Kurznotizen aus den Opernhäusern!

  • für die freunde der barock-oper in und um wien.
    die wiener kammeroper spielt im februar


    Agrippina
    Dramma per musica von Georg Friedrich Händel · Libretto von Vincenzo Grimani.


    das haus ist klein und sehr intim, man hat das gefühl einer privat-vorführung.
    das ensemble jung und dementsprechend engagiert. ich habe bisher nur gute
    aufführungen dort erlebt.


    faun


    ps: kartenpreise von 5 - 48 € !!!

    die kritik ist das psychogramm des kritikers (will quadflieg)

  • Moin,


    die Semele in der "wieder aufgewärmten" Carsons Inszenierung läuft noch bis zum 08.02, die letzte Vorstellung mit der Bartoli ist aber am 04.02.


    Ich habe auch Karten für eine Vorstellung mit der Bartoli, und bin schon ganz gespannt, da alle Kritiken überschwenglich positiv waren.

    Grüsse aus Rhosgobel


    Radagast

  • Radagast: Da wünsche ich dir schon jetzt viel Vergnügen, ich fand es einfach hinreißend und hätte ich nie gedacht, dass mich eine Barockoper einmal so begeistern könnte!
    lg Severina :hello:

  • Gestern war ich das erste Mal in der Staatsoper Hannover, nach dem Intendantenwechsel von Albrecht Puhlmann hin zu Michael Klügl und ich hatte Gelegenheit das erste Mal eine Inszenierung von Phlipp Himmelmann zu sehen, "Tannhäuser" von Richard Wagner.


    Die Bühne zeigt eine Art Theater oder Arena mit aufsteigenden Sitzreihen, man könnte auch ein Fernsehstudio für eine Talk-Show assoziieren, vielleicht der Ort, an dem sich heutzutage Künstler am häufigsten prostituieren.


    Über den Sitzreihen liegen vereinzelt so gut wie nackte Frauen, in der Mitte der Bühne - die von Wasser überflutet ist - steht ein schwarzes Sofa, auf dem Tannhäuser (Modell: angegraute Avantgarde) eine Schöne liebkost und beschreibt. Ganz wörtlich: er schreibt Texte auf ihre Haut, kommt nicht voran und stösst sie ins Wasser vor ihm.


    Frau Venus ist auch so eine abgelegte Muse und die Handlung entwickelt sich, wie bekannt.


    Nach Tannhäusers Feststellung, dass sein Heil vielleicht doch eher in Maria, der Gottesmutter, liegt, senkt sich eine Plattform vom Bühnenhimmel herunter, grasgrün, in deren Mitte mit dem Rücken zum Publikum eine lebensgrosse Madonnenfigur steht, mit blauem Samtumhang und Strahlenkrone.


    Aus dem Sockel der Madonna kommt eine rotgewandete Frau hervor, die ein Lamm im Arm hält, kein Lebendiges, sondern jenes, das die Sünden der Welt trägt.


    Pilger von heute kommen herein, mit Kirchentagstüchlein und Rucksäcken, auf dem Weg nach Rom. Sie machen Station bei der Madonna, nach einem kurzen Gebet geht es weiter.


    Ein Golfball fliegt herein und Hermann (ein Unternehmer?) und seine Golfclique treffen auf Tannhäuser, der irgendwie mal zu ihnen gehört hat (was nur schwer vorstellbar ist) und jetzt auch wieder zu ihnen gehören soll.


    Im zweiten Akt die gleiche Szene: anstelle der Madonna jetzt eine Art Stele und ein Schreibtisch.


    Elisabeths Gefühle für Tannhäuser sind nicht nur rein platonischer Natur, sie hat auch ein sexuelles Interesse an ihm, versteckt und vielleicht unterdrückt, aber vorhanden.


    Der Sängerkrieg läuft als eine Art Ritus ab: die Damen und Herren von heute verkleiden sich als Ritter (bonbonbunt und eher karnevalesk). Eine junge Frau wird hereingezerrt, ihr wird ein Schild umgehängt, auf dem zu lesen ist: "Ich habe Lust empfunden". Sie wird bespuckt und ausgepeitscht.


    Der Sängerwettstreit selbst wird munter und ohne Tiefgang präsentiert, der Versuch des Hermann Tannhäuser mittels einer Pistole zum Selbstmord zu überreden, ist einer von vielen Punkten, der in dieser Inszenierung unorganisch und aufgesetzt wirkt.


    Im dritten Akt dann wieder das Bild mit der Madonna, Elisabeth wird sich ihren Mantel umhängen und die Strahlenkrone aufsetzen, sie wird zu der Heiligen, als die sie Wolfram auch anspricht.


    Am Ende kommen die Pilger aus Rom zurück, eine Schar weisser Nonnen, kommt herein (es ist irgendwie Weltjugendtag in Köln), Benedikt XVI. präsentiert den ergrünten Stab (mit jenem Lächeln auf den dünnen Lippen, das ich immer als eiskalt empfinde), eine dieser Wellen geht durch die Nonnen, wie man sie aus Fussballstadien kennt, sie verkrampfen in den Bewegungen, während Tannhäuser im Vordergrund sich die Ohren zuhält, weil ihn der holde Klang wirklich ekelt. Er wird wahnsinnig.


    Frau Venus lächelt wissend: auch wenn sie nicht die Siegerin im diesem Spiel ist, sie ist zumindest nicht die Verliererin.


    Die Inszenierung ist insgesamt schwach: einmal verfügt Himmelmann nicht über das Können, die Personen sinnvoll zu führen. Da wird rumgestanden, gekniet, die Arme werden gereckt, Schwerter gezogen, dass es keine Freude ist. Aber auch konzeptionell überzeugt sein Ansatz nicht: der Zuschauer erfährt nichts über die Gesellschaft, in der das Stück spielt, das Rittertheater im zweiten Akt ist eher platt und so aufregend wie das Sandmännchen. Man erfährt auch nichts darüber, warum die Rittergesellschaft lustfeindlich ist: die Herren wirken eigentlich nicht so.


    Das Schlimmste: man ahnt immer so etwa, was der Regisseur wohl will, aber das kommt dann so papieren daher, das es förmlich raschelt.


