WAGNER, Richard: Rienzi

  • Wagners Frühwerk RIENZI hat bisher kein eigenes Thema bekommen.


    Es gibt anscheinend dennoch einige Aufnahmen, von denen ich nur kurz folgende aufzählen will - ohne Wertung, da ich diese Oper bisher nicht gehört habe:




    Welche Aufnahme empfehlen die Wagner-Spezialisten?

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich besitze nur die EMI Aufnahme, kann also nicht vergleichen. Bin mit der Aufnahme aber zufrieden.
    Rienzi habe ich noch nie auf der Bühne erlebt. Das wird sich aber ändern: Am 16.11.07 hat das Stück in der renovierten Oper Leipzig Premiere.

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • In meinem Giftschrank treibt sich ein "Rienzi" herum, der wirklich zu den ausgemachten Wagnerkuriositäten gehört: ein Scalamitschnitt von 1962, auf italienisch, Titelrolle Giuseppe di Stefano (!), Raina Kabaivanska als Irene, dirigiert von Hermann Scherchen (!!). Was es nicht alles gibt...

  • Bei mir steht die Live-Aufnahme mit Kollo aus München im Schrank..
    ich suche allerdings noch eine RAI-Aufnahme mit Pier Miranda Ferraro in der Titelpartie (in ital.).
    Kann mir jemand zu dieser Aufnahme verhelfen ???



    :hello:Heldenbariton

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

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  • Nachdem ich die Oper heute zum ersten Male ganz gehört habe, und zwar in der DDR-Studioaufnahme unter Hollreiser mit Kollo, Adam und Schreier (1974-76; allerdings in der Original-CD-Version mit anderem Cover als das jetzige), muß ich sagen, daß dieses Wagner-Frühwerk wirklich hörenswert ist.


    Ein paar Längen lassen sich zwar nicht vermeiden, doch hat diese Oper einige wirklich sehr schöne Momente: Die Ouvertüre, das Ballett im Zweiten Aufzug, Rienzis Gebet im Fünften Aufzug und das Finale etwa.



    Übrigens hat Katharina Wagner den "Rienzi" vor kurzem für Bremen inszeniert. Mehr weiß ich darüber aber auch nicht.


    Das Werk wäre wirklich für Bayreuth reif!

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ganz kleine Korrektur: Die Hollreiser-Aufnahme enthält Kürzungen in den Ballett-Musiken. Die sind durchaus akzeptabel bis erfreulich, denn das ist wirklich nicht Wagners stärkste Musik. Wer einen wirklich kompletten "Rienzi" haben will, muß zu Edward Downes auf Ponto greifen: Technisch etwas mau, aber stereo - und ziemlich gut gesungen.
    :hello:

    ...

  • Mir kam das Ballett selbst gekürzt schon seeehr lang vor. :D


    Jedenfalls würde ich diese Oper gerne mal öfter auf dt. Bühnen sehen, denn für ein Frühwerk doch gelungen.


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Allen Rienzi Liebhabern kann geholfen werden:


    DOB Rienzi Premiere 24.1.2010
    Dir. M. Jurowski
    Insz. P. Stölz


    Besetzung:
    T. Kerl Rienzi
    C. Nylund Irene
    Adriano K.Aldrich
    Orsini K.Szumanski
    Die weiteren Vorstellungen:30.1.,7.10.Febr.
    5. und 11.4.


    Rita

  • Ich habe sie zweimal auf der Bühne erlebt (immer gekürzt, allerdings soll das Original ohne Pausen sechs Stunden dauern) . Musikalisch dürfte es sich um eine sehr wirkungsvolle Partitur handeln.


    In den 1990er-Jahren am Linzer Landestheater mit steriler Einheitskulisse (allerdings keine Umbaupausen), was allerdings der Verständlichkeit der Handlung nicht gerade förderlich war; Ende der 1990er-Jahre an der Wiener Staatsoper in einer zeitlos-modernen Inszenierung, die mit der Geschichte sehr kritisch umging, was aber bei dieser Aufführung für mich durchaus überzeugend war.

    Il mare, il mare! Quale in rimirarlo
    Di glorie e di sublimi rapimenti
    Mi si affaccian ricordi! Il mare, il mare!
    Percè in suo grembo non trovai la tomba?

