Was ist dran an Karajan? - Versuch einer Analyse

  • Warum eigentlich? Hier ist bisher sachlich diskutiert worden, und es geht immerhin um eine Persönlichkeit, die die Musikwelt des 20. Jahrhunderts entscheidend geprägt hat! Darüber dürfte man in einem Klassik-Forum schon offen sprechen können.

    Mein Beitrag bezog sich nicht auf die Karajan Diskussion, sondern auf den Beitrag zu den Straßennamen und wer wen jetzt beleidigt hat. Die Karajan-Thematik gehört selbstverständlich in den Thread.


    Mittlerweile wurde der Karajan-fremde Teil in den Tritsch-Tratsch verschoben

  • Und warum soll ich traurig sein, wenn meine Meinung nicht Deine ist?

    Da hast du - mal wieder - etwas missverstanden oder bewusst nicht zur Kenntnis genommen. Es geht nicht um deine "Meinung", die mich in den meisten Fällen ungefähr so stark interessiert wie der sprichwörtliche chinesische Sack Reis, sondern sondern darum, dass du in einem Klassikforum behauptest "glücklich und zufrieden" zu sein, einen renommierten Musikschriftsteller nicht zu kennen. Das ist für ein Fachforum eine sehr merkwürdige Haltung, ebenso wie dein ständiges Verächtlichmachen von "Fachleuten".

  • Ich versuche meine blauen Beiträge besser zu streuen.

    Dazu besteht aus meiner Sicht gar kein Anlass, da die Eingriffe in diese Diskussion aus meiner Sicht genau an der richtigen Stelle stattgefunden haben.

  • Und zum Öcher Büstensturz: wer die erzkonservative Öcher Gesellschaft kennt, weiß, das dieses Ansinnen ganz geiss nicht aus diesen Kreisen kommt, Gott bewahre. Es wird sich damit ähnlich verhalten wie das an Schreibtischen ausgeheckte Rauchverbot für Kneipen, für das Leute verantwortlich zeichneten, die ihrerseits nie in Kneipen gingen (und somit ein veritabeles Kneipensterben verursachten

    Lieber Thomas, ich bin gebürtiger Aachener und entstamme wahrscheinlich genau so einer konservativen alteingesessenen Familie. Bei uns wurde viel geraucht. Ich kannte es damals nicht anders. Trotzdem bin ich heute froh, dass man doch mehr oder weniger in rauchfreie Restaurants und Kneipen gehen kann (mittlerweile am Standort Köln beheimatet! -- Ja der Rheinländer fühlt sich zuhause am wohlsten ...) :)


    Zeiten ändern sich und nicht immer und in allem zum Schlechteren ..


    Nur, wenn man den Weg Karajans versteht, kann man am Ende seine Person oder auch seine musikalische Arbeit würdigen.


    Schon richtig, lieber Axel, tatsächlich sind diese Dinge lange bekannt. Was mich verdrießt ist der Umstand, dass diejenigen, die sich darüber aufregen, dass andere sich aufgeregt haben, so tun, als wären die sich aufregenden historisch desinteressierte Volltrottel (etwas höflicher formuliert, aber so ähnlich in den jüngsten Beiträgen zu lesen).

    Tatsächlich kannte ich die Karajanschen Verstrickungen bis zur Forumsteilnahme nicht. Ich bin, was Biographien angeht, sowieso recht unbelesen. Ich kann aber nachvollziehen, dass man, um eine Person durch eine öffentliche Büste zu ehren, nicht nur Leistungen in einem Gebiet als ausreichend ansieht. Der persönliche Bereich wird aber selbstverständlich heute, wie damals auch, politisch bewertet. Und da ändern sich Strömungen.


