Arturo Toscanini - von Puccini-Premieren zum Radio-Star in den USA

  • Hallo Walter,


    wie gesagt, ich kenne die Aufnahme nicht, wollte dieses Zitat in seiner Schärfe nur mal in den Raum stellen. Nachdem es ja keine von Schostakowitsch selber dirigierte Aufführung zu hören gibt, kann man ja wohl sowieso nicht mehr zuverlässig sagen, wer seinen Intensionen am nächsten kommt. (Schostakowitsch war nämlich ein absolut unfähiger Dirigent, wie er selbst sagt)


    Allgemein zu Toscanini möchte ich sagen, dass er mich überhaupt nicht anspricht, seine Beethoven-Aufnahmen, die oft gerühmt werden, demonstrieren ausser beachtlicher Orchesterpräzision nichts, einfach kein Gefühl für die Musik.


    Dazu kommt noch der oftmals schlechte Klang der alten Aufnahmen, insgesamt kein Dirigent für mich


    Gruß, flo

    "Das Leben ist zu kurz für schlechte Musik"


    Wise Guys 2000

  • Ich hab heute nach längerer Abwesenheit mal wieder ins Forum reingeschaut. Zu Toscanini war einer der letzten Beiträge. Ich bin - um das vorwegzunehmen - kein wirklicher Fan von Toscanini! Aber sagen wir mal, ich begegne ihm mit höchstem Respekt, kenne vor allem die Aufnahmen mit Horowitz/Tschaikowski Klavierkonzert usw. Ich habe die Biografie von Harvey Sachs "Toscanini" (Piper) quergelesen. Das hat mich damals tief beeindruckt, was der Mann schon in jungen Jahren auf die Beine gestellt hat. Mit einem eigenen Orchester eine Südamerikatournee... Alles auswendig dirigiert. Ich glaube, er war ein kleines Genie... Daraufhin hab ich mir gleich noch die Biografie von Howard Taubmann (Scherz Bern 1951) zugelegt. Da gibt es einige erhellende Fotos, zusammen mit seinem Konzertmeister Enrico Polo aus Genua 1896 z.B. oder der stolze Vater mit seiner 3-jährigen Tochter Wanda auf dem Schoß - der späteren Frau Horowitz. Sie schaute aber auch damals schon recht ernst drein. Das letzte Bild zeigt ihn mit seiner Enkelin Sonya Horowitz, der es nicht so gut erging, trotz materiellem Überfluss. Was ich zum Ausdruck bringen wollte, Toscanini hatte ein impulsives Privatleben. Er war aber auch irgendwie ein kleiner Snob, so schätze ich das ein - immer bedacht auf Kleidung vom Schneidermeister...

  • Auf freundlichen Hinweis setze ich meine Ausführungen zu Toscaninis Traviata-Einspielung von 1946 nun unvermittelt in diesen Toscanini-Thread.


    Die Aufnahme ist meines Wissens wegen der gewählten Tempi sehr umstritten. Es lässt sich auch in der Tat nicht leugnen, dass insbesondere die Protagonistin Licia Albanese bei ihren Koloraturen jenseits der Grenzen ihrer Möglichkeiten getrieben wird. Auch Jan Peerce als Alfredo und der junge Robert Merrill als Germont können sich nie frei entfalten, sondern bleiben eingezwängt in Toscaninis eisern vorwärtsdrängenden Impetus.


    Im Resultat ergibt sich keine "schöne" Aufnahme, dafür eine kompromisslos intensive. Und obwohl ich nicht anstehe, viele Details als "unmusikalisch" zu empfinden berührt mich die Aufnahme insgesamt doch sehr.


    Ich denke, dass der Grund dafür in dem Umstand zu suchen ist, dass Toscanini zwar die Grenzen seiner Musiker überschreitet und dadurch ein nicht besonders frei sich entfaltendes Ergebnis erzielt, das jedoch seinen manischen Ausdruckswillen hinter der verhetzten Fassade spürbar macht - für mich kommuniziert sich nicht sosehr die tatsächliche Aufnahme, sondern vielmehr der dahinerstehende Ausdruckswille.