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  • Liebe Waltrada,
    was mich in Linz mehr störte, war die Größe des Orchesters. Die Streicher standen in keinem Verhältnis zu den Bläsern.
    In Wien war die Inszenierung (Pountney, wenn ich nicht irre) sehr gut, gesungen wurde aber teilweise bestenfalls mittelprächtig.
    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner


    In Wien war die Inszenierung (Pountney, wenn ich nicht irre) sehr gut, gesungen wurde aber teilweise bestenfalls mittelprächtig.
    :hello:


    Oje, Jerusalem unseligen Angedenkens... *schauder*

  • Zitat

    Original von Armin Diedrich
    Oje, Jerusalem unseligen Angedenkens... *schauder*


    Sang der Jerusalem denn Ende der 90er noch?
    Ich finde ja, daß er schon in den 80ern z. T. recht angestrengt klang.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Original von Joseph II.


    Sang der Jerusalem denn Ende der 90er noch?
    Ich finde ja, daß er schon in den 80ern z. T. recht angestrengt klang.


    Leider ja, er sang viel zu lange. Ein Konzert 2004 in kleinerem Rahmen ist mir in entsetzlicher Erinnerung... *heulundzähneknirsch* Jemand berichtete mir auch von einer kleinen Veranstaltung, be der er Wotans Abschied (!!!) zum Besten gab und schlimm gewesen sein muß.

  • Die musikalische Leistung in Wien mag nicht großartig gewesen sein, aber gerade deswegen muss das Werk, wenn es entsprechend toll besetzt ist, sicher sehr beeindruckend sein. Immerhin hat es mir bereits trotz dieser Einwände gefallen. (Für seine problematische Rezeptionsgeschichte kann es schließlich nichts! :D:stumm: )

    Il mare, il mare! Quale in rimirarlo
    Di glorie e di sublimi rapimenti
    Mi si affaccian ricordi! Il mare, il mare!
    Percè in suo grembo non trovai la tomba?

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  • Zitat

    Original von Waltrada
    (Für seine problematische Rezeptionsgeschichte kann es schließlich nichts! :D:stumm: )


    Finde ich auch!
    Nur, weil es zufällig Hitlers Lieblingsoper gewesen sein soll (sagt man das nicht auch über die "Meistersinger" und "Tiefland"?), macht dies das Werk nicht schlecht; würde ihm allenfalls eine gewisses musikalisches Gespür zuerkennen (und um Gottes Willen jetzt bitte nicht wieder als Verharmlosung des Dritten Reiches o. ä. verstehen).

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Also, bringen wir den Zusammenhang Hitler/"Rienzi" schnell hinter uns: Der Jüngling Hitler sah in Linz eine Aufführung, die er später als seine "Erweckung" bezeichnete. Aus ihr leitete er den Hitler-Gruß ab: Die Römer grüßten mit der ausgestreckten Linken (als Verlängerung des Herzens zum Gegenüber), der Dolf-Dolm sah das natürlich vom Publikum aus spiegelverkehrt - ergo war der Hitler-Gruß der römische. Nur eben mit dem rechten Arm.
    Zweifellos hat die Figur des Volkstribunen auf Hitler großen Eindruck gemacht, und er hat zweifellos versucht, diese (übrigens von Bulwer erfundene) Gestalt nachzuleben.
    Daß bei Wagner Gedankengut vorhanden ist, das aus heutiger Sicht als prä-nationalsozialistisch gelten könnte, ist zweifellos richtig. Ob der Rückschluß aus unserem heutigen besseren Wissen heraus aber wirklich zulässig ist, scheint mir keineswegs sicher. Aber das haben wir schon in einem Wagner-Thread heftig diskutiert.
    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Also, bringen wir den Zusammenhang Hitler/"Rienzi" schnell hinter uns: Der Jüngling Hitler sah in Linz eine Aufführung, die er später als seine "Erweckung" bezeichnete. Aus ihr leitete er den Hitler-Gruß ab: Die Römer grüßten mit der ausgestreckten Linken (als Verlängerung des Herzens zum Gegenüber), der Dolf-Dolm sah das natürlich vom Publikum aus spiegelverkehrt - ergo war der Hitler-Gruß der römische. Nur eben mit dem rechten Arm.
    Zweifellos hat die Figur des Volkstribunen auf Hitler großen Eindruck gemacht, und er hat zweifellos versucht, diese (übrigens von Bulwer erfundene) Gestalt nachzuleben.


    Zwei Ergänzungen: Cola di Rienzo ist mitnichten von Bulwer erfunden, sondern eine historische Figur, auch wenn sie mit dem Romanhelden eher wenig zu tun hat. Und traditionell wurde der Nürnberger Parteitag mit der "Rienzi"-Ouvertüre eingeleitet. Wenn Stefan Aust das gewußt hätte, hätte er für "Spiegel-TV" wohl eine andere musikalische Kennung gewählt...

