Midori Seiler
"Midori Seiler, Tochter einer japanischen Pianistin und eines bayrischen Pianisten, wuchs in Salzburg auf. Ihre musikalische Ausbildung führte sie von Salzburg über Basel und London nach Berlin, wo sie seither lebt.
Ihre Lehrer waren Helmut Zehetmair, Sandor Végh, Adelina Oprean, Thomas Hengelbrock, David Takeno, Eberhard Feltz und Stephan Mai."
Zu lesen und zu sehen auf der Website der Künstlerin. Sie ist Konzertmeisterin des von Jos van Immerseel gegründeten Originalklang-Orchesters Anima Eterna und auch als Solistin aktiv. Ihre letzten Soloeinspielungen waren Schubertsonaten, Mozartsonaten und die Mozartschen Violinkonzerte Nr. 2 und 3, jeweils mit Jos van Immerseel.
Ich habe sie bisher einmal im Konzert mit einem Mozartviolinkonzert erlebt und habe diese CD
von ihr, deren Wirkung auf mich Anlass dieses Beitrags ist.
Selbstverständlich verfügt Midori Seiler über eine makellose Technik und vollendete Musikalität, die bei den Mozartkonzerten weder spieltechnisch noch gestalterisch Wünsche offenlassen. Sie gestaltet diese Werke aus einer großen inneren Ruhe heraus, ohne Druck und Aktivismus, aber auch ohne einlullende, zuckrige Gleichförmigkeit.
Sie weiß jede Phrase mit unfehlbarem Instinkt voll auszusingen und doch in den weiten Bogen zu integrieren, was ihr vor allem durch den Einsatz subtilster Gestaltungsmittel gelingt. Natürlich gibt es die HIP-typischen Glockentöne, aber sie werden nicht zum Manierismus kultiviert, sondern musikalisch sinnvoll eingesetzt. In Verzückung setzt mich jedoch der Ton dieser Künstlerin - es ist fast unmöglich, diese zarte, hochdifferenzierte Kunst in Worte zu fassen.
Im historischen Vergleich erinnert sie mich an den klaren, bogentechnisch perfekt kontrollierten, das Vibrato sehr wohldosiert einsetzenden Klang des großen aus Rumänien stammenden Wiener Geigers Arnold Rosé - sicher nicht die schlechteste Referenz.
Was heißt das nun konkret in der erklingenden Wirklichkeit? Man wird hier beschenkt von einem Geigenton, der von einem hellen, fast körperlosen, vibratofreien pp bis zu einem je nach musikalischer Notwendigkeit warm-sonoren, vollen und runden oder strahlend angeschärften Klang reicht. Hinzu kommt die Fähigkeit, die Dichte des Klangs durch bogentechnische Beherrschung zu variieren, eine Kunst, die im Zeitalter der Stahlsaite so ziemlich in Vergessenheit geraten war. Mit der Folge, dass es nicht nur Lautstärke- und Vibrato-crescendi gibt, sondern auch Töne von zunehmender Dichte, von zunehmendem Volumen. Ein sehr subtiler, aber enorm ausdrucksstarker Effekt.
Gekrönt wird das Ganze von vollendetem Maß im Gebrauch des Vibrato, das immer Zutat bleibt und nie dominiert, sondern Ton und Linie das musikalisch gebotene Leben verleiht.
All' diese Dinge wären wenig wert, wenn da nicht dieses "Etwas" wäre, die Menschlichkeit, die aus ihrer Darbietung spricht. Auch hier bietet das historische Instrument mit den Darmsaiten einen Vorteil: ähnlich wie beim Klang des Fortepiano haben die Darmsaiten einen etwas "körnigeren" Klang, es gibt mehr reibende Nebengeräusche als bei der Stahlsaite. Gerade ihm piano und pianissimo ähneln diese Geräusche sehr stark dem Wispern, das menschliches Flüstern kennzeichnet. Die Ausdruckswirkung dieser klanglichen Eigenheit in einem Mozart-Adagio muss man erlebt haben, aber es dürfte nicht schwerfallen, sie sich vorzustellen.
In der Summe ergibt sich aus diesen Einzelelementen ein beseeltes, zurückhaltendes, lebendiges, anrührendes, zärtlich-menschliches Musizieren das mich immer wieder in dankbarer Seligkeit zurücklässt.
HIP? Alte Instrumente? Glockentöne? Vibrato? Technik?
Am Ende bleibt, nein, lebt: Mozart.
Es schwärmt
der
BBF