    Die letzten fünf Minuten fand ich gut: die Religionskritik, Tannhäusers Aufbäumen, der sehr leise Triumph der Venus, das hatte was, bleibt aber völlig isoliert und rettes somit auch den Abend nicht.


    Dirigent der Aufführung war der neue hannoveraner GMD, Wolfgang Bozic, ein Mann grosser Gesten und mit oft schmerzverzerrtem Gesicht, der einen zügigen, kantigen, eher trockenen, aber durchaus spannenden Wagner zeigte. Der Orchestergraben war relativ weit hochgefahren, dadurch geriet einiges recht laut, auf der anderen Seite wurden so viele instrumentale Details hörbarer, als das in anderen Aufführungen der Fall ist.


    Das Staatsorchester Hannover, keines der grossen Orchster im Land, bemühte sich redlich um eine stimmige Aufführung, aber da gibt es Verbesserungspotential.


    Das gilt auch für den Chor: Homogenität und Genauigkeit teilweise an der Zumutbarkeitsgrenze...


    Bei den Solisten wenig Freude: Robert Künzli, der Tannhäuser, mit einem hellen, eher engen Tenor ausgestattet, hatte von den Notenwerten und der Tonhöhe eine etwas eigenwillige Vorstellung und schon im 2. Akt wurde seine Darbietung zur Zitterpartie, die sich im dritten Akt fortsetzte - es fehlte dann nicht nur an Kraft für die Ausbrüche der Romerzählung.


    Stimmlich und interpretatorisch blass der Wolfram - Jin-Ho Yoo.


    Mit wirklich grosser Stimme ausgestattet: Khatuna Mikaberidze, die Venus. Leider auch sie ungenau und gänzlich wortunverständlich.


    Mehr solide als gut der Landgraf (Albert Pesendorfer).


    Die Beste an dem Abend: Brigitte Hahn als Elisabeth, aber auch bei ihrer Leistung gab es Einschränkungen.


    Von den Sängern musste Robert Künzli Buh-Rufe einstecken - und leider wird Philipp Himmelmann die ihm entgegengeschlagene Ablehnung als Beleg für seine progressive Regie werten.


    Nachsatz: ich kam nach der Vorstellung mit einem älteren Ehepaar ins Gespräch, die meinten, ihnen wäre es wesentlich lieber gewesen, wenn ein von mir geschätzter, katalanischer Regisseur (dessen Namen ich jetzt hier nicht erwähnen möchte) die Inszenierung übernommen hätte. Tat gut...

  • Hallo Thomas,


    Du stehst mit Deiner Einschätzung, dass Die "Buhs" am Ende vom "Tannhäuser" irgendwie komisch wirkten, nicht alleine da. Ich hab solche Stimmen von anderen Zuschauern auch gehört.


    Tatsächlich waren sie relativ laut und heftig, möglicherweise auch, weils live über den Sender ging, wer weiss.


    Ich vermute, dass der Unmut der Schluss-Szene galt.


    Nun isses ja nix ungewöhnliches, dass bei Premieren Zuspruch oder Missfallen adressiert wird - das finde ich soweit auch ok, gehört doch dazu.


    Dass leider mittlerweile auch jede noch so schwache Leistung begeisterte Zustimmung erntet, finde ich allerdings etwas lästig. Schlechte Sänger scheint es gar nicht mehr zu geben, glaubt man den Beifallsstürmen nach Premieren.


    Mit der Inszenierung tue ich mich eher schwer, aber das habe ich ja bereits ausführlich zu Papier gebracht.


    LG

  • Hallo Alviano,


    wie schon gesagt, habe ich dem Hannoveraner Tannhäuser durchaus Positives abgewonnen. Eine kleine Korrektur in der Beschreibung: Himmelmann hat drei Handlungsebenen im wahrsten Sinne des Wortes: den als Wasserbecken angelegten Venuskeller, sodann das die Wiesen symbolisierende Grün (wie oben gezeigt im wahrsten Sinne des Wortes ein Green) und einen Parkettboden, dessen Anlage und Möbliierung durchaus Mittelalterlches anklingen läss (siehe Alfreds treffliche Ausarbeitung im Inszenierungsthread). Freilich wird diese Illusion obsolet durch die Sitzreihen, die ein wenig an eine Fußballstadion der 1970er erinnern. Dies sind in allen drei Akten unverändert vorhanden, verändern ihr Aussehen aber steig durch eine kluge Lichtregie. Das Parkett liegt während des ganzen 2. Aktes auf (logisch), Grün und Venuskeller alternieren in den Akten 1 und 3.


    Man merkt sehr schnell, welche Teile des Tannhäuser von Himmelmann ernst genommen werden: das sind die Szenen, die sich um die Venus und ihr Reich drehen. Auch Tannhäuser wird als Figur so aufgebaut und gewandet, daß man ihn allem (vordergründigen ?) Ringen zum Trotze eindeutig der Venus zuschlagen muß. Die ritterliche Gesellschaft hingegen nimmt Himmelmann offensichtlich nicht für voll, was durch das Drehbuch-Addendum von der Frau untermauert wird, die da bestraft wird, weil sie -Aussage eine umgehängten Schildes- Lust empfunden habe. Eine im übrigen derart eindringliche Szene, daß man nicht übel lust hätte, auf die gesamte dort versammelte Gesellschaft einzuprügeln. Im eben jenem Akt merkt man auch Himmelmanns Sympathie für Tannhäuser ein weiteres Mal an seinem Gewand: während ich bei den versammelten Rittern und Sängern mich hauptsächlich an den Kölner Elferrat nebst Dreigstestirn erinnert fühlte und darauf wartete, daß jemand ruft "Kamelle d'r Prinz kütt", war Tannhäuser in ein schlichtes Gewand gehüllt. Nicht büßend, sondern so wie man sich das vorstellen könnte, daß es zeitgenössisch gewesen sein möchte.