    Allerdings bildet sich bei mir den Eindruck, dass mehr geschrieen als gelesen wird. Auch das ist nicht neu. Ich habe gerade Thomas Manns Essay über Richard Wagner gelesen und dazu in der Wikipedia, dass große Teile der Unterschreiber des Portestbriefes dagegen (das beinhaltet Namen wie Knappertsbusch und Strauss und Pfitzner) den Essay wohl auch nicht kannten ... Alles wiederholt sich :)

  • Ich gestehe, daß ich nicht sehr glücklich bin mit diesem Thread - und bin dabei selber mitschuldig - durch die Titelgebung, die leider dazu grazu herausfordert.

    Aber als österreiche sehe ich einiges völlig anders. Nein ich bezweifle nicht die "Erkenntnisse" Aber wie man damit umgeht.

    Ich hatte in meiner Jugend relativ gute Verbindungen zur "besseren Gesellschaft" (Ich hoffe, man merkt das noch heute ;))

    Und da lernte ich durch einen guten FReund - von ebendort

    einige wichtige Spielregeln kennen:

    "Stelle nie absolute Behauptungen auf - auch wenn die der Wahrheit entspechen.

    Bestehe NIE darauf recht zu haben - auch wenn das sachlich geseghen der Fall sein sollte

    Falle NIE durch unsympathische Behauptungen auf

    Sei ein Gentleman, lächler wissend - und schweige

    Sprich über Belanglosigkeiten, sei freundlich und unverbindlich

    Wer diese ungeschriebnen Gesetze bricht, der wird weder angegriffen noch angefeindet:

    Er wird einfach bei der Nächsten Einladung vergessen und negiert"


    Soweit aus dem Gedächnis.

    Ich möcht NICHT, das dieses Forum von aussen als linkslastig wahrgenommen wird

    So etwas vergrämt das gehobene Bürgertum - und das möchte ich nun wirklich nicht


    ZU "Denkmälern, Ehrungen, Orden und Titeln"

    Sie sind - wie die Geschichte lehrt - absolut wertlos

    Ausgenommen sind jene die mit eine hohen Gratifikation verbunden sind


    Ich komme nun wieder allgemein zurück zur Musik

    Ich habe mich in den Letzten Tagen/Wochen ausführlich mit Klavierwettbewerben und ihren Gewinnern auseinandergesetzt

    und festgestell, daß es viel Goldmedaillengewinner gab, deren Karriere eher mittelmäßig verlief.

    Also vergebliche Mühe ?

    In diesem Fall - wenn man den Wettbewerb an dem man teilnimmt - gut auswählt

    (Die Auswahl steht natürlich nur für die Besten der Bestn frei)

    Weil dort die Preise in der höhe von 10.000 - 100.000 Dollar (oder Euro) sind

    Und dafür kann man schon eine Leistung erbringen.


    Aber in der Tat:

    Auszeichnungen werden stets vergeben um am Ruhm des Ausgezeichneten ein wenig mitzunaschen

    Dazu gehören Medaillen, Ehrenmitgliedschaften und Ehrendoktorate, Denkmäler

    Wie man sieht: Alles wertloser Plunder !!!


    Im Nationalsozialismus hat man die Mendessohn Denkmäler entfernt,

    Heute jene von Stalin und Lenin und anderen kommunistischen Bonzen

    In Wien gibt es am Schwarzenbergplatz "Das Heldendenkmal der Roten Arme"

    welches um 1945 von den russischen Besatzern zwangserrichtet worden war

    (Im Volksmund auch "Russendenkmal" oder "Denkmal des unbekannten Plünderers" genannt )

    Das kann nicht abgerissen werden - weil dessen Erhaltung im Staatsvertrag verankert ist

    Der südliche Teil des Schwarzenbergplatzes hieß vom 12. April 1946 bis zum 18. Juli 1956 Stalinplatz.

    (wurde aber rückgängig gemacht)

    Keine Sau interessiert sich dafür, weil das Denkmal ist optisch einigermaßen ansprechend

    und kaum jemand weiß was hier die Ursache ist.

