Suppés Operetten - mehr als nur Ouvertüren

  • Lohengelb (bzw. Die Jungfrau von Dragant) an der Wiener Kammeroper


    Dank Harald hatte ich jetzt Gelegenheit, auch den Lohengelb in der Version der Wiener Kammeroper aus dem Jahr 1984 mit der Rundfunkfassung des WDR zu vergleichen. Zunächst fiel mir auf, dass der gereimte Text wohl tatsächlich der Originalfassung entsprechen muss, nur haben die Darsteller auf der Bühne diese Reime wie richtige Dialoge gesprochen und nicht so schulmäßig aufgesagt wie bei der konzertanten Aufführung. Es ist mir schon öfters aufgefallen, dass bei konzertanten Aufführungen die Dialoge die eigentliche Schwachstellen sind.


    Die Guckkastenbühne der Kammeroper fand ich gewöhnungsbedürftig. Aber am meisten betrübt haben mich die vielen Striche bei der Musik. Kaum einer von den Titeln, die ich in meinem obigen Beitrag für erwähnenswert hielt, wurde gesungen. Was muss ich doch für einen komischen Geschmack haben? Dass es nicht allein an mir liegen kann, mag die Tatsache belegen, dass auch der Liebeswalzer, der es doch immerhin zu einem gewissen Bekanntheitsgrad gebracht hatte, gestrichen wurde. Stattdessen wurden tatsächlich mehr oiginale Wagner-Zitate eingefügt. Das erklärt auch, warum Peter aus Wien zu nachfolgender Einschätzung gelangt war:



    Zitat

    Die Musik ist zum einen Teil von Richard Wagner übernommen und zum anderen von Franz von Suppé neu geschrieben


    Im Finale wollte man dann wohl doch noch eine Hommage an Suppé darbringen und so wurde dann alles zitiert, was man von Suppé so kennt, vom Dichter und Bauer über Die schöne Galathee zur Leichten Kavallerie und Fatinitza bis hin zum Boccaccio.


    Fazit: sängerisch waren die Wiener besser als die "Kölner" - auch darstellerisch gefielen sie mir gut. Bezüglich der Musiktitel und der Authenzität muss ich aber der Rundfunkfassung den Vorzug geben.


    :S Uwe

  • 5. Januar 1876:
    Am Carltheater in Wien wird
    Franz von Suppés einaktige Operette
    Fatinitza

    nach einem Libretto von Camillo Walzel und Richard Genée uraufgeführt.



    Eduard Rogati baute das Werk später zu einer dreiaktigen Operette aus.
    In dieser Fassung hat sie sich durchgesetzt.
    Es ist erfreulich, dass sich das Lehár Festival Bad Ischl im Jahr 2006 der fast verschollenen Urfassung dieses Juwels annahm.


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Hallo Harald,


    vielen Dank für Deinen Hinweis. Aber ich muss Dich in zwei Punkten leider korrigieren.


    1. Fatzinitza war von Anfang an eine dreiaktige Operette. Sie wird allgemein als Suppés erste abendfüllende Operette bezeichnet, was aber m. E. auch falsch sein muss, denn er hat bereits 1868 mit "Frau Meisterin" seine erste dreiaktige Operette geschrieben.


    2. Die Neufassung durch Eduard Rogatti (Text) und Bruno Uher (Musik) bedeutete vor allem einen tiefen Eingriff in den Musikstil mit moderneren Tanzrythmen. Diese Fassung (entstanden 1950) hat sich aber nicht durchgesetzt, Fatzinitza ist seither nicht wieder in den Spielplänen aufgetaucht. Im Gegenteil: die wenigen Rundfunkaufnahmen, die es gibt, bevorzugen das Original, auch Volker Klotz und Suppé Biograph Roser halten nicht viel von der Neubearbeitung und wie Du schon anführtest, griff auch das Lehár Festival in Bad Ischl auf die Urfassung zurück.


    :) Uwe

  • Hallo Harald,


    mein Reclam Operettenführer stammt noch aus dem Jahr 1961. Ich habe erst kürzlich eine aktuelle Aussgabe davon verschenkt und musste feststellen, dass dieser nicht oder kaum aktualisiert wurde - immer noch der gleiche Autor, der ja längst verstorben sein muss.


    Danke für den Hinweis auf die Wikepedia Seite. Ich wollte diese immer schon mal ändern, hatte es aber wieder vergessen. Ich habe dies heute nachgeholt, mal sehen, was die von meinen Änderungen letztlich übernehmen.


    Zu den wenigen Rundfunkaufnahmen, die ich oben erwähnt habe, gehört auch die:



    Neben vielen anderen schönen Titeln befinden sich auf dieser CD die beiden schönsten Arien aus Fatinitza: "Schlittenfahrtarie" und "Glockenarie".


    Viele Grüße


    Uwe

  • Immerhin hat auch die gestrige WDR-Sendung "Operette nach Wunsch" mit dem "Fatinitza-Marsch" von Suppé begonnen, dirigiert vom Jubilar Curt Cremer!


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Hallo Uwe, hallo Harald!


    Ich erinnere mich, daß in den 70er Jahren im TV eine wunderschöne Aufführung der Operette "Banditenstreiche" aus Wien mit Helge Rosvaenge in der Hauptrolle zu sehen war. Mir schwant so, als hätte ich diese auch auf Band aufgenommen, aber ich finde sie nicht mehr. Kommt man an diese Aufnahme noch heran oder ist sie wie viele TV-Produktionen für immer verloren?