    Aus diesem Grund möchte ich diese Platte auch auf gar keinen Fall missen.


    A domani,
    Flo

    "Dekonstruktion ist Gerechtigkeit." (Jacques Derrida)

  • Hallo,


    Toscanini war nicht nur gut, sondern er war ein Genie.
    Er ist auch keineswegs vergessen, sondern seine Einspielungen werden immer Referenzcharakter behalten.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Toscanini war keineswegs ein Genie, sondern ein sehr guter Dirigent für ein ganz bestimmtes Repertoire. Einige seiner Aufnahmen haben zu Recht Referenzcharakter und werde ihn auch behalten. Leider ist das gerade nicht mein Repertoire...


    Ansonsten wird der Maestro für meinen Geschmack arg überschätzt. Als ich noch ein junger Spund war, habe ich ihn auch für das Maß aller Dinge bei Beethoven gehalten. Ich wurde dann aber von diesem Irrglauben kuriert, als ich Furtwängler, Leibowitz und andere hörte.


    Wenn ihm das Werk nicht wirklich liegt, treibt er ihm idR mit seiner starren Spielweise jede Seele aus. Die Aufnahmen vor dem Kriege zeigen diesen Wesenszug noch nicht in so markanter Deutlichkeit, aber mit zunehmendem Alter trat er immer stärker hervor. Die so weit verbreiteten Beethoven - Aufnahmen nach dem Kriege halten bereits einen Vergleich mit seinen Vorkriegsaufnahmen nicht aus, verglichen mit anderen Dirigenten dieser Zeit sind sie einfach leblos und tot, die Musik ist an Unterkühlung gestorben....

  • Lieber Herbert,


    ich habe mir 1991 oder '92 die damals gerade herauskommende RCA Gold Seal Toscanini Collection einschließlich der VHS-Kassetten gekauft und das meiste davon auch tatsächlich gehört, vieles mehrfach und immer mit einer gewissen Faszination. Ich habe mir sogar hauptsächlich wegen dieser CDs einen Equalizer gekauft um ihre Schrillheit und Aggressivität zu mäßigen.


    Was mich an ihm fasziniert ist sein konstanter Hochdruck, aber mich überzeugt daran wirklich nur der Wille, nicht das Resultat - eine geniale, stellenweise das Werk illumnierende Karikatur.


    Wobei mir seine Brahms-Symphonien wirklich gefallen, was allerdings nicht für das Doppelkonzert gilt (aber da bin ich durch die Schneiderhan/Starker/Fricsay-Aufnahme wohl für alles andere verdorben).


    Trotzdem studiere ich ihn immer wieder, eben weil er mich wegen seiner Radikalität interessiert - aber wenn ich die Musik hören will wende ich mich anderen Aufnahmen zu...


    Nix für ungut,
    Flo

    "Dekonstruktion ist Gerechtigkeit." (Jacques Derrida)

  • Hallo Robert,


    ein genialer Dirigent, und das war Toscanini, ist für mich ein Genie. Die meisten Dirigenten, die nach ihm kamen, haben sich an ihm orientiert (F. Busch, G. Cantelli, H.v.Karajan, G. Solti, um nur einige zu nennen). Viele italienische Komponisten haben ihm die Uraufführungen ihrer Werke anvertraut (Puccini, Leoncavallo, Boito, Giordano, Zandonai, et.c.). Er leitete viele ital. Erstaufführungen von Wagners Werken, Onegin von Tschaikowsky, Debussys Pelleas et Melisande, u.s.w. Über seine Aufnahmen von Verdis Opern und Requiem, gibt es gar keine Diskussion. Sie sind einmalig. Vor allem die beiden letzten Opern seines Idols.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Verdi ist ja auch Dein Idol :) wie man am Avatar erkennt. Toscanini kann es nicht sein, denn der ist nicht so hübsch :D


    Deshalb will ich auch gar nichts gegen Deine Wertschätzung sagen :hello: zumal das ital. Repertoire (das mit den Gassenhauern :baeh01: ) unbestritten sein Repertoire ist. Sie wird nur nicht von mir geteilt. Ein genialer Dirigent sollte der von ihm dirigierten Musik nicht jede Musikalität austreiben. Erlebe ich soeben wieder bei Debussys La Mer (auch nicht sein Ding).


