Was ist dran an Karajan? - Versuch einer Analyse

  • Wenn ich ein reines Gewissen habe, muss ich keine Angst vor Fallen haben.

    Doch, weil Journalisten ebenso brillante Wortverdreher, wie Advokaten Rechtsverdreher sind. Das ist doch nun wirklich nichts Neues.


    Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Zum Thema Karajan stimme ich allem zu, was Stimmenliebhaber hier gesagt hat. :thumbup:


    Die Frage, warum es immer wieder zu Reinwaschungsversuchen kommt, hat meines Erachtens astewes beantwortet:


    Eine zweite Komponente, bei der ich mich bei meinen "Helden" auch nicht völlig von freisprechen kann, ist die, dass man es gerne hätte, dass ein musikalischer Genius (wen man sich da immer vorstellen mag) auch in allen anderen Bereichen ohne Tadel sein sollte.

    Wenn man einen Musiker wegen seiner künstlerischen Leistungen hoch schätzt, ja vielleicht sogar verehrt, dann neigt man wohl dazu, seine Wertschätzung auf den ganzen Menschen auszudehnen. Und dann fällt es eben schwer zuzugeben, dass dieser Mensch auch Schattenseiten hatte und in der Gesamtschau eben nicht die unbefleckte Lichtgestalt war, als die man ihn gerne sehen würde.


    Was ich von Opportunisten und Mitläufern halte, die ihrer Karriere wegen einer verbrecherischen Organisation wie der NSDAP beitreten, habe ich hier schon mehrfach gesagt und muss es nicht wiederholen. Das hindert mich aber nicht daran, die künstlerischen Leistungen von Karajan anzuerkennen, auch wenn ich diese nicht so hoch hänge wie viele andere hier. Ebenso wie meine Liebe zur Musik Wagners nicht dadurch beeinträchtigt wird, dass er ein widerlicher Antisemit war und auch sonst wohl nicht unbedingt ein sympathischer Zeitgenosse.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Hier muß etwas zur "Interviewkultur" gesagt werden - zumindest zur österrreichischen.

    In meiner Jugend war es (Ausnahmen abgesehen) daß Interviews etwa in der Form abliefen, daß im Grobe vereinbart wurde, was der Interviewer fragen DARF, und was er freundlicherweise - aus Gefälligkeit dem Interviewtem gegenüber - fragen SOLL.

    Die Interviews begannden üblicherweise mit einer Danksagung an den Star, Politiker, etc . daß er so freundlich war seine kostbare Zeit zu opfern, was dann mit einer Bemerkunk quittiert wurde, die sei ein Vergnügen und gerne geschehebn. Dann folgten ein paat Fragen über letzte Erfolge und künftige Pläne, und die Bemerkung daß man sich auf zukünftige Zusammenarbeit mit XY bereit freue. Das Interview endete dan mit artigen Bemerkungen von beiden Seiten und Grlückwünschen für die zukunft. 'Unagenehme Fragen wurden nich angeschnitte und auch das DU Wort (selbst wenn man sich privat bereits DUZTE) war mehr oder weniger Tabu.

    Erst aus dem (mir) widerwärtigen Amerika kam dann die Mode, den Intervieten durch Fangfragen in die Enge zu treiben und bloßzustellen.

    Und man braucht gar kein schlechtes Gewissen zu haben.

    Um 1995 besaß ich 3 Geschftge wo hauptsächlich hochwertige Computerspiel (Fluigsimulatoren, Wirtschaftssimulationen, Adventures, Strategiespiele etc) verkauft wurden.

    In unserer Filiale Marc-Aurel-Straße fand ein Interview für "Profil" mit mir statt. Es war eine angenehme Athmospäre im Plauderton - und ich fühlt mich einigermauß sichter vor hinterhältigen Angriffen. Da kam dann die Frage an mich "Welches ist Denn IHR Lieblingsspiel ?"

    WAhrheitsgemäß antwortete ich: "Ich spiele überhaupt keine Computerspiele - das interessiert mich nicht - ICh HANDLE damit, das ist mein Job.