    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Hallo Wolfgang,


    ich kann mich leider nicht an eine Produktion der "Banditenstreiche" im TV erinnern. Die Suppé-Biographie von Roser verzeichnet im Jahre 1967 eine Aufführung der "Banditenstreiche" im Raimundtheater, allerdings ohne Nennung von Mitwirkenden. Möglich dass diese dann auch im Fernsehen gezeigt wurde, dann aber evtl. nur in Österreich?


    Ich wäre selbst sehr an so einer Aufzeichnung interessiert, kann Dir da aber im Moment nicht weiterhelfen.


    :no: Uwe

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  • Hallo,
    bei operaaddiction oder operapassion kann man diese Schwarzweißaufnahme bestellen. Bild und Ton : naja, aber immerhin.
    Schöne Grüße
    wega

  • Die Frau Meisterin
    ist eine Operette in drei Akten von Franz von Suppé.
    Das Libretto stammt von Karl Costa.
    Das Werk wurde am 20. Januar 1868 im Carltheater in Wien uraufgeführt.
    Somit ist dies Suppés erste abendfüllende Operette


    Die Ouvertüre ist auf dieser CD zu hören:



    Da unser Operettenführer das Werk nicht kennt, hier der wiki-link zur Operette: http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Frau_Meisterin


    LG


    :hello:

    Harald


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    (Vinícius de Moraes)

  • "Boccaccio
    oder Der Prinz von Palermo"

    komische Oper bzw. Operette in drei Akten
    von Franz von Suppé.
    Das Libretto schrieben Camillo Walzel alias Friedrich Zell und Richard Genée.
    Uraufführung am 1.2.1879 Carl-Theater Wien
    mit Antonie Link • Rosa Streitmann • Karl Blasel • Franz Tewele.



    Boccaccio gilt als das erfolgreichste Bühnenwerk des Komponisten.
    Es handelt von Giovanni Boccaccio, dem berühmten Dichter des Decamerone, der hier selbst Held einer Liebesgeschichte wird.


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Hallo Harald,


    vielen Dank für die Erinnerung an die Boccaccio Uraufführung. Boccaccio ist ja meine absolute Lieblingsoperette. Es war übrigens die erste Operette, die ich überhaupt gehört hatte (im Alter von 10/11 Jahren). Ich wurde sozusagen darauf geprägt. Das ist sicherlich ein Grund aber bestimmt nicht der alleinige, warum sie zu meinen Favoriten zählt. Auch ettliche Experten zählen Boccaccio zu den ganz großen Meisterwerken.


    Zitat

    Mit Strauß' "Fledermaus" und Suppés "Boccaccio" gilt dieses Werk (gemeint ist "Der Bettelstudent") seitdem als Nonplusultra der frühen Wiener Operette.


    Volker Klotz


    Zitat

    [Franz von Suppé:] Das ist "Boccaccio", den man ehrfurchtsvoll Spitzenwerk der Goldenen Wiener Operette nennt, ohne ihn jedoch so zu schätzen wie die "Fledermaus", Zigeunerbaron", "Bettelstudent" oder andere Meisterwerke von Johann Strauß Sohn und Karl Millöcker.


    Hans-Dieter Roser


    Ich finde, dass die Aufführungszahlen an deutschen Theatern, zumindest nach dem Zweiten Weltkrieg aber auch die Präsenz dieses Werkes in Rundfunk und Medienprodktion im krassen Gegensatz zu solcher Expertenmeinung stehen und kann mir das absolut nicht erklären.


    :( Uwe

  • Hallo wega,


    vielen Dank für den Tip


    und hallo Harald,


    vielen Dank für die Konkretisierung. Ich habe "Banditenstreiche" bei operapassion bestellt und nach ca. 2 Wochen auch erhalten. Preis: 5,00 $ + 6,00 $ Versand (Gesamt ca. 8,78 €). Wegas Kommentar "Bild und Ton: Naja..." ist ja noch leicht untertrieben. Die Bildqualtiät ist miserabel, dauerhaft partiell unscharf, als ob der Kameramann Wassertropfen auf der Linse hegabt hätte. Die Tonqualität ist zufriedenstellend. Die DVD kam übrigens "nakt", in einer CD Hülle, ohne jegliches Begleitmaterial. Lediglich das Label weist auf die Münchner Aufführung hin mit Anton de Ridder und Hedi Klug, Jahreszahl noch unbekannt.


    Für mich ist die DVD dennoch von einigem Wert, gibt es doch erheblich Unterschiede zu Walhall-CD. Banditenstreiche ist ja ursprünglich eine einaktige Operette aus dem Jahr 1867, die 1954 von Ludwig Bender und August Peter Waldenmaier auf drei Akte unter Hinzufügen von Musik aus anderen Suppé-Operetten neu bearbeitet wurde. Zunächst gab es nur eine Rundfunkfassung für den Bayerischen Rundfunk. Aus dieser Produktiion stammt auch die Walhall-CD. Diese ist jedoch recht unvollständig und ich habe schon in diesem Thread berichtet, dass ich die Titel aus dieser Rundfunkfassung schon aus anderen CD's ergänzt habe. Die Münchner Aufführung geht auf die selbe Bearbeitung zurück, nennt im Abspann auch keine weitere Neubearbeitung, hat aber gegenüber der Rundfunkfassung etliche Umstellungen; es wurden neue Musiktitel hinzugefügt und andere aus der Rundfunkfassung auch gestrichen. Insgesamt war die Aufführung recht gut, mit ganz viel guter Musik, manchmal sogar des Guten ein wenig zu viel - Weniger und dafür etwas ausführlicher wäre manchmal mehr gewesen. Der Zuschauer wird beinahe "erschlagen" von so vielen verschiedenen Musiktiteln.