    Der Streit zwischen Toscaniniisten und Furtwängleristen ist so alt wie die Musik und trägt schon Züge des Streits zwischen den Anhängern verschiedener HiFi-Kabel. Jede Position hat ihr Für und Wider:


    Du hast Toscanini, ich habe Recht! :P ;)

  • Zitat

    Der Streit zwischen Toscaniniisten und Furtwängleristen ist so alt wie die Musik


    Na ja, die Musik hat wohl ein paar Jährchen mehr auf dem Buckel als rund 70.


    Abgesehen davon: Ich will wieder einmal sein wie der weise Salomo und für den gerechten Ausgleich sorgen: Ich mag beide nicht.
    "La mer" unter Toscanini - nein danke. "La mer" unter Furtwängler - falls er's überhaupt aufgenommen hat - lieber nicht.
    :untertauch: vor Robert.
    :untertauch: vor Herbert

    ...

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Liebe Leute,


    als ich den Thread-Titel las, dachte ich: "Nein, vergessen ist Toscanini nicht. Nur lohnt es sich nicht mehr über ihn zu streiten, da jeder weiß, was man an ihm hat."


    Nun ja, die Lektüre der Beiträge zeigt, dass man sogar über Toscanini streiten kann, erstaunlich. Selbstverständlich ist, dass Toscanini nicht alles gelang. Wer kann das schon von sich behaupten? Das aber, was Toscanini gelang, das, was ihm lag, erreicht einsame Höhen. Seinen Otello, seinen Falstaff dürfte sich wohl auch der Hartgesottenste nicht zu kritisieren trauen. Und die schlechten Aufnahmen braucht ja niemand zu hören.


    Hier sollte ganz im Sinne Pius der Ort sein, denjenigen, die Toscanini kennen lernen oder wieder einmal hören wollen - zu letzteren gehöre auch ich - ein paar Tipps zu geben. Zum Teil ist das oben ja bereits geschehen. Gern setze ich mit der Empfehlung von Finlandia fort:



    In dieser Aufnahme wird bei aller Kürze des Stückes deutlich, was Toscanini beherrschte wie kein Zweiter: Dramatik und Spannung. Finlandia, ein Stück, das ich an sich nicht sonderlich schätze, wird durch Toscanini aufwühlend und mitreißend. (Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich die Sibelius-Symphonie schon lange nicht mehr gehört habe, fragt also nicht nach ihr).


    Welche Aufnahmen gibt es noch von Toscanini, die die Bezeichnung "must have" vertragen?


    fragt Thomas

  • Übrigens sehe ich gerade beim Betrachten der Discographie, dass Toscanini La Mer sieben Mal aufgenommen hat! Das Stück muss ihm am Herzen gelegen haben. Interessehalber habe ich geschaut, was Toscanini von Mozart aufgenommen hat. Wie ich mir dachte, ist es nicht viel. Man stelle sich mal vor: Toscanini dirigiert die kleine Nachtmusik :kotz:


    Thomas

  • Jetzt muss ich Herbert aber zur Seite stehen!!!


    In letzter Zeit habe ich einiges von Toscanini gehört :)


    Zitat

    Welche Aufnahmen gibt es noch von Toscanini, die die Bezeichnung "must have" vertragen?


    Na ja italienische Opern 1800-1930 sind unter seinem Dirigat einmalig, konnte Auszüge von Rossini, Donizetti und Puccini in meiner Sammlung finden =)
    Auch Mozart würde ich gern unter Arturo hören - so einen flotten Figaro oder Don Giovanni hätte er sicherlich hinbekommen :pfeif:
    Die kleine Nachtmusik kann ich sowieso nicht mehr hören :D da ist es also kein Verlust :angel: - ärgerlich dagegen die miese Aufnahmequalität der Zeit: bei Opern nerven einfach fiepsende Soprane, schwankende Dynamik etc. :(