    Und daraus wurde dann (warheitsgemäß aber unrtergriffig " Mit Hobbit, den Lemmingen und Super Mario hat Herr Schmidt nichts am Hut- er ist ein kühler Geschäftsmann."

    Das ist nicht unwahr - aber sowas liest sich nicht gut. Ab diesem Zeitpunkt gab ich Interviews nur zensiert, soll heissen nichts was ich nicht abgezeichet und abgesegnet hatte durfte veröffentlicht werden....

    Soviel zum guten Gewissen.

    Karajan hat ja auf eine Fangfrage sowieso hart reagiert, Er würde auch mit dem Teufel zusammenarbeiten, wenn dies nützlich für seine Karriere wäre.

    Was bedeutet das "übersetzt" ?

    Ich würde sagen, in etwa:

    Eure blöden Fragen können mich nicht in die Enge treiben, ich habe eine riesige Anhängerschar und eine mächtige Lobby hinter mir - was immer ich antworte - es wird mir nicht schaden.

    Dabei war Karajan - im Gegensatz zu seinem Ruf - eigentlich nicht "mediengeil"

    Im Gegenteil

    Er mochte in seinen früheren Jahren kein Fernsehen und kein Aufsehen bei seinen Aufnahem.

    Erst als er bemerkte, wie nützlich das sein konnte, daß er plötzlich alle seine (künstlerischen) Wünsche ohne jegliche Rücksicht durchsetzten konnte,

    änderte er seine Meinung zu den Medien. Partylöwe uder Skandalstar wurde er dennoch nicht - denn im Grunde seines Herzens war er ein ichbezogener introvertierter Intellektueller.


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die Frage, warum es immer wieder zu Reinwaschungsversuchen kommt, hat meines Erachtens astewes beantwortet:


    Eine zweite Komponente, bei der ich mich bei meinen "Helden" auch nicht völlig von freisprechen kann, ist die, dass man es gerne hätte, dass ein musikalischer Genius (wen man sich da immer vorstellen mag) auch in allen anderen Bereichen ohne Tadel sein sollte. Das ist aber leider selten so.

    Daran glaube ich nicht. Menschen und Künstler ohne Tadel finde ich nämlich total langweilig - und so uninteressant wie den selbstgerechten Gutmensch an sich, der seinem Wesen nach ein klassischer Kleinbürger ist. :)

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent



  • Ein hochinteressantes Interview mit Herbert von Karajan vom 27. Dezember 1977, geführt von Friedrich Müller. Es geht vor allem um Beethoven. Entstanden wenige Tage vor dem Silvesterkonzert 1977, wo Beethovens Neunte zum ersten Mal live im Fernsehen ausgestrahlt wurde, was für Karajan auch ein erstmaliges Experiment war. Er geht auch auf sein Verhältnis zu Filmaufnahmen ein und erläutert minutiös die Schritte, die bis zur echten Live-Übertragung für ihn nötig waren. Die besagte Live-Aufnahme der 9. Symphonie von Beethoven ist seit längerer Zeit auch offiziell erhältlich und stellt sicherlich eine der überzeugendsten Lesarten Karajans dieses Werkes dar.


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Menschen und Künstler ohne Tadel finde ich nämlich total langweilig - und so uninteressant wie den selbstgerechten Gutmensch an sich, der seinem Wesen nach ein klassischer Kleinbürger ist.

    Diese Aussage trifft ins Schwarze, lieber Rüdiger!


    Der vollendete "Gutmensch" ist so höchst moralisch wie - langweilig. Und das waren alle bedeutenden Künstler nicht, weder Beethoven noch Goethe, weder Hindemith noch Brecht, weder Furtwängler noch Karajan.


    Ich wünsche mir keine Idealgestalten, die gehören in die Heiligenlegende. Wogegen ich mich aber mit Vehemenz wende, ist, jemandem Verantwortung für Verbrechen und Untaten vorzuwerfen, die er weder begangen noch jemals gutgeheißen hat (oder habe ich das was verpaßt?). Das empfinde ich als Gipfel von Perfidie!


