Hallo,
Ich musste feststellen, dass es über Ernst von Dohnanyi (auch ErnQ Dohnányi) offenbar noch keinen Thread gibt, und dass dieser Komponist generell im Forum sehr wenig genannt wird. Also...
Ernst von Dohnanyi wird 1877 in Pressburg geboren und wächst in einer musikalischen Familie auf. Er versucht sich nach frühem Klavierunterricht schnell an eigenen Kompositionen. 1895 beginnt er sein Musikstudium in Budapest, welches er 1897 abschliesst und im Sommer des selben Jahres bei Eugen d'Albert am Starnberger See seine Debut-Vorbereitungen trifft.
1897 kommt er auch zum ersten mal nach Berlin und tritt als Pianist auf. Ab 1905 lehrt er auf Geheis von Joseph Joachim an der Berliner Hochschule für Musik, wo er ab 1907 auch als Professor tätig wird.
1915 verlässt er wegen des 1.WKs Deutschland und tritt ab 1916 eine Professur an der Budapester Musikakademie an, welche er 1919 auf Druck des Horthi-Regimes niederlegt. Er wird 1919 aber auch zum Chefdirigenten der Budapester Philharmoniker ernannt - Das Amt behält der bis 1944. 1928 kann er die Lehraktivität wieder aufnehmen und wird 1936 sogar zum Direktor ernannt. In seiner "lehrfreien" Zeit ( 1919-1928 ) tritt Dohnanyi vor allem in den USA auf, wo er wichtige Kontakte knüpft.
Nach 1933 tritt er nach Hitlers Machtergreifung weiterhin in Konzerten als Pianist auf, wird jedoch 1941 gezwungen, sein Lehramt in Budapest niederzulegen. Er schafft es bis zur Auflösung der Budapester Philharmoniker 1944 alle jüdischen Orchestermitglieder zu behalten. Gegen Kriegsende fleiht er vor den Sowjets nach das noch nationalsozialistische Österreich (Dohnanyi war aber stets unpolitisch). Nach Ende des Krieges verlässt er 1948 Europa und lässt sich in Argentinien nieder, tritt 1949 eine Professur in Tallahassee an und gibt ab 1953 wieder Konzerte als Pianist. Er stirbt am 9. Februar 1960 während einer Plattenaufnahme in New York.
Dohnanyi komponierte u.a. 3 Symphonien, 2 Kalvierkonzerte, 2 Violinkonzerte, Kammermusik und einiges an Klaviermusik, darunter Etüden, die eine Reform in der damaligen Klavierpädagogik bedeuteten.
Seine eigenes Komponieren geht hinter seinen sonstigen Aktivitäten als Avantgarde-Befürworter völlig unter. Zu Lebzeiten förderte er persönlich seine Landsleute Kodaly und Bartok, führte deren Werke auf und wirkte so an deren Verbreitung mit.
Sein Stil ist äußerst konservativ. Im Frühwerk besonders an Brahms erinnernd, (Brahms bewunderte Dohnanyi für dessen Klavierquartett Op.1 sehr!) setzt sich im allgemeinen ein Liszt-Klang durch. Bemerkenswert, dass der bis 1960 lebende Dohnanyi nicht stärkere Einflüsse von Spätromantik oder Moderne aufweist!
Dohnanyi verbindet großes Handwerkliches können, mit einem unwahrscheinlichen Geschick für klar geführte, wundervoll-einprägsame Melodien. Die Konzeption seiner Werke ist eher hochromantisch schlicht als spätromantisch verklärt weshalb sich schnell ein Zugang findet.
Nun wir der gute Mann oft sehr vorschnell als verspäteter Brahms- oder Liszt-Epigone abgestempelt - aber bei all dem "Konservativismus" bewahrt sich Dohnanyi aber immer eine geschickte und oft eigenartige Instrumentierungskunst sowie eine menge Humor und feiner Ironie - was bisweilen auch mal Schostakowitsch tangiert. (freilich ohne dessen harmonische Kühnheit zu erreichen). Neben einigen nicht mehr oder weniger "netten" Werken, hat Dohnanyi auch einge Werke hinterlassen, weilche sicher ein größeres Interesse und Aufsehen verdient hätten - alsda wären:
Das Klavierkonzert Nr.1 in e-moll, Op.5 - Ein typisches, gewaltiges Virtuosenkonzert mit einem späktakulären Finale - Die Aufnahme ist IMO brilliant!
Das Konzertstück für Cello und Orchestrer in D-Dur, Op.12
und hier mein Favorit:
Variationen über ein Kinderlied, Op.25 - Quasi eine romantische Version von Mozarts Variationen über "Ah! Vous dirai-je maman?". Nach einer hochernsten, monströs-dramatischen Orchester-Einleitung, welche großes anzukündigen scheint, ertönt nach einem finalen Orchesterschlag dieses naiv-blöde Kinderlied im Klavier - Von der Konzeption ist das Ganze also wie die >>Variationen über "Ich bin er Schneider Kakadu"<< von Beethoven... Danach folgen die äusserst originellen Variationen mit bisweilen wahnsinnig humorvoller Instrumentierung! Ich habe mir diese Platte gekauft, da die Variationen nächste Spielzeit ine einem Konzert gespielt werden, in welches ich gehe - ich haderte erst wegen des hohen Chandos-Preises, griff dann aber trotzdem aus Neugier zu und war absolut begeister - bin es immer noch - momentan eine meiner meistgehörten Platten!
Sein bekanntestes Werk soll angeblich die Serenade für Streichorchester Op.10 sein - das Werk kenne ich leider noch nicht; es ändert sich aber bald ;)!
Dohnanyi war kein großer, wichtiger Revoluzzer, das steht fest - aber auf jeden Fall lohnt eine großzügige Höraktion!
Seine Musik ist sehr gut zugänglich und hat echtes Ohrwurmpotential - Sei macht einfach Spass und diesen Spass sollten sich, wie ich denke, auch mal einige Menschen gönnen, die bisher noch keinen Kontakt mit diesem Komponisten hatten - Ich empfehle zum heiteren Einstieg Op.25...
LG
Raphael