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Es gibt Stücke, die sehr populär sind und es deshalb auch auf eine beachtliche Zahl von Einspielungen bringen. In meiner Sammlung befinden sich 23 Gesamtaufnahmen von Puccinis "La Boheme". Diejenige, die mir am allerliebsten ist, ist jene von Arturo Toscanini dirigierte aus dem Jahr 1946. Der Gesamteindruck ist für mich so stark, dass es für mich keine Rolle spielt, dass die Solisten Schwächen haben oder das Orchester keines der "grossen" ist oder der Klang Wünsche offen lässt. Für mich ist diese Aufnahme wie ein Krimi: völlig unsentimental, ohne aufgesetzte, süsse Gefühligkeit oder schwelgerischen Zuckerguss treibt hier eine Geschichte unaufhaltbar auf eine Katastrophe zu. Was ich ganz toll finde: dass die Sänger bemüht sind, die Intentionen des Dirigenten umzusetzen, ohne Rücksicht darauf, dass ihnen mancher Effekt genommen wird - allein schon, wegen des rasanten Grundtempos, das ein Verweilen nicht zulässt. Aber dadurch erreicht Toscanini eine Unmittelbarkeit, die unter die Haut geht, auch nach 60 Jahren noch. Ich bin überzeugt, dass es immer Musikfreunde geben wird, die solche Interpretationen hoch schätzen und die deshalb keinesfalls in Vergessenheit geraten werden.

  • Zitat von ThomasNorderstedt

    Welche Aufnahmen gibt es noch von Toscanini, die die Bezeichnung "must have" vertragen?


    Ich kann mich zwar nicht an der Vorkriegs/Nachkriegs-Beethoven-Debatte beteiligen (weil ich Vorkriegs nicht oder kaum kenne), aber seine Beethovensinfonien und -ouverturen sollte man mal gehört haben. Auch wenn die Neuheit oder gar Unerhörtheit dieses Zugangs ja heute beinah zum Standard geworden ist.
    Eine persönliche Lieblingsaufnahme meinerseits ist Beethovens 3. Konzert mit Rubinstein.
    Außerdem
    - Wagner: Auszüge aus Walküre ca. 1941
    - Bilder einer Ausstellung (ich mag die Orchesterfassung eher nicht, aber das ist eine sehr klare, unkitschige Aufnahme.
    - Brahms' 2. Sinfonie , aber da kann man noch lieber zu einem wirklich zu Unrecht im Hintergrund stehenden Dirigenten greifen, von dem leider nur wenige Tondokumente in akzeptabler Qualität erhalten sind (diese 2. von ca. 1950 klingt aber gut), Fritz Busch (auf EMI Great Conductors).


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo Alviano,


    ich habe auch durch die harte, unerbittliche Boheme-Aufnahme von Toscanini den Weg zu Puccini gefunden.Puccini erschien mir immer operettenhaft und weinerlich. Durch Toscanini wurde ich dann eines besseren belehrt.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Hallo Leute,


    ich habe die Beiträge in diesem Thread gelesen und will mal meine Meinung zu Toscanini kundtun; das nicht jede Aufnahme gefällt, ist klar, das mag an der Sichtweise des Dirigenten liegen, dazu kommen noch akustische Aspekte (Studio 8 H). Das er ein Rhytmus- und Tempofanatiker war, ist bekannt, dass, in seine Opernaufnahmen die rein stimmlichen Leistungen der Sänger, die nicht immer die Möglichkeit haben, ihre Vorstellung einer Interpretation zu verwirklichen, ist auch klar.
    Da Toscanini mit vielen Komponisten seiner Zeit persönlich in Kontakt stand, wird den Aufnahmen mit Werken derjenigen ein großes Maß an Authenzität zugesprochen, jedoch ist, meiner Meinung nach fraglich, ob die jeweiligen Komponisten sich ihre Werke so interpretatorisch vorstellten, wie Toscanini sie umsetzte (Schostakowitsch mag als Beispiel stehen);
    Die Leistungen des NBC-Orchesters sind trotz der gepriesenen Werktreue Toscaninis nicht immer ideal zu nennen (letztes Konzert Toscaninis mit Wagner-Werken, allerdings von hervorragender Tonqualität, da STEREO aufgenommen; das Orchester spielt -auch das ist meine Meinung- nur schlampig).
    Seine Opernaufnahmen leiden zum Teil, wie schon angeführt, unter vokalen Fehlbesetzungen (Peerce, der klingt, als ob er kurz vor einem Infarkt steht).
    Es muss aber gesagt werden, dass Toscanini für die Musik ausserordentliches leistete und vielen Dirigenten Vorbild war (Busch, Fricsay), aber auch Konkurrenten hatte, wobei es ihm schwerfiel, diese anzuerkennen.