    Es prallen also zwei Gesellschaftskreise aufeinander, die sich -man kann es am Zustand unsere heutigen Gesellschaft gerne überprüfen- durch alle sozialen Schichten durchziehen: die einen, die sinnlich-lustbetont im Leben stehen (was ja keineswegs auf Müßiggang deuten muß) und jene bigott-gesetzestreuen, die das Gesetz als Grundlage nehmen eigenes Denken und eigene Verantwortung auszuschalten, letzteres in perfekter Karikatur vorgeführt in der ritterlichen Gesllschaft. Glaubhaft dann die Pilger, die als running -sorry walking- Gag den zweiten und dritten Akt von links nach rechts und wieder zurück durchqueren. Denen nahm man ihre Frömmigkeit absolut ab.


    Bei der Schlußszene hatte ich seelische Magenschmerzen, ja, ich gebe das zu. Dabei war die wirklich gut. Venus verliert ihren Kampf um Tannhäuser, weil dem bedeutet wird, daß er erlöst sei, weil des Heiligen Vaters Krummstab angefangen hätte zu grünen. Der läuft dann tatsächlich -rot gewandet und freundlich lächelnd (nein, Alviano, ich habe in der Physiognomie nicht Benedikt XVI, sonder Johannes XXIII ausgemacht)- mit jenem Belegstock in die Zuschauerränge, in denen sich Pilger und Nonnen eingefunden haben, die alle Weiß gewandet sind. Das drollige Logo war kein offizielles: das Programmheft zeigt allerdings das Photo eines Weltjugendtagteilnehmers, der eine T-Schirt mit solchem Aufdruck trug.


    Und diese versammelte Mannschaft jubelt sehr neuzeitlich: Vor Freude über Tannhäusers Exculpation erhebt man sich zu LaOla und winkt dabei noch mit austreckten Händen und Armen. Mein ganz persönlicher Verdruß war dann aber eher meine eigenen Erwartungshaltung geschuldet: als gläubiger Christ sollte ich eigentlich die unterschiedlichsten Ausdrucksformen von Glauben und Andacht zulassen (siehe auch Röm. 16 ff.). Patsch, habe ich also wieder einmal etwas über mich erfahren.


    Zu den Stimmen: da bist Du vielleicht ein wenig zu unduldsam. Die beiden Damen waren absolut glänzend. Die Rittergesellschaft, nun ja, der Landgraf ging in Ordnung, der hatte ein schönes Baßfundament, der Wolfram, nun, bei dem Lied an den Abendstern hatte ich in einem Anflug leichter Häme gedacht, daß es sich im Stehen gewiß besser sänge als zu Füßen einer zur Säule mutierten Elisabeth in stabiler Seitenlage liegend. Und Tannhäuser? Für die beiden Damen war seine Stimme zu schwach. Dort, wo er sich dagegen nicht durchzusetzen hatte, wie bei der Romerzählung, fand ich ihn sehr ansprechend. Deine Einschätzung des Orchesters teile ich (wenngleich der Paukenspieler es während der gesamten Ouvetüre nicht geschafft hatte, den Schall seines Instrumentes in ein gerechtes Verhältnis zum Orchester zu setzen, im weiteren Verlauf klappte das dann aber ganz prima).


    Alles in allem: eine durchaus empfehlenswerte Inszenierung, die stimmlich mit den beiden Damen Überraschendes bietet, und in den übrigen Rollen anständig besetzt ist.


    Und ich bleibe dabei: kein Anlaß zu buhen. Wirklich nicht.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Lieber Thomas,


    vielen Dank für Deine Eindrücke, auf die ich an einigen Stellen noch kurz eingehen möchte.


    Zweiter Akt: rein optisch sind wir beieinander - die Ritter wirken wirklich wie Karneval (in einer Kritik stand: "Ritter der Kokosnuss"), da ist was dran. Aber wo befinden wir uns? Immerhin sind die Kostüme den historischen Vorlagen nachempfunden (siehe Programmheft, Walther und Wolfram). Da spielt eine Gesellschaft Ritter. Warum? Das Programmheft assoziiert Burschenschaftler, die sich für ihre Treffen auch verkleiden... Ist die "Bestrafung" der jungen Frau echt oder Teil des Ritus? Mir ist da zu vieles unklar. Deswegen habe ich auch geschrieben, dass man immer ahnt, was der Regisseur will, aber die Umsetzung nicht stimmt.


    Die Pilger fand ich auch gut - die wirkten authentisch.


    Das Schlussbild sehe ich anders: Tannhäuser erinnert sich an die Dinge, die ihm auf seinem Weg begegnet sind - und er wird wahnsinnig darüber: die Venus, die Frau mit dem Lamm, die Ritter und die Pilgerreise zum Papst - hier als Weltjugendtagsevent.


    Die Papst-Show als grauenerregendes Highlight. Ich bin kein Katholik, sondern bei der ungläubigen Konkurrenz (und da isses ein wenig, wie hier im Forum - ich muss da vieles aushalten, aber die müssen auch mich ertragen) - aber mit dieser Eventnummer im letzten Sommer kann ich nix anfangen, mit dem Papst eh nicht.


    Bei den Sängern bin ich bewusst etwas pingelig. Mir ist der Gesang total wichtig - und deshalb lege ich da einen verhältnismässig hohen Maßstab an, weil viele andere das nicht mehr tun - Beliebigkeit macht sich breit.


    Die Venus singt die Töne von unten an, erreicht somit die nicht immer sichere Tonhöhe zu spät, die Elisabeth kämpft an heiklen Stellen mit der Intonation, setzt ein zu starkes Vibrato ein, dunkelt die Tiefe nach und muss die Höhe mit zuviel Kraft bilden. Ich habe die Romerzählung noch mal zu Hause im Mitschnitt gehört: der Sänger kämpft hörbar mit den Tönen und der korrekten Tonhöhe, die verfehlt wird, die Atmung ist unzureichend, Töne werden deshalb verkürzt, der Zusammenklang mit dem Orchester leidet wegen unterschiedlicher Tempo-Vorstellungen...


    Ich habe übrigens höflich geklatscht, für alle Beteiligten...


    Vielleicht haben wir ja noch mal Gelegenheit, die selbe Premiere zu sehen und zu hören, finde ich spannend!


