Karlheinz STOCKHAUSEN - ein Synonym für Moderne Musik
-
-
Stimmt, es war ja davon die Rede. Ich habe den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen
-
Hallo,
ich habe mir einige Ausschnitte aus dem Lichtzyklus angeschaut und war doch
sehr beeindruckt wegen riesigen Originalität und Kreativität , die ich dabei empfunden habe. Ich hatte auch beim Stockhausen Verlag eine Anfrage gestellt,
ob Licht auch auf DVD erscheinen wird. Die Antwort ist leider nein, da Stockhausen die Frage nach der Zukunft des Mediums DVD noch nicht entschieden sieht.Ich habe eine Frage :
Was ist eigentlich unter einer Formelkomposition zu verstehen ?
Ist diese Formel mehr mathematisch oder musikalisch/thematisch gemeint ?Wer kann etwas dazu sagen ?
-
Hallo Parsifal,
die Formelkomposition leitet sich ab von der seriellen Technik, bei der alle Parameter präfixiert sind. In der Formelkomposition exponiert Stockhausen eine musikalische Gestalt, in der die Intervalle des Stücks vorkommen, die melodischen Bewegungen, die Proportionen, die dynamischen Kontraste etc. Diese Formel ist sozusagen ein Konzentrat aller verwendeten Elemente. In der Folge geht Stockhausen mit diesem Material relativ frei um (was die Formelkomposition von der Serialität unterscheidet), allerdings bezieht sich jeder Ton respektive jede Tonfolge auf mindestens ein Element der Formel.
-
Danke Edwin für die klare Antwort.
-
Habe mir gestern erneut die "Gruppen" angehört und muß mein Urteil, das ich nach erstem Kontakt, fällt doch revidieren. Es ist ein hoch interssantes Werk, das sich wohl aber erst nach mehrmaligem Hören voll und ganz erschließen wird.
Was ich etwas spaßhaft und sowieso vage mit "fehlendem humanistischen Kern" mal meinte, ist meine Erfahrung, daß ich erst enstpannt und gelöst und v.a. offen und neugierig genug sein mußte.
Beim ersten Hören kam ich aus einer Prüfung, übermüdet, angeschlagen, genervt. Kein Wunder, daß mich diese eruptiven Klangausbrüche, die harschen, abrupt endenden Bläserwallungen überhaupt nicht ansprachen.
Diese Musik forderte zu sehr Aufmerksamkeit. Vielleicht höre ich sie nach mehrmaligen Kontaklt anders , aber als seelisch aufbauende, Kraft spendende Musik konnte ich sie beim ersten Mal nicht hören. Beim jetzigen zweiten mal brauchte ich nichts aufbauendes. :beatnik:
Wulf -
Zitat
Original von Prometeo
zu seinem bereits verstorbenen weggefährten goyvaerts sei noch darauf verweisen dass er schon vor ihm eine vollständig serielle komposition schuf ("nummer 1"). es stellt sich die berechtigte frage wie hier zu bewerten ist (?)
mir sagte mal ein musikgeschichtler, dass nach momentanem forschungsstand milton babbitt vor goeyvaerts das erste serielle stück schrieb.
und golyscheff schuf vor hauer - letzterer vor schönberg - zwölftonwerke.ich schätze alle sechs komponisten, wenn ich auch in den meisten fällen nur sehr wenig kenne.
die unterschiede zwischen goeyvaerts und stockhausen sind aber spätestens ( ) seit klavierstück 1 (1952) so groß, dass man goeyvaerts' vorbildrolle nicht allzusehr überbewerten sollte. stockhausen zielt viel mehr auf unmittelbares hörerlebnis und abwechslungsreichtum ab (gruppenkomposition - momentform) während goeyvaerts in manchen seiner instrumentalwerke seiner seriellen zeit eine imponierende gelassenheit an den tag legt (von mir subjektiv so gesehen): da klettert alles parallel chromatisch durch die gegend - minutenlang quasi kaum information - nur am anfang und am schluss wird der stockhausenverwöhnte hörer am sinn für komplexität gekitzelt ...
-
den Thread hab ich ach erst gerade entdeckt. Vielen Dank für dieses tolle Thema !
nach dem bisher geschrieben bin ich natürlich ziemlich neugierig und genauso orientierungslos.
Ich habe auch erst eine einzige CD mit Musik von Stockhausen, die mich aber ziemlich fasziniert:
Kontakteich habe eine weitere CD gefunden, die recht günstig ist - aber ist das jetzt aus diesem Wochen-Opern-Zyklus "Licht" oder wieder ein anderes Werk ?
ich wäre überhaupt sehr dankbar für CD Tipps - insofern sie eben Sinn machen.
Das Helicopter Quartett halte ich als CD Einspielung eher für unsinnig. -
Hallo Lullist,
"Aus den sieben Tagen" hat mit dem Licht-Zyklus nichts zu tun. Dieser Zyklus ist viel früher, nach meiner Erinnerung Ende der 60er oder Anfang der 70er Jahre. Bei diesen Stücken hat sich Stockhausen weit von der klassischen Definition eines Kunstwerks entfernt. Es handelt sich um weitgehend freie Improvisationen, inspiriert durch Texte von Stockhausen. Ich muss gestehen, dass ich zu diesen Stücken nie wirklich Zugang gefunden habe - ich kenne sie auch nicht gut.
Mir gefällt folgende CD sehr gut:
Hierbei handelt es sich um einen Teil aus Donnerstag, glücklicherweise um einen rein Instrumentalen Teil, mit Stockhausens, naja, gewöhnungsbedürftigen Texten muss man sich also nicht auseinandersetzen. Leider Full-Price...
Ansonsten kann ich Mantra sehr empfehlen, für mich eines der interessantesten Stücke von Stockhausen. Die beiden bei jpc erhältlichen Aufnahmen kenne ich allerdings nicht, ich habe die Aufnahme aus dem Stockhausen-Verlag.