    Aufnahmen, die in keiner Sammlung fehlen sollten (subjektiv):


    Beethoven-Sinfonien (50 er-Jahre), op.37 (mit Myra Hess, 1946) Brahms op. 73, op.102, Respighi, Sibelius (2. Sinf. und Orchesterwerke);Verdi-Requiem, 1951
    Opernaufnahmen: Meistersinger und Falstaff (Salzburg, 1937);
    La Traviata (Generalprobe, 1946)
    Un Ballo in maschera (1954).
    Besondere Aufmerksamkeit verlangen die Probenmitschnitte, die vielleicht darüber Aufschluß geben können, was es mit seiner "Diktatur" in Sachen Notentexttreue auf sich hat.


    Gruß Heldenbariton

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

  • Zur Erinnerung: Genau heute vor 50 Jahren verstarb der Maestro im Alter von knapp 90 Jahren. Gewiß ein Anlass, diesen thread mal nach vorne zu holen...


    Gerade habe ich die 2. u. 4. Sinfonie von Beethoven, sowie Leonore III in einem Radiokonzert von 1939 (NBC, auf Naxos erschienen, inkl. Radiokommentar) gehört. Sehr hörenswert und von ein paar Stellen abgesehen, recht guter Klang


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
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    (Bob Dylan)

  • Meine Lieblingseinspielungen unter dem Dirigat Arturo Toscaninis sind:


    - Brahms 1. Symphonie: NBC-Orchestra (1. Satz: Kraft und Urgewalt pur)
    - Beethoven 1. Symphonie: NBC-Orchestra
    - Beethoven 2. Symphonie: NBC-Orchestra
    - Beethoven 3. Symphonie: NBC-Orchestra
    - Beethoven Fidelio: Peerce, Bampton, Moscona, Janssen u.a., NBC-Orchestra
    - Tschaikowsky - Konzert für Klavier Nr. 1 b-moll, Waldimir Horowitz, NBC-
    Orchestra (Wo gibt es dieses besser?)
    - Verdi, Otello: Vinay, Nelli, Valdengo u. a., NBC-Orchestra (Unerreicht!)


    Man mag den Klang trocken und/oder steril empfinden...mir gefällt dieser "zupackende direkte" Klang außerordentlich.


    Man mag diesen Interpretationen mangelndes Gefühl für die Musik unterstellen...ich kann das nicht erkennen. Toscanini war hochemotional, stellte aber das Werk ansich in den Vordergrund und nicht die Interpretation des Dirigenten. Ich weiß auch nicht was ein bestimmter Komponist z. B. Beethoven selber dazu sagen würde.


    Man mag auch die Tempi für überhitzt halten...ich halte Sie für angemessen und insbesondere bei den Beethoven-Symphonien für richtig. Über die grundsätzliche Tempi-Frage: Was ist das richtige Tempo (?) war und wird immer wieder gestritten (siehe Harnoncourt, Klemperer usw.); das wird auch nie enden. Die Komponisten können sich meistens dazu nicht mehr äußern.
    (Deshalb die vielen Interpretationsansätze! Bei meinen Lieblingskomponisten außerhalb der sogenannten "klassischen Musikwelt" ist das zu meinem Vergnügen anders, diese haben alles selbst eingespielt und somit die Tempi im Original festgelegt...).
    Ich für meinen Teil, lehne die "romantisierende, 'statuische', pathosbeladene (Zeit-)Dehnung" meist ab, aber ich verdamme sie nicht. Gegebenenfalls werden die Feinheiten oder bestimmte Aspekte einer Komposition dadurch klarer. Darüber hinaus bleibt dadurch die Interpretationsgeschichte offen.