    Unterm Strich für mich bei dem Preis jedenfalls eine lohnende Investition.


    :) Uwe

  • Fatinitza im Staatstheater in Mainz


    Es jubelt mein Herz. Am 2. November 2012 hat "Fatinitza" im Staatstheater in Mainz Premiere. Damit ist diese Operette nach meiner Kenntnis seit 1995 (in Bremen) erstmals wieder auf einer deutschen Bühne zu sehen. 2006 wurde sie in Bad Ischl beim Lehár-Festival wieder aus der Versenkung geholt; davon gibt es eine hier in diesem Thread schon mehrfach besprochene CD. Auf die Frage, warum diese immer wieder als "Meisterwerk" apostrophierte Operette von den Bühnen quasi verschwunden war, gibt nachfolgende Presseerklärung des Mainzer Staatstheaters eine der möglichen Antworten.


    Zitat

    Inmitten eines großen Krieges wird der Krieg ad absurdum geführt: Fatinitza, die angebliche Hauptfigur, gibt es nicht wirklich. Sie ist nichts als ein erotisches Phantom zwischen den Fronten, als das der russische Leutnant Wladimir sich eines Tages ausgegeben hat. Gerade hat der Leutnant sich wieder einmal als Fatinitza verkleidet, gerade haben die Soldaten mit Schneebällen Krieg gespielt, da taucht der General auf und ist entsetzt über die mangelnde Disziplin. Wladimir bleibt nun vorerst in diese Rolle gebannt, was dazu führt, dass Izzet Pascha – von gegnerischer osmanischer Seite – ihn seinem Harem zuschlägt.
    Franz von Suppés „Fatinitza“ ist nichts weniger als ein Geniestreich, der bis weit ins 20. Jahrhundert hinein die Operettenspielpläne beherrschte. Nach dem Zweiten Weltkrieg dürfte eine neue Biederkeit – insbesondere in den unterhaltenden Gattungen – den Zugang zu einem Werk erschwert haben, das „Wladimir, den Leutnant eines tscherkessischen Reiterregiments“ mit einem Mezzosopran besetzt: Eine Frau spielt einen Mann, der eine Frau spielt – die es gar nicht gibt …
    Falschinformation und Täuschung – Strategien, mit denen diese Operette Krieg gegen den Krieg führt. Da überrascht es auch nicht, dass Izzet Pascha, Herr des Harems, sich äußerst wienerisch ausnimmt. Erbarmungslos lustvoll deponiert „Fatinitza“ eine gewaltige Sprengladung anarchischen Humors in der Festung geheiligter Werte und nationaler Identitäten.


    Die Information über die bevorstehende Aufführung in Mainz habe ich übrigens aus der Sendung "Operette nach Wunsch" des WDR 4, die ja leider demnächst eingestellt werden soll. :no: So sehr ich dies bedaure, so sehr freue ich mich auf die Aufführung.



    :jubel: Uwe

  • Ich melde mich heute zum ersten Mal in diesem Forum, weil ich ich nicht weiß, wo ich sonst diesen Beitrag posten soll. Ich habe vorhin zwei kurze Orchesterstücke auf Classica gesehen, die Sir Georg Solti 1980 beim Silvesterkonzert im Münchener Herkulssaal dirigiert hat. Das erste war ein für mich ganz besonderes Stück, das mich in meiner Kindheit schon stark in Richtung Klassische Musik gezogen hat. Es war die Ouvertüre zu "Dichter und Bauer", die mein Vater mir vorstellte, als ich so um die 6 Jahre war. Seitdem ist es ein Lieblingsstück für mich. Aber wie Sir Georg es dirigierte, habe ich es noch nie gehört. Abgesehen davon , dass man sehen und spüren konnte, wie viel Spaß ihm diese Ouvertüre bereitete, konnte man auch erleben, wie ernst er dieses Stück nahm und mit welcher Bravour er es dirigierte. Auch das Cello-Solo nach der Einleitung kam sehr schön zum Tragen. Das Orchester des Bayerischen Rundfunks folgte diesem Husarenritt, den Sir Georg da veranstaltete, willig und souverän. Ein ausgesprochenes Vergnügen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Aber wie Sir Georg es dirigierte, habe ich es noch nie gehört. Abgesehen davon , dass man sehen und spüren konnte, wie viel Spaß ihm diese Ouvertüre bereitete, konnte man auch erleben, wie ernst er dieses Stück nahm und mit welcher Bravour er es dirigierte.


    Ja, Sir Georg hat auch eine wunderbare Suppé-LP mit den Wiener Philharmonikern eingespielt. Die Stücke dieser LP sind mehr oder weniger auf folgenden CDs zu finden.


    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ich denke, das Thema ist in diesem Thread gut aufgehoben, obwohl es ja heißt "...mehr als nur Ouvertüren", was ja zum Ausdruck bringen soll, dass Suppé ungerechterweise fast nur noch auf seine Ouvertüren reduziert wird. Die Aufnahme von Solti kenne ich (noch) nicht, aber ich möchte in diesem Zusammenhang einmal darauf hinweisen, dass ich oft sehr erstaunt ich bin, wie unterschiedlich gerade Suppés Ouvertüren interpretiert werden. Da habe ich auch von großen Namen schon herbe Enttäuschungen erlebt. Interessant sind dabei die von William B.A. angeführten Zitate bezüglich der Tempi.