    Wir haben in Wien auch einen "Friedrich Engelsplatz"und den "Karl Marx Hof"

    Niemand nimmt daran Anstoß - es ist uns einfach wurscht

    Von den Grünen gibt es auch keine Anregung zu einer Umbenennung.

    Mal sehen ob die neu kommende Regierung mit vermutlich hoher Beteiligung der Blauen (FPÖ)

    sich da wird profilieren wollen - aber ich glaube nicht - das Theme ist unergiebig...

    WIKIPEDIA:

    Der Karl-Marx-Hof ist einer der bekanntesten Gemeindebauten Wiens und liegt im 19. Wiener Gemeindebezirk, Döbling. Er wurde 1930 eröffnet und ist mit ungefähr 1050 Metern Länge der längste zusammenhängende Wohnbau der Welt.(Amerkung von mir: Noch dazu befindet er sich im Nobelbezirk Döbling !!! Wikipedia schreibt hierzu:

    "Heute gilt Döbling mit seinen Wienerwaldvillen ähnlich Währing und Hietzing als Nobelbezirk und verfügt über einen bedeutenden Weinanbau. Durch zahlreiche Gemeindebauten wie den Karl-Marx-Hof oder genossenschaftliche Wohnanlagen ist die Bevölkerungsstruktur jedoch ausgewogener als oftmals angenommen."

    Auch schön behübschen formuliert.



    Hingegen hat 2011/2013 eine jener unnötigen Kommissionen - die unsere Steuergelder verbrauchen den "Herbert von Karajan Platz" in Wien als "Fall mit Diskussionsbedarf" eingeordnet.

    und in Salzburg ebenso. Die grüne Brut wird allmählich unerträglich.


    mfg aus Wien

    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • "Wenn einer, der mit Mühe kaum, raufgekommen ist auf einen Baum, gelaubt, dass er ein Vogel wär, so irrt sich der".

    Korrektur (ich mal als Dr. Pingel) - das fabula docet von "Fink und Frosch" (immer wieder mein Unterrichtsstoff):


    "Wenn einer der mit Mühe kaum, geklettert ist auf einen Baum, schon meint, dass er ein Vogel wär´, so irrt sich der."


    ;) :hello:

  • Korrektur (ich mal als Dr. Pingel) - das fabula docet von "Fink und Frosch" (immer wieder mein Unterrichtsstoff):


    "Wenn einer der mit Mühe kaum, geklettert ist auf einen Baum, schon meint, dass er ein Vogel wär´, so irrt sich der."


    ;) :hello:

    :thumbup::thumbup: Merci, hatte aus dem Gedächtnis zitiert. :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Nun berichtet auch der BR über den Fall.

    Eine Mozart-Büste soll diejenige Karajans nach dem Willen der Aachener Generalintendantin ersetzen. Womöglich bis "neueste Forschungsergebnisse" eines Arabisten Mozarts Schattenseiten aufdecken.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Das Theater entsorgt die Karajan Büste übrigens nicht auf dem Müll, sondern übergibt sie dem Stadtmuseum "Centre Charlemagne". Elena Tzavara sagte am Mitt­woch vor der Presse zu den Vorwürfen gegen den Dirigenten: „All das hat uns bestärkt, die Büste in unserem Foyer vorerst zu entfernen". An den leeren Platz soll eine alte Büste von Wolfgang Amadeus Mozart kommen, die auch vorher schon dort gestanden hatte.


    Dass Mozart einst für Karajan weichen musste hatte allerdings nie jemanden gestört. Ob das nun Wiedergutmachung oder Mozarts Rache an Karajan ist, darüber könnte man jetzt wunderbar spekulieren. Die Intendantin hat die Plastik Mozarts übrigens in einer Rumpelkammer des Theatergebäudes entdeckt. Anscheinend fand man den Platz damals passend für den Komponisten.


    Womöglich bis "neueste Forschungsergebnisse" eines Arabisten Mozarts Schattenseiten aufdecken.

