Hallo, liebe Musikhistorisch Interessierten!
Ich habe schon den großen Kastraten Caffarelli vorgestellt und möchte die Serie "Stimmen, die wir niemals hören werden" mit einer Ausnahmeprimadonna des 19. Jahrhunderts fortsetzen:
GIULIA GRISI
Geboren wurde sie im Jahre 1811 in Mailand, als Tochter eine napoleonischen Offiziers.
Ihre Familie war sehr musikalisch, vor allem ihre Tante, Giuseppina Grassini, war eine gefeierte Opernsängerin, von ihr sollte Giulia auch den ersten Gesangsunterricht erhalten. Sie lobte ihr Talent, nichtsahnend, was aus ihr werden sollte!
Sie erhielt in ihrer Heimatstadt weiter Gesangsunterricht und debütierte 1828 mit 17 Jahren in Rossinis Oper Zelmira. Ihre Auftritte waren Sensationen, denn einer so jungen Sängerin hatte man solche Rollen nicht zugetraut.
Selbst die Maestros Rossini und Bellini wurden auf sie aufmerksam, und vor allem Bellini und später Donizetti schrieben ihr Rollen auf den Leib, z.B. die Giulietta in " I Capuleti e I Montecchi", die sie auch in der Uraufführung gab.
1831 zum Beispiel gab sie neben Giuditta Pasta, die die Titelrolle der Uraufführung in Bellinis Oper NORMA sang, die Adalgisa, mit Erfolg.
Im Jahr darauf sang sie in Paris. Dort lernte sie ihren ersten Ehemann, den Grafen Gérard de Melcy kennen. 1836 heirateten die beiden, aber sie ließen sich nach einige glücklosen Ehejahren scheiden.
Aber der Pariser Auftritt war ihr Durchbruch zu einer Weltkarriere. Sie gab dort die Semiramis in Rossinis gleichnamiger Oper und wurde stundenlang gefeiert. Sie studierte weitere große dramatische Primadonnenrollen (Norma) und auch Soubrettenrollen ein und ging 1834 nach London, wo sie als Ninetta in Rossinis La gazza ladra Triumphe feierte.
Hier als Norma!
Die Times feierte ihre Stimme als: "reinen, brillianten Sopran, voller Geschmeidigkeit"
In London trat sie auch in Rossinis "L´Assedio di Corinto auf". Grillparzer, der zu dieser Zeit in London weilte, sah einige Vorstellungen davon und schrieb darüber:
"Ich habe diese Oper schon oft aufgeführt gesehen, aber erst heute durch sie gehört!"
Gedichte und Lieder wurden ihr von ihren Verehrern gewidmet, ua das Gedicht "La Diva" von Theophile Gautier!
Ihre größte Uraufführungsrolle sollte die Norina in Donizettis Don Pasquale sein. Der Abend des 3.1. 1843 in Paris wurde von Kritikern als der größte Abend der italienischen Oper gefeiert.
Grisi gab die Norina
Mario, zu dem wir später noch kommen werden, den Ernesto
Luigi Lablache, den Don Pasquale
Antonio Tamburini den Malatesta
Eine Traumbesetzung, so als würden Callas, Caruso, Schaljapin und Warren auf einmal auf der Bühne stehen! [Blöder Vergleich, ich weiß, aber mir fiel kein besserer ein]
Der Don Pasquale wurde zu einem Triumph sondergleichen. Heinrich Heine schrieb darüber:
" Grisi ist die singende Blume der Schönheit" und
" Welche Wonne, wenn Mario singt und in den Augen der Grisi die Töne des geliebten Sprosses sich gleichsam abspiegeln wie ein sichtbares Echo! Welche Lust, wenn die Grisi singt und in ihrer Stimme der zärtliche Blick und das beglückte Lächeln des Mario melodisch widerhallt!"
Ihr Privatleben allerdings war von einem Skandal überschattet: Sie verliebte sich in den Tenor Mario* (der in Wirklichkeit Cavaliere Giovanni Matteo di Candia hieß und aus einem alten Adelgeschlecht stammte). Er verliebte sich auch in die sehr attraktive Giulia und die beiden wurden ein Liebespaar, das oft auch gemeinsam auftrat. Gerade deshalb wirkten die Liebesduette immer authentischer. Heine dazu: "Sie sind das kostbare Nachtigallenpaar!"
Sie waren DAS Traumpaar der Oper! Hier ein Bild Lucrezia Borgia!
*Mario war ein Lieblingssänger Meyerbeers, der ihm den Raoul und den Vasco da Gama auf den Leib schrieb. Weiters war er der erste Herzog in der Pariser Erstaufführung des Rigoletto. In späteren Jahren, als Giulia schon tot war, sollte er gemeinsam mit Adeliana Patti, ein weiteres Traumpaar der Oper bilden.
Sie "tourte" mit ihrem Geliebten durch ganz Europa (hauptsächlich Mailand, Paris, London), während ihr Ehemann zuhause bleiben musste. Nach langem Ringen gelang es ihr sich von Gerard scheiden zu lassen und konnte ihren Geliebten nun endlich heiraten [1856]. Ihre Ehe war sehr fruchtbar, in künstlerischer wie auch in privater Hinsicht. Sie bekamen 5 Töchter und einen Sohn. Eine Tochter Grisis war Cecilia Maria de Candia, eine nicht ganz unbekannte Autorin!
1854 begaben sich die beiden sogar auf Tour durch die USA. Die Opernbesucher lagen ihr zu Füßen, doch sie bemerkte, dass sie sich durch ihr intensives Spielen sehr verausgabt hatte und trat immer weniger auf.
Nach über dreissig Jahren auf der Opernbühne, wo sie DIE Primadonna schlechthin gewesen war, trat sie 1860 ab. Von nun an kümmerte sie sich nur mehr um ihre Familie und die Karriere ihres Mannes.
Doch schon am 29. November 1869 starb sie in Berlin!
Ich hoffe, dass ihr meinen Beitrag genossen habt und ich euch Lust gemacht habe, weitere unhörbare Sänger und Sängerinnen kennenlernen zu wollen!
LG joschi