Liebe Tamini (und solche, die es werden wollen),
obwohl es bis zum Michaelistag noch einige Zeit hin ist - er wird in hiesigen Gefilden am 29. September gefeiert - , möchte ich dieses Thema eröffnen. So bleibt genug Zeit für Interessierte, sich die passende Musik zu besorgen...
Der Erzengel Michael gilt nach christlicher Vorstellung als Bezwinger des Teufels. Man kann u.a. in der Offenbarung des Johannes, Kapitel 12 davon lesen. Er hat aber nicht nur kriegerische Funktionen als Anführer der himmlischen Heerscharen und damit als Patron der Soldaten, er gilt auch als Heilkundiger, der beispielsweise Heilquellen entspringen ließ. Auch soll er es gewesen sein, die bei Auszug des Volkes Israel aus Ägypten die Wasser der Roten Meeres teilte.
Am Michaelistag wird aber nicht nur den Heldentaten des namengebenden Erzengel gedacht, sondern auch aller anderen guten Engel.
Nun aber zur Musik: die dramatische Geschichte des Kampfes zwischen Michael und dem Teufel in Gestalt eines Drachen bietet offenbar eine prima Grundlage für Vertonungen. Die Textstellen aus der Offenbarung regten jedenfalls etliche Komponisten an:
ZitatUnd es entbrannte ein Kampf im Himmel: Michael und seine Engel kämpften gegen den Drachen. Und der Drache kämpfte und seine Engel, und sie siegten nicht, und ihre Stätte wurde nicht mehr gefunden im Himmel. Und es wurde hinausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt: Teufel und Satan, der die ganze Welt verführt, und er wurde auf die Erde geworfen, und seine Engel wurden mit ihm dahin geworfen. Und ich hörte eine große Stimme, die sprach im Himmel: Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich unseres Gottes geworden und die Macht seines Christus; denn der Verkläger unserer Brüder ist verworfen, der sie verklagte Tag und Nacht vor unserm Gott. Und sie haben ihn überwunden cdurch des Lammes Blut und ddurch das Wort ihres Zeugnisses und haben ihr Leben nicht geliebt, bis hin zum Tod. Darum freut euch, ihr Himmel und die darin wohnen!
So lautet der Text in der revidierten Luther-Fassung. In der originalen beginnt die Textstelle mit: Und es erhub sich ein Streit im Himmel...
Unter diesem Titel finden sich nun zahlreiche Vertonungen, zum Beispiel von Johann Sebastian Bach (BWV 19 & 50), Matthias Weckmann, Heinrich Schütz, Georg Philipp Telemann und vielen anderen mehr.
Gerade aus dem Barock gibt es besonders viele dieser Vertonungen, weil zu der Zeit musikalische Schlachtengemälde generell sehr beliebt waren und es sich hier geradezu von selbst anbietet, ein solches einzubauen.
Ausdrücklich hinweisen möchte ich für den Moment nur auf ein Stück, nämlich jenes von Johann Christoph Bach, der in Eisenach Organist war.
Er war der wahrscheinlich bedeutendste Bach in der Generation vorm großen Thomaskantor Johann Sebastian. Dieser schätzte die Werke seines Verwandten außerordentlich, sodass sich in dem Notenarchiv, in welchem er Werke aus seiner Familie sammelte, recht viele Stücke von Johann Christoph enthalten sind.
Dazu zählt auch die mit nicht weniger als 22 obligaten Stimmen besetzte Kantate Es erhub sich ein Streit. Zwei 5stimmige Chöre streiten mit 4 Trompeten, Pauken, Streichern, Fagott und Basso Continuo.
Sebastian Bach hat dieses Stück in Leipzig auch zur Aufführung gebracht und noch sein Sohn Carl Philipp Emmanuel schwärmte davon: "Das 22stimmige Stück ist ein Meisterstück. Mein seliger Vater hat es einmahl in Leipzig in der Kirche aufgeführt, alles ist über den Efeckt erstaunt."
Und in der Tat, die Effekte in diesem Stück sind gewaltig und zahlreich. Nach einer einleitenden Sinfonia, die nur die Streicher bestreiten, beginnt der Kampf. Die Pauke gibt den Marschtakt vor, die Trompeten blasen zur Attacke, die Streicher lassen ihre Bogen schnellen... Nach und nach steigert sich das Getümmel zu einer gewaltigen Schlacht. An deren Ende setzt Christoph Bach eine erhebende Tonartwechsel zur Textzeile "und siegete nicht", womit natürlich der Drache gemeint ist.
Ein weiteres Beispiel für die direkte musikalische Umsetzung des Textes ist die sehr ungewöhnliche Modulation auf die Textzeile "der die ganze Welt verführt".
Auf folgenden Aufnahmen läßt sich das Ganze nachhören:
Das Alt-Bachische Archiv
Werke von Johann, Georg Christoph, Johann Christoph, Johann Michael & Johann Sebastian Bach
Cantus Cölln, Concerto Palatio,
Konrad Junghänel
Alt-Bachisches Archiv - Die Familie Bach vor Johann Sebastian
Musica Antiqua Köln
Reinhard Goebel
herzliche Grüße,
Thomas