    Karajan hat, wie jeder andere vor uns, mit uns und nach uns sich die Zeit nicht aussuchen können, in die er hineingeboren wurde, aber er hat das gleiche Recht wie alle anderen, in dieser ihm gegebenen Zeit sein Leben, natürlich ohne anderen dabei Schaden zuzufügen, frei zu gestalten. Dabei muß er sich den Verhältnissen, die er vorfindet, versuchen anzupassen und "dem Kaiser geben, was des Kaisers, und Gott, was Gottes ist". So steht es schon in der Bibel, und ich vermag nirgends zu erkennen, daß Karajan gegen diese Maxime verstoßen hätte.


    Und da wir gerade bei der Bibel sind: "Wer sich frei fühlt von Schuld, der werfe den ersten Stein.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Ich habe soeben das Interview gesehen.

    Irgendwann hab ich mal wo geschrieben, Karajan hätte eigentlich gar kein Charisma, die brüchiche krächende Stimme - ertc.. Erst nach einiger Zeit des Zuhörens wäre die Fasination (bei mir) da.

    Das muss ich heute korrigieren. Das andere Interview war aus seinen letzen Lebensjahren - und DAHER kam mein Eindruck.

    HEUTE - bei DIESEM Interview bekam ich den eindruck eines sehr kontrollierten, disziplinierten Menschen, der sich seiner Vorzüge und Schwächen voll bewusst ist und voll dazu stehT. Eher ein harter Arbeiter, als ein abgehobenes Genie - auch als Interviewpartner sehr angenehm. Nicht Jovial, aber umgänglich und IMO sehr geduldig mit dem Interviewer, dessen Fragen oich zeitweise ein wenig naiv und hausbacken empfand - aber das entsprach wohl dem Stil der Zeit .....


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ein hochinteressantes Interview mit Herbert von Karajan vom 27. Dezember 1977

    Danke, lieber Joseph II., für dieses höchst interessante Interview. Hier ist Karajan spürbar in seinem Element, seine Aussagen sind nicht abgehoben, sondern für jeden, auch den musikalischen Laien, leicht verständlich. Ich kannte es nicht, deshalb ist es für mich ein kleines vorweihnachtliches Geschenk.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Ich wünsche mir keine Idealgestalten, die gehören in die Heiligenlegende. Wogegen ich mich aber mit Vehemenz wende, ist, jemandem Verantwortung für Verbrechen und Untaten vorzuwerfen, die er weder begangen noch jemals gutgeheißen hat (oder habe ich das was verpaßt?). Das empfinde ich als Gipfel von Perfidie!

    Als "Gipfel der Perfidie" empfinde ich es, eine (ob doppelte oder einfache) Parteimitgliedschaft als "Nichtgutheißung" abzutun. In eine Partei tritt man ein, weil man deren Ziele teilt. Wenn ich in die CDU eintrete, dokumentiere ich damit öffentlich, dass ich Christdemokrat bin, wenn ich in die SPD eintrete, dass ich Sozialdemokrat bin usw. Wenn ich heute (was Gott ei Dank gar nicht möglich ist ist) in die NSDAP eintreten würde, würde ich damit öffentlich dokumentieren, dass ich Nationalsozialist bin.


    Der Eintritt in einer Partei ist ein öffentliches Bekenntnis zu den politischen Zielen dieser Partei. Immer. Und wenn ich im Wikipedia-Artikel das Zitat aus Karajans Brief an seine Eltern lese (von 1934), dann scheinst du offentlich doch etwas verpasst zu haben.


    Aber es ist ja völlig sinnlos, hier zu argumentieren. Macht ruhig mit eurer Reinwaschung weiter, so lange und intensiv, wie diese hier schon dauert, muss da ganz offensichtlich einiges abzuwaschen sein. Mit einer angemessenen differenzierten Betrachtung der Vita einer Künstlerpersönlichkeit hat solch eine völlig unkritische, alles "verzeihende" Sicht auf einen Künstler nichts zu tun, das ist blinde Anhängerschaft von Fans - das könnt ihr ja auch gerne sein, auch wenn im Wort Fan auch Fanatismus drin steckt (den man in dieser Rubrik sehr deutlich bemerken kann), aber dann tut bitte nicht so, als sei das der Forschungsstand zu Karajans Biogafie! Ich würde fast sagen, der unkritische Blick auf die Vita Karajans ist fast schon ein exklusives Alleinstellungsmerkmal dieses Forums oder zumindest gar nicht so weniger Mitglieder hier. Alfred wird das freuen - und ich werde ab sofort zu Beiträgen wie dem deinigen schmunzeln, denn diese Position ist es nicht wert, sich immer wieder ernsthaft damit auseinanderzusetzen. :hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • In eine Partei tritt man ein, weil man deren Ziele teilt.