    Klaus Riehle, hier im Forum gerne auf den "Arabisten" reduziert, hat sich schon seit langem mit Musikern beschäftig. Der Titel eines seiner Bücher lautet.

    Pál Kiss : Gefangener Nr. 193 273, Auschwitz, Pianist.


    Der seit den späten 1920er Jahren in Berlin lebende ungarisch-jüdische Pianist Pál Kiss wurde im Dezember 1942 denunziert, im Juni 1943 wegen 'Rassenschande' - weil er sich zusammen mit seiner Lebensgefährtin, der 'arischen' Sängerin Charlotte an der Heiden, eine Wohnung geteilt hatte - im Berliner Gefängnis am Alexanderplatz inhaftiert und im Sommer oder Herbst 1944 nach Auschwitz verbracht. Die Denunzierung erfolgte kurz nach einem seiner letzten Konzerte - Johann Sebastian Bachs Konzert für vier Klaviere mit den Solisten Conrad Hansen, Ferry Gebhardt und Herbert von Karajan.

    Die Fragen, die es zu beantworten gilt, sind: Von wem wurde Pál Kiss angezeigt Und warum fand Pál Kiss nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges keine Erwähnung mehr?

    Pál Kiss wurde im Januar 1945 in Auschwitz ermordet, er war zu krank um auf den 'Todesmarsch' mitgehen zu können.

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Ich gestehe, daß ich nicht sehr glücklich bin mit diesem Thread - und bin dabei selber mitschuldig - durch die Titelgebung, die leider dazu grazu herausfordert.

    Die Geister, die ich rief... Ich finde, dass eine Diskussion über die Thematik ein absolutes Muss ist und sicher auch interessierte Leser anziehen wird! Vielleicht kann astewes demnächst von seiner Lektüre berichten. Der Musiker Karajan wird darunter nicht leiden, aber den Menschen Karajan wird man vielleicht differenzierter betrachten. Er war wohl ein Mensch, der keine Schwächen zuließ, bei anderen nicht, aber auch bei sich nicht. Das macht ihn von außen scheinbar unnahbar, so wollte er wohl gesehen werden. Einem guten Biographen gelingt es aber, den Menschen mit seinen Schwächen spürbar zu machen. Und als Filmemacher interessiert mich natürlich gerade diese Seite und ich finde nicht, dass man davor zurückschrecken sollte. Mit links oder rechts hat das absolut nichts zu tun.

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Der Musiker Karajan wird darunter nicht leiden, aber den Menschen Karajan wird man vielleicht differenzierter betrachten

    Ich glaube, daß den MUSIKFREUND der "Mensch Karajan" überhaupt nicht interessiert, er ist das Medium, das Werkzeug - und wen schon "Mensch" dann interessiert allenfalls die "Kunstfigur" Karajan. "Entzauberte" Stars sind füe das Publikum uninteressant. Was glaubst Du warum es eigene Abteilungen in den großen Künstleragenturen gibt, die an einer künstlichen "Aura" der Stars basteln ?

    Das hat mit Wahrheit wenig zu tun.

    Und als Filmemacher interessiert mich natürlich gerade diese Seite und ich finde nicht, dass man davor zurückschrecken sollte.

    Wie verscieden die Menschen doch sind. Ich bin auch Filmemacher - und mich interessiert das Menschliche übrhaupt nicht. Meine Filme haben Kunstfiguren, die ICH maßschneider - und die das sagen, was ich ihnen in den Mund lege.....(weil ich üblicherweis auch selbst das Buch schreibe)


    mfg aus Wien

    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Ich glaube, daß den MUSIKFREUND der "Mensch Karajan" überhaupt nicht interessiert, er ist das Medium, das Werkzeug - und wen schon "Mensch" dann interessiert allenfalls die "Kunstfigur" Karajan. "Entzauberte" Stars sind füe das Publikum uninteressant. Was glaubst Du warum es eigene Abteilungen in den großen Künstleragenturen gibt, die an einer künstlichen "Aura" der Stars basteln ?

