Ferdinand Ries - Wer kennt den schon? - ein Beethoven Epigone

  • Ich lerne ihn gerade kennen, und zwar mit dieser GA:



    Das Konzert C-dur op. 123 habe ich schon durchgehört:


    Christoph Hinterhuber, Klavier
    New Zealand Symphony Orchestra
    Dirigent: Uwe Grodd
    Sätze:
    1. Allegro con spirito...........: 15:04 min.
    2. Larghetto quasi andante..:.. 6:32 min.
    3. Rondo: Allegro vivace......: 10:20 min.


    Kurz gesagt habe ich einen großartigen Pianisten erlebt, ein potentes Orchester mit einem versierten Dirigenten und eine blitzgescheite Musik. Sie hat sprühenden Schwung und einen lichten Klang. Das Konzert entstand 1806, als Beethoven gerade an seinem 4. Klavierkonzert arbeitete. Interessanterweise war Ries im Jahre 1804, als Beethoven mit seiner Arbeit an seinem 4. KK begann, bei diesem als Schüler angefangen und hatte zu seinem Einstand Beethovens 3. KK gespielt und dabei eigene Kadenzen verwendet.


    Zur Nacht werde ich das Klavierkonzert As-dur op. 151 "Gruß an den Rhein" hören und mich morgen kurz dazu äußern.


    Nach der Entstehungszeit ist das Konzert op. 23 (1806) das erste und op. 151 (1826) das achte und letzte.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • @Hüb
    Danke für die Erklärung, bzw Richtigstellung.


    Heute habe ich eine weitere Neuerscheinung mit Werken von Ferdinand Ries zu vermelden, allerdings war das schon am 11. März 2016, ich habe das allerdings leider übersehen. Diesmal hat BRILLIANT CLASSICS die Initiative ergriffen und eine CD mit Cellosonaten auf den Markt gebracht. Zumindestens am Tonträgermarkt dürfte Ries der Durchbruch geglückt sein, vermutlich aber nicht, weil ich ihn "gepusht" habe.....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo zusammen,



    Ferdinand Ries (1784-1838)
    Klavierkonzerte opp. 123 & 151


    Christopher Hinterhuber, New Zealand Symphony Orchestra, Uwe Grodd
    Naxos, DDD, 2005


    Bereits vor einiger Zeit kaufte ich die jpc-Gesamtausgabe des Naxos-Zyklus sämtlicher Klavierkonzerte von Ferdinand Ries mit Hinterhuber und Grodd, aufgenommen mit verschiedenen Orchestern. In Vol. 1 spielt das New Zealand Symphony Orchestra - obwohl sicher zu den unbekannteren zählend - sehr gelungen und werkdienlich. Zu keiner Zeit kommen mir beim anhören "was wäre, wenn ein erstklassiges Orchester diese Musik spielte"-Gedanken. Ries wird in den beiden Konzerten als durchaus eigenständiger Komponist erfahrbar, auch wenn der ein oder andere Beethoven-Link aufblitzen mag. Freilich sucht man vermutlich bei ihm stark diesen Vergleich, was sicher etwas unfair ist. Christopher Hinterhuber erscheint mir als wacher, souveräner Gestalter des Solo-Parts. Insgesamt bieten die Interpreten eine lebendige, nicht-HIP-Deutung, welche die Werke nicht gerade als solcher aus der "zweiten Reihe" erscheinen lässt. Nein, vielmehr wundere ich mich, dass es erst in 2005 zu dieser Weltersteinspielung kam. Da gibt es dann doch sehr, sehr viele deutlich uninspiriertere, austauschbarere Werke als diese beiden wundervollen Konzerte. Ich freue mich schon auf den Rest der Serie. Mir scheint hier ein großer Wurf vorzuliegen.


    Viele Grüße
    Frank

  • Lieber Frank,


    Deinen Worten ist wenig hinzuzufügen, außer, dass das New Zealand Symphony Orchestra wohl ein unbekannteres, aber hörbar ein sehr gutes Orchester zu sein scheint.


