Was mich an Gustav Mahler fasziniert........

  • Was mich an Gustav Mahler fasziniert sind seine Lieder, die des fahrenden Gesellen, aber speziell die Kindertotenlieder. Hier komme ich wieder auf die Frage, sind sie für einen Mann oder eine Frau geschrieben? Wer sollte es singen?


    Die Antwort habe ich für mich entschieden, ich habe sie gesungen. Da ich mich nach meiner Bühnenzeit dem Lied gewidmet habe, ist es immer das "Traurige" was ich besonders gerne gesungen habe. Meine ganze Seele habe ich in diese Lieder gelegt, auch wenn sie eigentlich, so viel wie ich weiß, vom Vater berichten, dem dieses Schicksal widerfahren ist.
    Viele Interpretinnen haben es gesungen, welche nun besonders hervorgehoben werden sollte kann ich nicht sagen, da ich keine einzige Aufnahme davon habe.


    :hello:

  • Mittlerweile liebe ich (fast) alle Mahler-Symphonien. Jede ist auf ihre Art sehr faszinierend. Zur Spitzengruppe gehören bei mir die 2., 3., 5., 7. und 8. Wenig anfangen kann ich lediglich mit den Spätwerken 9. (insbesondere 1. Satz) und 10. (vielleicht muß man sich die erst erschließen). Insgesamt gesehen ist Mahler für mich aber einer der faszinierendsten Komponisten überhaupt.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo, liebe Mahler-Experten unter den Taminos :hello:


    Bisher waren meine Lieblingskomponisten Muzio Clementi, Beethoven, Chopin und Bartók, aber vielleicht wird sich in diese Reihe demnächst ein weiterer Name einreihen: Gustav Mahler.


    Da ich auf dem Mahler-Gebiet aber noch absoluter Laie bin und beim genaueren Kennenlernen dieses Komponisten nichts falsch machen möchte, brauche ich Eure Hilfe :yes:


    Auf CD habe ich im Moment nur die 5. Symphonie in cis-Moll mit dem Boston Symphony Orchestra unter Seiji Ozawa - für mich eine grandiose Einspielung, aber wie gesagt bin ich kein Mahler-Fachmann. Was sagt Ihr zu dieser Interpretation?


    Und nun zur Hauptfrage: Welche Mahler-Symphonien-CDs könnt Ihr mir empfehlen? Es sollten möglichst bekannte Dirigenten sein, aber bitte auch nicht zu teuer, was den Preis betrifft :no:


    Ich hoffe, dass Ihr mir weiterhelfen könnt... vielleicht ein kleiner Tipp: Toll fand ich zum Beispiel die Aufführung der 1. Symphonie ("Titan") mit Claudio Abbado und dem Lucerne Festival Orchestra oder Bernard Haitink und den Berliner Philharmonikern mit der 7. Symphonie (davon habe ich aber nur einen kurzen heiteren Ausschnitt gesehen).


    Also schonmal vielen Dank im Voraus und liebe Grüße aus Essen,


    Euer
    Helge :-)

  • Mahler hat so wunderbare Lieder geschrieben und außer denen, die ich schon oben genannt habe, faszienieren mich auch diese, die ich schon fast vergessen hatte, gerade höre ich sie von Lucia Popp:


    "Wer hat dies Liedlein erdacht?";
    "Das irdische Leben";
    "Des Antonius von Padua Fischpredigt"

  • Ich möchte "Musica" unbedingt beipflichten: das Schönste an Mahler sind seine Orchesterlieder, die er ja nicht nur als Einzellieder, sondern auch als Zyklen geschrieben hat und die auch seine frühen Sinfonien prägen. Wobei man sagen möchte, dass bei Mahler immer gesungen wird, entweder von Menschen oder vom Orchester. Ich kenne keinen Komponisten, der Schmerz und Melancholie so in Musik fassen konnte. "Der Abschied", "Ich hab ein glühend Messer in meiner Brust", "Wenn die schönene Trompeten blasen" oder "Wenn dein Mütterlein": wem zerreißt es da nicht das Herz? Noch ein spezieller Tipp: es gibt eine CD mit dem Royal Philharmonic Orchstra London unter Daniele Gatti mit der 4. Sinfonie; den 4. Satz singt Ruth Ziesak mit dem schlichten märchenhaften Ton, den dieses Stück braucht. Als Zugabe gibt es vier frühe Lieder, deren Klavierpart von zwei Engländern kongenial orchestriert wurde. Das letzte Lied heißt "Nicht wiedersehen" und schildert, wie ein junger Bursche nach Hause kommt und seine Liebste auf dem Kirchhof findet - sie hat sich totgegrämt, weil er so lange fortblieb. Etwas Ergreifenderes habe ich noch nicht wieder gehört.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

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  • AaO schrieb ich, daß Mahlers Musik bisher nicht bei mir vertreten war. Aber ich habe mir vorgenommen, mir seine Musik zu erarbeiten.