    Das hat mit Wahrheit wenig zu tun.

    Den Zuschauer interessiert der Blick hinter die Fassade sehr, das solltest Du wissen. Ganze Branchen leben nur davon, es gibt natürlich auch eine boulevardeske Ebene, die wiederum von der Inszenierung lebt.

    Aber das Bedürfnis nach wahren Figuren und insbesondere das Interesse an den heimlichen, verborgenene Seiten einer Person, und vor allem an seinen Schwächen - das sind sehr wichtige Bedürfnisse eines jeden Zuschauers, die man berücksichtigen und kennen sollte, wenn man diese erreichen möchte.

    Und an einem Dirigenten, der so eine Aura um sich aufgebaut hat, gibt es wirklich kaum etwas Interessanteres, als den Blick hinter diese Aura. So banal dieser dann auch sein mag. Aber meistens ist er das nicht, wie ja auch schon in dem Artikel von Brembeck sichtbar wird. Da wird eine große Bessenheit und Gier nach Anerkennung und Erfolg spürbar. Da wird der Mensch spürbar.


    Viele Grüße

    Christian

  • Zitat

    Da wird eine große Bessenheit und Gier nach Anerkennung und Erfolg spürbar.

    Ja, so war er. Keiner vor und nach ihm hat neben dem Dirigieren solch ein Gespür für geschäfltlichen und medialen Erfolg.


    Unvergesslich für mich sein Ausspruch im letzten Interview, wo er ein zweites Leben eingefordert hat.

  • Das ist keine Rache - sondern Selbstschutz der Intendantin. Sie ist schon jetzt Zielscheibe der Konservativ-bürgerlichen und der "Rechtsliberalen";)

    Wenn die jetzt beispielsweise einen Kommunisten , einen Neutöner , oder ein "Opfer des Dritten Reichs" als Büste hinstellt würde jeweils von irgendeiner Seite scharf auf sie geschossen

    Mozart ist sakrosankt. Da kann man schwer was dagegen einwenden.....

    Also ein rein strategischer Schachzug.....


    An sich ist die sache viel zu bedeutungslos, als daß man hier drüber diskutiern sollte...:P


    mfg aus Wien

    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Ja, so war er. Keiner vor und nach ihm hat neben dem Dirigieren solch ein Gespür für geschäfltlichen und medialen Erfolg.

    Ich habe gestern in Peter Uehlings Karajan-Biographie nachgelesen und war allerdings überrascht, wie schwer er es in der Nazi-Zeit hatte, an Engagements zu kommen und wie oft er von anderen, zumeist älteren Dirigenten, ausgeboten worden ist. Das hätte ich so nicht erwartet! Ich kann nun nicht beurteilen, ob Uehling nicht doch einen zu unkritischen Blick auf diese Zeit geworfen hat, aber es ist ja wohl unbestritten, dass er auch wegen Hitler oder Goebbels einige Engagements nicht bekommen hat, weil dieser auf Furtwängler bestanden hat. Für einen Mann, der sich beweisen wollte, hat er in dieser Zeit und vor allem anfangs in Mailand wenig dirigiert, so Uehling. Aber das wäre zu überprüfen, besonders detailliert ist das bei Uehling nicht ausgeführt. So eine Erfahrung prägt natürlich.

  • Ich kann nun nicht beurteilen, ob Uehling nicht doch einen zu unkritischen Blick auf diese Zeit geworfen hat, aber es ist ja wohl unbestritten, dass er auch wegen Hitler oder Goebbels einige Engagements nicht bekommen hat, weil dieser auf Furtwängler bestanden hat.