Tierkreis, von dem es auch mehrere Aufnahmen gibt, ist auch ein sehr schönes Stück bestehend aus 12 eher kurzen Melodien. Dieses Stück ist eigentlich auch eine Rohfassung, bestehend aus den Melodien und verschiedenen Anweisungen. Die Details kann ich leider nicht erklären - zu Hause könnte ich in den Textheften nachschauen - aber im Grunde muss sich jeder Spieler bzw. jedes Ensemble seine eigene Version erstellen. Sirius ist eine lange ca. 2-stündige Version von Stockhausen selbst.
Die Melodien sind sehr eingägig und fast schon kitschig, entgegen der Erwartungshaltung, die man gegenüber zeitgenössischer Musik im allgemeinen und Stockhausen im Besonderen meistens hat.
Viele Grüße,
Melanie
PS: Französische Barockmusik und die moderne "Avantgarde" ist ja eigentlich eine recht unerwartete Mischung, aber ich höre derzeit auch ca. 50% franz. Barock und ca. 25% - 30% Moderne. Vielleicht sollte man sich mal über die Parallelen Gedanken machen... Oder sind es eher die Gegensätze, die sich anziehen??
-
erst einmal vielen Dank für Deine schnelle und ausführliche Antwort.
Mein Interesse umfasst eigentlich alles an Musik - solange der Rahmen nicht Musikantenstadl heißt.
Aber da ich ja bildende Kunst studiere und leider die Musik sehr oft einfach ausgeklammert wird, was ich für grundsätzlich falsch halte, bringe ich eben der Musik der "Avantgarde" ein besonderes Interesse entgegen, da ich es eben als einen ganz elementeren Teilbereich der bildenden Kunst ansehe.Ich versuche mich auch stets für eine Verbindung von Kunst und Musik einzusetzen - ich werde kein Projekt mehr in Angriff nehmen ohne Musik - das habe ich für mich entschieden.
Ich sehe meine Aufgabe im ständigen Lernen und ich will einfach alles kennenlernen, ich lasse mich da nicht von Vorurteilen leiten.
Eigentlich bin ich auch ein Fan von Wiedersprüchen, da das ganze Leben ein Wiederspruch in sich ist -
Hallo,
wenn ich über Stockhausen nachdenke, komme ich automatisch in Sphären, die irgendwie nach außen drängen, die Grenzen sprengen wollen. Der Satz "Das Werk x von Stockhausen gefällt mir soundso" passt hier irgendwie nicht. Es geht um mehr.
Die Person Stockhausen ist mir ziemlich befremdlich. Ich teile die bereits erwähnten Eindrücke des Guruhaften, Extravaganten, Versponnenen...Zu Hause höre ich nur wenig Musik von ihm.
Dennoch fasziniert mich etwas an diesem Komponisten. Ich habe nicht viele, aber doch wenige Stücke live von ihm (und mit ihm) erlebt und muss gestehen, dass eine besondere Spannung stets vorhanden war - nicht nur bei mir, sondern insgesamt im Publikum. Ich meine, dass etwas Magisches an seiner Musik (oder besser: an ihm) (zumindest für mich) erfahrbar ist.
Ich kann nicht sagen, dass ein bestimmtes Werk von ihm mir besonders gut gefällt - aber ich muss doch feststellen, dass Stockhausen wahrlich nicht populistisch komponiert und handelt. Er schreibt und schrieb nicht irgendwas, um populär, anerkannt oder gut verkauft zu sein. Sondern er geht seinen Weg, unbeirrbar und kompromisslos. Und dies schon seit Jahrzehnten.
Ich möchte mich gewiss nicht als Stockhausenfan bezeichnen, aber ich finde, er ist ein sehr mutiger, authentischer und "freier" Künstler; Prädikate, die auf mich in einer heute etwas verschleimten und verlogenen Musikwelt als sehr erfrischend wirken.
Gruß,
Uwe
-
Zitat
Original von der Lullist
ich wäre überhaupt sehr dankbar für CD Tipps - insofern sie eben Sinn machen.
Stockhausen war in den 50ern neben Boulez und Nono der prominensteste Komponist serieller Musik. Ich kenne sicher nicht alle Werke, die als "klassisch" gelten - ein paar sind aber so berühmt und beliebt ( ), dass man sie problemlos empfehlen kann, wobei es auch außerhalb des Stockhausen-Verlages Einspielungen gibt.Für mich "der Reißer" sind die Gruppen (Nr. 6). Hier gibt es sogar zwei Einspielungen in unser aller Lieblingsversand, von denen ich nur die mit den Berlinern unter Abbado kenne:
Als gewichtiger Zyklus gelten die Klavierstücke. I-IV sind frühe Beispiele für Gruppenkomposition und - sagen wir mal - expressive serielle Musik (1952), VII ist ein sehr schönes Beispiel für Klangfarbenmodulationen im Klavier durch stummes Niederdrücken diverser Tasten, sehr "poetisch" und stimmungsvoll, IX ist recht klar aufgebaut, hier kann man die Entwicklung des musikalischen Ablaufs von "unendlicher" Akkordrepetition über chromatische Skalen und motivartige Einsprengsel zu athmosphärischen Tonwolken sehr schön mithören, X ist eine epische Lärmorgie, XI demonstriert einen nachvollziehbaren Mix aus Serialismus und Aleatorik (Einspielung durch Henck):
Wenn man Stockhausens Eigenart deutlicher sehen möchte, empfiehlt es sich, seinen Kollegen Goeyvaerts, mit dem er in intensivem Gedankenaustausch stand, kennenzulernen, dessen serielles Oevre (Kompositionen 1-7) auf eine CD passt:
Außerdem möchte ich anmerken, dass es Stockhausens Kreuzspiel in der "Musik in Deutschland 1950 - 2000"-Reihe gibt (billig!)
-
Zitat
Original von Loge
Mit Stockhausen ist der größte und bedeutendste Pionier und Visionär in der Musik der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts von uns gegangen. Kein anderer Komponist seiner Zeit hat wie er in allen wichtigen Feldern der musikalischen Forschung gearbeitet und dabei unentwegt Grenzen ausgelotet und neue Perspektiven eröffnet.Seinen schöpferischen Weg begann er, indem er zunächst kompromisslos mit der Tradition brach. Der neoklassizistischen [...] Perücke hat er sich widersetzt. Über die 50er und 60er Jahre hinweg wirkt er (neben Boulez, dem er in der Nachschau aber an schöpferischer Kraft wesentlich überlegen war) an der Spitze der Avantgarde. Seither kam Stockhausen, wie keinem anderen deutschen Komponisten der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts Weltgeltung zu! Und daran hat sich, jedenfalls in gutunterrichteten Musikerkreisen und oftmals abseits des „offiziellen“ E-Kulturbetriebs [...] nichts geändert.