  • Zitat

    Original von Armin Diedrich


    Wenn Stefan Aust das gewußt hätte, hätte er für "Spiegel-TV" wohl eine andere musikalische Kennung gewählt...


    Der Spiegel und Adolf bilden doch seit Jahrzehnten eine derartige Symbiose, dass ich da nicht an Zufall glauben kann. Auf jedem (geschätzt) fünften Spiegel-Titel prangt doch Adolfs Antlitz und das Dritte Reich ist doch nunmal auch das Lieblingsthema von Spiegel-TV. Nein, nein, das Spiegel-TV-Thema ist sehr bewußt gewählt. [dem verantwortlichen Redakteur Kloft will ich hiermit nichts unterstellen, der ist vollkommen unverdächtig]

  • Lieber Armin,

    Zitat

    Cola di Rienzo ist mitnichten von Bulwer erfunden, sondern eine historische Figur, auch wenn sie mit dem Romanhelden eher wenig zu tun hat.


    Das meinte ich, als ich leider etwas ungenau formulierte. Rienzi (ich bleibe bei der Bulwer/Wagner-Schreibweise) war in der Realität ein zwiespältiger Charakter. Er brach zwar die Herrschaft der Colonna und Orsini zugunsten der nicht-adeligen Bevölkerung der Stadt Rom (wir befinden uns nicht mehr im römischen Reich der Antike, die Daten Rienzis sind 1313-1354), dürfte aber eine Art Diktatur des Proletariats errichtet haben. Jedenfalls wurde er als Tyrann wahrgenommen. Als es nach seinem Sturz zum Prozeß gegen ihm kommen sollte, wurde er noch vor dessen Beginn ermordet. Seine Leiche wurde durch die Straßen geschleppt und an einer Hauswand öffentlich aufgehängt.
    Bei Bulwer/Wagner wird aus dieser Gestalt der Führer (ich wähle dieses Wort bewußt) der Volksmassen, also eine Art Führer einer Volksbewegung. Diese Adaption der historischen Figur dürfte es Hitler tatsächlich so angetan haben, daß er Wagners folgende Werke nur unter dem Führer-Aspekt sah - und gründlich mißverstand, denn lediglich "Lohengrin" bietet in der Hauptgestalt eine ähnlich heroische Führergestalt, die nicht an sich selbst sondern an den Neidern zerbricht (bzw. ihre "Sendung" unvollendet lassen muß).
    :hello:

    ...

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  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Bei Bulwer/Wagner wird aus dieser Gestalt der Führer (ich wähle dieses Wort bewußt) der Volksmassen, also eine Art Führer einer Volksbewegung.


    Für mich ist der "Rienzi" darüber hinaus ein Stück über Macht und Machtmissbrauch und über eitle Selbstüberschätzung. Die Figur des Rienzi finde ich als Typ recht interessant, geradezu modern.


    Dass Katharina Wagner in Bremen so wenig mit diesem Stück und ihrer Titelfigur anzufangen wusste, enttäuscht. Wenn sie sich nicht in Opernkonvention flüchtete, pflegte sie inszenatorisch einen banal-oberflächlichen Comic-Stil, bis hin zu Wagner-Familien Streitigkeiten zwischen Schwestern - Rienzi und Irene werden am Ende als Schwesternpaar gezeigt, die den lebenden Vorbildern nicht unähnlich sind. Von den langen gut drei Stunden vermögen gerade mal 10 Minuten wirklich zu interessieren, das ist sehr wenig. Von den Dingen, die hier in aller Kürze zur Person des Rienzi zu lesen sind, findet sich in der Inszenierung der Bayreuther Festspielchefin nichts. Ich hatte währen der Aufführung das Gefühl, das Katharina Wagner das Stück überhaupt nicht verstanden hat.

  • Zitat

    Original von rita
    Allen Rienzi Liebhabern kann geholfen werden:


    DOB Rienzi Premiere 24.1.2010
    Dir. M. Jurowski
    Insz. P. Stölz


    "P. Stölz" ist Philipp Stölzl, der bekannt wurde mit seinen Musikvideos für die Band Rammstein, in denen er Ausschnitte aus Riefenstahl-Filmen verwendete, und durch den Bergfilm "Nordwand" (2008 ), über den das Filmmagazin "artechock" schrieb: "Blut, Schweiß und Tränen, urdeutsche Härte am Berg und heroisches Sterben, Bodenständigkeit und Blasmusi verbinden sich zu einer 21.Jahrhundert-Variante des Heimatfilms, zu einer postmodernen Variante von ‚Blut und Boden‘-Kino."


    Möglicherweise passt dieser Regisseur ein bisschen zu gut zu "Rienzi" und vor allem zu dessen Rezeptionsgeschichte. Warten wir's ab.