    Man mag die Interpretationen für "Militärmusikähnlich" halten...dazu würde ich der Gegenposition polemisch antworten...: "Besser als "Kirchgangähnlich".


    Man mag einige Aufnahmen für nicht gelungen halten. Wenn schon...welcher Dirigent hat nur Top-Leistungen? Meines Erachtens ist die Anzahl von sehr guten bis Top-Einspielungen unter Toscanini zumindest beachtlich hoch.


    Toscanini hat das Opernwesen in Italien zum Guten reformiert, d. h. er hat viele Unzulänglichkeiten beseitigt, ähnlich G. Mahlers in Deutschland, sich für zeitgenössische Musik eingesetzt, war ein begehrter Uraufführungsdirigent, war stilprägend für viele (große) Dirigenten nach ihm, war ein sehr guter "Orchestererzieher" und hat darüber hinaus bestimmten Versuchungen (Mussolini) - im Gegensatz zu anderen Künstlern seiner Zeit - widerstanden, was seiner persönlichen Integrität zur Ehre gereicht.


    Für mich der "größte" Dirigent.


    Bis dann.

    2 Mal editiert, zuletzt von keith63 ()

  • Das kann ich nur voll und ganz bestätigen. Toscanini war zweifellos der bedeutenste Dirigent des 20sten Jahrhunderts. Er hat die meisten Dirigenten die nach ihm kamen, durch seine Arbeit inspiriert ( F.Busch, G.Cantelli, Karajan, Solti u.v.a.).
    Ihn als nicht gut zu bezeichnen wäre wirklich völlig absurd. Der Mann war ein Wunder, ein Phänomen. Er ist auch keineswegs vergessen, was die zahlreichen Aufnahmen bestätigen.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

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  • Hallo Herbert,


    bitte nicht böse sein: Dein Statement ist eine ähnlich undifferenzierte Huldigung, wie sie auch in den Karajan-Threads vorkommen. Toscanini war sicher einer der bedeutendsten Dirigenten des 20. Jahrhunderts. Aber nicht einmal in seinem ohnedies eng begrenzten Repertoire war er in allem unübertroffen.


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Hallo Herbert,
    bitte nicht böse sein: Dein Statement ist eine ähnlich undifferenzierte Huldigung, wie sie auch in den Karajan-Threads vorkommen. Toscanini war sicher einer der bedeutendsten Dirigenten des 20. Jahrhunderts. Aber nicht einmal in seinem ohnedies eng begrenzten Repertoire war er in allem unübertroffen.
    :hello:

    Hallo Edwin,


    wer ist in allem unübertroffen? Gibt es solche menschgewordenen Phänomene überhaupt, ich behaupte dieses nicht einmal von Toscanini. Suchst Du so etwas? Aber die Meinung, daß er ein Genie (nicht Gott!) war, teile auch ich.


    Bis dann.

  • Hallo Edwin,


    ich glaube nicht, daß seine Verdi-Interpretationen (Traviata, Un Ballo, Otello, Falstaff.) je übertroffen wurden. Auch Mozart, Beethoven, Wagner, Brahms, Tschaikowsky, Mussorgsky, Debussy, Ravel, Respighi, Strauss, etc.) wurden oft anders interpretiert, aber für mein Empfinden nie überzeugender als von ihm. Das ist meine Meinung, die von vielen Musikern und Musikfreunden in aller Welt geteilt wird. Er hat sich auch der neuen Musik angenommen, das war in seinem Fall Puccini, Catalani, Boito, Leoncavallo, Debussy, Ravel, Respighi, Copland, Gershwin, u.a.. Komponisten die nicht sein Ding waren, hat er nicht in sein Repertoire aufgenommen (Bruckner, Mahler, Strawinsky, Schostakovitch und neuere).
    Wer ist heute noch so konsequent ?