    Pietari Inkinen war von 2008-2015 Music Director des Orchesters, und beide haben u.a. einen auch orchestral hervorragenden Sibelius-Zyklus, ebenfalls für Naxos, eingespielt.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler



  • Ferdinand Ries (1784-1838)
    Klavierkonzerte opp. 123 & 151


    Christopher Hinterhuber, New Zealand Symphony Orchestra, Uwe Grodd
    Naxos, DDD, 2005


    Ich habe lange um Ferdinand Ries einen Bogen gemacht, weil er für mich kein Begriff war. In meinem nicht gerade kurzen Musikleben habe ich noch niemals in einem Konzert ein Werk von Ries gehört und auch in den Besprechungen der Musikzeitschriften taucht er so gut wie nicht auf. Vor kurzem gab ich mir, ja angeregt auch durch unser Forum, einen Ruck und legte mir eine Box mit den Sinfonien zu (Zürcher KO)und nach Hinweis von Norbert, die Klavierkonzerte seien noch ergiebiger, erstmal auch o.g. CD. Muss erst ein Orchester vom Ende der Welt erkennen, dass diese Musik es wert ist, nicht vergessen zu werden? Mir gefallen beide Klavierkonzerte, sicher ist der Einfluss von Beethoven stets hörbar, ohne dass Ries ihn je erreicht. Deswegen tut der Vergleich mit diesem Koloss Ries nicht gut, denn warum soll man Ries hören, wenn Beethoven viel mehr bietet? Lassen wir das mal einfach weg und erfreuen uns unvoreingenommen an dem Esprit und dem Schwung seiner Werke. Eine Musik, die niemals so dahinplätschert, sondern wunderbar transparent klingt, präzis und doch beseelt, wuchtig, wo es nötig und leichtfüßig, wo es angebracht ist. Ich werde mir sicher noch mehr von Ries zulegen.
    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Hallo zusammen,



    Ferdinand Ries (1784-1838)
    Klavierkonzert op. 132
    + Variationen über "Rule Britannia" op. 116; Introduktion & Variations Brillantes op. 170


    Christopher Hinterhuber, Royal Liverpool Philharmonic Orchestra, Uwe Grodd
    Naxos, DDD, 2007


    Und auch Vol. 3 steht den vorherigen beiden Ausgaben - trotz wechselnder Orchester - in nichts nach und machen das Klavierkonzert op. 132 zu einem Erlebnis. Wundervoll bspw. der Beginn des ruhigen Larghetto!
    Die ebenfalls auf der CD enthaltenen "Rule Britannia"-Variationen müsste man mal im Kontrast zu Beethovens WoO 79 hören, eine Kombination, die sich eigentlich aufdrängt.
    Hier ist bei Naxos eine Gesamtaufnahme entstanden, die fraglos Referenzstatus hat und die nicht leicht zu übertreffen sein wird (wenn denn überhaupt je jemand diese Herausforderung annehmen sollte). Für mich eine DER Entdeckungen und Freuden der letzten Jahre!


    Viele Grüße
    Frank

  • Den Namen Ries kannte ich natürlich, auch wegen der zeitweise starken Präsenz bei Tamino. Wirklich bewusst habe ich die Musik von Ferdinand Ries aber erst in letzter Zeit gehört, und zwar folgende Einspielungen:



    Von den Symphonien bislang nur die 7. (und letzte), dafür die kompletten Konzertouvertüren.


    Was soll ich sagen? Gefiel mir bereits die Symphonie Nr. 7 sehr gut, haben mich die Ouvertüren regelrecht begeistert. Das ist wirklich hörenswerte Musik mit einem spezifischen Stil und Ideenreichtum. Besonders gelungen erscheinen mir "Die Braut von Messina" und "Don Carlos", beide zu Schauspielen von Friedrich von Schiller. Hochinteressant auch "L'Apparition", sein letztes Orchesterwerk überhaupt. Ein ganz großes Lob geht an den Dirigenten Howard Griffiths und die beiden beteiligten Orchester.


