Jacob Obrecht- Ein Meister der Renaissancemesse

  • Jacob Obrecht- Ein Meister der Renaissancemesse


    Jacob Obrecht wurde 1457 oder 1458 in der heute belgischen Stadt Gent geboren. Sein Vater, Willem, war Trompeter im Dienste der Stadt.


    Über sein Leben ist leider Gottes wenig bekannt, aber ich will versuchen die Fragmente zu verbinden.
    Seine musikalische Ausbildung erhielt er, natürlich, im Kirchenchor der Stadt. Ab dem Jahre 1472 oder 1473 studierte er Theologie. Das Studium schloss er 1479 ab.


    Von 1479/80 bis 1483/4 wirkte Obrecht an Saint-Gertrautis in Bergen op Zoom. Kurz vor seiner Anstellung war er zum Priester berufen worden und hatte seine erste Messe gelesen.
    Im Sommer 1484 ging er nach Cambrai, da er dort zum Schullehrer ernannt wurde. Er lehrte Chorknaben Liturgie, Choralgesang, gutes Betragen und Latein und hatte überdies Verpflegung, Bekleidung und Freizeitgestaltung der Kinder zu überwachen. Bald schon begann er jedoch seine Aufgaben zu vernachlässigen und er versuchte diesen leidigen Job loszuwerden.


    Er ging nach Brügge, wo er allerdings dieselben unliebsamen Aufgaben erledigen musste.


    Im November des Jahres 1487 ging er auf Einladung des Sängers Cordier nach Ferrara an den Hof des Herzogs Ercole d´Este. Der Herzog vergötterte seine Musik, doch gelang es ihm nicht, den unruhigen Geist Obrecht an seinem Hofe zu halten, den Obrecht schon im nächsten Sommer wieder verließ.


    Nach längerer Odyssee kam er wieder nach Brügge. Doch er hatte seinen Job satt und kündigte 1491. Seine Gesundheit war angeschlagen und er war öfter krank. Trotzdem nahm er eine Anstellung in Antwerpen an der Notre-Dame Kirche an.


    Nun pendelte Obrecht zwischen Brügge, Bergen op Zoom und Antwerpen, da er es nie lange an einem Ort aushielt.


    Im Frühjahr 1503 versuchte er, Maximilian I. auf sich aufmerksam zu machen. Für diesen komponierte er wahrscheinlich die Missa „Sub tuum praesidium“ und erhielt ein Geschenk. Sicherlich gehört auch die Missa „Maria zart“ in diesen Kontext.
    1503/4 gehörte Obrecht möglicherweise der Päpstlichen Kapelle an, zumindesten erwog er, in diese einzutreten. Da die Gehaltslisten der Päpstlichen Kapelle für diese Zeit verschollen sind, ist ein dokumentarischer Beweis nicht möglich.
    Im Oktober 1504 finden wir ihn wieder in Ferrara. Er war als Nachfolger von Josquin Desprez als Kapellmeister der Hofkapelle engagiert worden. Sein Gönner Ercole erfüllte ihm jeden Wunsch. Doch das Schicksal meinte es nicht gut mit Obrecht, denn Ercole starb schon im Jänner 1505. Sein Sohn Alfonso konnte nichts mit Obrecht anfangen und entließ ihn.


    Obrecht erkrankte kurz darauf an der Pest und starb im Juli in Ferrara an der Pest.



    Obrecht schrieb unzählige große Messen, von denen über zwanzig erhalten sind. 32 Motetten und 10weltliche Lieder sind uns ebenfalls erhalten.
    Eine besondere Komposition ist seine Matthäuspassion, die älteste Motettenpassion der Musikgeschichte.


    Sein Arbeitstempo war schnell und er wurde wegen seiner Leichtfertigkeit große Musik zu erschaffen bewundert.
    Einer Legende zufolge soll er eine Messe in einer Nacht komponiert haben.


    Nun zu den Aufnahmen:
    Ich besitze folgende CD:


    Sie enthält 2 Salve Regina-Vertonungen, eines zu 4 Stimmen, eines zu 8 Stimmen und die großartige Missa Caput, die cirka 45 Minuten dauert. Sie wurde nach seiner ersten Italienreise komponiert und ist ein absolutes Meisterwerk der Renaissance!


    Weitere Aufnahmen, die einen guten ersten Höreindruck machen:




    Ich hoffe euch diesen Komponisten nähergebracht zu haben und freue mich auf die Diskussion!