    Gruss nach Köln

  • Lieber Alviano,


    danke für Deine Replik. Es ist wirklich spannend zu erfahren, wie die eigene Befindlichkeit in die Deutung des Gesehenen hineinwirkt. Ganz ehrlich: ich hatte bei der Schlußszene den Dortmunder Tannhäuser im Hinterkopf, der dem musikalischen Pathos durchaus entsprach. In Hannover hätte ich mir eigentlich denken können, daß ein "pathetischer" Schluß dem Rest der Inszenierung vollständig widersprochen hätte. Ich bin übrigens auch kein Katholik (mehr) sondern Protestant (seit kurzem), der Papst hat mich allerdings nie gestört. An dem WJT habe ich selbst auch teilgenommen. Evangelische kennen solche Großveranstaltungen auch, sie sind nur nicht ganz so medienwirksam.


    Was den Tannhäuser im Schlußbild betrifft, so weist Du auf etwas hin, was Du in Deiner Besprechung bereits angesprochen hast: die Personenregie erfolgt nach derzeit gängigen Stereotypen. Ob es der "Rolando" in Essen, "Caligula" in Köln oder "Tannhäuser" in Hannover ist: alle Helden sind grüblerisch, wofür eine eigene Bühnenikonographie entwickelt werden muß. Und die besteht darin, daß eben diese Helden die Bühendekoration zerlegen, Tische umwerfen, vor Wände treten und ein Gestenrepertoire bedienen, das zu Stummfilmzeiten von Chaplin, Laurel, Hardy oder Finnlaison entwickelt wurde. Das muß man offensichtlich so hinnehmen. Und genau dies zitiert Tannhäuser einmal mehr in der Schlußszene: was er da auf dem Boden liegend macht ist das klasische Haareraufen, das wir -zugegeben gekonnter- von Laurel und Hardy kennen. So habe ich das gesehen. Interessant genug zu lesen, wie vielschichtig offensichtlich die Deutungsoptionen sind. Vielleich ergibt sich wirklich einmal ein weiterergemeinsamer Premierenbesuch. Der Austausch wäre gewiss spannend.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Hallo Alviano,


    etwas betrübt bin ich über deine sehr durchwachsene Tannhäuser-Aufführung gewesen, als ich die vernichtende Kritik über den Titelhelden Robert Künzli lesen musste.
    Ich kenne den Sänger aus seinem Stuttgarter Engagement noch recht gut, wo er sehr erfolgreich den Florestan, den Hoffmann und einige andere anspruchsvolle Rollen meisterte.


    Meines Wissens hatte Künzli vor 2 Jahren sein Tannhäuser-Debut in Leipzig. Vielleicht weiss jemand etwas darüber zu berichten.


    Interressant ist in diesem Zusammenhang, ob man den Sänger schon verschlissen hat oder ob er jahreszeitbedingt indisponiert war, was ihn daran hinderte, sein zweifellos vorhandenes Potential an deinem Vorstellungstag abrufen zu können. Sänger sind eben keine Maschinen, sondern Menschen und damit anfällig und nicht immer fehlerfrei.


    Nochmals: schade für deinen geschmälerten Genuss, aber danke für deinen sachlich-informativen und objektiven Beitrag. :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

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  • Hallo Siegfried,


    ich kenne den Künzli auch noch aus seiner Anfänger-Zeit - und habe seine Entwicklung zum Heldentenor nur am Rande mitbekommen.


    Der Tannhäuser ist jetzt keine leichte Partie (wird ja auch gerne mal kurzfristig von berühmten Sängern zurückgegeben...) - "Zum Heil den Sündigen" , ist nur ein Beispiel für eine Klippe.


    Ich vermute, dass ein wenig was zusammenkam: zum einen ist die Bühne an den Seiten völlig offen, für Sänger nicht ideal, wenn sie in der Mitte oder weiter hinten stehen. Dann die "normale" Premierennervosität und die Live-Übertragung im Rundfiunk. Schon im zweiten Akt wurde dann der Tonansatz merklich starrer und die Stimme sprach nicht immer richtig an, worauf der Sänger mit mehr Kraft reagierte.


    Ich fand auf alle Fälle die Buhs gegen Künzli nicht korrekt - andere Mitwirkende waren auch keine Glanzlichter, durften aber ungeteilte Zustimmung entgegen nehmen.


    Wenn ich etwas Ruhe habe, werde ich mir den Rundfunkmitschnitt auch nochmal anhören.


    Gruss

  • Von den vielen Opern Georg-Friedrich Händels erfreute sich der "Giulio Ceasre" immer einer gewissen Beliebtheit, sodass er nie gänzlich von den Spielplänen verschwunden ist und auch heute noch manchem Opernbesucher vertraut ist


    Seit einigen Jahren bemüht sich das Staatstheater Wiesbaden um ältere Stücke - "Platée" von Rameau, "Armide" von Gluck, eine szenische "Johannespassion" und Reinhard Keisers "Croesus" waren hier schon zu sehen.


    Jetzt folgte der "Giulio Cesare", jenes Stück, das mit seinen Gemeinheiten, Intrigen und menschlichen Abgründen auch ein heutiges Publikum noch superb zu unterhalten versteht.


    Die Wiesbadener Aufführung begann mit einem Knall. Die Szene wird von zwei hohen Holzwänden begrenzt, in die Türen eingelassen sind. Caesar und seine Truppen sprengen eine dieser Wände und eine Säule stürzt herein, während die Soldaten wie an Fallschirmen vom Bühnenhimmel herunterschweben.


    Die Handlung entwickelt sich munter ohne zuviel Tiefgang. Der Regisseur
    (Markus Bothe) bemüht sich um eine abwechslungsreiche Personenführung, durchaus mit Erfolg, so z. B. bei der Cleopatra, das ist wirklich witzig.


    Im zweiten Teil verliert die Aufführung dann an "drive". Da hat man das alles schon irgendwie gesehen und der nicht gerade kurze Abend wirkt zäher.


    Die Kostüme sind, von kleinen Gegenwartsbezügen abgesehen, so, wie man sich Römer und Ägypter auf der Bühne vorstellen kann.


    Das klein besetzte Orchester kommt mit Händel gut zurecht. Besonders die Continuo-Gruppe spielt engagiert, abwechslungsreich und lässt keine Langeweile aufkommen. Die musikalische Leitung liegt in den Händen von Cornelius Heine, der den Abend umsichtig leitet, aber durchaus stärkere Kontraste setzen könnte.