    Ist Ries ein Beethoven-Epigone? Ich finde zwar Anklänge an Beethoven, das Hochdramatische vor allem, doch meine ich auch einen Hauch Schubert herauszuhören. Kurzum: Es ist zuallererst Ries.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Es ist zuallererst Ries.


    Eine sehr gute Beobachtung, die ich noch aus meiner subjektiven Betrachtung ergänzen möchte.
    Es gibt generell weniger epigonale Werke als man allgemein behauptet.
    Ich glaube, es war im Booklet einer der Ries CDs, wo über das Thema ob Ries ein Epigone Beethoven sei, sinngemäß stand, welch eine ambivalente Behauptuing das sei - und falls sie stimmen sollte - welch ein Kompliment an Ries. Wer Beethoven auch nur annähernd imitieren kann, der muß schon wirklich ganz oben in der Hierarchie der Tonkünstler stehen. Ries ist vermutlich jener Komponist, der neben Franz Schubert - dessen Tonsprache zumindest bei Ries durchschimmert, wie Beethoven der Musik des "Titanen" am nächsten steht. Aber - immer wenn man meint, die Stilkopie entlarvt zu haben, dann kommt ureigenster Ries zum Vorschein..
    Dank unserer eifrigen Bemühungen und jenen von cpo und Naxos, ist die fiktive Frage unseres Threads;: "Wer kennt den schon ?" eigentlich bereits obsolet.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Carl: Du Wilhelm, ich bin verzweifelt. Ich bin doch in der Kompositionsklasse von dem alten Ries. Jetzt hat der uns als Semesterabschlussaufgabe gesagt, wir müssten eine Sinfonie komponieren. Ich bin doch so untalentiert und habe keine Inspiration, was soll ich machen?


    Wilhelm: Schnapp Dir doch eine Sinfonie von dem Ries und schreib sie von hinten nach vorne ab. Das wird ihm dann schon irgendwie gefallen.


    Carl: Auf die Idee bin ich auch schon gekommen. Kann ich aber so nicht abgeben. Ist eine Beethovensinfonie bei rausgekommen.

    Er hat Jehova gesagt!

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  • Zitat

    Carl: Auf die Idee bin ich auch schon gekommen. Kann ich aber so nicht abgeben. Ist eine Beethovensinfonie bei rausgekommen.


    Da hat er wohl die Nr 5 von Ries erwischt, das ist die, die am Beginn wirklich an die 5 erinnert, wenngleich hier nichts wirklich kopiert wurde, Allenfalls wurde hier nachempfunden und gewisse Phrasen gewissermaßen spiegelbildlich vertauscht Bedauerlicherweise kann ich das nicht besser ausdrücken. Als ich diesen Beginn knapp nach Erscheinen der CD erstmals hörte, da musste ich hellauf lachen, so raffiniert einerseits und durchschaubar andrerseits war das gemacht.
    Wir gehen ja bei Beurteilungen immer vom Standpunkt des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts aus, wo alles "originell" und "innovativ" sein soll - auch wenn es nicht gut ist. Vermutlich war es aber um 1812/13 imageträchtiger zu signalisiern: Ich kann ähnlich komponieren wie Beethoven !! Welch eine Herausforderung !!! Und noch dazu vom Meister selbst geduldet oder gefördert (?) zu werden. Vom "Nachruhm" kann man nicht leben...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich setze hier einen Diskurs fort, der sich (leider) im Spohr Thread zu entwickeln begonnen hat (Dass sowas unvermeidlich ist, weiß ich nach inzwischen 19 Jahren Forenbetrieb allmählich - daher regt es mich auch nicht mehr auf....)