Seit den 70er Jahren entwickelte er sein singuläres Konzept einer „kosmischen Musik“ bzw. „universellen Musik“. Und er tat dies gegen alle Widerstände und Vernachlässigungen. Die unerschütterliche Hingabe und künstlerische Integrität, mit der er „seinen“ Weg ging, nötigt allergrößten Respekt ab. In Stockhausen hat sich der viel beschriebene „Dämon“ des Genies in für seine Zeit einmaliger Weise manifestiert. Wo der gemein-menschliche, einem Nützlichkeitsprinzip unterworfene Verstand den Anschluss verlor, sprach man wieder einmal von „Verrücktheit“ und „Größenwahn“, als hätte man Ähnliches nicht schon mehrfach in der Musikgeschichte erlebt und Urteile revidieren müssen. Mit >Licht< hat Stockhausen weltabgeschieden einen Werkplan realisiert, der an Ausdehnung und Kühnheit nur mit dem Ring des Nibelungen Wagners vergleichbar ist. Beider Schöpfer Genie war bzw. ist dabei zukunftsweisend: Hochflächen, „Verzückungsspitzen“ des menschlichen Geistes.
Als Essenz seines Schaffens können seine Klavierstücke gelten. Man kann sie ihrer Bedeutung für Stockhausens Gesamtwerk nach mit den Entwürfen und Skizzen eines Michelangelo vergleichen. Herbert Henck nennt sie im Vorwort zu seiner Einspielung der Klavierstücke I - XI „kompositorische Systeme von bislang unerreichter Rationalität“. In ihnen hat Stockhausen die manigfachen Prinzipien und Probleme der Neuen Musik ultimativ verdichtet. Will man die Klavierstücke Stockhausens in ihrer Bedeutung musikgeschichtlich vergleichen, muss man nichts weniger als das Wohltemperierte Klavier Bachs oder die Klaviersonaten Beethovens heranziehen. Die Zukunft wird es zeigen.
Stockhausen ist – und zwar mit einigem Abstand – der bedeutendste deutsche Komponist des 20. Jahrhunderts. In der Bedeutung für die Musik des 20. Jahrhunderts sind ihm nur Debussy, Schönberg und Stravinsky an die Seite zu stellen. Sein Werkkatalog ist gewaltig und universell. Die Zumutungen, die seine Kunst für uns beinhaltet, sind zuweilen enorm. Fast alles ist auf eine gewisse Weise neu und bahnbrechend. [...]
Loge
Ich möchte vielleicht ein wenig hierauf eingehen, aber lieber hier. -
Zitat
Original von Edwin Baumgartner
[...] Es stimmt schon: Stockhausen ist eine der wesentlichen Gestalten der Neuen Musik Deutschlands. Aber er wird hier etwas zum Messias der neuen Musik hochstilisiert. Und damit habe ich zu kämpfen.
War er das wirklich?
Meiner Meinung nach ist er eine völlig egozentrische Erscheinung. Er hat keine Schule gebildet, hat sich um die Schüler, die er gehabt hat, nicht gekümmert, hat, da hat Büning recht, eine eigene Welt geschaffen. Aber diese Welt ist ein elfenbeinerner Turm für die Familie Stockhausen.
Darin wurzelt auch mein Problem mit ihm: Ich sehe die Entwicklungen nicht. Ich sehe, wo Stockhausen herkommt, nämlich von Webern und Messiaen (wie alle Seriellen), ehe er unter dem Einfluss von Cage die Aleatorik adaptiert. Ich sehe aber nicht die "Stockhausen-Schule".
Mir ist klar, daß einige seiner elektronischen Experimente sogar zeitweise in die Popmusik Eingang gefunden haben (deren psychodelische Elemente Stockhausen seinerseits wieder für seine eigene Musik adaptiert hat, etwa in "Trans").
Wenn aber Stockhausen die Stellung hatte, die ihm Büning nachrühmt, so müsste sein Einfluss wesentlich größer sein. Er müßte eine prägende Gestalt gewesen sein. Er müßte mehr gewesen sein, als ein Einzelphänomen ohne Folgen. Und ich frage mich auch, ob, wenn er diese Stellung tatsächlich hatte, nicht auch die Werke anders ins Bewußtsein gedrungen sein müßten.Eine große Gestalt zweifellos - aber zu Messiaes der neuen Musik scheint er mir ebenso wenig zu taugen wie alle anderen, die dazu mehr oder weniger zwischen den Zeilen erklärt werden.
Hallo Edwin,ich habe doch recht vieles gehört, was bei mir den Eindruck hinterließ, dass Stockhausens serielle Werke der 50er extrem viele Komponisten stark beeinflußten und zwar der spezifisch stockhausensche Dialekt serieller Musik. Vielleicht liegt das aber daran, dass ich zu wenig Boulez gehört habe ...
-
Zitat
Original von Loge
ZitatKein anderer Komponist seiner Zeit hat wie er in allen wichtigen Feldern der musikalischen Forschung gearbeitet und dabei unentwegt Grenzen ausgelotet und neue Perspektiven eröffnet.
Leider kenne ich Stockhausen (wie fast alle Komponisten, über die ich hier schwätze) nur sehr partiell - vor allem was die Theorie betrifft. Aber der Teil, bei dem ich ein wenig tiefer vorgedrungen bin (mit der Betonung auf "wenig"), sieht man sehr bald, dass die von ihm selbst verkündeten großen Errungenschaften (siehe "Grenzen ausgelotet" und "neue Perspektiven") stark relativiert werden müssen (aber das gilt natürlich nicht nur für Stockhausen, sondern für viele große Meister, denen man vereinfachend alles Mögliche in die Schuhe schreibt). Dass Stockhausen weder den Serialismus noch die elektronische (serielle) Musik geboren hat (also den kölner Sinuszweig der Tonbandmusik) habe ich glaube immer schon mal wieder geschrieben.