    Die Polit-Satire (die immer auch einen ernsten Hintergrund hat) bleibt in Wiesbaden auf der Strecke. Das herauszuarbeiten gelingt Karoline Gruber in ihrer Produktion für Hamburg, die ab April auch in Köln zu sehen sein wird, deutlich besser.

  • Hallo Alviano,


    ich war in der Vorstellung am 27.1., also der zweiten. Robert Künzli sang nicht. Er wurde von John Charles Pierce vertreten, den ich von der 2005er Inszenierung Keith Warners im Mindener Stadttheater kannte. Auch der Wolfram war mit Thomas Berau durch jemanden ersetzt, der nicht als Zweitbesetzung geführt wurde.


    Die Gründe, warum Robert Künzli nicht auftreten konnte, sind mir nicht bekannt.


    Grundsätzlich habe ich mich aber schon gefragt, ob es nicht nahe liegt, dass, wenn jemandem den kompletten ersten Akt über nasse Füße zugemutet werden, dieser irgendwann erkrankt? Das Herumwaten im Wasser ist sicher nicht besonders sängerfreundlich. Na ja, vielleicht trug er unter der Hose Stiefel und es war nicht so schlimm.


    Gruß
    Christian

  • Hallo Christian,


    ich würde sogar noch weiter gehen: diese Schwimmbassin-Nummer macht auch interpretatorisch wenig Sinn. Mich haben die Einlassungen des Regisseurs dazu (in den Publikationen der Oper Hannover zu finden) absolut nicht überzeugt.


    Ich kenne Pierce nur als lyrischen und Zwischenfachtenor, ich wundere mich, dass er solche Partien singt - aber auch an einer Bühne in den "neuen Bundesländern" tritt er als Tannhäuser auf.


    Gruss

  • ... wurde zu einem Triumph für den Wolfram von Eschenbach in der Gestaltung durch Christian Gerhaher.


    Hier ist mal wieder auf der Opernbühne eine Leistung zu erleben, wie sie doch selten geworden ist.


    Gerhaher, auch ein erfahrener Liedsänger, verfügt über eine sehr gut ansprechende, nie an Grenzen geratende Stimme, die sämtliche Nuancen von ganz zurückgenommen bis ins Forte bedient, ohne auch nur einen Moment angestrengt zu klingen. Dabei wird die Stimme bruchlos geführt und verliert nie ihren weichen Stimmklang. Dass Gerhaher auch über eine gute Wortverständlichkeit verfügt, soll nicht unerwähnt bleiben - findet man heute auch nicht mehr so selbstverständlich.


    Ein wirklicher Höhepunkt das hier sehr intime, leise "Lied an den Abendstern".


    Das Frankfurter Opernorchester war bestens aufgelegt, allein: mir liegt dieses zerdehnte, langsame nicht immer spannende Dirigat des GMD Paolo Carignani überhaupt nicht. Wagner stelle ich mir anders vor. Entweder das mehr emotionale, drängende von Georg Solti oder auch die klare Schärfe (fast wie im Brennglas) von Michael Gielen.


    Die Inszenierung lag in den Händen von Vera Nemirova, einem Namen dem man im Moment häufiger begegnet, und Bühne und Kostüme stammen von Johannes Leiacker.


    Auf der Szene eine leere Fläche, im Hintergrund ein Prospekt mit Wolken, etwas auf der Seite eine Strassenlaterne.


    Pilger kommen herein, wir sind wohl in Köln, beim Weltjugendtag, Matten werden ausgebreitet, Gebete gesprochen, die Bibel gelesen.


    Im Laufe des Vorspiels werden die Pilger sich die Kleider vom Leib reissen und sich in einer quasi Nacktheit (die Unterwäsche bleibt an) miteinander vergnügen. Religiöse Extase und sündiges Verlangen sind Emotionen, die aneinander sehr ähnlich sein können.


    Venus und Tannhäuser (Modell: abgetakelter Rockstar) werden dann sehr konventionell ihren Streit austragen (sieht man von einer Ohrfeige Tannhäusers ab).


    Auftritt: die Band "Die Minnesänger" und ihr Manager Hermann, sie sind mit dem Tourwagen liegenblieben und erkennen in Tannhäuser ihren alten Frontmann, den sie mittels einer Gesangseinlage dazu bewegen können, wieder bei ihnen mitzumachen.


    Der Sängerkrieg ist eine Art "Grand Prix" - mit Chor und Fernsehen, wie sich das gehört auch mit einem Sponsor, und wer jetzt an die Dresdner Semperoper in Verbindung mit dem "Tannnhäuser" denkt, liegt da gar nicht falsch...


    Der dritte Akt variiert die Strassenszene des 1. Aktes nur gering (auch der zweite zeigt nur die Elemente Laterne, Wolken und Spielfläche, hier als kleine Tribüne) - es ist alles etwas heruntergekommen, auch die Frau Venus hat schon bessere Zeiten gesehen.


    Am Ende: keine Erlösung im üblichen Sinn - es treten keine Pilger auf, kein Stab grünt und kein Tannhäuser stirbt. Tannhäuser verlässt die Szene mit dem kleinen Jungen, der im ersten Akt die Hirtenweise gesungen hat.


    Die Inszenierung ist im Detail gut gelungen: so wird z. B. die Beziehung Elisabeth-Wolfram-Tannhäuser greifbarer, als ich das aus anderen Inszenierungen kenne. Auch die Minnesänger werden sehr unterhaltsam in Szene gesetzt.


    Mit den religiösen Elementen kommt die Regisseurin (die bei Beghaus gelernt und mit Konwitschny gearbeitet hat) nicht ganz so gut zu recht. Da gelingt die Verklammerung nicht wirklich.


    Insgesamt fand ich es sehenswert, wenn auch nicht überragend. Vielleicht hats jemand von den Frankfurtern (oder den Gästen in unserer Stadt) gesehen. Würde mich über Eindrücke von anderen Besuchern freuen.

  • Zitat

    Original von Alviano
    ... wurde zu einem Triumph für den Wolfram von Eschenbach in der Gestaltung durch Christian Gerhaher.