    Der Eintritt in einer Partei ist ein öffentliches Bekenntnis zu den politischen Zielen dieser Partei. Immer.

    Hallo, Stimmenliebhaber,


    auch wenn wir selten einer Meinung sind, habe ich Dich doch immer für einen klugen Kopf gehalten. Deshalb die bescheidene Frage: Ist das jetzt wirklich Dein Ernst? Haben die Millionen SED-Mitglieder in der DDR wirklich alle die Ziele der Partei geteilt? Nein, Unzählige sind eingetreten, die kurz zuvor noch überzeugte Nazis waren, nur weil sie weiter mit dabei sein wollten, entweder Posten in Aussicht hatten oder solche nicht verlieren wollten. Hast Du noch nie von den "Märzgefallenen" im Dritten Reich gehört, die nach dem (wenn auch schwachen) Wahlsieg der Nazis flugs im März 1933 in die Partei eingetreten sind, nur um ja mitmischen zu können und nichts zu verpassen. Das ging so weit, daß die NSDAP einen Aufnahmestop verhängen mußte, weil man die zahllosen Anträge gar nicht bewältigen konnte!

    Selbst hier im "freien" Westen kenne ich eine ganze Reihe von Leuten, die in die CDU bzw. SPD eingetreten sind, weil sie ansonsten in ihrer Beamten- oder Funktionärslaufbahn (z.B. bei der Gewerkschaft) gehemmt worden wären oder gar auf Beförderungen verzichten hätten müssen.


    Den Brief Karajans an seine Eltern von 1934 kenne ich. Vielleicht hat er damals so gedacht, aber konnte er hellseherisch zu dieser Zeit schon die Züge in die Vernichtungslager und den 2. Weltkrieg voraussehen? Wenn ich mir vorstelle, was ich 1999 über Frau Merkel gedacht habe und was ich heute über sie denke, so liegen nicht nur Ozeane, sondern Welten dazwischen. So ähnlich mag es Karajan damals auch gegangen sein, zumindest sollte man ihm die Möglichkeit des Irrtums zugestehen.


    Es ist doch bekannt, daß gerade das Bildungsbürgertum in Österreich, wozu Karajan zählte (sein Vater war Chefarzt in einem Salzburger Spital), in der Zwischenkriegszeit ganz überwiegend deutsch-national gesonnen war (was mit Nazitum nichts zu tun hatte), so ist eine gewisse Euphorie im Jahr 1934 durchaus verständlich. In der Stadt Salzburg fand z.B. 1922 (als an Hitler un die Nazis noch keiner dachte) eine inoffizielle Volksabstimmung statt, in der sich fast 90 % für einen sofortigen Anschluß an Deutschland aussprachen. Dann kam Hitler, und keiner hat es besser verstanden als er, den Österreichern ihr Deutschtum auszutreiben!


    Aus heutiger Sicht ist leicht zu urteilen und zu verurteilen, aber konnte man (trotz "Mein Kampf") alles vorhersehen, was später geschah? Dazu reichte die Fantasie der meisten Menschen gar nicht aus. Selbst viele politisch hochgebildete Leute (zu denen Karajan nicht zählte) sind doch den Nazis auf den Leim gegangen!

    Aber es ist ja völlig sinnlos, hier zu argumentieren.

    Da sind wir uns ja mal so was von einig!

    hat solch eine völlig unkritische, alles "verzeihende" Sicht auf einen Künstler nichts zu tun

    Es gibt keinen Täter, also gibt es auch nichts zu verzeihen.

    denn diese Position ist es nicht wert, sich immer wieder ernsthaft damit auseinanderzusetzen.