    LG joschi

  • Hallo Joschi,


    vielen Dank für dieses hochinteressante Komponistenportrait, das mich sehr neugierig auf seine Musik gemacht hat. Leider habe ich keine einzige Aufnahme mit Werken von Obrecht in meiner Sammlung und werde mir daher demnächst die Naxos-CD zulegen (mit der Oxford Camerata habe ich schon einige andere Aufnahmen mit Chormusik der Renaissance).


    :hello: Andreas

  • Zitat

    Original von Fugato
    Hallo Joschi,


    vielen Dank für dieses hochinteressante Komponistenportrait, das mich sehr neugierig auf seine Musik gemacht hat. Leider habe ich keine einzige Aufnahme mit Werken von Obrecht in meiner Sammlung und werde mir daher demnächst die Naxos-CD zulegen (mit der Oxford Camerata habe ich schon einige andere Aufnahmen mit Chormusik der Renaissance).


    :hello: Andreas


    Hallo!!


    Mit der Naxosaufnahme liegst du GOLDrichtig!


    Die CD ist erstens nicht so teuer und die Aufnahme ist wirklich toll. Wenn du die Missa Caput hörst, lass es uns wissen. Sie ist wirklich großartig!!
    :hello:


    LG joschi

  • Hallo liebe TaminonaerInnen


    Auch wir haben einige Aufnahmen dieses grossartigen Komponisten.


    Eine beliebte Messe, die „Missa L’homme armé“ von Guillaume Dufay, hatte neben Komponisten wie Loyset Compère, Josquin Desprez, Pierre de la Rue, Palestrina auch Jacob Obrecht vertont. Eine Überlieferung des Liedes in der einstimmigen Urgestalt existiert nicht. Allerdings gibt es eine anonyme L’homme armé-Messe, in deren Credo der Tenor nicht mit dem lateinischen Messen-, sondern mit dem französichen Liedtext unterlegt ist.


    „Der Mann. Der gewappnete Mann.
    Den gewappneten Mann muss man fürchten.
    Man hat überall ausrufen lassen,
    dass ein jeder sich wappnen soll
    mit einem Panzerhemd aus Eisen.
    Der Mann. Der gewappnete Mann.
    Den gewappneten Mann muss man fürchten.“


    Zur Herkunft des Liedes und der Bedeutung des Textes meint Annegrit Laubenthal, dass die Tradition der L’homme-armé-Bearbeitung von den Kreuzzugs-Initiativen des burgundischen Hofes ihren Ausgang nahm. L’homme armé-Messen waren Staatskunst: Ihre Aufzeichnung ist regelmässig mit Verweisen auf bestimmte Herrscher verbunden, und sie wurden mit aller Wahrscheinlichkeit zu offiziellen Anlässen aufgeführt. Gleichzeitig war die Figur des „homme armé“ ein Stück Alltag: In Cambrai befand sich, einer Überlieferung des frühen 16. Jahrhunderts zufolge, eine „Maison de L’homme armé“ unweit des Wohnsitzes von G. Dufay.



    diese Aufnahme mit dem Thomanerchor Leipzig, Capella Fidicina ist gekoppelt mit derselben Messe aus der Feder von Johannes Ockeghem


    Herzliche Grüsse


    romeo&julia

  • Zitat

    Original von DonBasilio
    Nun zu den Aufnahmen:
    Ich besitze folgende CD:



    Sie enthält 2 Salve Regina-Vertonungen, eines zu 4 Stimmen, eines zu 8 Stimmen und die großartige Missa Caput, die cirka 45 Minuten dauert. Sie wurde nach seiner ersten Italienreise komponiert und ist ein absolutes Meisterwerk der Renaissance!


    Diese CD ist in der Tat nicht schlecht, allerdings gibt es eine fette Fliege in der leckeren Suppe. Es gibt einen Sänger, der die Homogenität des Ensemble total kaputt macht. Er singt als einziger mit Vibrato, was allein schon aus dem Gesamtklang herausfällt. Dazu kommt, dass er die Tendenz hat, die anderen niederzubrüllen und dabei gelegentlich auch noch Intonationssicherheit vermissen läßt. Besonders an Fortestellen fällt dieser Sänger lautstärke- und energiemäßig derart heraus, dass es kaum noch anzuhören ist. Eigentlich ist das furchtbar schade, denn die anderen singen wirklich schön. Wäre nicht dieser "Störenfried", dann wäre das eine empfehlenswerte Aufnahme. Wie toll das sein könnte, kann man beispielsweise in einigen Passagen im Sanctus oder über weite Strecken des Agnus Dei hören, wenn der Herr längere Pausen hat.


