Liebe Forianer,
seit meinem Einstieg in die klassische Musik ist die Moderne leider bisher von mir stark vernachlässigt worden: ein Zustand, der sich ändern soll!
Benjamin Britten schätze ich als Pianisten und Dirigenten außerordentlich, deshalb habe ich mir als Einstieg seinen PETER GRIMES ausgesucht.
Die Oper hat bisher ja noch keinen thread hier im Forum, und Brittens spätere Werke wie BILLY BUDD, DEATH IN VENICE und THE TURN OF THE SCREW werden ihr, so glaube ich wenigstens, wohl häufig vorgezogen, vielleicht weil der PETER GRIMES formal noch eine recht "konventionelle" Oper ist, mit Rezitativen, Arien, Duetten, Ensembles?
Da Peter Pears im Liedgesang zu meinen Lieblingssängern gehört, und da er ja auch die "Stimme des Komponisten" war, habe ich als erste Aufnahme die von Britten selbst dirigierte von 1958 gewählt (leider hat die Decca-Aufnahme kein Libretto beiliegend):
Also hier meine ersten Eindrücke aus der Sicht eines zwar musikbegeisterten, aber eben nicht mit Profi-Kenntnissen ausgestatteten Amateurs (Experten mögen mich bitte korrigieren, falls ich Unsinn schreibe!):
Ich hatte in musikalischer Hinsicht noch mehr Verismo erwartet (da ich nicht unbedingt ein Anhänger der veristischen Oper bin, war´s auch keine Enttäuschung):
Die Figuren werden hier meiner Meinung nach scharf und prägnant gezeichnet, wozu wohl auch die Betonung des Rhythmus in der Musik beiträgt, sind aber eher Typen oder Karikaturen als Individuen.
Oft erscheint hier alles "bigger than life":
Der großartige Chor erinnert mich z.B. in "Oh! hang at open doors the net the cork!" zunächst an Shanty-Musik, dann an einen hymnischen Gesang.
Bei dem genialen "Assign your prettiness to me" des lüsternen Swallow hatte ich zunächst die Assoziation eines komischen Musical-Songs, auch noch als die Mädchen ihn flankieren. Durch die zunehmende musikalische Disharmonie in dem Stück wirkt das Ganze jedoch immer bedrohlicher, und die Komik kippt.
Ellen erscheint in ihren klaren, oft sehr melodischen Linien zunächst ja als sympathische Lichtgestalt: "Let her among you without fault cast the first stone!"
Sie wirkt in ihren Versuchen, Peter zu helfen, jedoch zunehmend dominant und auch musikalisch einengend, ist meiner Meinung nach jedenfalls auch eine recht ambivalente Figur.
Den rauen Fischer Peter Grimes gibt es in dieser Aufnahme nicht - jedenfalls nicht mit stimmlichen Mitteln:
Peter Pears singt ihn als gequälten, erstaunlich fragil wirkenden Außenseiter, der, so finde ich, gerade dadurch in seiner Gewaltbereitschaft und seinem übermäßigen Anspruch, das Meer leer fischen zu wollen, umso verstörender wirkt.
Es wird eher eine mythische Figur dargestellt, ein modernerer FLiegender Holländer, als ein real wirkenden Fischer:
"Now the Great Bear and the Pleiades ...";
"What harbour shelters peace";
"Where is home?"
Umso erschreckender die Zerstörung in der Wahnsinns-Szene, vor allem das immer lallender wirkende "Peter Grimes, Peter Grimes,Peter Grimes" als Antworet auf die Rufe, oder die schauerliche Imitation des Anfangsmotivs in "accidental circumstances".
Es gibt ja auch bei dieser Figur wohl sehr unterschiedliche Interpretationsansätze. Ich habe vor einiger Zeit Ausschnitte aus einer Aufnahme mit John Vickers gehört, der auf mich viel rauer und ungefügter wirkt und dadurch vielleicht der Figur in der Vorlage etwas näher kommt?
Da ich gern vergleiche: Welche Einspielungen bevorzugt ihr, habt ihr Erinnerungen an großartige Live-Aufführungen?
Viele Grüße
Petra