    Mein derzeitiger Favorit bei Dichter und Bauer ist eine Aufnahme mit der Staatskapelle Dresden unter Otmar Suitner. Er spiellt die Ouvertüre mit einer brillanten Schärfe, fast ein wenig zu scharf. Von der Slowakische Staatsphilharmonie unter Alfred Walter bzw. Christian Pollak gibt es eine ganze CD - Serie (1-6) mit Suppé Ouvertüren. Dieses Orchester spielt die Stücke leicht samtig - manchmal gefällts mir, manchmal könnte mehr Druck dahinter sein und manchmal sind sie auch ein bisschen schlampig. So geht etwa das Trompetensolo in der Leichten Kavallerie im Getöse des Orchesters unter. Und gerade Dichter und Bauer überzeugt mich von diesem Orchester nicht.



    Meine Lieblings-Ouvertüre von Suppé ist übrigens die zu "Boccaccio" hervorragend interpretiert auf der CD mit der Gesamtaufnahme unter Willi Boskovsky.


    :) Uwe

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  • Fatinitza in Mainz - eine vertane Chance


    Seit meiner Jugend habe ich auf dieses Ereignis gewartet: dass die in einschlägigen Operettenführern als Meisterwerk Franz von Suppés bezeichnete aber selten gespielte Operette mal wieder auf deutschen Bühnen aufgeführt wird. Wenn ich davon gewusst hätte, wäre ich 1995 sogar nach Bremen gefahren oder 2006 nach Bad Ischl. Jetzt aber wird sie in Mainz aufgeführt, in meiner Landeshauptstadt, also in gut erreichbarer Nähe.


    Die ersten Kritiken, die ich gelesen hatte, waren noch durchaus positiv (natürlich eine Auswahl des Staatstheaters Mainz auf dessen Homepage). Auch die vom „Opernfreund“ war noch recht freundlich. Doch dann fand ich über Google einen Verriss nach dem anderen und diese im Zusammenhang mit einigen Szenenfotos ließen mich Schlimmstes befürchten. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich die Karte schon bestellt, doch ich wäre auch so hingefahren, wegen der Seltenheit (siehe oben).


    Nun war ich also dort und kann berichten: es war wirklich schlimm, doch gibt's auch ein wenig Positives zu berichten. Dieses zuerst. Die Macher haben am Szenenablauf und damit auch an der Musiknummernfolge so gut wie nichts verändert. Das dürfte in erster Linie das Verdienst des musikalischen Leiters Florian Cssizmadias sein, der, wie einem Interview im Programmheft zu entnehmen war, sich bemühte, der Musik Suppés gerecht zu werden. Allerdings möchte ich an dieser Stelle zur Ehrenrettung des doch arg kritisierten Dirigenten der Bad Ischeler Aufführung („biedermeierlich…tranige Tempi“) sagen, dass mir dessen Interpretation in weiten Teilen besser gefallen hat als die der Mainzer. Sicher, der Mainzer Dirigent hat die Tempi kräftig angezogen - hat eine, wie es einer der Besucher der Aufführung ausdrückte, schmissige Musik hingelegt, aber er war manchmal auch ein wenig schlampig; so manche Feinheiten der Partitur gingen verloren. Die Sängerinnen und Sänger und auch den Chor fand ich durch die Bank sehr gut; ein wenig enttäuscht war ich vom Bass des Generals Kantschukoff. Dessen zu stammelndes „Fatinitza-Fatinitza-Fatinitza“ im Briefduett des dritten Aktes kam nicht richtig rüber, vermutlich eine Folge der oben erwähnten Schlampigkeiten.


    Die Inszenierung dagegen war bek(n)ackt. Man könnte das „n“ in Klammer auch durchaus weglassen, denn so derb wie das daraus resultierende Wort war auch die Inszenierung – Regietheater allemal. Die derbe Zotigkeit beginnt schon in der Introduktion. Statt einer im Original vorkommenden Schneeballschlacht bewerfen die russischen Kadetten nach dem Wecken ihren Sergeanten mit verschmutzen Kleenex- Tüchern, nachdem sie zuvor im Takt onaniert haben. Und solche direkten sexuellen Übergriffe ziehen sich durch die gesamte Inszenierung. Im großen Duett des 2. Aktes, in welchem der als Fatinitza verkleidete Wladimir seiner angebeteten Lydia am Ende gesteht, dass er ein Mann ist, tut er dies, indem er ihre Hand an sein „erwachtes“ Geschlecht führt. Es gäbe noch weiteres in dieser Art zu berichten, doch es lohnt sich nicht.


    Auch die „Komik“ dieser Inszenierung funktioniert nicht. Eine Besonderheit dieser Operette ist ja die Tatsache, dass eine Frau (ein Mezzosopran) einen Mann darstellt, der auf der Bühne wiederum eine Frau spielt, ähnlich wie vordem schon Cherubino im „Figaro“ oder nachdem Ocatvian im „Rosenkavalier“. Der Einfall der Regisseurin, diese Verkleidung jetzt männlich-hässlich zu machen, indem man der Darstellerin künstliche Brust- und Beinhaare angeklebt hat, mag ja auf den ersten Blick noch lustig sein, kann aber nicht den ganzen Abend durchhalten, zumal es nicht einsichtig ist, wie sich in so einen „Charly’s-Tante“-Verschnitt der General Hals über Kopf verlieben kann bzw. die Haremsdamen Wladimirs/Fatinitzas Beteuerung, er sei ein Mann, nicht glauben können. Es wurde dann auch während der Aufführung gar zu selten gelacht. Allerdings habe ich auch keine Buh-Rufe vernommen, wie es lt. einer Kritik bei der Premiere vorgekommen sein soll. Es hat meiner Beobachtung nach auch keine größere Menge nach der Pause das Theater verlassen. Ich habe eine Bemerkung einer Frau mittleren Alters aufgeschnappt, die sagte, wenn es zu arg werde, mache sie einfach die Augen zu und genieße die Musik, denn die wäre hinreißend. Ich finde, besser kann man diese Inszenierung in nur einem Satz nicht charakterisieren.


