Im Feuilleton der gestrigen FAZ hat der Musikredaktuer Dirk Schümer einen Betrag zur Stadt Parma als "Mekka der Verdi Forschung" und Geburtsstadt Toscaninis verfasst.
Darin erinnert uns Schümer zum einen daran, wie sehr die Karriere und das Nachleben eines Dirigenten von der Möglichkeit der technischen Aufzeichnung seiner Interpretationen geprägt war und ist. Und er verdeutlicht dies unter Berufung auf den Parmeser Musikwissenschaftler Marco Capra am Fall des Dirigenten Cleofonte Campanini, der wie Toscanini 1860 in Parma geboren wurde, zu Lebzeiten ebenso berühmt wie Toscanini gewesen sei, jedoch das Pech hatte, bereits 1919 als Leiter der Chicagoer Oper zu versterben, so dass er an dem in den 1930er und 40er Jahren einsetzenden Schallplattenboom nicht mehr teilhaben konnte. Wie stark wiederum Toscanini von dieser Entwicklung profitierte, hat Joseph Horowitz in seinem Buch Unterstanding Toscanini dargestellt. Über Campanini hingegen kann man heute nur sehr wenig an Material finden. An Tonaufnahmen gibt es wohl nur einige orchestrale Liedbegleitungen der Sängerin Luisa Tetrazzini in der Reihe Prima Voce (Naxos).
Zum anderen zitiert Schümer Capras These vom Mythos der unbedingten Partiturtreue Toscaninis: "Toscanini dirigierte letztlich alles, wie er es wollte. Bei Debussy veränderte er die Partitur regelrecht, aber weil der Dirigent damals schon berühmter war als der Komponist, ließ Debussy es eben geschehen". Ich habe darauf hin, nochmals die Einspielungen Tocsaninis der von Brahms 1. Sinfonie und Beethovens 5. Sinfonie durchgehört und konnte keine nennenswerten Abweichungen feststellen.
Es würde mich interessieren, ob jemand im Forum andere Erfahrungen gemacht hat, die die These Capras stützen könnten oder sie ebenfalls widerlegen.
Loge