    Dann ist doch die Frage erlaubt: Warum tust Du es denn?


    Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Lieber "Stimmenliebhaber",


    . In eine Partei tritt man ein, weil man deren Ziele teilt.


    unabhängig von Karajan jetzt mal, bloß mal interessehalber: Wärst Du in die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands eingetreten oder hättest Du 3 Jahre in der Nationalen Volksarmee gedient um Musik und Gesang studieren zu dürfen oder hättest Du dann lieber schweren Herzens verzichtet?


    Ich bin damals übrigens darum herumgekommen, weil meine Eltern NDPD-Mitglieder waren und ich das als Grund vorschützen konnte, da ebenfalls eintreten zu wollen ( was ich dann nie gemacht habe :D). Als Lehrling in der Sparkasse, in der ich lernte, war die SED-Mitgliedschaft nämlich obligatorisch, wie man mir schon im Einstellungsgespräch klarmachte, aber das wollte ich um keinen Preis.


    LG....MDM :hello:

    >>So it is written, and so it shall be done.<<

  • In eine Partei tritt man ein, weil man deren Ziele teilt.

    Entschuldige - aber das stimmt überhaupt nicht !!!

    Zigtausend Wiener sind nach dem Krieg in die SPÖ eingetreten, weil sie sich dadurch die Zuteilung einer Gemeindebauwohnung erhofften. Damals wurde gebaut bis zum geht nicht mehr. Und was DAMALS das besondere war, ist, daß es noch keinen (später eingeführten) Baukostenzuschuss gab, den man bezahlen musste wenn man so eine Wohnung bekam. Das Ziel war also nicht das Zeil der Partei, sondern die kostenlose und von der Miete her kostengünstige Gemaindewohnung.


    Man darf also auch von den Künstlern hier kein besonders divergierendes Verhalten erwarten.


    Als vor etlichen Jahren die Regierung Schüssel mit der rechtslastigen FPÖ koalierte gab es von Seiten linker Kreise ein großes Gezeter und die gesamten roten "Staatskünstler" traten geschlossen dagegen auf. Man forderte auch Nikolaus Harnoncourt auf diese Allianz zu verurteilen etc etc. Er aber meinte, er sei Dirgent und habe kein Interesse sich politisch zu engagieren...


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Nochmal an die letzten drei Beitragenden: Ein Parteieintritt ist ein öffentliches Bekenntnis zu den Zielen einer Partei. Punkt.


    Auf den Vergleich NSDAP - SED habe ich ja schon lange gewartet, aber das ist wirklich zu absurd, um seriös darauf einzugehen - Völkermord und Angriffskrieg mit Millionen und Abermillionen Toten liegen als Welten dazwischen!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Auf den Vergleich NSDAP - SED habe ich ja schon lange gewartet

    Wer hat hier die SED mit der NSDAP verglichen? Vielmehr hast Du und kein anderer die NSDAP ins Spiel gebracht:

    Wenn ich in die CDU eintrete, dokumentiere ich damit öffentlich, dass ich Christdemokrat bin, wenn ich in die SPD eintrete, dass ich Sozialdemokrat bin usw. Wenn ich heute (was Gott ei Dank gar nicht möglich ist ist) in die NSDAP eintreten würde, würde ich damit öffentlich dokumentieren, dass ich Nationalsozialist bin.

    Es ging hier aber weder um die CDU, die SPD, KPD oder NSDAP und schon gar nicht um einen Vergleich zwischen ihnen, sondern allein um Deine Behauptung:

    In eine Partei tritt man ein, weil man deren Ziele teilt.

    also um "eine Partei", gleich welchen Namens oder welcher Färbung. Daß diese Aussage nicht haltbar ist, haben ich und andere mit einigen Beispielen aus der Vergangenheit belegt, aber darauf gehst Du natürlich nicht ein, weil Du kein Argument entgegenzusetzen hast. Das ist zwar nicht der "Gipfel der Perfidie", hat aber schon etwas Perfides an sich, zumal Du Dich auf Nebenschauplätze zurückziehst und Dich damit um eine Antwort herumdrückst. Auch MDM und Alfred haben Beispiele gebracht, die nichts mit einem Vergleich NSDAP/SED zu tun haben. Doch Dir fällt nichts Besseres ein, als Dein Statement, das keiner ernsthaften Prüfung standhält, gebetsmühlenartig zu wiederholen:

    Ein Parteieintritt ist ein öffentliches Bekenntnis zu den Zielen einer Partei. Punkt.