    Aus einem gerademal zwanzig Jahre alten Konzertführer zitiere ich die folgenden einleitenden Sätze zu Mahlers sinfonischem Werk (gerafftes Zitat):


    Zitat

    Mahler wollte die Welt mit seiner Musik aufrütteln; er glüht wie ein Feuerofen, ist nervös und empfindsam, besessen von einer reformatorischen Aufgabe. Mit seinen Sinfonien hat er die musikalische Welt in Aufregung versetzt und wurde von den einen als „Begründer eines neuen musikalischen Weltgefühls“ gepriesen, von anderen als „Prediger, den keiner hören will“ abgelehnt. Was wollte Mahler denn predigen? Die Wahrheit! Aber diese seine Wahrheit wollte kaum jemand hören, seine Kunst, wenn sie denn eine ist, blieb fremd. Sein Orchesterapparat ist aufgebläht, seine Sinfonien haben bis zu sechs Sätze; da finden sich Trauermärsche neben Tingeltangel-Hupfern, Volkslieder neben zerklüfteten Gedanken, die einfach nur platt sind, keine Substanz haben. Mahler will etwas sagen, aber es gelingt ihm nicht, seine Botschaften zu vermitteln...


    Das war auch immer mein Eindruck: In Mahlers Musik erkannte ich keine Struktur, alles schien mir ein wildes Durcheinander. Damit mußte man sich nicht beschäftigen.


    Im Laufe der Jahre wurde mir klar, daß die politische Entwicklung in Europa nach dem ersten Weltkrieg maßgeblich zu diesem Mahler-Bild beigetragen hat. Alle, die sich für Mahler einsetzten, wurden verfemt, genauso wie der Komponist selber.


    Dabei stand für viele Kundigen eines immer fest: Mahler war ein hervorragender Dirigent und Operndirektor. Seine bahnbrechenden Opern-Inszenierungen – vor allen Dingen in der Zusammenarbeit mit Alfred Roller in Wien – standen stets in einem guten Ruf. Seine unnachgiebige Forderung hinsichtlich der Werktreue, in musikalischer Hinsicht heute fast schon eine Selbstverständlichkeit, muß jedoch auf der Inszenierungsseite noch Entsprechung finden. Seine Strenge gegen Sängereitelkeiten waren ebenso geachtet wie gefürchtet.


    In der „Welt der Musik“, einem fünfbändigen Nachschlagewerk aus dem Propyläen-Verlag, wird Mahler dagegen völlig anders beurteilt (ein ebenso gerafftes Zitat):


    Zitat

    Mahlers Bedeutung als Komponist steht heute außerhalb jeder Diskussion. Sein Werk, ebenso verfemt, wie auch diejenigen, die sich für ihn eingesetzt haben, erfährt heute die Gerechtigkeit, die ihm zukommt. Seine Sinfonien machen ihn zu einem der bedeutendsten Meister der Musikgeschichte. Er ist der erste Expressionist, der mit der Kraft eines autochthonen (bodenständigen) Künstlers die Grenzen bisher Gültigen geweitet hat...


    Zwei völlig unterschiedliche Sichtweisen, die, wie ein Blick auf das Imprimatur beweist, sogar aus einer Zeit stammen (ersteres Zitat 1991, letzteres 1989). Dieses Widersprüchliche in der Beurteilung hat mich stets abgeschreckt, durch die vielen Statements hier im Forum jedoch zu einem Umdenken veranlaßt. Zwei Sinfonien, schon seit langer Zeit in meinem Regal, werden der Anfang meiner Beschäftigung mit Mahlers Werk sein:
    Die erste Sinfonie, mit dem SO des BR unter Kubelik (gekoppelt mit „Lieder eines fahrenden Gesellen“, gesungen von F-Di) und die Zweite, gleiches Orchester, Harper/Baker, unter Klemperer (LIVE).


    Ich bin richtig gespannt auf ein neues Musikerlebnis, neue Erfahrungen. Dabei kommen mir sicherlich das Notenmaterial, Werkeinführungen und verschiedene Aufnahmen von Mahlers Sinfonien in der hiesigen Stadtbücherei zu Hilfe - erst mal hineinhören, dann kaufen. Letztendlich werden mir auch die vielen fachkundigen Beiträge der Taminoianer bei der Anschaffung der restlichen Mahler-Sinfonien eine Hilfe sein...

    .


    MUSIKWANDERER

  • Zitat

    Original von musikwanderer
    ...
    Zwei völlig unterschiedliche Sichtweisen, die, wie ein Blick auf das Imprimatur beweist, sogar aus einer Zeit stammen (ersteres Zitat 1991, letzteres 1989).
    ...


    Die Jahreszahl des ersten Zitats will nicht glauben. Und zwar nicht in dem Sinne, dass dieses Buch nicht 1991 herausgekommen wäre. Aber entweder handelt es sich um eine Neuauflage eines viel älteren Konzertführers oder der Autor hat von einem älteren Text mehr oder weniger abgeschrieben. 1990 war diese Meinung längst passé...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Lieber Theophilus,


    ich schreibe hier das Imprimatur mal ab - ohne allerdings den Verlag zu nennen, denn ich möchte keinesfalls Schwierigkeiten auslösen:


    Copyright 1991 by (Verlagsname)
    Sonerausgabe: Genehmigte Lizenzausgabe für (Verlagsname) 1991


    Mein ebenfalls sofort aufgekommener Gedanke, daß es eine ältere Buchausgabe sei, die nur eine Neuauflage erfahren habe, kann ich an diesen Daten nicht verifizieren. Ich muß also davon ausgehen, daß es sich um eine damals noch aktuelle Original-Buchausgabe gehandelt hat.

