Lieber Christoph,
nachdem ich mich hier durchgearbeitet habe, verstehe ich auch Deinen Unwillen etwas besser (ich war halt zu faul, erstmal zu lesen, und hab gleich drauflosgetippt; das wirkte dann auf Dich und andere, als müßten sie sich allerhand längst Ausdiskutiertes in unausgegorenem Zustand nochmal anhören, dazu noch im ausgesucht falschen Thread).
Was mich am CD-Ranking zur Oper wundert ist, daß keiner die EMI-Aufnahme unter Cluytens mit Rothenberger und Seefried auch nur erwähnt - auf LP such ich sie seit Jahren (hab bloß den Querschnitt), sie muß entweder sehr selten oder sehr beliebt unter Japanern sein . Das Cover ist allerdings sehr speziell, vergleichbar der Carmen unter Horst Stein .
Ob ich mir die MET-Produktion zulegen würde, weiß ich noch nicht; auf utube gibt´s bloß einen Ausschnitt vom Anfang. Woran sich im Ranking-Thread die Kritiker der Donath aufhalten - das immergleiche aufgesetzte Lächeln - das scheint mir auch das Problem der Blegen zu sein. Hier schreibt jemand weiter oben, die Darstellung der Titelfiguren kranke oft an einer künstlichen Kindlichkeit, die zur kindischen Herumhüpferei werde (ich zitiere sinngemäß). Momentweise fand ich das Spiel von Damrau und Kirchschlager (in der Covent Garden Produktion) ideal und sehr berührend (aber dazu müßte ich erst das 2. Bild aus der MET vergleichen). Außerdem gibt es für mich etwas, das auf dem Weg nach Hollywood auf der Strecke bleibt (was so pauschaliert natürlich Unsinn ist). In Great Britain und in Frankreich hat man ein unvergleichliches Feingefühl in der Inszenierung historischer Stoffe - ich denke mir immer, das müßte Dein Ideal sein, James Ivory, BBC-Dickens oder "Ridicule". - Das Bühnenbild in der MET hat mich an die Waltons erinnert, ein tadellos aufgeräumte saubere Ärmlichkeit, eine unermüdlich gut gelaunte Gretel - es ist alles da; und doch berührt es mich nicht. Es ist so glatt wie ein Zeichentrickfilm. - Gleichwohl ist die Spielfreude sympathisch, und Federica von Stade mag ich sehr.
Natürlich übersehe ich auch nicht den Gewinn - daß nämlich die Szene in jedem Augenblick Sinn macht. Das Regietheater verfällt sozusagen zurück in den Symbolismus - die hier geführte Diskussion, ob es sich bei H&G um ein Sozialdrama handelt oder nicht, fand ich schon sehr erhellend. Schade, daß so viele nicht mehr dabei sind (was heißt eigentlich "gesperrt", Symbol goldenes Vorhängeschloß?).
Die Lehmann-Einspielung auf LP (anbei: Wolfgang meint, hoffe ich, 1952 ?) enthält im Textheft Bilder von Humperdincks Kindern, als Hänsel und Gretel kostümiert. 2 oder 3 Jahre alt, übrigens kurze Lederhosen (bei Edith reicht es noch nicht zu Zöpfchen). Es gibt auch zeitgenössische (50er?) Bühnenbilder zum 1. und 3. Bild (aus Frankfurt a.M.).
Kann man Hänsel und Gretel mit Kindern besetzen? M.E. nein, es handelt sich um anspruchsvolle Rollen für erwachsene Sänger, die mit höchster stimmlicher Differenzierungskunst Kinder darstellen. Wie Mussorgskijs "Kinderstube". - Anbei muß ich gestehn, daß H&G zu jenen Opern gehört, die trotz sparsamer Regieanweisungen sehr viel Lebensweltliches ins Libretto einfließen lassen, von der ,malerischen´ Musik ganz zu schweigen. - Die Instrumentation (ich habe dem Königskinderthread sei Dank einmal genauer darauf geachtet) der "Pantomime" ist unbeschreiblich. - Mir persönlich hat die Lösung in Covent Garden gefallen, weil sie, quasi E.T.A.-Hoffmannesk verfremdet, aus kindlichen Vorstellungen schöpft, also die Protagonisten nicht ans Konzept verrät. Du hast Dich ja schon bei utube und amazon dazu geäußert. Also bitte nicht hauen.
Ein frohes und glückliches und gesundes Neues Jahr 2011