    (Ich bin Dir natürlich, wie immer nicht böse, wenn Du eine andere Meinung hast, aber umstimmen kannst Du mich nicht.)

    :hello:Herbert. :D

    Tutto nel mondo è burla.

  • Nun ja, Herbert, Schostakowitsch hat er sehr wohl dirigiert, und Schostakowitsch verteufelt diese Interpretation als eine der am meisten gegen sein Werk gerichteten. Aber ich behaupte nicht, daß der Komponist in Bezug auf Interpretation unbedingt recht haben muß.


    Meiner Meinung nach ist Toscanini bei Debussy völlig daneben, bei Wagner in höchstem Maße diskutabel, bei Beethoven meiner Meinung nach auch (vor allem in den schnellen Sätzen), und ob man der Musik der anderen Klassiker und Romantiker mit beinhart durchgezogenen Tempi beikommen kann, frage ich mich durchaus. Aber diese Diskussion hatten wir, glaube ich, schon.


    Daß er die epochale "Boheme" dirigiert hat (wesentlich besser als der Karajan-Kitsch), daß er einen wirklich atemberaubenden "Otello" und "Falstaff" aufgenommen hat - unbenommen. Und das führt eben dazu, daß ich von ihm als wesentlichen Dirigenten seiner Epoche spreche. Aber der allergrößte - wer ist das schon?


    Zitat

    Wer ist heute noch so konsequent ?


    Das kann ich Dir sagen - obwohl es Dich wahrscheinlich nicht freuen wird: Pierre Boulez. Er hat nicht ein einziges Mal ein Werk dirigiert, von dem er nicht überzeugt war. Was dazu führt, daß man ihm ein lückenhaftes Repertoire nachsagt. Ich nicht, mich stört das keineswegs - bei Boulez sowenig wie bei Toscanini.


    :hello:

    ...


  • ad 1: Zupackend und direkt geht in Ordnung, aber da ist mE noch ein Unterschied zu trocken/steril. Wenn man seine Vorkriegsaufnahmen der Beethoven-Symphonien mit dem letzten Zyklus vergleicht, merkt man das durchaus, zB auf den Naxos-CDs mit dem BBC SO im Vergleich zu RCA. Bei Naxos kommen die Qualitäten Toscaninis zum Vorschein. Während - selbst unter Berücksichtigung der berüchtigten Akustik des RCA-Aufnahmestudios H 8 - der letzte Zyklus den Symphonien "die Seele austreibt".


    2. Das ist eine weitverbreitete Legende, die nicht durchgehend richtig ist, Toscanini schreckte keineswegs vor willkürlichen Eingriffen in das Werk zurück. Mit dem Tempo nahm es es oft nicht so genau und änderte es teils von Aufführung zu Aufführung. In anderen Fällen, zB Beethovens 9., Schumanns Rheinischer, oder der 1. und 3. von Brahms, verdoppelte er Stimmen oder ordnete sie anders an. In anderem Zusammenhang habe ich gelesen, daß er zwei volle Seiten der Partitur durch eigene Ergänzungen und Verbesserungen ersetzt hat (leider weiß ich die akkurate Fundstelle jetzt nicht auswendig).


    3. Bei mir ist es genau umgekehrt, wobei die Bevorzugung von zB Furtwängler oder Mengelberg derzeit auf Beethoven beschränkt und dem Bereich des persönlichen Geschmacks zuzuordnen ist. Der andere Zugang ist sicher gleichberechtigt.


    4. Nun ja, dafür war es mit seiner Integrität nicht weit her, als es zB galt, Furtwängler von den USA fernzuhalten, und zwar schon vor dem Krieg. Seine Ablehnung des ital. Faschismus und des deut. Nationalsozialismus war echt und gereicht ihm zur Ehre, weniger dagegen das überhebliche moralisierende Getue, wenn es darum ging, den Stab über andere Künstler zu brechen, die sich nach reiflicher Prüfung und mit guten Gründen für ein Bleiben entschieden haben.