    .


    MUSIKWANDERER


  • Hi


    Jetzt wissen wir, dass es sich um die Lizenzausgabe eines 1991 veröffentlichten Konzertführers ist. Dabei könnte es sich aber auch um die 11. (erweiterte) Auflage eines ursprünglich in den 60er Jahren erschienen Werkes handeln. So klingt es nämlich....


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ja, so könnte es tatsächlich sein, wäre von der Argumentationsweise her auch wirklich verständlicher.


    Danke für diesen Hinweis.

    .


    MUSIKWANDERER

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  • Ähnliches wie in besagtem Zitat habe ich ebenfalls noch Ende der 1980er in Konzertführern gelesen. Einmal in einem Billigdruck ohne Autorenangabe (wo auch dafür plädiert wurde, Schuberts Klaviersonaten zu kürzen, um ihre Schönheiten für den Konzertsaal zu retten... das ist eher Stand um 1920, als Rachmaninoff angeblich gar nicht wusste, dass Schubert überhaupt Klaviersonaten geschrieben hatte...), aber eben auch im Reclam-Führer, der in seiner Substanz diesbezüglich noch aus den 1950ern (wenn nicht gar den tausend Jahren) stammte (inzwischen gilt das nicht mehr, es gibt eine grundlegende Neufassung). Diese Haltung war allerdings schon damals eher reaktionär, wenngleich Mahler noch nicht als "Klassiker" akzeptiert gewesen ist. Wesentliche Komponisten der nachfolgenden Generation wie Schönberg, Berg, Krenek u.a., sowie Kritiker wie Adorno und natürlich Dirigenten wie Mengelberg, Walter und Klemperer bekannten sich von Anfang an zu Mahler.


    In anderen threads wurden die Legenden bereits relativiert, dass Mahler in den 1960ern u.a. von Bernstein wiederentdeckt hätte werden müssen.


    Spätestens seit "Das Klagende Lied" um 1970 auf Schallplatte bekannt wurde, hätte auch jeder hören können, dass die Sinfonien keine Nebenprodukte eines erfolgreichen Kapellmeisters sind, sondern dass wesentliche Eigenarten von Mahlers Stil bereits in dessen frühsten Werken, lange bevor er erfolgreich Karriere machte, ausgeprägt waren.


    Was das Formale betrifft sind die Sinfonien weitgehend regulärer als gleichzeitige sinfonische Dichtungen. In der ersten haben wir einen gut überschaubaren Sonatensatz mit Einleitung (und sogar eigentlich Wiederholung der Exposition, die oft übersprungen wird), ein einfaches (wenn auch ausgeschriebenes) Scherzo-Trio-Scherzo und auch der langsame Satz weist im wesentlichen eine dreiteilige Form auf (Mittelteil nach dem 4. Gesellenlied)
    Nur das Finale ist erstmal unübersichtlich (aber auch nicht länger oder komplexer als viele von Bruckner).


    Auch die 2. ist, bis auf das Finale, von der schieren Länge abgesehen, nicht sehr schwierig, was die formale Grobgliederung betrifft. Kopfsatz ein ziemlich regulärer, wenn auch breiter Sonatensatz (sicher einfacher als der Kopfsatz der Eroica...), das Menuett eine Art Rondo, das Scherzo wieder dreiteilig, wenn ich recht erinnere und "Urlicht" sollte keine Schwierigkeiten bereiten.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • dann aber gibt es Sätze, die einfach zum ergreifendsten gehören, das ich je gehört habe:


    Allen voran das Schluß Adagio der Dritten.


    Dieses Adagio erzeugt bei mir jedesmal Gänsehaut. Die Berge, die Mahler bei dieser Sinfonie "wegkomponiert" hat, lassen uns hier ihre Kraft und Schönheit spüren.



    Dann liebe ich die ganze 2. Sinfonie, den herrlich melodischen langsamen Satz der Sechsten, das Schluß Adagio der Neunten und das aus Entwürfen Mahlers orchestrierte Schlußadagio der unvollendeten Zehnten (für mich viel schöner als das vollendete Anfangs-Adagio).


    Ist auch ganz meine Meinung. Vor Allem die 2. Sinfonie verstärkt meine Liebe zur Musik. Bis jetzt durfte ich sie 4 mal live erleben. Zu Hause höre ich sie jedoch sehr selten, da ich sie nur in bestimmten Situationen genießen will, obwohl sie mein Lieblingswerk überhaupt ist.
    Sehr schön finde ich auch das Adagio der Vierten.
    Dennnoch mag ich alle seiner Sinfonien.


    Liebe Grüße
    Werner