Worin liegen die neuen Perspektiven? Welche Grenzen werden "ausgelotet"?
ZitatIn Stockhausen hat sich der viel beschriebene „Dämon“ des Genies in für seine Zeit einmaliger Weise manifestiert.
Das interessiert mich jetzt auch:
ZitatAls Essenz seines Schaffens können seine Klavierstücke gelten. [...] In ihnen hat Stockhausen die manigfachen Prinzipien und Probleme der Neuen Musik ultimativ verdichtet.
Hat er das wirklich? Sehen wir uns mal I-IV an. Sie sind Zeugnis seiner frisch entwickelten "Gruppenkomposition" und somit Ausdruck seiner Unzufriedenheit mit der Abstraktheit punktuellen Komponierens (kann man das so sagen?) Ich sehe aber somit eigentlich eher nur ein Problem eines bestimmten Zweiges der brandaktuellen Neuen Musik jener Zeit (nämlich der Seriellen) behandelt - von mir aus "verdichtet" (wobei man sich beim kompromiertesten Stück, nämlich III fragen kann, wo die Gruppen bleiben, und man sich gerade hier viel mehr an ältere Musik - Webern - erinnert fühlt als bei I, II und IV).
ZitatStockhausen ist – und zwar mit einigem Abstand – der bedeutendste deutsche Komponist des 20. Jahrhunderts.
Es ist entschieden zu früh, das zu beurteilen. BA Zimmermann, Lachenmann und Rihm sind in jedem Falle auch Anwärter auf solchen Titel.
ZitatFast alles ist auf eine gewisse Weise neu und bahnbrechend.
Wenn wir uns das zu jedem Werk überlegen, wird dies ein fruchtbarer Thread.
-
Hallo Kurzstueckmeister,
Zitatich habe doch recht vieles gehört, was bei mir den Eindruck hinterließ, dass Stockhausens serielle Werke der 50er extrem viele Komponisten stark beeinflußten und zwar der spezifisch stockhausensche Dialekt serieller Musik. Vielleicht liegt das aber daran, dass ich zu wenig Boulez gehört habe ...
Meiner Meinung nach gehen Boulez und Stockhausen zwei sehr unterschiedliche Wege, zumal Boulez die Schlupflöcher im seriellen System wesentlich exzessiver nützt und sich schon in Teilen des "Marteau" und in "Pli selon Pli" von der orthodoxen Lehre entfernt. In den Werken der postseriellen Zeit bleibt Stockhausen dann stärker dem polyphonen, Boulez dem akkordischen Denken verhaftet (Boulez ist und bleibt eben Messiaen-Schüler...).
Insoferne glaube ich eher, daß es einen Stockhausen-Dialekt und einen Boulez-Dialekt der Serialität gibt, wobei jeder Nachahmer gefunden hat. Insoferne hast Du natürlich recht, wenn Du bei verschiedenen Komponisten der 50er-Jahre den Stockhausen-Dialekt ortest.Ich bezog mich allerdings auf die Wirkung über die 50er-Jahre hinaus. Und hier scheint mir der Einfluss Stockhausens zu schwinden. Vor allem das Spätwerk Stockhausens hat kaum ein neues Nachdenken bewirkt - was mir umso seltsamer erscheint, als gerade die Formel-Technik in ihren Möglichkeiten nicht ausgeschöpft ist. Ich frage mich diesbezüglich, ob nicht die zu dieser Zeit bereits heftig ausgelebte Rückkehr zum Dreiklang bei vielen Ex-Avantgardisten die Wirkung der Stockhausen'schen Entdeckung unterlaufen hat.
-
Mein erstes Stockhausen-Erlebnis habe ich vor einigen Wochen mit "Stimmung" gehabt, eingespielt vom Theatre of Voices unter Paul Hillier.
Auf hr-online.de habe ich eine Rezension von Niels Kaiser ergoogelt, die mE einen guten Einstieg bietet (auszugsweise wiedergegeben):
"Die Reihenfolge der insgesamt 51 Formabschnitte in Karlheinz Stockhausens Vokal-Meditation „Stimmung“ jedenfalls bestimmen die drei Sängerinnen und drei Sänger in eigener Regie. Und auch sonst ist dieses Werk mit seinen improvisatorischen Elementen, seinem meditativen Charakter und der Platzierung der Vokalisten auf im Kreis angeordneten Sitzkissen ein typisches Kind der 60er Jahre. Nicht zuletzt aber auch wegen seines Einsatzes des damals gerade aufkommenden Obertonsingens.
1968 waren in der Instrumentalmusik ungewöhnliche Spieltechniken längst Usus, die Stimme als experimentelle Klangquelle aber galt es noch zu entdecken. In Stockhausens „Stimmung“ sollen die Grundelemente des menschlichen Gesangs ausgelotet werden. Dazu werden den Vokalisten die vielfältigsten Lautbildungen abverlangt, aus denen plötzliche Phantasiewörter entstehen können, mitunter sogar reale Vokabeln. So zeigt Stockhausen hier bereits ein frühes Faible für die Wochentage, denen er ja späterhin ja sogar einen siebenteiligen Opernzyklus gewidmet hat.
Der Titel des Werkes ist – typisch Neue Musik - vielseitig deutbar. „Stimmung“, das ist einmal die Stimme selbst, aber auch die reine Stimmung, in der die Obertöne gesungen werden, genau so wie die Atmosphäre, die seelische Gestimmtheit also. Vor allem aber ist mit „Stimmung“ das Einstimmen der Vokalisten aufeinander gemeint. Dieses Sich Einstimmen ist das Grundprinzip der Komposition. In jedem der 51 Abschnitte, die Stockhausen „Modelle“ nennt, stimmt ein Vorsänger eine neue Oberton-Melodie an, in die die anderen Sänger allmählich und auf Umwegen mit einstimmen. Ist eine Überein-Stimmung erreicht, beginnt der Vorsänger des nächsten „Modells“ mit seinem Part. Das Stück ist ein ständiger Kreislauf, weg von der Übereinstimmung und wieder zurück zu ihr.