    Wenn Dir nicht mehr dazu einfällt, so wollen wir es dabei bewenden lassen. Denn das letzte Wort, das weiß nicht nur ich, mußt Du ja nun einmal haben, ganz egal, ob es Sinn macht oder nicht. Frohes Fest!


    Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Vielmehr hast Du und kein anderer die NSDAP ins Spiel gebracht

    Falsch! Beim Thema Karajan hat ein anderer als ich die NSDAP ins Spiel gebracht, nämlich Karajan selbst durch seinen Parteieintritt!


    Und die NSDAP war nunmal die verbrecherischste Partei, die es je im deutschsprachigen Raum bzw. in Mitteleuropa gegeben hat. 75 Jahre nach Ende des furchtbarsten aller Kriege und des Holocaust sollte das doch Allgemeinkonsens sein, nicht wahr? :yes:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Natürlich teilt nicht jeder, der in eine Partei eintritt, deren Ziele. Manche tun es, weil es ihrer Karriere förderlich ist, Alfred hat Beispiele genannt. Das ändert aber nichts daran, dass der Beitritt zu einer Partei ein öffentliches Statement ist, dass man deren politisches Programm unterstützt. Und wenn die Partei eine verbrecherische Organisation wie die NSDAP ist, wiegt ein Beitritt aus Opportunismus umso schlimmer.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • die NSDAP war nunmal die verbrecherischste Partei, die es je im deutschsprachigen Raum bzw. in Mitteleuropa gegeben hat.

    Mach Dich doch nicht lächerlich! Kein Mensch hat das Gegenteil behauptet.


    Ich finde es aber erbärmlich, daß Du auf kein Gegenargument zu dieser völlig unhaltbaren These eingehst:

    In eine Partei tritt man ein, weil man deren Ziele teilt.

    Der Satz ist durch die Realität unzählige Male widerlegt worden, und das gilt für jede Partei!


    Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • wenn die Partei eine verbrecherische Organisation wie die NSDAP ist, wiegt ein Beitritt aus Opportunismus umso schlimmer.

    Wie hätte Karajan 1933 erkennen können, daß die NSDAP eine verbrecherische Organisation ist? Nicht umsonst heißt es, daß man immer schlauer ist, wenn man vom Rathaus kommt, als wenn man hingeht.


    Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Der Satz ist durch die Realität unzählige Male widerlegt worden

    Wenn ich die briefliche Äußerung von Karajans von 1934 an seine Eltern lese, dann teilte er einige Ziele dieser Partei, nämlich die Entjudung des Kulturlebens, durchaus - natürlich aus Eigennutz, aus Gründen der Förderung der eigenen Karriere - aber wie "Bertarido" ganz richtig bemerkte, macht es das nicht besser!


    Ganz ehrlich: Du hättest bei deinem einen "W" bleiben sollen, statt deinen vorletzten Beitrag danach weiterzubearbeiten. Das war nämlich das Klügste, was du zu diesem Thema beigetragen hast!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Wie hätte Karajan 1933 erkennen können, daß die NSDAP eine verbrecherische Organisation ist?

    Und der Reinwaschungsversuche kein Ende! Wenn er 1934 in einem Brief an seine Eltern das geschrieben hat, was er geschrieben hat, hat er sicherlich auch schon ein Jahr früher erkannt, dass diese Partei ihm nützlich sein könnte. Und über den Zeitpunkt des zweiten Parteieintritts brauchen wir nicht reden, da lag nun wirklich alles auf dem Tisch, Parteiprogramme, antisemitische Reden und die Schrift "Mein Kammpf" waren natürlich auch 1933 schon kein Geheimnis mehr.


    Du reitest dich nur immer weiter rein mit deinen erbärmlichen Reinwaschungsversuchen, merkst du das gar nicht?