    Grüße,
    Micha

  • Zitat

    Original von Michael M.
    Möglicherweise passt dieser Regisseur ein bisschen zu gut zu "Rienzi" und vor allem zu dessen Rezeptionsgeschichte. Warten wir's ab.


    Der "Rienzi" in der Inszenierung von Philipp Stölzl weckt zumindest mehr Interesse bei mir, als jene Regiearbeit von Joel in Leipzig. Seinen "Holländer" in Basel, man kann es unter "Gestern in der Oper" nachlesen, fand ich eher mittelmässig, tolles Bühnenbild, aber keine durchgehend gelungene Interpretation oder Personenführung, aber eben auch keine, die ins streng-reaktionäre abgleitet.

  • Zitat

    Original von ThomasBernhard


    Der Spiegel und Adolf bilden doch seit Jahrzehnten eine derartige Symbiose, dass ich da nicht an Zufall glauben kann. Auf jedem (geschätzt) fünften Spiegel-Titel prangt doch Adolfs Antlitz und das Dritte Reich ist doch nunmal auch das Lieblingsthema von Spiegel-TV. Nein, nein, das Spiegel-TV-Thema ist sehr bewußt gewählt. [dem verantwortlichen Redakteur Kloft will ich hiermit nichts unterstellen, der ist vollkommen unverdächtig]


    Meines Wissens war die Ouverture, besonders aber "Rienzis Gebet" lange vor Reichsparteitag oder gar Spiegel eine Wunschkonzertnummer. Ich hätte jetzt beinahe fälschlicherweise behauptet, daß die Musik sogar im Zauberberg eine wichtige Rolle spielt, aber das ist Gounod (Valentins Gebet). Jedenfalls dürfte die vorgängige Popularität an jedweder späterer Verwendung nicht unschuldig gewesen sein.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Jedenfalls dürfte die vorgängige Popularität an jedweder späterer Verwendung nicht unschuldig gewesen sein.


    Dass die Ouvertüre des "Rienzi" quasi zur "Erkennungsmusik" des Reichsparteitages wurde, hat eher wenig mit einer vormaligen Bekanntheit des Stückes zu tun - das liegt tatsächlich an jenem Bezug, den Edwin weiter oben benannt hat.


    Vor diesem Hintergrund ist es für mich absolut widerlich, dass bei der Neo-Nazi-Demo in Dresden vor wenigen Wochen eben jene "Rienzi"-Ouvertüre den Aufmarsch der Faschisten begleitet hat - die Bilder, die da bei mir heraufbeschworen werden, haben für mich etwas beängstigendes.

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  • Zitat

    Original von Alviano
    Dass Katharina Wagner in Bremen so wenig mit diesem Stück und ihrer Titelfigur anzufangen wusste, enttäuscht. Wenn sie sich nicht in Opernkonvention flüchtete, pflegte sie inszenatorisch einen banal-oberflächlichen Comic-Stil, bis hin zu Wagner-Familien Streitigkeiten zwischen Schwestern - Rienzi und Irene werden am Ende als Schwesternpaar gezeigt, die den lebenden Vorbildern nicht unähnlich sind. Von den langen gut drei Stunden vermögen gerade mal 10 Minuten wirklich zu interessieren, das ist sehr wenig. Von den Dingen, die hier in aller Kürze zur Person des Rienzi zu lesen sind, findet sich in der Inszenierung der Bayreuther Festspielchefin nichts. Ich hatte währen der Aufführung das Gefühl, das Katharina Wagner das Stück überhaupt nicht verstanden hat.


    Lieber Alviano,


    da würde mich jetzt einmal interessieren, welche 10 interessanten Minuten das denn gewesen sind.


    Katharina Wagner hat anscheinend versucht, sich dem Werk mit einer gewissen ironischen Distanz zu nähern, was leider nur dazu geführt hat, dass die Oper in Bremen so präsentiert wurde, wie man sie über Jahrzehnte gesehen hat: als monumentaler, aber substanzarmer Langweiler. Ich glaube, ich habe in den Pausen selten so viele Opernbesucher gähnen gesehen und nehme mich selbst da nicht aus. Die mir bis zu diesem Tag unbekannte Dame zu meiner Linken schlummerte schon vor der ersten Pause friedlich an meiner Schulter - in dieser Form auch noch nicht erlebt. Zumindest in der von mir besuchten Vorstellung hat auch das einfallslos rasselnde Orchesterspiel nicht unbedingt dazu beigetragen, den Abend spannender zu gestalten. Ich fand die ganze Aufführung einfach nur furchtbar öde.