    Da gab es den berüchtigten Vorfall während der von Karajan geleiteten "Meistersinger"-Aufführung mit Hitlers Lieblingsbariton Rudolf Bockelmann als Sachs an der Berliner Staatsoper im Juni 1939 unter Anwesenheit des "Führers". Einen offenbar alkoholbedingten schwerwiegenden Lapsus Bockelmanns, der gar zur Unterbrechung der Aufführung führte, lastete Hitler Karajan an. Daraufhin, so Winifred Wagner, habe Hitler einen Auftritt Karajans in Bayreuth fürderhin untersagt (es sollte erst nach dem Krieg, 1951 in Neubayreuth, dazu kommen).

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Die Rache Mozarts an Karajan gefällt mir natürlich

    Dazu hätte der Mozart eigentlich keinen Grund. Im Gegenteil. Karajan hat schon um 1955 - zwar noch in Mono - in London eine "Cosi" aufgenommen, die dem schwierigen Werk den Weg zum Erfolg in der Neuzeit entscheidend gebahnt hat. Die ist bis heute nie vom Markt verschwunden, weil sie Maßstäbe setzte, an denen sich alle, die danach kamen, messen lassen musste.


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    Auch die erste Studioeinspielung der "Zauberflöte" nach dem Krieg wurde 1950 von Karajan geleitet. Dasselbe gilt für "Figaro" aus demselben Jahr.


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    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • es sollte erst nach dem Krieg, 1951 in Neubayreuth, dazu kommen

    .... um bereits im folgenden Jahr 1952 endgültig Adieu zu sagen. Erstens waren in Neubayeuth von zwei Göttern einer zuviel, und Wieland Wagner hatte natürlich als Enkel des Meisters die besseren Karten, und zweitens stand Karajan schon für Berlin im Startloch, während er bei Walter Legge in London für die "Wartezeit" ein festes Standbein beim Philharmonia Orchestra hatte. Und Wien war ja auch noch da, mit seinen Philharmonikern und dem Singverein der Musikfreunde.


    Natürlich war Karajan ein Karrierist, aber ist ihm das zu verübeln?


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Natürlich hatte Mozart einen Grund- für so einen Leichtgewichtler in die Rumpelkammer verbannt zu werden =O

    Ich glaube, dass die Gewichtung in der musikalischen Bedeutung ja klar ist. Es geht eben bei Bronzebüsten immer um Politik und (fast) nie um Musik! :)

  • Den Zuschauer interessiert der Blick hinter die Fassade sehr, das solltest Du wissen. Ganze Branchen leben nur davon, es gibt natürlich auch eine boulevardeske Ebene, die wiederum von der Inszenierung lebt.

    Aber das Bedürfnis nach wahren Figuren und insbesondere das Interesse an den heimlichen, verborgenene Seiten einer Person, und vor allem an seinen Schwächen - das sind sehr wichtige Bedürfnisse eines jeden Zuschauers, die man berücksichtigen und kennen sollte, wenn man diese erreichen möchte.

    Und an einem Dirigenten, der so eine Aura um sich aufgebaut hat, gibt es wirklich kaum etwas Interessanteres, als den Blick hinter diese Aura. So banal dieser dann auch sein mag. Aber meistens ist er das nicht, wie ja auch schon in dem Artikel von Brembeck sichtbar wird. Da wird eine große Bessenheit und Gier nach Anerkennung und Erfolg spürbar. Da wird der Mensch spürbar.

    Ich glaube nicht, dass es bei solchem "Blick hinter die Fassade" nur um einen voyeuristischen Schlüssellochblick geht. Künstler, sofern sie eine gewisse Reichweite haben, üben immer auch eine Form von Einfluss und damit von Macht aus. Damit haben sie eine nicht nur ästhetische sondern auch gesellschaftliche, politische Verantwortung, und deshalb ist ihr Verhältnis zur tatsächlichen politischen Macht keine Privatsache, vor allem nicht, wenn sie zum Machterhalt von Diktatoren beitragen.

  • Es ist einfach aus heutiger Betrachtung über jemanden den Stab zu brechen, weil er in der NS-Zeit kein Held war, der aktiv gegen das Unrecht vorgegangen ist, unter Gefährdung seines Lebens und der seiner Angehörigen, Freunde usw.