    Mein Problem bei Ries (wahrscheinlich der falsche Thread :( ) ist bei der Beethoven-Kopiererei, dass sie eben nicht wirklich gelungen ist. Man höre sich einfach mal das klavierquartett Op. 13 aus dem Jahre 1808 an. Wundervoller, vielversprechender Anfang -- purer Beethoven -- und nach einiger Zeit kommt es mir so vor, als wäre Ries gar nicht in der Lage mit dieser Musik wirklich was zu machen. Irgendwie kommen dann nette Melodien, alles gut und geschickt gemacht, aber irgendwie bleibt man bei diesem Stück auf dem Anfang sitzen. Es gibt noch ein paar andere Stellen, die wieder faszinieren, aber Ries scheint die musikalische Radikalität Beethovens zu fehlen. Es ist vielleicht ein wenig wie bei jemandem, der sich zu große Schuhe anzieht und dann durch die Gegend stolpert .... :)

    Ich bin persönlich der Meinung, daß hier gar keine Absicht vorliegt - denn - abgesehen von der 5.die in gewisser Weise eine Paraphrase oder Parodie darstellt, haben die Sinfonien keine gemeinsamen Themen. Ich allenfalls der Stil ist über weite Stellen ähnlich. Im Falle der Klavierkonzerte ist die Ähnlichkeit eigentlich kaum vorhanden. Ich gehe davon aus, daß Ries - in seiner Begeisterung für sein Idol dessen Still quasi aufgesogen hat - er konnte gar nicht anders komponieren - Große Schuhe - große Schuhe her. Beethoven schätzt Ries indes sehr, sowohl privat, denn als Künstler


    Sicher ist Beethoven die Kopiererei aufgefallen. Ich denke nicht, dass er sich geärgert hat, weil hier der neue Beethoven kommt ;)

    Ja sie ist ihm aufgefallen. Einem posivem Urteil hängte er den Satz an "- aber er ahmt mich zu sehr nach....."

    Welch ein Kompliment !!!

    Aus der Formulierung geht hervor, daß er es nicht gern sieht - aber hinnimmt. Und Ries als "auf Augenhöhe befindlich" betrachtet....

    Beethoven war in dieser Hinsicht nicht besonders grpßzügig - aber großzügiger als etwa Mozart.


    Zum Thema: Neuer Beethoven: Man darf das nicht so hochstilisieren, denn das unantastbare Genie entstand ja erst im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts,

    Und in der Tat sah Beethoven in Ries einen möglichen Konkurrenten, als er sich nämlich um eine Stelle bewarb - und den Verdacht hatte, Ries würde das hintertreiben, um selbst an diesen Posten zu kommen. Tatsache ist, daß keiner der beiden den Posten bekam - und daß eine kurzzeitige Trübung ihrer Freundschaft -bald vorbei war.


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich setze hier einen Diskurs fort, der sich (leider) im Spohr Thread zu entwickeln begonnen hat (Dass sowas unvermeidlich ist, weiß ich nach inzwischen 19 Jahren Forenbetrieb allmählich - daher regt es mich auch nicht mehr auf....)

    Ich bitte nachträglich um Entschuldigung. Dieser Thread hier ist natürlich der geeignete.


    Ich bin persönlich der Meinung, daß hier gar keine Absicht vorliegt - denn - abgesehen von der 5.die in gewisser Weise eine Paraphrase oder Parodie darstellt, haben die Sinfonien keine gemeinsamen Themen. Ich allenfalls der Stil ist über weite Stellen ähnlich.

    Ich meinte tatsächlich eine Stilkopie. Leider kenne ich mich mit den Sinfonien nicht aus. Ich habe mir zu Beginn der Forumszeit Streichquartette, Klaviertrios und Klavierquartette geholt und mich besonders auf die letzteren gefreut, weil die ja nun von Beethoven (bis auf die Jugendwerke) sträflich vernachlässigt wurden.


    Wenn ich mich jetzt diesen Werken nähere, müsste man wahrscheinlich unterscheiden, ob man das mit dem Ohr eines Zeitgenossen versucht (wie auch immer das passieren mag) oder mit einem heutigen Ohr hören möchte. Dieses Ohr wäre dann eines, dass den Einfluss Beethovens im ganzen 19. Jahrhundert und weit darüber hinaus wahrgenommen hat.


    Igor Strawinsky äußerte anlässlich seines 80. Geburtstags im Jahre 1962 zu Beethovens Großer Fuge: "Die Große Fuge scheint mir heute das perfekteste Wunderwerk in der Musik. Es ist auch das absolut Zeitgenössischste aller Stücke, die ich kenne und bleibt für immer zeitgenössisch."