  • Kleine Anmerkung:
    Ich habe den Film "Nordwand" gesehen und vermute nach dieser Beschreibung, dass "artechock" offensichtlich irgendeinen anderen Film gesehen haben muss, der vielleicht zufällig denselben Namen hatte. Mit Blut, Tränen, urdeutscher Härte und heroischen Sterben hatte der Film jedenfalls nichts zu tun.

    Il mare, il mare! Quale in rimirarlo
    Di glorie e di sublimi rapimenti
    Mi si affaccian ricordi! Il mare, il mare!
    Percè in suo grembo non trovai la tomba?

  • Lieber Zauberton,


    Katharina Wagner hat für eine Szene eine Idee, die genau eine Minute trägt. Leider dauert dann die gesamte Szene noch weitere 14 Minuten. Den eintretenden Effekt hast Du zutreffend beschrieben: man langweilt sich.


    Zweiter Punkt: da die Regisseurin kein überzeugendes Gesamtkonzept gefunden hat, es fehlt schlichtweg an der intellektuellen Durchdringung des Stückes, bleiben ihre Einfälle an der Oberfläche hängen. Nach einer halben Stunde hat man schon alles gesehen, was Wagner anzubieten vermag - die Folge: man langweilt sich den Rest des Abends.


    Es gab zwei Szenen, die eine stärkere Bildwirkung hatten und ein wenig gezeigt haben, was dieser Abend hätte werden können: einmal, als das Blut die Treppe herunterlief und sich Rienzi in diesem Blut gewälzt hat und dann das Ende, als Rienzi vom Volk gelyncht wird.


    Musikalisch habe ich die Aufführung als Desaster empfunden: Dirigent und Orchester präsentierten sich in einem Zustand, der nach Korrekturen verlangt und bei den Solist/innen war ich schon froh, wenn da eine (die Sängerin der Irene) mal Mittelmass erreicht hat, der Rest war teilweise unterirdisch (diesen Friedensboten muss man gehört haben, man glaubt es sonst nicht).

  • Insbesondere war aber auch die Personenregie nicht gelungen, die Sänger interagieren kaum; es wird nicht klar, ob die Personen der Handlung überhaupt Gefühle haben. Am deutlichsten war das für mich bei der Figur der Irene, die bis zum letzen Akt so nebensächlich behandelt wird, dass sie dramaturgisch ganz verzichtbar ist.


    Auch die Entwicklung, die Rienzi nimmt, bleibt äußerlich: im ersten Akt noch ein einfacher kahlköpfiger Arbeiter, im zweiten Akt dann goldbetresste Lichtfigur, bis er dann zur blondbezopften Roma mutiert - das wird alles nicht durch Rienzis Verhalten belegt. Dass er sich im Blut der Gefallenen wälzt, geht vielleicht als kurzes Strohfeuer durch, aber letztlich ist das auch eine Idee, die ziemlich isoliert stehen bleibt.


    Und dann war da noch der Umgang mit dem Chor, der meistens hilflos herumsteht: Nicht im geringsten individualisiert, sondern vorzugsweise symmetrisch in Blöcken auf der Bühne platziert, darf er immer mal wieder auf- und abmarschieren.


    Ich denke nicht, dass Katharina Wagner die Chance genutzt hat, Werbung für diese Oper zu machen. Vieles erinnerte an eine Persiflage, als hätte die Regisseurin selbst das Werk nicht so ganz ernst genommen. "Comic-Stil" trifft es da ganz gut. Für mich war das eine lieblose langweilige Inszenierung, die bei mir überhaupt kein Interesse an einer Auseinandersetzung mit der Oper wecken konnte.

  • Zitat

    Original von Alviano


    Der "Rienzi" in der Inszenierung von Philipp Stölzl weckt zumindest mehr Interesse bei mir, als jene Regiearbeit von Joel in Leipzig. Seinen "Holländer" in Basel, man kann es unter "Gestern in der Oper" nachlesen, fand ich eher mittelmässig, tolles Bühnenbild, aber keine durchgehend gelungene Interpretation oder Personenführung, aber eben auch keine, die ins streng-reaktionäre abgleitet.


    Sprechen wir hier von diesem Stölzl?


    Carnival in Toyland - Stölzls Benvenuto Cellini in Salzburg


    Naja, wenn er auch dort eine solche "Bilderflut" schafft, mag es "interessant" sein, aber ob es gut oder brauchbar wird?


    Ich hatte den Cellini in Salzburg ja ein wenig zu verteidigen versucht (keine Langeweile), aber Qualität konnten wir wohl alle in der Inszenierung nicht finden... ;-)


    Matthias

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