    Wenn Herbert übertreibend feststellt, Toscanini sei der größte Dirigent des 20.Jahrhunderts gewesen, dann möchte ich das dahin korrigieren, daß er EINER der bedeutendsten Dirigenten dieser Zeit gewesen ist. Es tut nichts zur Sache, daß ich ihn weiter unten ansiedele. Das hängt mit meinem persönlichen Geschmack und meinen Repertoireschwerpunkten zusammen.


    Bei Herbert als Opernliebhaber :hello: sieht das natürlich ganz anders aus.

  • Lieber Edwin,


    ich bin Dir dankbar, das Du mich auf Schostakovitch aufmerksam gemacht hast. Mir war entfallen, daß ich selber die 7. mit ihm auf Schallplatte habe. Ich bin später dann im Fall Schostakowitch zu Mrawinskij übergelaufen, habe aber gerade noch mal den Briefwechsel: Toscanini, Stokowski, bezüglich der amerikanischen Erstaufführung der 7. gelesen. Was Verdi und Puccini betrifft, sind wir ja ohnehin einer Meinung, was die Interpretation durch Toscanini betrifft.
    Über Boulez als Dirigent sind wir uns auch einig. Der eine Ausrutscher von ihm war ja die 5.Beethoven, aber das hatten wir ja auch schon. Soviel Einigkeit ist schon fast peinlich. :D


    (Es ging mir eigentlich nur darum, den Threadtitel ad absurdum zu führen. Toscanini ist weder nicht gut, noch vergessen.)


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Hallo Robert,


    Zitat:
    "2. Das ist eine weitverbreitete Legende, die nicht durchgehend richtig ist, Toscanini schreckte keineswegs vor willkürlichen Eingriffen in das Werk zurück. Mit dem Tempo nahm es es oft nicht so genau und änderte es teils von Aufführung zu Aufführung. In anderen Fällen, zB Beethovens 9., Schumanns Rheinischer, oder der 1. und 3. von Brahms, verdoppelte er Stimmen oder ordnete sie anders an. In anderem Zusammenhang habe ich gelesen, daß er zwei volle Seiten der Partitur durch eigene Ergänzungen und Verbesserungen ersetzt hat (leider weiß ich die akkurate Fundstelle jetzt nicht auswendig)."



    Das stimmt! Ausnahmen bestimmen die Regel.


    Bis dann.

  • Zitat

    Original von Herbert Henn
    Lieber Robert,
    Dein letzter Absatz, ohne Nr. gefällt mir am besten. :D


    Wie kommt das bloß? :D


    keith63:


    Ich bin der Meinung, müßte das aber noch näher anhand der Fachliteratur überprüfen, daß es eine ebenso weitverbreitete Legende ist, Furtwängler sei mit der Partitur freizügig umgegangen. Meiner Meinung nach sind To und Fu in dieser Hinsicht keineswegs die Welten voneinander entfernt, wie man glauben mag. Ihr Stil ist sicher sehr verschieden, aber beide haben das Werk in den Mittelpunkt gestellt, nicht sich selbst. Ihre Freizügigkeiten haben ihre Ursache nicht in persönlicher Eitelkeit oder im Geltungsbedürfnis, sondern es sind begnadete Vollblutmusiker.

  • Hallo Robert,


    Zitat

    3. Bei mir ist es genau umgekehrt, wobei die Bevorzugung von zB Furtwängler oder Mengelberg derzeit auf Beethoven beschränkt und dem Bereich des persönlichen Geschmacks zuzuordnen ist. Der andere Zugang ist sicher gleichberechtigt.


    Dazu kann ich Dir sagen:
    Auch wenn ich dem Interpretationsansatz Toscaninis zugeneigt bin, muß ich gestehen, daß ich die Aufnahme der 9ten Beethovens von Furtwängler 1942 für unübertroffen halte.


    Den Gegensatz Toscanini-Furtwängler sehe ich zwar, aber nicht dogmatisch. 'Den Ringkampf der persönlichen Eitelkeiten können die beiden Meister jetzt im Klassikhimmel alleine unter sich ausmachen' [An dieser Stelle setzen manche jetzt den Kalauersmile oder den Zwinkersmile].


    Bis dann.

    Einmal editiert, zuletzt von keith63 ()

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