    Suppés Operetten galten zur Zeit ihrer Entstehung immer als frivol, wobei sich die Frivolität in erster Linie auf die Anhäufung von Hosenrollen und möglicherweise auf mehr oder weniger diskrete Andeutungen in Bezug auf „die Lust in meiner Brust“ bezog. Man könnte nun einwenden, dass man heutzutage zu solch drastischen Mitteln greifen muss, um die Frivolität von damals ins Heute zu transportieren. Aber ich glaube nicht, dass die junge und erst seit 5 Jahren in Deutschland lebende Amerikanerin Lydia Steier, die für diese Regie verantwortlich ist, sich überhaupt jemals solche Gedanken über die klassische Wiener Operette gemacht hat. Wie aus einen Interview mit ihr im Programmheft hervorgeht, bezieht sie ihre drastische und sexistische „Komik“ aus dem amerikanischen Musical – möglich, dass man dort in manchen Stücken mit solchen Methoden gegen die heuchlerische Prüderie amerikanischer Tea-Partyaner anspielt.


    Ich glaube nicht, dass es gelingt, dieses Meisterwerk mit solch rüden Mitteln der Vergessenheit zu entreißen. Insofern hat die Intendanz des Mainzer Staatstheaters den Werken Suppés wahrscheinlich einen Bärendienst erwiesen. Dies wird aber das Mainzer Publikum entscheiden – vielleicht drücken ja noch mehr Besucher die Augen zu. Bei der von mir besuchten Vorstellung hat es zwar so gut wie keinen Szenenapplaus gegeben, aber am Ende dann doch einen recht lange anhaltenden Schlussapplaus. Ich habe übrigens im Publikum auch erstaunlich viele junge Leute gesehen. Vielleicht gefällt‘s denen ja . Aber gefällt denen dann eine so alte Musik?


    Sollte es in Mainz besuchermäßig aber ein Desaster werden, wird „Fatinitza“ wohl endgültig zu Grabe getragen – es sei denn, es findet sich andernorts ein Regisseur, der versucht, es besser zu machen (die Hoffnung stirbt bekanntlich ja zuletzt).


    ?( Uwe

  • Pique Dame


    Die hier gezeigte CD wurde weiter oben ja schon von Harald vorgestellt. Ich möchte nun etwas mehr über den Inhalt berichten, wobei ich mich wundere, dass ich dies nicht schon längst getan habe.


    Pique Dame basiert auf der erst zwei Jahre zuvor, am 26. April 1862 im Theater am Franz-Josefs-Kai uraufgeführten Operette "Die Kartenschlägerin". Dieser war kein Erfolg beschieden; bereits nach drei Aufführungen wurde das einaktige Werk aus dem Spielplan genommen. Der Grund des Mißerfolges war sicher, wie so oft bei Suppé, ein schlechtes Textbuch, aber auch der Musik wird u. a. bescheinigt, "sich nicht innerhalb der Grenzen der eigenlichen Operette zu bescheiden", was immer man in den Kindertagen der Operette darunter verstehen wollte. Für das Grazer Thalia Thater schrieb Suppé die Operette um. Das Engagement für Graz vermittelte Karl Millöcker, der dem Theater als Kapellmeister verbunden war und als ehemaliger Schüler Suppés sich diesem verpflichet sah. Für die Umarbeitung wurde ein neuer Libretist gefunden (der erste war anonym, vom zweiten sind auch nur die Initialen S.S. bekannt), das Werk von einem Akt auf zwei erweitert, ohne dass die Anzahl an musikalischen Nummern, nämlich neun, wesentlich mehr geworden wären und der Titel in "Pique Dame" geändert. Ob der Titel auf Alexander Puschkins 1834 erschienener gleichnamigen Erzählung Bezug nimmt, ist nicht sicher, die Handlung tut es jedenfalls nicht. Sie ist eher banal und wenig originell, sodass auch diese Grazer Neufassung kein Erfolg wurde und es auch nie zu einer Aufführung in Wien kam.


    Handlung


    Warum das Stück gerade in Köln spielt, ist völlig unklar. Emil, ein junger Leutnant, der gleichzeitig auch Komponist ist, ist in Hedwig, der Tochter einer reichen Witwe verliebt. Judith, eine Wahrsagerin, die Emil für seine Mutter hält, eröffnet ihm, dass sie ihn nur an Kindes statt angenommen hat. Ihr erzählt Emil von seiner noch platonischen Liebe zu Hedwig. Aber auch Fabian Muker, ein reicher Privatier und Hedwigs Vormund, ist hinter ihr her. Emil hat sich durch ein Darlehen, das er nicht zurückzahlen kann, in seine Hand begeben. Judith verschreckt Muker beim Wahrsagen aus den Karten mit der Pique Dame und daraus resultierenden üblen Prohpezeiungen und lockt ihn auf einen Kostümball. Dort wird Muker nach allerei Scherzen als Schürzenjäger in einer Verführungsszene, die an "Robert le diable" erinnert, bloßgestellt. Judith lüftet das Geheimnis: Emil ist Mukers Neffe und bekommt von diesem die ihm vorenthaltene Erbschaft ausbezahlt und erobert zum guten Happy End natürlich auch Hedwigs Herz.