    Waren die anderen Darsteller diesmal keiner namentlichen Erwähnung wert? ?(

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Hallo Alviano,
    nachdem ich den Verriss in der Presse gelesen habe, wundert mich deine "Zurückhaltung" nicht.
    Es ist auch nicht schön, für eine schlechte Aufführung viel Geld bezahlt zu haben. :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • komme gerade aus ffm "tannhäuser" und will nun kurz ein paar gedanken äußern...ausführlicher bericht folgt!


    Gerhaher ist einfach unglaublich gut!!! da brauch man mehr nicht zu sagen außer :jubel: - der star des abends! für mich nur vergleichbar mit dieskau als wolfram mit sonst nix!!!


    Die Venus gefiel mir auch sehr gut. Auch der Landgraf war in Ordnung, nicht grade stimmschön aber gut verständlich!


    Das Inszenierungskonzept gefiel mir gut, auch wenn es ab und an zu klamauk wurde aber das fand ich absolut ok!!


    zu langsame tempi konnte ich keine finden....kann auch dran gelegen habe das hinterher noch eine veranstaltung war :P (deshalb auch gekürtze pausen)


    Eine sehr schöner Abend außer dem "Titelhelden" - der leider kein Held war. Vor lauter "sparen" das singen vergessen!! so würde ich's zusammenfassen!


    mfg

  • Ich wollte ja den Vergleich zu Münsters Don Giovanni ziehen:


    Dortmund (mit dem Barbier) ist besser. Hauptgrund: Auf der Bühne wird einfach mehr geboten. Da wurde richtig geschauspielt. Klar, komödienhaft, aber die Leute haben echt was geboten, die Chorsänger inbegriffen.


    Um es mal platt auszudrücken: Der Regisseur in Dortmund hat mehr gearbeitet als der in Münster. Oder haben die Dortmunder einfach die besseren Schauspieler? Aber singen konnten die auch, homogener und insgesamt besser als die Münsteraner (klasse: Tansel Akzeybek als Graf, Giulio Alvise Caselli als Figaro, Julia Novikova als Rosina). Das komplette(!) Ensemble hatte die Spielfreude der Julia Neumann (Zerlina) in Münster.


    Gerechtigkeitshalber auch eine Kritik: Bisweilen wurde zu viel gewagt: Die Leute rannten öfter in der Gegend herum und standen dabei auch mal mit dem Rücken zum Orchester. Wenn das auf eine Stelle mit schnellem Gesang fiel (kommt bei Rossini ja öfter vor), war es aus mit der Synchronität von Orchester und Sänger. Da muss man entweder öfter zusammen proben, oder man vermeidet solche Situationen.


    Insgesamt aber ein klasse Abend. Ich muss jetzt wohl auch die Carmen ansehen...



    Thomas Deck

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  • Moin,


    tja , was soll ich dazu noch schreiben. Ich kann mich severinas Kritik nur zu 100% anschliessen: Ein wunderbarer Abend! :jubel: :jubel:


    Ergänzend möchte ich noch das Orchester unter William Christie, the Master of Piano and Adagio, nennen, das wunderbar gespielt hat. Nach zwei Liveopern unter Christie kenne ich nun auch seine ganz grossen Stärken: die langsamen Sätze und alles, was piano und leiser ist. Das war so voller Intensität und Spannung, da wagte niemand zu Husten oder eine Nadel fallen zu lassen.


    Die Messlatte für Operninszenierungen in 2007 liegt damit verdammt hoch.


    Und hier noch ein paar Bilder, geklaut von der Website des Zürcher Opernhauses.


    Semele wurde von Jupiter entführt. Die Schlagzeilen:


    Die beiden Verliebten:


    Juno und Iris planen den Fall von Semele:


    Das Lob an die Musik:


    Die Spiegelarie:


    Juno triumphiert zum Schluss über den angeschlagenen Jupiter:


    Und für alle die, diese Aufführungen nicht sehen konnten:


    Gute Nachricht


    Meine Aufführung wurde aufgezeichnet. :D :D

    Grüsse aus Rhosgobel


    Radagast

  • Der Monteverdi-Zyklus von René Jacobs mit der "Akademie für alte Musik Berlin" wurde mit der Premiere von "Marienvesper/Combattimento" im Januar an der Lindenoper verkomplettiert.


    Da ich im letzten Jahr nur "Poppea" gesehen hatte, nutzte ich die Gelegenheit, mir am vergangenen Wochenende neben "Marienvesper/Combattimento" noch den "Orfeo" anzuschauen.


    Versuche, geistliche Werke auch szenisch aufzuführen, gibt es immer wieder mal, erinnert sei an Juri Lyubimoff und die "Matthäus-Passion" an der Mailänder Scala, oder, jetzt erst jüngst, die "Johannes-Passion" in Wiesbaden in der Regie von Dietrich Hilsdorf.


    In Berlin wagte sich der Regisseur Luk Perceval an eine solche szenische Realisation - und quasi als Brechung der euphorischen Töne der "Marienvesper" wird die Geschichte von Tancredi und Clorinda in die Vesper eingebaut.


    Man sieht auf der Bühne - der Orchestergraben ist abgedeckt, alles ist bis an die erste Zuschauerreihe herangezogen - eine schmale Holztribüne, fünf "Stockwerke" hoch, quasi von einer irdischen Tiefe bis in himmlische Höhen gestuft. Farblich setzt sich der Raum der Staatsoper Berlin auf dieser Szene fort.


    Zu Beginn erklettern die Beteiligten - Solisten, Chor, Orchester, Statisterie - die Tribüne. Sie tragen Alltagskleidung und schauen auf das Publikum herunter.


    Von einer richtigen Inszenierung kann man aber dann nicht sprechen: Perceval bietet soetwas wie "Körpertheater" an, mehr oder weniger freie Assoziationen zur Musik. Da er alle Gruppen, auch die Musiker, miteinbezieht, entsteht durchaus soetwas wie ein ganz eigener Charme in der Bewegung, es ist nie langweilig, aber leider auch etwas beliebig. Die eingeflochtene "Combattimento"-Handlung verläuft im selben Gestus, auch hier gibt es nichts Überraschendes, aber eben auch keine Langeweile.