Stockhausens „Stimmung“ wird in den letzten Jahren zunehmend wieder aufgeführt, aber nur zwei Ensembles haben das Werk jemals aufgenommen. Bei der letzten Einspielung durch das britische Ensemble Singcircle im Jahr 1983 war auch Paul Hillier mit dabei. Er ist der Gründer und Leiter des Theater of Voices, mit dem er jetzt - unter den wohlwollenden Augen des Komponisten - die so genannte „Kopenhagener Fassung“ des Werkes erarbeitet hat. In der dänischen Hauptstadt ist das Ensemble mittlerweile beheimat, das zurzeit aus einem Polen, einem Amerikaner und vier Dänen besteht. Ihre Version der „Stimmung“ ist sicher die stimmungsvollste und klangschönste. Vor allem besticht sie durch den besonders gekonnten Einsatz des Obertongesangs.
Stockhausens „Stimmung“ ist eine frühe Versöhnung von avantgardistischem Komponieren und sinnlicher Spiritualität. Denn dieses Stück kann man auch rein meditativ hören, sich den Klangschönheiten hingeben, die das Theater of Voices akustisch in Szene setzt mit höchster Stimmakrobatik und Vokal-Virtuosität. Den meditativen Charakter des Stückes hat Stockhausen auch immer hervorgehoben: die Zeit soll darin aufgehoben sein, ins Innere eines Klanges soll man horchen mit wachem und ruhigem Sinn, dann wird - laut Stockhausen – in der Schönheit des Sinnlichen die Schönheit des Ewigen leuchten. Und da könnte durchaus was dran sein, denn nach dem Abspielen dieser CD kann man tatsächlich das Gefühl bekommen, dass die Klänge, die 75 Minuten lang den Raum gefüllt haben, noch unhörbar in ihm weiterschwingen. So wie ja auch die Harmonien eines Glockengeläuts nach ihrem Verklingen noch lange in der Luft zu vibrieren scheinen. "
Soweit die Rezension.
Mein erster Höreindruck war durchaus positiv. Ich hatte sozusagen Schlimmeres erwartet, Stockhausen noch nie bewußt gehört.
Bei längerem und mehrmaligem Hören macht sich allerdings schnell Langeweile breit. Es klingt alles sehr gekünstelt und intellektuell konstruiert, fernöstliche Philosophie und Religon durch die Brille des westlichen Wohlstandsbürgers. Mit meditativen Gesängen - etwa von buddhistischen Mönchen - ist "Stimmung" nicht zu vergleichen, es fehlt die Authentizität.
Das Werk wirkt letzten Endes flach und schal. Da bleibe ich doch lieber beim Original...
-
Zitat
Original von Robert Stuhr
Mein erstes Stockhausen-Erlebnis habe ich vor einigen Wochen mit "Stimmung" gehabt, eingespielt vom Theatre of Voices unter Paul Hillier.
[..]
Bei längerem und mehrmaligem Hören macht sich allerdings schnell Langeweile breit. Es klingt alles sehr gekünstelt und intellektuell konstruiert, fernöstliche Philosophie und Religon durch die Brille des westlichen Wohlstandsbürgers. Mit meditativen Gesängen - etwa von buddhistischen Mönchen - ist "Stimmung" nicht zu vergleichen, es fehlt die Authentizität.Das Werk wirkt letzten Endes flach und schal. Da bleibe ich doch lieber beim Original...
Mir geht es da beim Hören ganz anders. Der philosophische bzw. spirituelle Ansatz des Werkes ist mir allerdings auch völlig egal. Ich lausche gebannt den klanglichen Experimenten, die in Stimmung zu Gehör gebracht werden. Man erlebt, auf welche Weise Vokale gebildet werden und wie sie den Klang beeinflussen. Man erlebt den Übergang von Vokalen zu gezielten Obertönen. Man erlebt, wie einem Klang Schärfe oder Weichheit hinzugefügt wird. Das ist für mich das große an diesem Werk. Es beschäftigt sich wirklich mit den absoluten Grundlagen vokaler Musik und Klangästhetik und stellt diese Grundlaggen in den Mittelpunkt.
Liebe Grüße, der Thomas.
-
Der Obertongesang ist doch aber nicht erst von Stockhausen entdeckt worden. Meines Wissens ist er in der traditionellen Musik einiger asiatischer Länder, zB. der Mongolei, durchaus verbreitet.
Für mich ist - das dürfte nicht überraschen - der spirituelle Ansatz entscheidend. Und ich denke, das wird es auch für Stockhausen gewesen sein.
Ich buche daher "Stimmung" als interessantes klangliches Experiment und werde es auch in der Sammlung behalten. Dies aber letztlich mehr zu Dokumentations- und Vergleichszwecken.
Auf jeden Fall bin ich neugierig auf mehr Stockhausen geworden!
-
Zitat
Original von Robert Stuhr
Der Obertongesang ist doch aber nicht erst von Stockhausen entdeckt worden. Meines Wissens ist er in der traditionellen Musik einiger asiatischer Länder, zB. der Mongolei, durchaus verbreitet.Eine besondere Art davon, ja. Aber meine nicht den Obertongesang als solches, sondern die Obertöne als Mittel, dem Ton eine Farbe, einen Affekt, eine Charackteristik, eben eine Stimmung zu verleihen. Da ist mir kein einziges auch nur ansatzweise mit Stimmung vergleichbares Werk bekannt, welches sich derart grundlegend mit diesen Zusammenhängen beschäftigt. Ohne jetzt noch einmal ins Booklet hineingelesen zu haben würde ich dennoch behaupten, dass auch dies ein zentraler Kerngedanke des Werkes ist.
Übrigens: Zu Thema Obertongesang verweise ich auf den Thread Obertonmusik.
Liebe Grüße, der Thomas.