    Musik


    Charakteristisch für das kleine Werk ist, dass Suppé offenbar wirklich nicht wusste, wo "die Grenzen der eigentlichen Operette" (siehe Vorwurf oben) zu sein haben. Das konnte man ja eigentlich bei dieser seiner zweiten (bezogen auf die Urfassung) Operette noch nicht erwarten, zumal ja nur vorgegeben war, was es nicht sein sollte: keine bloße Nachahmung Offenbachs, keine Posse (mehr) und keine Oper. Also war es irgenwo von allem etwas. Da gibt es das (parodierte) romantische Lied, ein Duett, das einer ernsten romantischen Oper entsprungen sein könnte und eines in bester italienischer operá buffo - Manier, dann (in modernem Sinn) wirklich operettenhaftes in Form von Exotik, in diesem Fall spanisches Folklorit und offenbach'scher Cancan. Ein weiterer Vorwurf aus bereits oben zitierter Kritik (die allerdings auf die Urfassung Bezug nimmt), dass "...die Operette nicht eine Nummer auf(zu)weisen (hätte), die einer besonderen Erwähnung wert wäre", trifft zumindest auf die Umarbeitung nicht zu. Sehr schön ist ein Duett zwischen Judith und Muker und herausragend gar das Chorstück mit spanischem Folklorit, das Suppé später nochmals im "Boccaccio" verwendete und dort allerdings als italienisches Folklorit (!!) herhalten muss. Schön gearbeitet ist auch der Auftakt des zweiten Aktes, in welchem auch der aus der Ouverüre bekannte Cancan vorkommt, der wiederum in dem zuvor erwähnen Chorstück nochmals variiert wird.


    :) Uwe

  • Musikstunde des SWR 2 zum Thema "Boccaccio"


    Der SWR 2 hat in seiner Sendereihe Musikstunde (wöchentlich an 5 Tagen in der Woche mit einen speziellen Thema) sich diese Woche diesem Thema gewidmet


    La gioia di vivere - die Lust am Leben
    Giovanni Boccaccio zum 700. Geburtstag


    Natürlich wird eine solche "Musikstunde" mit sehr viel zum Thema passender Musik begleitet:


    Zitat

    Boccaccio, der Freund Petrarcas, Biograf Dantes und einer der Väter des Humanismus hat unendlich viele Werke der Weltliteratur angeregt und mit seinen Stoffen zahlreiche Kompositionen inspiriert. Von Monteverdi über Vivaldi, Scarlatti und Massenet bis hin zu Franz von Suppé und William Walton.

    Heute war u. a. Franz von Suppés "Boccaccio" an der Reihe und entgegen meiner Befürchtungen zeichnete die Redakteurin der Sendung inmitten all der "hehren" klassischen Kunstwerke ein sehr positives Bild über Suppés Operette, das ich hier nicht vorenthalten will.


    Zitat

    Nirgendwo in den Werken aus dem Goldenen Zeitalter dieser Gattung, nirgendwo haben sich Witz und Geist der italienischen Spieloper so glücklich mit dem Dreivierteltakt der Donaumetropole verbunden wie hier, in diesem Kunstwerk aus opera buffa und Wiener Operette, das mit dem lebensfrohen Charme einer Liebe verzaubert, die keine Treue braucht. Dieses von Optimismus und Sinnenfreude durchpulste Werk wurde als eine der ersten Operetten in Wien für hoftheaterfähig gehalten, und damit in den Rang des Klassischen erhoben. Köstlich die vokalen Ensemblesätze, hinreißend gebaut die Finali, nicht zu vergessen die Suppé – Italianità von Kanzonen wie Mia bella fiorentina....


    Ich habe eingangs Boccaccios Widmung an die Damenwelt zitiert, die am Beginn seines Dekamerone steht, und es macht Laune zu sehen, wie Suppé und seine beiden Librettisten diese Tendenz des Dichters aufgreifen und sogar noch verstärken, indem sie die Frauen Isabella, Beatrice und Peronella ihre sauertöpfischen Ehemänner mit Witz, Schlagfertigkeit und Geistesgegenwart überlisten lassen. Die Rechthaber, Bücherverbrenner und Türverriegeler haben am Ende den Schaden, und ziehen als gehörnte Trottel allgemeinen Spott auf sich. Auch ihr letztes klägliches Abwehr - Manöver ist gescheitert, durch den sie den Dichter mit Hilfe einer Intrige aus Florenz verbannen lassen wollten. Zähneknirschend müssen sie jetzt auch noch zur Kenntnis nehmen, dass Boccaccio zum Literatur - Professor an die Universität Florenz berufen wurde. Wie perfekt es Suppé gelingt, den komödiantischen Übermut des Textes umzusetzen, das zeigt sich durchgehend en gros und en detail in diesem Werk, dem man eine inspirierte Wiederbelebung auf deutschen Bühnen nur wünschen kann, die spezifischen Qualitäten erleben wir natürlich und erwartungsgemäß in den Aktfinali...


    :love: Uwe

    Einmal editiert, zuletzt von Uwe Aisenpreis () aus folgendem Grund: Zeilenumbruch

  • Leichte Kavallerie


    Heute möchte ich einmal in Fortführung der Vorstellung unbekannter Suppé-Operetten die „Leichte Kavallerie“ näher beschreiben. Die CD wurde ja weiter oben von Harald schon mal vorgestellt.


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    Das Stück spielt in einem österreichischen Landstädtchen nahe der ungarischen Grenze. Während eines Kirchweihfestes verlangen aufgebrachte Ehefrauen vom Bürgermeister die Ausweisung der Vollwaise Vilma, die einst mit ihrer Mutter von Ungarn hierhergezogen war. Als Grund geben sie an, dass sie allen Männern, auch Ehemännern, den Kopf verdrehe und außerdem eine Fremde sei. Vilma liebt jedoch Hermann, das Mündel des Bürgermeisters. Letzterer verweigert jedoch seine Einwilligung zur Hochzeit, zumal er selbst ein Auge auf Vilma geworfen hat.