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Wie hätte Karajan 1933 erkennen können, daß die NSDAP eine verbrecherische Organisation ist?

    Das konnte auch 1933 jeder erkennen, der hingeschaut hat. Und beim zweiten Parteieintritt Karajans musste man schon beide Augen fest verschließen, um nicht wahrzunehmen, wes Geistes Kind die Nazis waren.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Als eher unbeteiligtes und neues Mitglied in diesem Forum möchte ich den Vorschlag machen, alles an dieser Stelle noch einmal zu deeskalieren. Wir sprechen hier schon lange nicht mehr über Musik.


    Es ist gerade die Definition eines Opportunisten, etwas nicht aus Überzeugung zu tun, sondern aus karrieretechnischen Gründen. Regime, welcher Art auch immer, leben davon, dass die Masse der Menschen so orientiert ist. Mit Überzeugten wird sich nie ein Staat organisieren lassen. Es gibt nebenbei nicht nur die Märzgefallenen, sondern auch die Menge der "Widerstandskämpfer", die die Amerikaner nach dem Krieg haben kurz zweifeln lassen, wie Hitler überhaupt in Deutschland hat regieren können. Dazu zu gehören alleine belegt IMHO keinen Menschen mit besonderer Schuld. Ich bin überzeugt, dass auch heute noch die Mehrheit der Menschen sich für die einspannen lassen, die gerade den Marsch blasen. Es ist ein wenig das Schicksal der Menschen.


    Bert Brecht fand dafür Worte in seinem Kälbermarsch:


    Hinter der Trommel her
    Trotten die Kälber
    Das Fell für die Trommel
    Liefern sie selber.
    Der Schlächter ruft: Die Augen fest geschlossen
    Das Kalb marschiert. In ruhig festem Tritt.


    Ich erwarte von Kälbern keine tieferen Einsichten in die Geschichte. Natürlich hat es schon 1933 Menschen gegeben, die weitergesehen und auf die kommende Bedrohung aufmerksam gemacht haben. Viele davon haben das teuer bezahlen müssen. Es macht in meinen Augen wenig Sinn, jemanden schuldig zu sprechen, weil er so wie die meisten anderen war.


    Wenn bei uns heute viele so denken, dass man so etwas niemals machen darf, finde ich das eine hervorragende Frucht unseres Erziehungssystems! Allerdings bin ich wirklich skeptisch, wie diese Mehrheit sich im Ernstfall verhalten würde.





  • Es macht in meinen Augen wenig Sinn, jemanden schuldig zu sprechen, weil er so wie die meisten anderen war.

    Moment mal! "Die meisten" sind nicht in die NSDAP eingetreten! 7,5 Millionen sind nicht mal entfernt "die meisten" gewesen.


    Aber was die Sinnhaftigkeit der Fortführung dieser Diskussion bezwecken soll, ist mir auch nicht klar.


    Warum kann man sich nicht einfach auf einen Konsens verständigen? Dieser könnte lauten:

    Die NSDAP-Mitgliedschaft war kein Ruhmesblatt des Menschen Karajan. Ungeachtet dessen war er zweifellos ein bedeutender Dirigent.


    Ich wäre bereit, das so zu unterschreiben. Und wenn alle dazu bereit wären, könnte man endlich wieder über das künstlerische Schaffen Karajans reden! :yes:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Moment mal! "Die meisten" sind nicht in die NSDAP eingetreten!

    Ich würde das so sehen, wenn jemand im NS-Staat Höheres anstrebte, war es sicher von Vorteil, eine solche Mitgliedschaft zu besitzen. Ich sehe das nicht als Tat aus Überzeugung (mir fehlt hier ein Beweis) sondern aus Opportunismus. Die Ausprägungen sehen sicher bei allen etwas verschieden aus. Aber man kann sicher an den Zahlen belegen, dass die Menge an Eintritten in die NSDAP nach 1933 sprunghaft in die Höhe ging! Das waren natürlich nicht die Überzeugten.....;).

    Warum kann man sich nicht einfach auf einen Konsens verständigen? Dieser könnte lauten:

    Die NSDAP-Mitgliedschaft war kein Ruhmesblatt des Menschen Karajans. Ungeachtet dessen war er zweifellos ein bedeutender Dirigent.