    Die musikalische Seite hat mich sehr beeindruckt: durch die Holzwand, auf der die Musiker und die Sänger postiert sind, ensteht ein sehr warmer Gesamtklang, der mit voller Wucht abgestrahlt wird - und die Leistung des Orchesters, des Chores und der Solisten ist schon bemerkenswert gewesen.


    Jacobs dirigiert zügig, lässt oft auch ("Combattimento") sehr hart und schroff artikulieren, lässt Raum für die Sinnlichkeit, die dieser Musik innewohnt (ich finde, da knisterts an mancher Stelle heftig - und ob das immer mit Religion zu tun hat...?), hat mir gut gefallen (zumal ich finde, dass die "Akademie für alte Musik" einen Klang erzeugt, der schon auch süchtig machen kann).


    Unter den Solisten die Sopranistin Maria-Cristina Kiehr und die Bässe Antonio Abete und Sergio Foresti. Mir ist besonders ein Sänger aufgefallen, den ich bis dahin nicht kannte: der Bariton Stéphane Degout, der auch den Testo gesungen hat. Schon während der "Marienvesper" habe ich gedacht, dass ich den gerne einmal in einer anderen Aufführung erleben möchte.


    Sollte mir gleich am nächsten Abend gelingen: Stéphane Degout ist im "Orfeo" der Titelrollensänger. Leider musste gleich zu Beginn eine Indisposition ansagen lassen, versuchte aber, die Aufführung zu singen.


    Die Inszenierung von Barrie Kosky kommt bewegt und munter daher: Orfeo, hier ein moderner Komponist, erfindet sozusagen die Oper, deren Protagonist er ist. Er reicht die Partitur zu Beginn an den Dirigenten weiter, der daraufhin mit dem Stück beginnt. Immer wieder werden Noten geschrieben und Notenblätter verteilt. Der Chor und die Solisten bewegen sich immer wieder zu den tänzerischen Melodien Monteverdis, oft wird die Rhythmik der Musik aufgegriffen.


    Degout schlägt sich tapfer, er ist auch ein sehr agiler Darsteller, aber beim "Possente Spirto", dem schwierigsten Teil der Oper, ist Schluss. Schon nach der ersten Zeile bricht der Sänger ab - und sagt noch: "Es tut mir leid" bevor er die Bühne verlässt.


    Daraufhin brandet ihm die gesamte Sympathie des Publikums entgegen, Degout ist sichtlich gerührt, Kollegen umarmen ihn, Tränen stehen ihm in den Augen. Minutenlang reisst der Applaus nicht ab - es war ein irgendwie sehr berührender und anrührender Moment.


    Klar, ich hätte gerne die zweite Stunde auch noch gesehen - und die Musik in der Interpretation von René Jacobs war wieder wunderbar.


    Immerhin war das Fernsehen da, auch der Rundfunk - vielleicht gibt es die komplette Version dann per Film (ich selbst schaue mir Oper nie auf Video oder DVD an, hier würde ich eine Ausnahme machen).


    Die Rundfunkübertragung ist für den 24.02.2007 im "Kulturradio" vorgesehen.

  • Premiere in der Wiener Staatsoper: 1. April 2007
    Weitere Vorstellungen: 4., 9., 12., 16., 19., 22., 25., 28. April



    ?(

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Kurzer Bericht über den gestrigen Parsifal in Berlin an der Staatsoper unter den Linden:


    Nun, die Aufführung stand nicht gerade unter einem guten Stern. Ursprünglich war Domingo als Parsifal geplant, legte die Rolle aber gänzlich ab. Sowohl Titurel als auch Kundry wurden im Vorfeld umbesetzt, buchstäblich über Nacht sagte dann auch Hanno Müller-Brachmann den Amfortas ab. Premiere war 2005, dürfte also auch erstmal die letzte Aufführungsserie gewesen sein. Entspannung im Vorfeld einer solchen Aufführung sieht sicher für die Künstler anders aus.


    Bei der Inszenierung gestehe ich ein, ich ging mit massiven Vorurteilen hinein. Bernd Eichinger macht aus meiner Sicht noch nicht mal gute Filme, wie soll es da erst mit einer solch inhaltsschweren Oper werden ? Parsifal als Zeitreise, jeder Akt spielt in einer anderen Zeit. Viel Projektionen, von denen ich irgendwie wenig mitbekam, weil ich größtenteils an der Personenregie interessiert bin. Da war aber auch nicht so viel zu sehen, angesichts der ganzen Umbesetzungen aber wohl auch kein Wunder. Visuell eindrucksvoll die glutrote Bühne beim ersten Auftritt von Klingsor, aber darüber hinaus blieb irgendwie nichts hängen und die Logik der Schlussszene hat sich mir nicht gänzlich erschlossen. Naja, und der Gral ist ein Hackklotz, und jeder Gralsritter bedient sich mit einem Stück Herz von Amfortas. Aber wie gesagt, ich bin da eh nicht mit großen Erwartungen hingegangen, die hatte ich eher musikalisch.


    Star des Abends war nominell René Pape, das konnte er aber leider nicht länger als 3 Minuten unter Beweis stellen, da er stark indisponiert war. Jeweils am Anfang des ersten und dritten Aktes konnte man noch die Schönheit der Stimme und des Singens erahnen, danach musste er deutlich die Handbremse ziehen, war kaum noch Sonorität in der Stimme. Den dritten Akt begann er nach längerer Pause noch relativ normal, dann brach ihm die Stimme bei Einsatz einer Phrase, ab dann wieder Handbremse. In Tuttistellen zog er sich zwangsläufig vollkommen hinter das Orchester zurück. Trotzdem großer Applaus dafür, dass er überhaupt durchgehalten hat. (Im ersten Akt war er ziemlich mit seiner Stimme beschäftigt, war sehr textunsicher und kam sogar in der wunderschönen Stelle vor der Verwandlungsmusik vollkommen aus dem Tritt :( )


    Wolfgang Brendel sprang kurzfristig als Amfortas ein, da gerade als Scarpia probend anwesend. Dies im Hinterkopf und die Tatsache, dass er sich langsam seinem Karriere-Ende nähert, hat er getan, was er halt konnte. Besitzt noch eine erstaunlich tragfähige Stimme.
    Michelle DeYoungs Kundry, stimmstark und mit schöner Stimmfärbung in der tiefen Lage hat auf mich - wie auch auf meine Begleiterin - eher mütterlich als verführerisch gewirkt und konnte das auch durch ihren sängerischen Ausdruck nicht fördern.
    Burkhard Fritz von guter Schallkraft als Parsifal, nicht sehr klangschön und etwas erschöpft gegen Ende, machte seine Sache aber im Großen und Ganzen gut. Jochen Schmeckenbecher als Klingsor stimmlich ordentlich und sogar böse, der Titurel von Andreas Bauer nicht sehr stimmstark, aber O.K. Mit geringem Volumen ist das eine eher undankbare Rolle.