    Als Husaren in dem Städtchen einquartiert werden, will sich Hermann anwerben lassen, um das nötige Geld für eine Heirat zu verdienen. Er erzählt seine unglückliche Geschichte dem ebenfalls ungarnstämmigen Anführer, dem Wachtmeister János. Dieser hört kurz darauf Vilma ein Lied singen, das er von seiner verflossenen Zinka kennt, die er seinerzeit aus ähnlichen Gründen hat verlassen müssen wie jetzt der Hermann seine Vilma. Er stellt sich heraus, dass Vilma die Tochter der inzwischen verstorbenen Zinka und damit auch die Tochter von János ist. Nun schmiedet János eine Intrige in deren Folge er alle Scheinheiligen des Städtchens bis auf die Knochen blamiert, so dass diese am Ende einer Verbindung des jungen Paares zustimmen müssen.


    Musik


    Der ORF bezeichnete das Werk in einer Ansage zu seiner Produktion als die opernhafteste Operette Suppés. Ich bin da ganz gegenteiliger Meinung und möchte diese seine neunte Operette (noch in Unkenntnis der "Flotten Bursche" und des "Corps der Rache") als seine bis dahin operettenhafteste bezeichnen. Das Duett im Vorspiel der Operette klingt eher wie Lehár in seinen Spätwerken, der in diesen ja auch vermehrt der Oper zustrebte. Allerdings handelt es sich bei der CD um eine sog. Rundfunkbearbeitung und ich vermute mal, das dieses Vorspiel Teil dieser Bearbeitung ist, denn in der Werksliste des Suppé Biographen Roser wird die „Leichte Kavallerie“ als „Operette mit Tanz in 2 Abteilungen“ bezeichnet, von einem Vorspiel ist da nicht die Rede. Das Duett setzt sich im Übrigen aus Duett Vilma/Hermann und Melodram und Duett Vilma/Janos aus dem 2. Akt zusammen und nimmt die in diesem Akt erzählte Geschichte von János und Zinka vorweg.


    Nachstehend zwei Kritiken aus der Zeit der Uraufführung:


    Zitat von Wiener Zeitung

    Suppés Neigung für rythmische und harmonische Effekte fanden auf dem Boden nationalungarischer Musik ihren erwünschten Spielraum, von dem aus der Componist Abstecher in verschiedene andere Länder machte. Die angeborene Liebe für italienische Musik, die angewöhnte für deutsche und die vom Stoff gebotenen Zigeunerelemte geben nun eine wunderliche, aber dem Publicum außerordenlich mundende Mischung.

    Zitat von Zellners Blätter

    …leichte Melodien, frische Rythmen, die mehr in die Füße als in den Kopf gehen. An Anmuth und Grazie macht die Suppé’sche Musik eben so wenig Anspruch als sie diesmal auf Charakteristik und discrete, geschweige auf interessante Instrumentierung reflectiert. Sie bewegt sich fortwährend in lärmenden Galopp- und Marschrythmen […). Der lyrische Teil bot eine wahre Erhohlung und wir erquickten uns an der etwas süßlich gehaltene Romanze Hermanns und an dem wirklich schön componierten und leidenschaftlich betonten Klagelied Vilma's. […]


    Tatsächlich kann ich so manchen Nummern, wie der Introduktion, dem Kirchtaglied oder dem Einmarsch der Kavallerie die "lärmenden Galopp- und Marschrythmen" nicht ganz absprechen und das eine oder andere klingt wie auch heute noch gesungene Soldatenlieder - aber das gehört ja letztlich auch zum Sujet der Operette. Als operettenhaft im moderneren Sinne möchte ich die oben erwähnte Romanze des Herrmann zählen, bei der erstmals jener leicht sentimentale Schmelz in die Operette kommt, wie er später für die sog. "Silberne Epoche" obligatorisch wurde. Das Klagelied Vilmas ist der langsame czardasartige Mittelteil aus der weltberühmt gewordenen Ouvertüre. Schön sind auch wieder zwei aus der Wiener Possentradition stammende Couplets. Höhepunkt der Operette ist aber meines Erachtens ein herrlich komisches Sextett (Septett, Oktett) ganz am Schluss, welches die Intrige einfädelt und bei der Suppé tatsächlich seiner Liebe für die italienische Opera buffa frönen konnte. Der berühmte Reitermarsch kommt in der Rundfunkfassung erst als Schlussgesang vor. Ob dies auch in der Originalfassung so ist oder ob er dort, ähnlich wie der G-Dur Walzer aus der „Schönen Galathée“, gar nicht vorkommt, kann ich nicht beurteilen. Leider hat H.D. Roser in seiner Suppé-Biographie zu der „Leichten Kavallerie“ nicht, wie bei den meisten anderen Operetten, eine detaillierte Beschreibung der Musiknummern mitgeliefert.


    Insgesamt erreicht die „Leiche Kavallerie“ nicht ganz die durchgängige Qualität etwa vom „Pensionat“ oder gar der „Schönen Galathée“, dennoch finde ich es schade, sie heute nicht mehr im Repertoire zu finden. Mit ihren zwei Akten ließe sie sich sicherlich erfolgreich zusammen mit einem der vorgenannten Einakter aufführen. Zur Tatsache, dass sie in Vergessenheit geraten ist, gibt es zwei sich widersprechende Behauptungen, die meiner Meinung nach beide falsch sind:

    1. sie sei nicht mehr aufführbar, weil sie das Militär verherrliche.
    2. die Operette sei nach dem verlorenen Krieg Österreichs gegen Preußen im Jahre 1867 verboten worden, weil sie das Militär parodiere.


