es diese Plattform dann noch gibt - wie toll das damals alles noch war und wie "werktreu", als Konwitschny in Hamburg und Wien den Verdi'schen "Don Carlo" inszenierte...


    Beste Grüsse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Hallo C.Huth


    Zitat

    ich weiss nicht, ob es Dir bekannt ist, aber auch die heute so gerne als "werktreu" und "genau wie Richard Wagner es wollte" bezeichneten Inszenierungen eines Wieland Wagner in der Nachkriegszeit in Bayreuth stiessen beim damaligen Publikum zunächst auf erbitterten Widerstand.


    Ist es tatsächlich so, dass Wieland Wagners Inszenierungen die oben angeführten Attribute zugesprochen werden?


    Die sich ändernde Ästhetik scheint mir nicht ausreichend das zu erklären, was vielerortens zu sehen ist. Während Wieland Wagners Reduktion auf das Wesentliche (erzwungenermaßen!) sicherlich neu und zukunftweisend war, hat er doch nie die Substanz der Werke angegriffen (soweit ich das beurteilen kann).
    Aber heute sieht man Inszenierungen, die genau das tun, da werden auf der Bühne Geschichten erzählt, die mit dem Textbuch nicht vereinbar sind, oder man sieht eine Art Performance Kunst, oder auch etwas, was keinen erkennbaren Zusammenhang mit dem Werk hat. Gelegentlich könnte man den Eindruck gewinnen, dass die Ästethik bereits über Bord geworfen wurde, und manche Herrschaften nur mehr ums Verrecken auffallen wollen...

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von C.Huth
    Lieber Felipe,


    ich weiss nicht, ob es Dir bekannt ist, aber auch die heute so gerne als "werktreu" und "genau wie Richard Wagner es wollte" bezeichneten Inszenierungen eines Wieland Wagner in der Nachkriegszeit in Bayreuth stiessen beim damaligen Publikum zunächst auf erbitterten Widerstand. Das werden teilweise die Leute sein, die sie heute als "ach wie war das früher so toll" hochhalten.


    Hallo C.,


    nein, war mir nicht bekannt, danke Dir für die Aufklärung.
    Trotzdem denke ich, daß man in Zukunft froh sein würde, wenn es noch so werkgetreu wäre wie damals und - z.T. - noch heute.


    Zitat

    Original von C.Huth
    Der "Trend", den Du bezeichnest, ist sicher keiner, der erst seit ein paar Jährchen vonstatten geht (auch Chéréaus Ring-Inszenierung ist schon lange her)...


    Das ist wahr; umso bedauerlicher ist es aber auch.


    Gruß
    Felipe

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Salut,


    ich bin natürlich auch grundlegend für authentische Aufführungen von Opern wie bereits beschrieben. Ich würde auch niemals freiwillig in eine moderne Inszenierung gehen, gebe ich auch zu... zum Glück aber ist es mir aber zweimal passiert, dass ich bei Zappen in moderne Inszenierungen "gerutscht" bin, wo ich definitiv eines anderen belehrt wurde:


    Kürzlich erst G. F. Händel - RODELINDA [habe ich bereits vorgestellt] und schon ewig lange der "Don Giovanni"-Film mit Lederjacken, Autos usw...


    Vor solchen Inszenierungen ziehe ich den Hut! Es ist absolut überzeugend, jedoch viel zu selten.


    Sans, souci
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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