-
Angeregt durch den Thread zu Stockhausens "Gruppen" habe ich heute noch einmal "Kontakte" in dieser Aufnahme gehört:
Im Gruppen-Thread hatte Thomas Norderstedt die Frage gestellt, ob "Gruppen" einen Anfang und ein Ende habe oder auch einfach so weiter gehen könne. Nach meinem Verständnis von "Gruppen", so habe ich mich um eine Antwort bemüht, ist in Gruppen die Gesamtstruktur durch eine übergreiffende Intervallreihe begrenzt, die "Brücken" zwischen den grundlegenden Intervallbeziehungen könnten jedoch, dem der Komposition zu Grunde liegenden Verfahren nach, auch länger oder kürzer sein. Denoch war Thomas Frage sehr gut, denn nimmt man noch den Anspruch nicht nur Stockhausens aus dieser Zeit dazu, ganz den Hoffnungen der 60er Jahre entsprechend, eine hierarchielose Musik zu entwickeln, d.h. alle Parameter gleich zu behandeln sowie innerhalb eines Werkes auf die Differenzierung zwischen deutlichen Höhepunkten und "Untergeordnetem", zu ihnen Hinführendem zu verzichten, dann lag die "Momentform" nahe, für die "Kontakte" von 1959/60 - also sehr nah an den "Gruppen" - ein gutes Beispiel ist und in denen Anfang und Ende wirklich offen sind. Stockhausen unterscheidet jedoch zwischen Anfang und Ende, die einer geschlossene dramatische Entwicklungsform eigen sei, und Beginn und Schluß, die in der offenen Momentform vom Komponisten willkürlich gesetzt sei. "Gruppen" und "Carré" stehen sozusagen dazwischen, da Beginn und Schluß durch die übergreiffende Intervallreihe nicht beliebig setzbar sind, ihre Ausdehnung durch die gewählte Länge der Spreizung in den Brücken vom Komponisten aber unabhängig von der Grundstruktur der Komposition und ohne den Anspruch auf eine dramatischen Linienführung gesetzt werden können.
ZitatKarlheinz Stockhausen, 1961, im WDR: "Es sind in den letzten Jahren musikalische Formen entwickelt worden, die von dem Schema der dramatischen finalen Form weit entfernt sind: die weder auf die Klimax noch auf vorbereitete und somit erwartete mehrere Klimaxe hinzielen und die üblichen Einleitungs-, Steigerungs-, Überleitungs- und Abklingstadien nicht in einer auf die gesamte Werkdauer bezogenen Entwicklungskurve darstellen; die vielmehr sofort intensiv sind und - ständig gleich gegenwärtig - das Niveau fortgesetzter `Hauptsachen´ bis zum Schluß durchzuhalten suchen; bei denen man in jedem Moment ein Minimum oder ein Maximum zu erwarten hat und keine Entwicklungsrichtung aus dem aus dem gegenwärtigen mit Gewißheit voraussagen kann, Formen, in denen ein Augenblick nicht Stückchen einer Zeitlinie, ein Moment nicht partikel einer abgemessenen Dauer sein muß, sondern in denen die Konzentration auf das Jetzt - auf jedes Jetzt - gleichsam vertikale Schnitte macht, die eine horizontale Zeitvorstellung quer durchdringen bis in die Zeitlosigkeit."
"Gruppen" oder "Carré", die von dem Kompositionsverfahren noch nicht völlig der "Momentform" von "Kontakte" entsprachen, erfüllen, hat man sich erst einmal eingehört, so dass nicht mehr alles als eintöniges Geräuschchaos wahrgenommen wird, diesen Anspruch m.E sehr gut. Sie bleiben wirklich Spannend und für den Hörer unvorhersehbar, überraschend, gerade weil sie nicht auf eine dramatische Linie gebracht werden können.
"Kontakte" finde ich dort spannend und interessant, wo ich doch Verdichtugen im Zusammenspiel zwischen Klavier, Schlagzeug und Elektronik wahrzunehmen glaube. Aber die "Momentform" scheint mir auch die Gefahr zu bergen, eben so etwas beliebig dahinzuplätschern. Dies stört mich auch in zumeist den elektronischen oder überwiegend elektronischen Parts einiger anderer Werke (nicht nur) Stockhausens und insbesondere in den meisten seiner weitgehend aleatorischen und improvisierten Stücken der Folgezeit nach "Kontakte". Das hier statt "absoluter" Musik wieder "Klangtapete" produziert wird, diese Gefahr sehe ich schon und dies scheint mir zur Gewißheit geworden in vielen, vor allem elektronischen oder überwiegend elektronischen Kompositionen und "Klanginstallationen" anderer der letzten ca. 25 Jahre. Stockhausen scheint mir hier, anders als Edwin weiter oben einschätzte, schon außerordentlich einflußreich gewesen zu sein, aber hier halte ich seinen Einfluß für keinen guten. Oder man hat sich hier das weniger Fruchtbare bei Stockhausen herausgesucht, um, auf seine Weise wieder recht gefällig, z.B. Galerien Klangtapete zu verpassen. Im Konzert finde ich jedenfalls enorm vieles heute explizit oder implizit in "Momentform" entwickelte ungeheuer langweilig.
Aber zurück noch einmal zur vorgestellten, 1960 entstandenen Aufnahme von Kontakte: Das Ineinandergreiffen von Klavier, Schlaginstrumenten und Elektronik, 1960 noch frei von 0815-Computerklängen, wie in vielen heutigen Kompositionen, gefällt mir hier insgesamt schon noch. Es spielen Christoph Caskel (Schlagzeug), damals Schlagzeuger des Kölner WDR-Sinfonieorchesters, der sich wirklich und für längere Zeit intensiv auf die Musik von und die Zusammenarbeit mit Stockhausen einließ, und David Tudor, eine vorzüglicher Pianist und sebst interessanter Komponist, der Komposition zuerst bei Stefan Wolpe, dann bei Cage studiert hatte und von Cage zu Stockhausen kam und erheblichen Einfluß auf die dann zunehmend aleatorische und Improvisationsphase Stockhausen hatte. Diese beiden tragen für mich sehr dazu bei, dieses Stück doch interessant zu machen und sie schafften dies auch in vielen Parts einiger späterer weitgehend aleatorischer Stücke, weil beide auch sehr gute, einfallsreiche Improvisatoren waren. Ich habe sowohl "Kontakte" als auch spätere Stücke der aleatorischen Phase auch in späteren Versionen mit anderen gehört und fand dies dann immer viel langweiliger.
Matthias
-
Trotz des abschreckend hohen Niveaus dieses Forums wage ich doch noch mal einen Banausenbeitrag.