    Interessant ist die Operette auch, historisch gesehen, als Vorbotin der späteren Hinwendung der Operette zum Ungarischen, die erst 19 Jahre später mit dem "Zigeunerbaron" und dann noch später in der "Silbernen Ära" der Operette ihre Fortführung fand.


    :) Uwe

  • Flotte Bursche
    Operette in einem Akt
    von Franz von Suppé,
    Libretto von Josef Braun.
    Uraufführung am 18.4.1863 Kai-Theater Wien
    mit Anna Grobecker • Karl Treumann • Wilhelm Knaack.


    Heute ist nur noch die Ouvertüre dieser Operette bekannt, die Suppé aus Studentenliedern zusammengestellt hatte, von den von Suppé selbst komponierten Musiktiteln des Werkes ist mir leider keine Einspielung bekannt.
    Die Handlung wird hier erläutert: http://www.welt-der-operette.com/S/suppe/bursche.htm


    Die Ouvertüre ist auf dieser CD in einer empfehlenswerten Aufnahme zu hören:



    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Hallo Harald,


    vielen Dank auf den Hinweis. Ich habe vor ca. 2 Jahren einmal eine CD entdeckt:


    von Suppé - Ouvertures (Label: Denon Essentials)



    Diese CD enthält die Ouvertüren zu "Boccaccio", "Banditenstreiche","Ein Morgen, ein Mittag, ein Abend in Wien", "Leichte Kavallerie", "Pique Dame" und "Dichter und Bauer". Als Besonderheit bietet die CD von der Operette "Flotte Bursche" nicht etwa die allbekannte Ouvertüre, sondern ein (instrumentales) Potpourri der einzelnen Musiktitel und ist somit außer der Ouvertüre das einzige mir bekannte Hörbeispiel aus diesem Werk. Nur am Anfang und Ende des Potpourris kommen Themen aus der Ouvertüre vor, der Rest scheinen die von Suppé selbst komponierten Titel zu sein.


    Eingespielt wurden die Musikstücke auf der CD von verschiedenen Orchestern und zwar:


    Moscow RTV Smphony Orchestra & Alexander Kopylov (Pique Dame, Ein Morgen, ein Mittag...)
    London Festival Orchestra & Cesare Cantierie (Leichte Kavallerie)
    Royal Philharmonic Orchestra & Frank Skipway (Dichter und Bauer)
    The Symphonie Orchestra of Bolschoi Theatre & Alexander Kopylov (Boccaccio, Banditenstreiche, Flotte Bursche)



    Bis dato konnte ich die CD nur bei iTunes Store entdecken und ich habe auch nur das Potpourri "Flotte Bursche" heruntergeladen.


    Herzliche Grüße
    Uwe

  • Hier ein Tipp für Suppé-Freunde:


    Südwestrundfunk, Baden Baden, Sendung am 27. Oktober 2013 - 9.20 Uhr


    Franz von Suppé: Requiem
    Aufzeichnung aus der Kathedralkirche des ehemaligen
    Zisterzienserklosters Ebrach, 2012


    Dass der "Operettenkönig" Franz von Suppé auch Komponist geistlicher Musik war, ist weitgehend unbekannt. Umso bedeutender war die Wiederaufführung seines Requiems in d-Moll für Soli, Chor und Orchester beim Klangfest Ebrach 2012. Die Philharmonia Festiva und der Philharmonische Chor München unter der Leitung von Gerd Schaller überzeugen mit einer bewegenden Interpretation des 1855 entstandenen Werks, in dem Franz von Suppé zu einer ganz eigenen romantischen Klangsprache findet. Dennoch erinnert manches an Mozart, an Rossini und an Verdi, dessen berühmte Messa da Requiem jedoch erst 19 Jahre später entstand. Hochkarätige Solisten runden das Gesamtbild dieser "Aufführung mit Kultstatus" (Nürnberger Nachrichten) ab. Es singen Marie Fajtová, Sopran, Franziska Gottwald, Alt, Tomislav Muzek, Tenor, und Albert Pesendorfer, Bass. Den prächtigen Rahmen für das Konzert bietet ein architektonisches Kleinod: die Kathedralkirche des ehemaligen Zisterzienserklosters Ebrach aus dem 12. Jahrhundert.


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Hallo Harald,


    tollerTip. Ich werde es mir nicht entgehen lassen. Ich habe das Requiem in meiner Sammlung, ich finde es sehr schön - obwohl es ja etwas Trauriges ist. Manchmal es es sehr elegisch, dann aber wieder wuchtig, wie man es beispielsweise von Verdi kennt, immer aber melodisch.


    :) Uwe

  • Es war eine Wucht! - im wahrsten Sinne des Wortes. Vielen Dank den in Haralds Beitrag angeführten Interpreten für ihre gelungene und wirklich bewegende Interpretation.


    :thumbsup: Uwe

  • Soeben erst auf youtoube entdeckt, Antigone Papoulkas (noch nie gehört) in der Rolle des Boccaccio an der Wiener Volksoper. Bisher war ich vom Mezzosopran, für den die Rolle des Boccaccio ja ursprünglich geschrieben war, nicht so sehr überzeugt. Auch die Vorgängerin an der Wiener Volksoper, Elisabeth Kulman, konnte daran nichts ändern. Aber hier, speziell im zweiten Duett "Florzenz hat schöne Frauen" hat mich das Zusammenwirken der beiden Frauenstimmen sehr berührt. Leider ist das zweite Duett nicht vollständig.




    :thumbsup: Uwe

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