    Ach ja, auf meiner CD steht bei dem zweiten Salve Regina etwas von 6 Stimmen und nicht 8. ?(



    Zitat

    Weitere Aufnahmen, die einen guten ersten Höreindruck machen:


    Im Gegensatz zu obigen Naxos-Produktion singt hier ein größerer Chor, bzw. die einzelnen Stimmen sind mit mehreren Sängern besetzt (nämlich je 3 oder 4). Dabei ist selbst die höchste Stimme ausschließlich mit Männern besetzt ("Ist hier etwa Weibsvolk anwesend?" :D:hahahaha: ). Durch die größere Besetzung geht die Durchhörbarkeit merklich verloren. Dass das per se nicht so sein muß, machen andere Ensembles vor - hier gelingt das leider nicht. Zudem werden die hohen Männerstimmen recht schnell zu Qual. Das kann man kaum länger mit Genuß hören. Und schließlich werden die beiden Messen mehr oder weniger nur abgesungen. Auch hier macht´s die Oxford Camerata von der Naxos-CD deutlich besser. Da werden Phrasen gestaltet, musikalische Bögen geformt, Spannung aufgebaut, etc. All das fehlt weitestgehend bei der Hungaroton-CD.



    herzliche Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

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  • Zitat

    Original von salisburgensis
    Diese CD ist in der Tat nicht schlecht, allerdings gibt es eine fette Fliege in der leckeren Suppe. Es gibt einen Sänger, der die Homogenität des Ensemble total kaputt macht. Er singt als einziger mit Vibrato, was allein schon aus dem Gesamtklang herausfällt. Dazu kommt, dass er die Tendenz hat, die anderen niederzubrüllen und dabei gelegentlich auch noch Intonationssicherheit vermissen läßt. Besonders an Fortestellen fällt dieser Sänger lautstärke- und energiemäßig derart heraus, dass es kaum noch anzuhören ist.


    Hallo Thomas,


    ich habe diese Aufnahme vorhin gehört - Du meinst sicher den Herrn im Bass. Er sticht schon etwas heraus, aber als "fette Fliege" würde ich das nicht bezeichnen. Vielleicht bin ich bei Choraufnahmen weniger kritisch als Du - oder durch andere Aufnahmen mit der Oxford Camerata schon an ihn gewöhnt :D


    :hello: Andreas

  • Zitat

    Original von Fugato
    ich habe diese Aufnahme vorhin gehört - Du meinst sicher den Herrn im Bass. Er sticht schon etwas heraus, aber als "fette Fliege" würde ich das nicht bezeichnen. Vielleicht bin ich bei Choraufnahmen weniger kritisch als Du - oder durch andere Aufnahmen mit der Oxford Camerata schon an ihn gewöhnt :D


    Lieber Andreas,


    genau den meine ich.


    Es entspricht absolut nicht dem Wesen von Renaissancemusik, wenn die polyphone Stimmführung nicht durch gleichrangig agierende Sänger wiedergegeben wird. Oder andersrum, wenn die Stimmen gleichrangig gesetzt sind, dann darf in einer Interpretation nicht eine Stimme herausstechen und die anderen liefern nur den Klanghintergrund. Und genau das ist eben (leider) bei dieser Aufnahmen mit der Oxford Camerata der Fall.


    herzliche Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    Eine wunderschöne Einspielung mit einer Messe von Jacob Obrecht möchten wir gerne kurz vorstellen.


    Über die Messe „Missa de Santo Donatiano“, einer Votivmesse, kennt man inzwischen recht viel. Herr Reinhard Strohm, Professor in Oxford hat die Entstehungsbedingungen und die Aufführungssituation genau rekonstruieren können. Die Messe wurde 1487 abends um sieben Uhr in der Kapelle der jungen Witwe eines bedeutenden Brügger Pelzhändlers mit dem Spiel einer grossen Orgel aufgeführt. Obrechts Messe gehört zu den bedeutenden Cantusfirmusmessen seiner Zeit. Seine Mehrtextigkeit bei melismatischem Gesang sorgen für komplexe Klangfarben.


    Das niederländische Ensemble Cappella Pratensis agieren äusserst spannungsvoll und sensibel mit exakter Intonation. Die Linienführung ist geschmeidig und der Klang kraftvoll. Eingebettet wird der Gesang mit Orgelimprovisationen, zudem wird beziehungsreich gregorianischen Propriumsgesang kombiniert.



    Herzliche Grüsse


    romeo&julia