    Dieser von Strawinsky gesehene Ewigkeitswert ist etwas, dem sich das heutige Ohr kaum verschließen kann, wenn man andere (auch ganz moderne) Musik hört. Da gibt es einfach gefühlte und gehörte Parallelen und eine musikalische Interkommunikation zwischen dem 200 Jahre alten Beethoven und dieser neuen Musik (witzigerweise höre ich bei Beethovens Bagatellen und Stockhausens (frühen) Klavierstücken solche Ähnlichkeiten :)). Gehe ich nun mit einem solcherart geschulten Ohr an Ferdinand Ries, bekomme ich das Problem, dass die Musik zwar dauernd die Assoziation an Beethoven hervorruft, aber in der Gewagtheit, in dem Sprengen der Form (alles das, was wir heute so schätzen) doch eigentlich nichts zu bieten hat. Um mit Beethovens Worten zu sprechen "Er kopiert zu sehr" und fällt dann gegenüber seinem Vorbild zu sehr ab.


    Ein Zeitgenosse (außer Beethoven ;)) kann das natürlich nicht so gehört haben. Etwas pauschal und provokativ formuliert, könnte ihm gerade Ries als der "bessere" Beethoven erschienen sein, da ja das Gewagte und Sprengende sicher nur wenige verstanden haben. Der Zeitgenosse hat mit Ries einen (technisch souveränen) Komponisten, der ihm Beethoven suggerierte ohne ihn mit beethoveneigenen Unverständlichen und Herausforderungen zu konfrontieren ....


    Selbstverständlich war in einem technischen Sinne Ries ein überragender Komponist. Das kann man in der Behandlung der Streichquartette aber auch durchaus bei den Klavierquartetten hören. Aber, um mit dem werten Kollegen Tristan2511 zu sprechen, warum soll ich mir heute einen zweitklassigen Beethoven anhören, wo der originale ja durchaus zur Verfügung steht?


    Ries’ eigene Stimme ist eben sehr tief unter dieser "Beethoven"-Oberfläche versteckt. Ich komme hier mit Onslow viel besser zurecht.

  • Es ist interessant: Ich oute mich als einen derjenigen, die Beethovens "Große Fuge" nicht hören können, ebensowenig wie das "Musikalische Opfer" von Bach, das ich vor etwa 50 in Wien (unter Münchinger) gehört habe - und damals meinte, es sei in der Tat ein Opfer, es anhören zu müssen.:untertauch::stumm:

    Ineressant, daß hier im Vergleich der Name Onslow fällt, von dem ich ebenfalls einige Werke in den Schmollwinkel verbannt habe, weil sie mich langweilen.

    Mein "Anspruch" an Musik ist generell eine eingängige Melodik. Das dürfte aber für viel gelten, und erklärt, warum sich im 20. Jahrhundert der Schlager entwickeln und durchsetzen konnte. Dessen beste Zeit ist nun auch vorbei - aber was danach kam war noch schlechter.


    Zum Thema "zweitklassiger Beethoven" Da Beethoven Lebenszeit eine begrenzte war wird Freunden seiner Schreibart wohl nichts anders übrig bleiben als sich mit "Stilkopien" (die in Wahrheit gar keine sind) zu "begnügen. Beethoven "erlaubte" Ries sogar Kadenzen zu seinem Klavierkonzert Nr 3 zu komponieren...


    Aber wir sollten - einmal mehr - beim Thema bleiben - und vielleicht einen eignen Thread zum Thema "Stilkopien" oder "Epigonen"*** (gibs vielleicht schon ?)oder "Bewertungen von Werken der Zeitgenossen und der Nachwelt" zu starten (oder mehrere)

    Ich halte mich hier eher an die Zeitgenossen, deren ästhetische Ausrichtung mir eher liegt, als jene des 20. und 21. Jahrhunderts, das gilt für fast alle Bereiche des Lebens. Einem Zeitalter, wo das Wort "gefällig" ein Negativbegriff ist kann niemals mit meinem Geschmack kompatibel sein.


