Der fliegende Holländer oder: das Theater Aachen sieht schwarz
Diesmal zur Saisoneröffnung was zum Gruseln, eine "Gespensteroper" also. So wurde der zweite Wagner in Folge im Theater Aachen angekündigt.
Wenn Gruseln heißt: schwarze Plastikplanen auf dem Bühnenboden, ein aufgeschüttetes Grab, dunkel gekleidete Personen, Daland als tätowierter Ledermann, Zylinderträger mit dampfendem Jackett, ein meist unbenutzter oder zum Schabernack bewegter Rollstuhl, dekolletierte Fischweiber, ein overdresseder Holländer und - aus der Abteilung "jetzt quälen wir mal das Publikum" - die Zuschauer mit grellem Taschenlampenlicht blendenden oder wachrütteln sollenden (?) Sänger nebst knapp bekleidetem "reichem Schatz" im Einkaufswagen als Angebot, das der geile Daland nicht ablehnen wird, schliesslich zum bösen Schluss ob Sentas Ende ziemlich hilflos herumstehende Protagonisten: nun, dann konnte dem geneigten Besucher durchaus gruselig werden. Ach ja: die Spiegelung eines Holländer-Doppelgängers war auch dabei (gibt's natürlich in jeder 2. Holländerinszenierung), es fehlte allerdings das Schiff...
(Inszenierung: Alexander Müller-Elmau, der sich bei der Premiere mit düster-unbewegtem Gesicht kräftige Buhs abholte)
Aber man kommt ja nicht nur der Inszenierung wegen sondern weil man die Musik schätzt.
Und da sah alles so viel heller aus!
Musikalisch-orchestral ist dieser Holländer ein Hochgenuss, sängerisch zum Teil jedenfalls ebenfalls sehr hörenswert.
Marcus Bosch geht energisch zur Sache, er wählt recht schnelle Tempi, hetzt aber niemals. Schon beim "Lohengrin" war es eine Freude zu bemerken, wie er Rücksicht aufs Sängerpersonal nimmt, er deckt nicht zu, achtet auf die richtigen Lautstärkerelationen, disponiert klug
Und das Orchester wird einfach immer perfekter, hochengagiert mit wunderbaren Farben. Die Bläser ohne Tadel, es zischt und sprüht, man meint, die Gischt kocht aus dem Orchestergraben. Und die leiseren Passagen, volltönende weiche Streicher. Der Herr neben mir schloss häufig die Augen und ließ sich nicht ablenken vom Aktionismus auf der Bühne.
Gesanglich waren Glanzlichter: Woong-jo Choi als Holländer (bereits im Lohengrin ein kraftvoller König Heinrich), herrlich der Steuermann von Andreas Scheidegger, düster-gruselig doch klangvoll der Daland von Krzysztof Borysiewicz. Irina Popova hat's dagegen schwer als Senta. Sie muss forcieren, schafft erhebliche Lautstärken aber nur zum Preis starken Tremolierens, mehr noch als bei ihrer Elsa letztes Jahr. Ich denke, es ist ihrer Stimme nicht zuträglich, schwere Wagnerpartien gleich hintereinander bewältigen zu wollen.
Der Chor (Einstudierung: Frank Flade) schließlich: perfekt, kraftvoll, klar, trotz Verkleidung einfach luxuriöser starker Chorgesang.
Mein Eindruck zusammengefaßt: erneut beweisen die Aachener musikalisch ihr Spitzenniveau. Solche starke Leistung allerdings hätte eine adäquate Inszenierung verdient!