    Alle diejenigen, die fordern eine Büste zu entfernen, oder eine Straße umzubenennen, sollten sich ehrlich fragen ob sie selber so heldenhaft gehandelt hätten ?

    Meines Wissens hat Karajan niemanden bespitzelt, denunziert oder sonst wie in Gefahr gebracht.

  • Zitat

    Es ist einfach aus heutiger Betrachtung über jemanden den Stab zu brechen, weil er in der NS-Zeit kein Held war, der aktiv gegen das Unrecht vorgegangen ist, unter Gefährdung seines Lebens und der seiner Angehörigen, Freunde usw.

    Stimmt, aber leider Alltag.

  • Es ist einfach aus heutiger Betrachtung über jemanden den Stab zu brechen, weil er in der NS-Zeit kein Held war, der aktiv gegen das Unrecht vorgegangen ist, unter Gefährdung seines Lebens und der seiner Angehörigen, Freunde usw.


    Stimmt, aber leider Alltag.

    Das kann man sicher differenzierter betrachten. Helden sind naturgemäß die wenigsten. Manchmal kriegen die Bronzestatuen, manchmal werden sie gehängt .... Das Leben ist da leider sehr ungerecht.


    Es gibt auch verschiedene Grade des Mitläufertums, es gibt eine stille Emigration und es gibt die nicht so stille Emigration. Schindlers Liste hat uns gelehrt, dass sich auch unter den Mitläufern bewundernswerte Menschen befunden haben. Mancher wird vom Saulus zum Paulus. Wenn man sich wirklich für die Person Karajan interessieren sollte, müsste da einiges in Betracht gezogen und differenziert analysiert werden. Das geht natürlich nur mit Fakten.


    Alle diejenigen, die fordern eine Büste zu entfernen, oder eine Straße umzubenennen, sollten sich ehrlich fragen ob sie selber so heldenhaft gehandelt hätten ?

    Das Argument zieht meines Erachtens nur dann, wenn es um die eigene Büste ginge ;). Alfred wäre da so ein Fall ^^


    Nein, wenn ich jemandem eine Büste spendiere, geht es nicht darum, was ich getan hätte, sondern um Vorbildfunktionen in einem weiteren Sinne. Es ist ein politischer Akt. Und ja ... gestern hast Du eine Büste und morgen wird sie gestürzt oder in die Rumpelkammer gelegt. Das bedeutet aber nicht, dass es völlig gleichgültig ist, wem ich ins Bronzegesicht schaue.

  • Alle diejenigen, die fordern eine Büste zu entfernen, oder eine Straße umzubenennen, sollten sich ehrlich fragen ob sie selber so heldenhaft gehandelt hätten ?

    Meines Wissens hat Karajan niemanden bespitzelt, denunziert oder sonst wie in Gefahr gebracht.

    Heldenhaft haben Menschen gehandelt, die in den Widerstand gegangen sind. Das kann man sicher nicht von jedem verlangen. Aber auch im NS-Regime musste niemand um Leib oder Leben fürchten, wenn er nicht in die NSDAP eingetreten ist oder keine Funktionen in der Kulturbürokratie übernommen hat. Dazu musste man kein Held sein, es hätte schon gereicht, ein anständiger Mensch zu sein. Aber die Herren Karajan, Strauss etc. wollten halt Karriere im NS-Staat machen, und so haben sie sich nicht von moralischen Bedenken abhalten lassen, sich an ein verbrecherisches Regime anzubiedern. Integrere Menschen wie Karl Amadeus Hartmann haben hingegen jede Kooperation mit dem Regime abgelehnt und es in Kauf genommen, dass sie keinen Job bekamen und ihre Werke nicht aufgeführt wurden.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Ich sehe in einem Künstler keine Art der Machtausübung und politischen Aussage

    Das ist eine Projektion, eine Vereinnahmung durch die Politik und ein durch diese verursachter Mißbrauch.