    Es gab EINE Sinfonie von Ries (um beim Thema zu bleiben) , wo ich beim Ersthören spontan auflachen musste.

    Das war die 5. die in der Tat stellenweise eine Parodie von Beethovens 5. ist

    Was wollte Ries hier ausdrücken ? "Ich kann das auch"? oder wollte er sich lustig machen (Als Freund von Beethoven durfte er das)

    Ries hat (in höherem Maße als Czerny) das Problem, daß er mit einem Tabu gebrochen hat, nämlich Beethoven zumindest nahe zu kommen.

    Dieses Tabu zog sich beinahe durch das gesamte frühe bis mittlere 19. Jahrhundert: Es gab damals -überspitzt formuliert - zwei Gruppen von Werken:

    Jene die Beethovens Tradition fortzusetzen versuchten - und welch, die eigene Wege gingen und Beethoven "ignorierten"

    Wie immer man sich entschied: Beides wurde als verwerflich gesehen - Nichts kam dem "Titan" nahe - bzw durfte ihm nahe kommen

    Es wäre IMO interessant gewesen, hätte Mozart 30 Jahre länger gelebt - wie sich die Verhältnis der beiden Größen zueinander - und somit die gesamte Musikgeschichte entwickelt hätte. Eine Menge Fragen - da wäre viel Platz in weiteren Threads...


    mfg aus Wien

    Alfred



    ***) - Eine Lanze für die Epigonen

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !




  • Wenn ich das richtig überblicke, gibt es bis heute nur eine einzige Gesamteinspielung der Symphonien von Ferdinand Ries, nämlich jene des Zürcher Kammerorchesters unter Howard Griffiths (cpo, 1999-2002). Von der Kritik wurden diese Aufnahmen überwiegend sehr gelobt, soweit ich mich entsinne. Ich gebe indes zu bedenken, dass eine abschließende Bewertung von Ries' symphonischem Schaffen aufgrund einer einzigen Einspielung dann doch gewagt erscheint. Es ist einerseits schon bezeichnend, dass in den letzten zwei Jahrzehnten keine weitere Einspielung zustande kam. Ich konnte nicht einmal eine solche einer einzelnen der acht Symphonien entdecken. Gerne hätte ich Ries mal mit einem "richtigen" Symphonieorchester gehört. Beethoven klingt mit Kammerorchester doch auch anders. Man stelle sich vor, es läge nur ein einziger Beethoven-Zyklus mit schlankem Kammerensemble vor - wie einseitig wäre die Interpretationsgeschichte gewesen. Wie gesagt, ein, zwei Konkurrenzaufnahmen der Werke wären schon sehr hilfreich, will man sie künstlerisch einordnen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Es ist einerseits schon bezeichnend, dass in den letzten zwei Jahrzehnten keine weitere Einspielung zustande kam.

    In der Tat bezeichnen. Aber sicher nicht aus der Qualität der Musik her zu sehen.

    Eher aus der des Publikums. Es sind nur ganz wenige Firmen, die "etwas wagen" - und viele fallendabei - unbemerkt von der Breiten Masse - auf die Schnauze.Ich erinnere nur an die unzähligen abgebrochenen Zyklen von Haydn-Sinfonien. Oder an den ebenfalls abgebrochenen mit Sinfonien von Raff. Auch Herzogenberg und Gernsheim sind nicht grade aauf den Spielplänen erstklassiger Orchester und auf den Veröffentlichungslisten führender Tonträgerkonzerne. Man könnte das der Trägheit und Geldgier dieser Firmen zuschreiben - aber das wäre IMO ungerecht. Letztlich sind das kaufmännische Unternehmen - auch wenn sie sich gerne als "Kulturträger" präsentieren.

