Vergnügliches gibt es aus der Wiener Volksoper zu berichten: Der Einstand des neuen Direktors Robert Meyer mit Offenbachs Operette ist als äußerst gelungen zu bezeichnen. (Wenngleich ich Meyer trotzdem lieber als genialen Nestroydarsteller an der Burg sehen würde... )
Die Inszenierung ist das, was ich immer mit MM bezeichne, moderat-modern: Kein plüschiger Operettenkitsch, aber auch kein subtiler Seelenstriptease a la Konwitschny. Die Bühne ist sehr "aufgeräumt", wie ich es liebe, kommt mit wenigen Requisiten aus, die aber meist köstliche Persiflagen auf das jeweilige Ambiente liefern: Orpheus und Euridices Spießbürgeridylle wird durch einen Balkon mit Geranien symbolisiert, links und rechts davon zwei Eingangstüren, in die Wand der Orpheus'schen Wohnung ist ein Fenster geschnitten, durch welches man eine Blümchentapete sieht.
Der Olymp besteht aus einer Reihe von Liegebetten ("Wir sollten die Krise ausschlafen!" meint Jupiter später) und einem Tempel in der Mitte, der sich aber als Lifthäuschen entpuppt, denn die Götter reisen per Aufzug an. (Auch Pluto verlässt die Unterwelt per Aufzug, allerdings ist seiner Plexiglas-gestylt und erinnert an die eleganten Außenlifte diverser Kaufhäuser) Und wie bei einem Lift leuchtet auf dem Tempel auch immer der "Aufwärtspfeil" auf, wenn gerade ein Gott im Anflug ist. Eines der vielen witzigen Details dieses Bühnenbildes.
Die Kostüme würde ich als "modern, antik aufgepeppt" bezeichnen, d.h. jeder Gott wird mit irgendeinem Accessoir ausgestattet, das ihn "mythologisch identifizierbar" macht, um es mal so zu formulieren. Beispiel: Merkur, im Anzug des Business-man und dunklen Mafiosi-Brillen - ein Mann mit den besten Beziehungen zur Unterwelt - trägt dazu einen schick designten Silberhelm mit Merkurflügeln. Köstlich Cupido, der anstatt mit Pfeil und Bogen mit einer Dartscheibe unterwegs ist.
Die Regielis würde meine Zustimmung nicht teilen, denn die Inszenierung von Helmut Baumann vermittelt keinen neuen Blick auf das Werk, bringt keine neuen Erkenntnisse. Mir hat's trotzdem ausgezeichnet gefallen, vor allem der modernisierte, freche Text mit vielen witzigen Anspielungen. Jupiters Olymp ist hier ein in die Krise gekommenes Familienunternehmen, wo die Jungen gegen den erfolglosen, konservativen Führungsstil des "Alten" aufbegehren, eine Neustrukturierung und Gewinnbeteiligung einfordern, während Pluto, der sein Etablissement Unterwelt höchst erfolgreich betreibt, als Juppie-Typ den eingeschlafenen Olymp aufmischt.
Vor allem aber merkt man allen Beteiligten an, mit welchem Spaß sie bei der Sache sind, denn gespielt wird bis hin zur kleinsten Rolle vorzüglich. Keine Rede von langweiligem Stehtheater, diese Inszenierung hat Tempo und macht einfach gute Laune.
Nicht ganz so ungetrübt glücklich war ich, wie immer an der Volksoper, mit der gesanglichen Leistung.
Uneingeschränkt wunderbar fand ich Jennifer Bird als Euridice. Eine schöne, nie angestrengt wirkende Stimme, vor allem aber ein großes schauspielerisches Talent, das die gelangweilte Ehefrau und Leider-Nicht-Geliebte im Orkus mit Temperament und vor allem sichtbarem Vergnügen spielte. Ihr Kostüm (eigentlich eine Übertreibung für dieses Nichts ) im letzten Akt dürfte den Testosteronspiegel so mancher Herren im Publikum angeregt haben, denn das war schon sehr kühn (Besonders die Rückansicht...). Wäre AN je in diesem Outfit aufgetreten, würde Edwin wohl nicht "Erotikstar", sondern "Pornostar" gewettert haben.
Sebastian Reinthaller als umtriebiger Violinlehrer gefiel mir auch sehr gut, ebenso wie der Pluto Christian Baumgärtel, der in schwarzem Lackleder mit flammendrotem Frack als personifizierte Verführung daherkam und Euridices dringenden Wunsch nach einem Partnerwechsel verständlich macht
Genervt hat mich wie immer Martina Dorak (Diana) mit ihrer piepsigen Soubrettenstimme, der Rest des Ensembles entsprach weitgehend den Erwartungen, ohne mich stimmlich besonders zu beeindrucken. Da sie aber allesamt köstliche Typen auf die Bühne stellten und es schauspielerisch keine Schwachstelle gab (Bis auf Erni Mangold, die als "öffentliche Meinung" für meinen Geschmack ziemlich outrierte), nahm ich das diesmal gerne in Kauf. Peter Matic spielte den Styx. Ich liebe diesen Schauspieler sehr und freue mich über jeden seiner Auftritte, vielleicht verklärt also diese Liebe mein Hörvermögen, denn ich finde, dass er seinen "Prinzen von Arkadien" nicht schlecht gesungen hat. Von den Sprechrollen gebührt die Krone Helga Papouschek für ihre köstliche Göttermutter Juno.
Ich werde es mir sicher noch einmal anschauen, weil ich einmal auch den Herren Direktor als Styx erleben möchte. (Robert Meyer covert ja Peter Matic) Wer auch an einem vergnüglichen Operettenabend ohne allzu viel Tiefgang Gefallen findet, dem kann ich diesen "Orpheus in der Unterwelt" jedenfalls wärmstens empfehlen!!
lg Severina