    Ich kann mir nicht vorstellen, daß Dürer, Rembrandt oder Boticelli in irgendeiner Weise politischen Einfluß nahmen oder hatten, Das git natürlich auch für Mozart, Haydn oder Bach etc etc.

    Bildhauer schufen Statuen und Grabdenkmäler - egal ob es sich hierbei um Fürsten, Päpste oder Diktatoren irgendeiner Coleur handelte.Ihr Beweggrund wir in 99% aller Fälle GELD, der "Nervus Rerum, der die Welt bewegt. Werbeagenturen, Rechtsanwälte, Architekten etc etc - sie übernehmen einen Auftrag - ohne zu fragen, ob da ein politischer Hintergedanke existiert.

    Letztlich singen die russischen Sänger am Bolschoi der Gage wegen - und nicht wegen des Regimes - einige Ausnahmen gibt es - aber auch hier fragt es sich - ob hier nicht der finanzielle Background VOR

    der politischen Überzeugung steh. Der "Fall Netrebkow" mag ier alas Beispiel dienen - frei von jeglicher moralischen Bewertung. Sie musste sich zwischen "Vaterlandstreue" und "Orientierung zum Westen" entscheiden - und hat sich - zumindest an der Oberfläche - nach langem Zaudern und Zögern - für den Westen entschieden. Vermutlich eher des eigenen Vorteils willen - als aus Überzeugung. Wer will ihr das verübeln ? Ungeschickt ist es indes - als Künstler - seine WEltanschauung zu offenbaren. Man verliert immer zumindes 50% seiner Fans. Gilt das auch für ein Forum ? In der Tat c- es gilt. Wäre ich finanziell davon abhängig - wie es Künstler sind - so müsste ich Rücksichten nehmen. Als unabhängige Privatperson, die ein unabhängiges Forum finanziert, kann ich mir meine Klientell weitgehend aussuchen. Ein Luxus, den man gar nicht hoch genug einschätzen kann.

    ABER: käme heute IRGENDEINE Grupierung - welcher Art auch immer und böte mir mal 2 Millionen Euro (bei 3 Millionen wären die Verhandlungen -von meiner Seite - schneller abgewickelt) - damit ich ihnen das Forum - zu Propagandzwecken überliesse - so würde ich mich VERMUTLICH - in den Deal einlassen und mein Leben in beascheidenem Luxus beenden - Ohne auch nur im Geringsten mit den Käufern sympatisiert zu haben. Das Ganze ist übrigrens nur deshalb irreal, weil keine relevante Macht heute an klassischer Musik interessiert ist. Bei Google, und anderen Plattformen sind da ganz andere Summen im Spiel....:P

    Diese "Politisierung von Künstlern aus dem Bereich der Musik" ist übrigens eine Spezialität der deutschen (und österreichischen) Grünen.

    Aus reinem Interesse hab ich mal im "Grove" zum Thema "Elly Ney" nachgelesen. Dort vermutete ich eine hasstirade oder zumindest feine Spitzen gegen sie - Nichts von alldem

    Das ist eine "Spezialität" des Internet - wo Stimmen zu Wort kommen, die ansonst niemanden interessieren. Sogar Brockhaus ist hier unpolitisch neutral.

    Aber es gibt auch in Deutschland Biographien, die untendenziös berichten

    https://www.deutsche-biographie.de/sfz71705.html

    Wer sich nun bemüssigt fühlt über Elliy Nell zu schreiben - der möge das tun - aber bitte

    HIER- > Elly Ney - - Pathos, Pose oder Innerlichkeit?"

    Obwohl ja schon alles gesagt sein dürfte....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Ich kann mir bei manchen Forenten nicht des Eindrucks erwehren, dass man hier lieber über Politik reden möchte anstatt über Musik.


    Liegt es daran, dass man nichts Wichtiges über das Kernthema beizutragen hat?