Obwohl ich manche von Boulez' und Stockhausens seriellen Werken schon seit pupertierender Zeit oft und gerne gehört habe, würde ich nicht ausschließen, bei einem Blindhören mancher Teile der seriellen Klaviermusik die beiden Herren zu verwechseln.
Nun habe ich in letzter Zeit (als Vorbereitung für das Gruppen/Klavierstücke-Konzert am Freitag) Boulez' 3. Klaviersonate und Stockhausens Klavierstücke V, IV und II (die kenne ich von denen vor VI am wenigsten gut) wieder angehört und mich wirklich begeistern können - an den Klängen und Verläufen, nicht an Konzepten und Konstruktionen, die mir im Detail auch weitgehend unbekannt sind.
Ich hoffe, die unterschiedlichen Charaktere der Klavierstücke II, IV und V jetzt endlich zu kennen und mir auch zu merken ... aber abgesehen von der (im Booklet von Schleiermacher schön charakterisierten) Kulinarik der V, der harschen Linearität von IV und dem Wechsel von horizontal- und Vertikalorientierung von II (welch letzteren man aber wiederum fast eher in den Noten sieht, als hört) drängt sich wieder die Frage auf, was man da nun für sich zusammenhört (als Gruppe? als gegeneinandergestellte Elemente mit Durchdringungspotenzial?) und inwieweit es zum Notentext passt oder gar zur Konstruktion oder dem, was lt. Stockhausen die Gruppen sein sollen. Allerdings ist ja (schon wieder laut Booklet) die I wesentlich "gruppiger" als II-IV (und auch V?) ...
Ist aber auch egal - echt schöne alte Musik das!
-
Hallo !
Für mich ist es immer wieder verwunderlich, was man heute Musik nennt und wie hoch die Schmerzgrenze des menschlichen Ohres ist.
Habe gerade auch etwas dazu im Kammermusik Thread dazu geschrieben.Mit so etwas kann ich gar nichts anfangen.
Das ist für mich einfach nur "wildes" durch einander für das am Ende auch noch Geld gezahlt wird.
Den "Komponisten" freut esIch gehe davon aus, daß ihr auch : "Das Lamm" von Hape Kerkeling kennt.
"Und es schrie hurz ! ".Was bitte ist hier ( Stockhausen vs. Kerkeling ) der Unterschied ???
Was würden wohl heute : Beethoven, Brahms, Mahler und andere grosse Komponisten dazu sagen.
:faint:
Vielleicht kann mich auch jemand eines anderen belehren !
Mit musikalischen Grüssen
Holger -
Deine Reaktion auf die Wiedergabe der Stockhausen-Gruppen zeigt, dass Du ein ideales Medium für die Musik der Avantgarde bist und dazu würde ich den frühen Stockhausen zählen. Denn deine Reaktion ist weit entfernt von der Gefahr einer einschnappenden Routine des Experten, Humperdick nannte die 5 O.-Stücke von Schönberg Musik für oder von Verrückten und hat sie meiner Meinung damit gut "verstanden". Wahrscheinlich dürfte Deine Reaktion auf die Wiedergaben von einigen Spätwerken Beethovens ähnlich ausfallen, wie die auf Stockhausen (den frühen) oder der Neuen Wiener Schule. Und ich bin dann weiterhin der Überzeugung, dass Deine (geschockte) Reaktion auf die Avantgarde nicht der schlechteste Zugang auch zu Beethovens Musik wäre. Harte Dissonanzen (wie in der Neuen Wiener Schule) finden sich auch in der A-dur Sonate Nr. 22 (2. Satz: Mittelteil) von Schubert oder auch beim späten Mahler (z.B. Neuntonklang in Nr. 10 im ersten und letzten Satz).
-
Zitat
Original von Amfortas08
Deine Reaktion auf die Wiedergabe der Stockhausen-Gruppen zeigt, dass Du ein ideales Medium für die Musik der Avantgarde bist und dazu würde ich den frühen Stockhausen zählen. Denn deine Reaktion ist weit entfernt von der Gefahr einer einschnappenden Routine des Experten, Humperdick nannte die 5 O.-Stücke von Schönberg Musik für oder von Verrückten und hat sie meiner Meinung damit gut "verstanden". Wahrscheinlich dürfte Deine Reaktion auf die Wiedergaben von einigen Spätwerken Beethovens ähnlich ausfallen, wie die auf Stockhausen (den frühen) oder der Neuen Wiener Schule. Und ich bin dann weiterhin der Überzeugung, dass Deine (geschockte) Reaktion auf die Avantgarde nicht der schlechteste Zugang auch zu Beethovens Musik wäre. Harte Dissonanzen (wie in der Neuen Wiener Schule) finden sich auch in der A-dur Sonate Nr. 22 (2. Satz: Mittelteil) von Schubert oder auch beim späten Mahler (z.B. Neuntonklang in Nr. 10 im ersten und letzten Satz).Hallo Amfortas !
Meine Reaktion auf das Spätwerk von Beethoven fällt so nicht aus.
Für mich ist auch ein Zugang bei Mahlers 10 ( ich liebe Mahler ) gegeben.Sicherlich wird nun das ganze bei Stockhausen auf die Spitze getrieben.
Für mich muss Musik allerdings noch hörbar sein ( "Schmerzen im Ohr sollten nicht entstehen " ).Und da hab ich bei Stockhausen riiiiiesen Probleme.
Siehe auch dem Quartett für HelikopterWas soll das ?????
Mit tonalen musikalischen Grüssen
Holger -
Zitat
Original von HolgerB
Sicherlich wird nun das ganze bei Stockhausen auf die Spitze getrieben.
Für mich muss Musik allerdings noch hörbar sein ( "Schmerzen im Ohr sollten nicht entstehen " ).Und da hab ich bei Stockhausen riiiiiesen Probleme.
Siehe auch dem Quartett für Helikopter.Dann hör Dir mal "Stimmung" an. Dort erlebst Du ein völlig tonales Stockhausen-Werk. Dafür ist es in anderer Hinsicht äußerst avangardistisch, da es die Klangfarbe der menschlichen Stimme und Sprache umfassend auszuloten scheint. Sehr meditatives Werk, welches ich tatsächlich richtig gerne höre! (zu anderen Werken Stockhausens konnte ich noch keinen Zugang finden).