    Das sich der Abend dennoch gelohnt hat, dafür sorgten wieder einmal Daniel Barenboim und die hervorragende Staatskapelle, deren Ruhm berechtigt stetig zunimmt. Allein das Realisieren der vielschichtigen Instrumentierung am Beginn des Vorspiels grandios, ein Klangrausch. Wunderschön auch die Schlussszene, unterstützt vom guten Chor.



    Alles in allem: Etwas Pech gehabt, mehr Ruhe im Vorfeld und ein besser aufgelegter Pape und das Ganze wäre richtig gut geworden. Aber damit muss man leben.


    Grüße von der Spree
    Sascha

  • Radagast, ehrlich, die "Semele" wurde aufgezeichnet??? Das nenne ich aber eine gute Nachricht! Zu deinem letzten Bild: der Triumph der Juno dauert aber nicht lange, denn der Vorhang senkt sich doch quasi über ihrem Wutanfall, weil Jupiter schon mit einem neuen Häschen schäkert. 8o Fand ich köstlich, diesen Einfall, wie so viele dieser herrlichen Inszenierung! :D
    Melot, ich verstehe dein ?( nicht ganz - was stört dich an der Besetzung?? Ich freue mich jedenfalls schon darauf!
    lg Severina

  • Ich kenne die Oper nicht. Was ist denn die Duchesse für eine Partie, dass Montserrat Caballé sie singt. Oder ist das ein Aprilscherz?

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Zitat

    Original von Melot1967
    Ich kenne die Oper nicht. Was ist denn die Duchesse für eine Partie, dass Montserrat Caballé sie singt. Oder ist das ein Aprilscherz?


    Nun, die gute Montserrat Caballé wird auch nicht jünger - die Herzogin in "Fille" ist die "komische Alte" des Stücks - die einige witzige (auch in der Musik) Auftritte abzuliefern hat. Da bin ich gespannt, was ihr berichtet.


    Ob da doch noch Herodias und Klytämnestra von M. Caballé zu erwarten sind?

  • Zitat

    Original von Alviano


    Nun, die gute Montserrat Caballé wird auch nicht jünger - die Herzogin in "Fille" ist die "komische Alte" des Stücks - die einige witzige (auch in der Musik) Auftritte abzuliefern hat. Da bin ich gespannt, was ihr berichtet.


    Ob da doch noch Herodias und Klytämnestra von M. Caballé zu erwarten sind?


    Ich kann mir die Caballe in dieser Partie wunderbar vorstellen, sie ist doch das, was wir in Wien eine Ulknudel nennen! :D
    Alviano, falls du öst. TV empfangen kannst - die PR wird live übertragen!!
    lg Severina

  • Zitat

    Original von severina


    Ich kann mir die Caballe in dieser Partie wunderbar vorstellen, sie ist doch das, was wir in Wien eine Ulknudel nennen! :D
    Alviano, falls du öst. TV empfangen kannst - die PR wird live übertragen!!
    lg Severina


    Hallo Severina,


    vielen Dank für den Hinweis: ich bin bekennender Nichtfernseher - habe aber ein TV-Gerät hier, weil ich den als Monitor fürs Radio benötige. Ich schaue mal nach, da wir per Satellit empfangen, bin ich ziemlich sicher, Österreich sehen zu können - und das würde ich dann auch tatsächlich tun - Caballé mit so einer Rolle ist sicher ein Clou!


    LG

  • Hallo.


    Tja, Sascha, da sind wir gestern wahrscheinlich aneinander vorbeimarschiert in der Staatsoper.
    Vielen Dank für Deine Einschätzung zum "Parsifal"!


    Bei der Inszenierung folge ich Dir gern. Auch ich hatte von Eichinger insofern wenig erwartet - und wurde entsprechend auch nicht sonderlich enttäuscht. Recht gut gefiel mir der Beginn mit Gurnemanz vor der Weltenkugel (auch wenn es mir arg von "2001" angekupfert schien), ansonsten überzeugte tatsächlich nur der glutrote Klingsor-Auftritt. Du sprichst aber insofern zu Recht die Umbesetzungen als Aufführungserschwernis an.


    Auch bei den Sängern teile ich Deine Einschätzung, wobei ich mehr betonen würde, wie gut sich Pape noch hielt. Kundry wie Parsifal waren stimmkräftig, aber für mein Empfinden ausdrucksschwach (wobei mir insgesamt die gute Textverständlichkeit auffiel). Und Amfortas/Brendel ... namentlich am Ende des ersten Aufzugs schien er mir von der Schreikrankheit heimgesucht. Regelrecht enttäuscht war ich vom Männerchor, da war kein richtiger Druck zu spüren.


    Allerdings bin ich von Barenboim nicht so begeistert wie Du. Mir klang es vielfach nicht so transparent und homogen, wie ich es mir gewünscht hätte. Vielleicht saß ich (bei meinem ersten Mal in der Staatsoper) auch nur schlecht. Im März wollen wir uns "Boris Godunow" ansehen und haben andere Plätze, mal sehen.
    Ich hatte auch das Gefühl, dass er bei Steigerungen gern so eine Art Verzögerungsschritt einsetzt, um einen noch gewaltigeren Effekt zu erzielen; im Vergleich mit mir bekannten CD-Einspielungen empfand ich das als nicht so gelungen. Das Finale überzeugte mich insofern weder sängerisch noch vom Orchester her noch bezüglich des Inszenatorischen - das wirkte ein wenig wie Disneys heile Welt.


    :hello:


    Gruß, l.

    "Jein".

    Fettes Brot

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