    Ich habe schon den Eindruck aus dieser Diskussion entnommen, dass sich die Mehrheit der Diskussionsteilnehmer hier auf diesen Satz einigen könnte. Es ist halt immer wichtig, in welchem Rahmen man den Satz präsentiert. Man sagt häufig "Der Ton macht die Musik". Und da wären wir dann wieder beim Thema :)

  • Warum das nicht verstanden wird? Es geht nicht um Reinwaschung, denn die ist de facto nicht möglich, auch nicht um Vertuschung oder Verniedlichung. Es geht schlicht um Verständnis für Menschen, die damals in in einer Zwangslage standen, der sie ohne oft nahezu existentielle Nachteile nicht ausweichen konnten. Jeder von uns frage sich kritisch: Was hätte ich in dieser Situation getan? Wobei auch dies eine theoretische Überlegung ist, denn wir sind sind ja nicht dem Druck und den Zwängen der realen Situation ausgesetzt.

    Herzlichst

    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Es geht nicht um Reinwaschung, denn die ist de facto nicht möglich, auch nicht um Vertuschung oder Verniedlichung. Es geht schlicht um Verständnis für Menschen, die damals in in einer Zwangslage standen, der sie ohne oft nahezu existentielle Nachteile nicht ausweichen konnten.

    Oh nein! Niemand wurde gezwungen, im Dritten Reich Karriere zu machen, und niemand wurde gezwungen, in die NSDAP einzutreten. :no:

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Es geht nicht um Reinwaschung, denn die ist de facto nicht möglich, auch nicht um Vertuschung oder Verniedlichung. Es geht schlicht um Verständnis für Menschen, die damals in in einer Zwangslage standen, der sie ohne oft nahezu existentielle Nachteile nicht ausweichen konnten

    Meines Erachtens muss man auch hier sehr fein unterscheiden.


    Die Tatsache, dass ein solches Verhalten nicht außergewöhnlich war und einen nicht mit Schuld belädt, bedeutet natürlich keinesfalls, dass man es gut finden muss.


    Mein Verständnis an dieser Stelle geht genau so weit.


    Ich gestehe, nicht zu wissen, wie ich mich in einer solchen Situation verhalten würde, wenn ich zwischen Karriere und Überzeugung zu entscheiden hätte. Der Anspruch an mich selbst wäre allerdings ein anderer.

  • Dass ein formaler Parteieintritt in die NSDAP keineswegs unabdingbar war, um im Dritten Reich als Dirigent Karriere zu machen, belegen doch Dirigenten wie Wilhelm Furtwängler, Clemens Krauss, Hans Knappertsbusch oder Karl Böhm, die nie Mitglied der NSDAP waren und trotzdem mindestens so etabliert wie seinerzeit Karajan. Anderseits war Karajan sicherlich nicht der einzige Dirigent, der der NSDAP beitrat, denkt man etwa an Max von Schillings, Hermann Abendroth, Franz Konwitschny, Hans Weisbach, Kurt Wöss oder Leopold Reichwein. Das macht die Sache nicht besser und es geht mir hier auch um keine Reinwaschung, allerdings scheint sich Karajan (ab 1942 sogar mit einer "Vierteljüdin" verheiratet) zu keinem Zeitpunkt auch nur annähernd so übel hervorgetan zu haben wie besonders Schillings und Reichwein, beide erklärte Antisemiten. Reichwein wählte im April 1945 sogar den Freitod. Es ist insofern ein wichtiger Aspekt in der Vita Karajans, der weder verharmlost noch in diesem Zusammenhang überschätzt werden sollte. Er zeigt ihn m. E. viel weniger als Nazi denn als Opportunisten.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Er zeigt ihn m. E. viel weniger als Nazi denn als Opportunisten.

    So sehe ich das auch. Und wenn man sich darauf verständigen könnte, dass das "kein Ruhmesblatt des Menschen Karajan" war, wie Stimmenliebhaber es recht milde formuliert hat, könnte man sich wieder den künstlerischen Leistungen Karajans widmen.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

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