Liebe Grüße, der Thomas.
-
Lieber Holger
Stockhausens Musik (ich beziehe mich auf seine frühere Zeit, mit dem späteren Werke habe ich meine Schwierigkeiten (ist für mich nicht mehr so richtig Avantgard) und die Glosse in der heutigen NZZ bringt die Gründe für mich sehr gut auf den Begriff) ) ist nicht dissonanter als die der z.B. Neuen Wieber Schule. Gut gespielete "Gruppen" klingen richtig süffig. Das haben Oberg und Klawirr auch in iheren Beiträgen betont und die Gruppen-Wiedergabe aus Tempelhof mit den Berlinern (vom September RBB-Kultur-Rdio) klang für mich nicht weniger süffifg als die Abbado-Aufnahme. Der Eindruck hat sich nicht verflüchtigt, auch nicht nach mehrmaligem Reinziehen. Die Berliner spielen richtig fetzige Gruppen. Vielleicht sogar am fetzigsten überhaupt...
Ich vermute bei Dir ist es eher generell die Zugangs-Schwierigkeit zur Avandgarde. Ich stimme Chorknabe nicht zu, es mit weniger dissonanten Werken zu versuchen. Mein Vorschlag ist eher der es mit der Neuen Wiener Schule zu versuchen und zwar mit den richtigen sog. "atonalen" Werken. Also richtig rein in die Sache ! Wenn nämlich da der Funke rüberspringt, ja dann fallen einen die anderen Meister wie z.B. Nono oder B.A. Zimmermann ganz von selber zu. Problem.: Nur die wenigsten Studio-Aufnahmen von z.B. Schönbergwerken sind überhaupt sinnvoll wiedergegeben. Am trostlosesten ist die Situation bei seinen Streichquartetten (weder Kolisch, Aditti, Julliards, LaSalle noch die Leipziger klingen sinnvoll; Aron, Pratzak und Wihan sind der Sache näher) und dem Moses + Aron (bei der ist höchstens die Kegel-Wiedergabe akzeptabel). Bei Alban Berg ist es bei einigen Werken ähnlich: Es gibt kaum gelungene Studioeinspielungen seiner 3 O.-Stücke, der Lulu, des Kammerkonzertes (höchstensAtherton) und bei der Lyrischen Suite kann nur Artemis mich überzeugen. Beim Wozzeck (z.B. Abbado, Kegel, Weigle)) + bei der Klaviersonate und beim Streichquaretett (Alban Berg-Qu, Arditti) ist die Lage besser. Deshalb sammle ich+ tausche ich ja auch Radiomitschnitte. Versuche es deshalb zuerst mit mittleren (nicht beim späten) Webern: und zwar Kammermusik und Orchesterstücke. Und wenn Du den Zugang zu einem einzigen Werk gefunden hast (beim Hören ist dabei viel spontaner zu reagieren + nicht etwas auf einen erwarteten Verlauf zu hoffen, wie bei einer z.B. Brahmssonate), dann findest Du Zugang zur Avandgarde: Und was für ein Reichtum wird sich Dir erschließen - es ist unbeschreiblich ! Wichtig ist noch: der Zugang zu Werken der Avandgarde ist kein trüber Anpassungsprozess, sondern hat eher etwas blitzartiges, aha-erlebnishaftes (die Watte wird einen förmlich aus den Ohren gezogen) : Ist ein Moment von Sprüngen.
Gute Schönberg-Wiedergaben:
Klavierkonzert : Boulez/Uchida; Mitropoulus/Gould (vermutlich Botleg)
Violinkonzert: Boulez/Amoyal; Kubelik Zeitlin
4. Streichquartett: Wihan-Quartett
Fünf Orchesterstücke Hans Zender, Gielen, Levine, Maderna (gibts sicher noch mehr ...
Ochestervariationen: Nur Rosbaud mit dem SWR-S.O. finde ich gelungen (Barenboim hatte jetzt in Schweden eine megafetzige Wiedergabe mit den Divan-Teenies gemacht, vielleicht kommt die auf CD)
Bläaserquintett: Heinz Holliger .. fallen mir gerade spontan einBei Webern gibt es auch Billig-Labels (Naxos) mit guten Wiedergaben, würde aber am Anfang erstmal - wie gesagt - mit dem mittleren Webern anfangen (nicht den frühen sog. "tonalen"). Beim späten Webern habe ich mit manchen Werken noch meine Schwierigkeiten.
Beim Hören am besten alle sog. "Krücken" (z.B. Sonatenhauptsatzform) bei Seite legen.... das Emotionale + vor allem Spontane ist beim Hören viel stärker gefordert als bei z.b. Brahms, Tschaikowski oder Schubert.Irgendwo hatte ich mal gelesen (oder hatte es mal H.K. Metzger in einem Interview gesagt ?) etwa: der Unterschied zwischen traditioneller Musik und Moderner Musik ist der, dass nur bei der Modemen Musik dem Hörer klar ist, dass er sie nicht versteht. Dieser Gedanke gefällt mir bis heute.
LG
-
Hallo Amfortas !
Vielen Dank für Deine ausführlichen Beschreibungen.
Man merkt, daß Du diese Töne ( Musik ) liebst.Ich kann mir allerdings nach wie vor nicht vorstellen, daß
das etwas ist was mir irgentwann einmal gefallen wird.Gruss
Holger -
"Ich kann mir allerdings nach wie vor nicht vorstellen, daß
das etwas ist was mir irgentwann einmal gefallen wird."Hätte sich etwa der frühe Mahler vorstellen können, dass ihm sein Spätwerk schon zu Beginn seiner kompositorischen Entwicklung gefallen könnte ?
Es ist nie zu spät, für neue Hörerfahrungen (sorry für meine missionarischen Eifer ....doch nein meine Eiferei tut mir nicht leid )
LG
-
Zitat
Original von Amfortas08
Es ist nie zu spät, für neue Hörerfahrungen (sorry für meine missionarischen Eifer ....doch nein meine Eiferei tut mir nicht leid )
LG
Nicht wahr? Das gleiche solltest Du Dir auch zu Herzen nehmen