    Nein - das Problem sind die Klassikkunden und -Sammler. Die sind nur an "Berühmtheiten" interessier - vor allem weil sie von der Materie nichts verstehen. Da geht man auf Nummer sicher und jubelt über einen "großen Meister" um gleichzeitig über "Kleinmeister" die Nase zu rümpfen. Sowas macht sich immer gut und soll zeigen daß der "Nasenrümpfende" ein Kenner erster Klasse ist, auch wenn er in Wahrheit Richard Strauß nicht von Jahann Strauß unterscheiden kann ....

    Solche "Urteile" haben oft fatale Folgen - "La calunnia e un venticello" kommt mir da in den Sinn. Und natürlich betrifft das auch die Orchester und Dirigenten. Jeder dieser Pultgiganten kennt die spöttische Bezeichnung: "Ein erstklassiger Dirigent für zweitklassige Komponisten" - und jeder versucht zu vermeiden, daß diese Bezeichnung auf ihn zutrifft. Müller Brühl - als Spezialist für "weniger bekanntes Repertoire" macht - als er seinen Vertrag mit Naxos unterzeichnete, zur Bedingung, daß er ab jetzt hauptsächlich die Flaggschiffe der Wiener Klassik dirigieren werde. Genützt hat ihm das nichts. Zwar sollen sich Aufnahmen ganz gut verkauft haben - aber zu einem "Weltklassedirigenten" hat er es dennoch nicht geschafft. Das hat nicht mit seiner musikalischen Leistung zu tun, sondern mit seinem "Vorleben" - Er war bereits abgestempelt und einem gewissen Genre zugeordent. Genau so ist es bei Plattenfirmen. CPO ist als Spezialist für Nischenrepertoire jeden Zeitalters berühmt - aber die "großen" Komponisten sind recht spärlich vertreten.

    Wenn sich ein gewisser Ruf mal gefestigt hat, so ist der de facto unauslöschlich - Wir kennen das, wo Interpreten´, die längst den Zenith ihrer Leistungsfähigkeit überschritten haben noch immer von ihren Fans bejubelt werden - Leistung und Ruf stehen sich hier oft diametral gegenüber....

    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Also die meisten Tamino-Nutzer erlebe ich nicht nur an "Berühmtheiten interessiert". Das müsste doch Anreiz genug für cpo u.a. sein! ;)

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Also die meisten Tamino-Nutzer erlebe ich nicht nur an "Berühmtheiten interessiert". Das müsste doch Anreiz genug für cpo u.a. sein

    Tamino muß man als Oase in der Wüste sehen.

    Hier ist sicher die Bereitschaft, Unbekanntes zu erkunden größer als ansonst in weiten Teilen der Klassikszene - aber dennoch ein Tropfen auf den heissen Stein.

    Cpo (und einige wenige andere Firmen) ist da sowieso sehr rührig - aber kommerzieller ausgerichtete Firmen sehen sich genau an, ab welchem Zeitraum cpo den Preis für eine gewisse Ausgabe senkt etc. etc.

    Dazu ist es doch ein wenig durch die rosarote Brille betractet, denn es gibt CDs die hier vorgestellt - und dennoch negiert wurden.

    Ries geniesst in diesem Forum eine Art Sonderstellung, denn ein ungenannt bleiben wollender Mentor (meine sprichwörtliche Bescheidenheit verbietet mir, ihn zu nennen ;) ) hat sich mit gradezu missionarischem Eifer für seine Werke und deren Aufnahmen eingesetzt...


    RIES Ferdinand: Sinfonie Nr 2 in c-moll op 80

    RIES Ferdinand: Sinfonie Nr 5 in d-moll op 112 - epigonales Meisterwerk ?

    RIES Ferdinand: Sinfonie WoO 30 in Es-Dur - die "Achte" mit Vorbehalt

    RIES Ferdinand: Klavierkonzerte (Doch kein Schüler Beethovens ?]

    RIES Ferdinand: Klaviersonaten - Der Lieblingsschüler von Beethoven

    RIES Ferdinand: Die Kammermusik (ausgenommen Streichquartette)

    RIES Ferdinand: Die Streichquartette - Aus dem Schatten Beethovens

    RIES Ferdinand - Für mich ist Ferdinand Ries neben Beethoven und Schubert der bedeutendste Komponist der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !