Komponisten mit melodischer Qualität

  • Welche Komponisten besitzen eurer Meinung nach die höchsten melodischen Qualitäten, d.h. welche schufen die stärksten Themen / melodische Bögen?


    Es gibt ja Komponisten, die sich eher durch kühne Harmonik und Struktur auszeichnen (z. B. die großen Bs), bei anderen wiederum trägt die Melodie alleine oftmals das ganze Werk (z. B. Tschaikowsky).


    Für mich kämen als größte Melodiker in Frage: Mozart, Mendelssohn, Tschaikowsky, Prokofjew, Dvorak, Johann Strauß (Sohn) - bald darauf folgend, aber m. E. nicht ganz ander Spitze: Haydn, Händel, Vivaldi


    dagegen z. B. Musiker, die aus schwacher Thematik geniale Musik machen können: Brahms, Schumann, Beethoven (was natürlich nicht heißt, dass deren Thematik immer schwach ist, aber es gibt meiner subjektiven Meinung nach Werke dieser Komponisten, die mich von ihren Themen überhaupt nicht ansprechen aber das durch andere Dinge so stark wieder aufwerten, dass sie zu meinen Lieblingswerken gehören).

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • ach rappy, du hast wohl den größten Melodiker, nämlich Franz Schubert vergessen, schäm dich! :D
    Alles andere kommt doch nach ihm. -g-


    Prokofjiew ein großer Melodiker, wo und wann? Johann Strauß? naja..., wenn man seine Musik mag und ein Auge zudrückt.
    Bei Mozart, Tchaikowsky und eventuell noch Dvorak kann ich dir gänzlich zustimmen.


    Zitat

    dagegen z. B. Musiker, die aus schwacher Thematik geniale Musik machen können: Brahms, Schumann, Beethoven (was natürlich nicht heißt, dass deren Thematik immer schwach ist, aber es gibt meiner subjektiven Meinung nach Werke dieser Komponisten, die mich von ihren Themen überhaupt nicht ansprechen aber das durch andere Dinge so stark wieder aufwerten, dass sie zu meinen Lieblingswerken gehören).


    Ja, geht mir mit diesen Komponisten auch so.

  • Zitat

    Original von rappy
    ...
    Für mich kämen als größte Melodiker in Frage: Mozart, Mendelssohn, Tschaikowsky, Prokofjew, Dvorak, Johann Strauß (Sohn) - bald darauf folgend, aber m. E. nicht ganz ander Spitze: Haydn, Händel, Vivaldi
    ...


    Eine Liste ohne die Nummer 1! tz, tz, tz,...


    ;)

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Nur weil ein Thema (zunächst) nicht „melodiös“ ist, ist es noch lange nicht „schwach“. Dass Beethoven „schwache Themen“ komponiert hätte, kann man wohl auch kaum behaupten. Seine Themen und Motive sind unvergleichlich starke Entwicklungsformen. Es sind regelmäßig ungemein fruchtbare Kerne, aus denen er ganze Welten und herrliche Melodien zu entwickeln vermochte. Man muss sich nur einmal klar machen, welche Entwicklungen Beethoven etwa aus dem „Schicksalsmotiv“ der 5. Sinfonie oder aus dem dreiteiligen Hauptthema des 3. Klavierkonzerts zu gestalten vermag. Viele weitere Beispiele ließen sich hier anführen.


    Nur weil z. B. bei Tschaikowsky oder J. Strauss die Melodien zuweilen prominenter an der Oberfläche liegen oder ihre Werke insgesamt mehr als die der Wiener Klassik auf die weniger thematisch gebundene Melodie aufbauen, sind ihre Melodien deshalb noch lange nicht „stärker“ oder „größer“ als die etwa Mozarts oder Beethovens. Bei Beethoven oder Wagner z. B. ist Melodie auch nicht immer sofort als solche erkennbar (bei Beethoven z. B. im 1. Satz der sog. Mondscheinsonate).


    Die größten Melodiker fallen für mich mit den größten Genies der Musik zusammen: Bach, Mozart, Beethoven, Schubert, Wagner, Verdi. Jeder von diesen hat Melodien geschrieben, bei denen es mir den Atem verschlägt. So schön manche Melodie von Dvorak, Tschaikowsky, Puccini oder Prokofiev auch ist, sie haben für mich nicht die Reinheit und erhabende Größe oder auch die berauschende Wirkung mancher Melodie der ganz Großen (z.B. Bach: "Jesu bleibet meine Freude"; Beethoven: Adagio, 9. Sinfonie; Schubert: "An die Musik"; Verdi: Otello, Liebesduett 1. Akt und und und). Näher ergründen oder verallgemeinern kann man das aber wohl nicht.


    Und selbst Bruckner(!) vermag in dieser Hinsicht mehr in mir zu bewirken als Dvorak, Tschaikowsky & Co. Dies gilt z. B. für das melodische Eröffnungsthema seiner 7. Sinfonie. Nicht ohne Grund heißt es, dass sich Bruckner allein mit diesen wenigen Takten, die einen Höhepunkt der Musik des 19. Jahrhunderts markieren, unsterblich gemacht hat.


    Loge

  • Ich hatte mich schon gewundert, warum ausgerechnet bei diesem Thema, das doch die eigentliche Domäne der großen Italiener ist, erst mit Loges Beitrag wenigstens ein beiläufiger Hinweis auf diese fiel. Wenn nicht großartige Melodiker, was sind Rossini, Bellini, Donizetti, Verdi, Pucinii - um nur mal die populärsten zu nennen, dann?


    Ich wäre auch vorsichtig mit der (bedingten) Abqualifizierung der "Motiventwickler". Nicht nur, dass auch sie zuweilen großartige Melodien geschrieben haben (Bernstein darf da nicht vergessen werden), die meisten Melodiker wären kaum über die Unterhaltungsmusik ihrer jeweiligen Zeit hinaus gekommen, wenn ihre Kunst sich darauf beschränkt hätte. Man denke nur an die "One-Hit-Wonders", die regelmäßig vor allem durch Tenoralben geistern wie Eduardo di Capua (O SOLE MIO), Agustin Lara (GRANADA) oder Luigi Denza (FUNICULI FUNICULA), von denen man allenfalls durch intensive Recherche mehr erfahren oder gar hören kann.


    Die besten Operettenkomponisten waren fast immer große Melodiker, und nicht von ungefähr ließ ihre Popularität sie im Stich, wenn ihre Melodien nicht mehr so üppig flossen - was übrigens ein Phänomen zu sein scheint, das auch mit dem Alterungsprozess zu tun hat. Die guten Komponisten (etwa Richard Strauss) konnten das mit ihrem technischen Können (eben Motivarbeit) kompensieren. Andere (Mozart, Schubert u.v.a.) verstarben zu früh, als dass man das hätte bemerken können, oder zogen sich ins Privatleben zurück, wie Rossini. Verdi ist einer von ziemlich wenigen, dessen melodische Einfallskraft bis ins hohe Alter ungebrochen blieb. Tschaikowsky wäre sicher ebenfalls dazu zu rechnen, wenn er seinem Leben nicht schon mit 53 Jahren ein Ende gesetzt hätte. Und auch Léhar gehörte dazu, dessen Motivarbeit oft unterschätzt wird, weil seine Melodien so sehr dominieren, wenn er sich nicht zugleich zunehmend schierer Sentimentalität anheim gegeben hätte, was einem Oscar Straus oder Eduard Künneke erspart blieb, weil sie sich ebenso gut auf ihre Handwerk verstanden, die Popularitätsfalle Süßlichkeit aber in der Regel zu vermeiden wussten.


    Also: verachtet mir die Melodiker nicht, aber ehrt die Kunst der Motivschmiede (unter denen, gerade bei diesem Zitat, natürlich auch Wagner als einer der Größten zu nennen ist).


    :hello: Rideamus


    Edit: mit einer Entschuldigung an die vielen zwischen Bach, Händel, Berlioz, Lortzing, Humperdinck und Gershwin, die hier unerwähnt blieben.

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  • Also, bei Dvorak muß ich natürlich protestieren. Gerade bei Dvorak empfinde ich große Reinheit. Und Verdi mit seinen ständigen Leirkastenthemen - na ja....Geschmackssache.
    Und was sind schon dei Ganz Großen? Aber das führt wohl wieder zu einer anderen Diskussion.


    Wie wäre es denn mit Debussy als berauschenden Melodiker?


    :hello:
    Wulf


    P.S. An sich ist die Diskussion um "Komponist X ist mehr Melodiker, Y Harmoniker" ziemlich altbacken. Früher hat man gern von Beethovens mangelnder melodiöser Erfindungsgabe gesprochen. Einer solchen Aussage steht die heutige Musikwissenschaft größtenteils ablehnend gegenüber. Tortzdem hält sich in Hörerkreisen diese Pseudo-Wahrheit aufrecht.
    Genauso ging man lange Zeit davon aus, daß Dvorak die Themen nur so zugeflogen sind. Das ist längst widerlegt, hält sich aber auch hartnäckig.

  • P.P.S. Melodie ist eh ein schwer zu fassender Begriff. Ich arbeite noch an einem Text für dsas Terminologieforum zum Thema "Melodie" - für zeitgenössische Musik wird gerne der Begriff "Melos" wieder ausgebuddelt, aber was ist schon melodische Qualität??

  • Lieber Wulf,


    ich mag Dvorak ja auch, aber es ist eben immer dieses quäntchen Folklore dabei, das den Unterschied zur einsamen Höhe der universalen Melodien der "ganz ganz Großen" macht ;). Und: Wenn Verdi zu seinen großen Melodien ansetzt, gibt es keinen Leierkasten (nicht im Il Trovatore, nicht in La forza del destino oder im Don Carlos und schon gar nicht im Liebesduett des Othello).


    Loge

  • Hallo Loge,


    die Universalität im Ausdruck ist ein altbekanntes Qualitätskriterium. Ob Universalität oder nicht - das hat IMO nur wenig mit melodischer Qualität zu tun - und darum geht es in diesem thread.
    Dvoraks "Rusalka" muß IMO keiner Verdi-Oper nachstehen, darüber hinaus war Dvorak ja der universellere :-) (Symphonien, Konzerte, Kammermusik etc.)


    :hello:
    Wulf

  • Zitat

    Original von Wulf
    darüber hinaus war Dvorak ja der universellere :-) (Symphonien, Konzerte, Kammermusik etc.)


    Lieber Wulf,


    das ist sicherlich ein Argument, das bei der Frage nach den Melodikern nicht weiterführt und außerdem bei der Bewertung ausgesprochener Opernkomponisten von vornherein nicht sinnvoll anzuwenden ist, weder bei Verdi noch bei Wagner :baeh01:


    Loge

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  • Ich halte zum einen "melodische Qualität" für sehr schwer zu bestimmen, zum anderen für völlig offen, inwiefern sie zur musikalischen Qualität insgesamt beiträgt. KSM hat mal (unter dem Stichwort "Verfall polyphoner Meisterschaft") auf die Eigenständigkeit und Schönheit der Einzelstimmen bei Palestrina &Co hingewiesen. Auf die ist bisher hier noch niemand gekommen. Denn für uns heute impliziert melodische Schönheit fast noch mehr als die tatsächliche Melodie deren reguläre Phrasierung, meist in Abschnitten von 2 oder 4 Takten und die leichte Singbarkeit.


    Wichtig finde ich den Hinweis in Loges erstem Beitrag auf etwas, was ich "motivische Prägnanz" nennen möchte. Die "banalen" Motive der "Abspaltungstechniker" wie Haydn, Beethoven, Brahms sind trotz oder wegen ihrer Einfachheit fast immer sowohl "charakteristisch", also aufgrund ihres Rhythmus oder eines markanten Intervallschritts einprägsam als auch immer noch "neutral" genug, um alle möglichen Metamorphosen zu durchlaufen.


    Ohne das näher begründen zu können, ist mein persönlicher Eindruck, dass in dieser Prägnanz tatsächlich ein Unterschied zu vielen Komponisten der zweiten Reihe besteht. Am Wochenende hörte ich im Konzert die Rott-Sinfonie (Berliner PO, Järvi). Ein stellenweise wirklich beeindruckendes Werk, zumal für einen so jungen Komponisten, aber ein Manko gegenüber dem offensichtlichen Vorbild Bruckner ist, dass nur wenige der Motive wirklich gut im Gedächtnis hängenbleiben.


    Schließlich finde ich bei fast allen Komponisten außerordentlich wichtige Ausnahmen von der Regel. Einige der größten Schubert-Sätze wie der Kopfsatz des G-Dur-Quartetts sind melodisch sehr unergiebig (man denke auch an die Wandererfantasie oder Lieder wie den "Doppelgänger" oder etliches aus der Winterreise). Bruckner fällt wohl kaum jemandem als Melodiker ein, aber was ist mit dem Hauptthema der 7. Sinfonie, oder dem 3/4-Abschnitt im langsamen Satz derselben? Brahms hat, v.a. in der Frühzeit, Werke wie das 1. Trio und das 1. Sextett hinterlassen, die Schubert an melodischer Schwelgerei Konkurrenz machen.
    Beethoven als schwachen Melodiker abzukanzeln ist an Dummheit ohnehin kaum zu überbieten! Wer hat denn den unsterblichen Superhit "Für Elise" komponiert :D


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)


  • Das war ja uch bewußtes Wortspiel. Und genau so weiterführend wie der Versuch einer Korrelation zwischen Universalität der Sprache und melodischem Einfallsreichtum / Können ;)


    :hello:


  • Du weißt ja sicher um Rotts Bedeutung für die Musik Mahlers. Daß dich das Werk nicht vollends überzeugt hat, lag besitmmt an dem Dirigat von N. Järvi. :P


    Einprägsamkeit finde ich allerdings kein gutes Merkmal. Denn einprägsam, prägnant und neutral sind auch die Motive vieler Komoponisten, die Du in die "zweite Reihe" stellen würdest.



    Ich halte den Begriff melodsicher Qualität für schwierig. Vermutlich ist Varese ein brillianter Melodiker.

  • Zitat

    Original von Wulf
    Vermutlich ist Varese ein brillianter Melodiker.


    Na klar! Hör' nochmal Density 21,5...


    Ganz herzlich,
    Medard

  • Zitat

    Original von Wulf


    Du weißt ja sicher um Rotts Bedeutung für die Musik Mahlers. Daß dich das Werk nicht vollends überzeugt hat, lag besitmmt an dem Dirigat von N. Järvi. :P


    Einprägsamkeit finde ich allerdings kein gutes Merkmal. Denn einprägsam, prägnant und neutral sind auch die Motive vieler Komponisten, die Du in die "zweite Reihe" stellen würdest.


    Ich kannte die Rott-Sinfonie schon vorher von CD. Ich habe sie seitdem noch nicht wieder gehört, aber allein der Live-Eindruck und das in jeder Hinsicht überlegene Orchester lassen mich daran zweifeln, dass Järvi soviel kaputtgemacht hat.
    (Entgegen aller Legenden hat Mahler das Werk wohl erst knapp 20 Jahre später kennengelernt.)
    Ich sage ja gar nicht, dass Prägnanz viel klarer ist als "melodische Qualität". Ich glaube aber, dass sie sehr wichtig ist, nur fehlt mir das musiktheoretische Handwerkszeug, um diese vagen Aussagen zu präzisieren.

    Aber praktisch den gleichen Eindruck wie jetzt bei Rott, eher noch stärker, hatte ich bei den kürzlich zuerst auf CD gehörten Sinfonien 2+4 von Onslow. Und Onslow ist technisch souverän und auch eher auf der Seite der "Motivverarbeiter" als der "Melodiker" angesiedelt. Die beiden Sinfonien sind wirklich gut gemacht, aber irgendwas fehlt. Ich weiß noch nicht genau, was es ist. Vielleicht ist es auch weniger die Prägnanz des Materials als die Zielstrebigkeit der Verarbeitung. Oder noch was anderes. Bei Berwalds Sinfonien, die man musikhistorisch vielleicht ganz gut mit Onslows einordnen kann, hatte ich den Eindruck dagegen nicht.


    viele Grüße


    JR

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  • Zitat

    Original von Wulf
    ... Und Verdi mit seinen ständigen Leierkastenthemen - na ja....Geschmackssache.
    ...


    Das ist aber auch eine Behauptung, die guten Gewissens nur Leute aussprechen dürfen, die außer La donne è mobile kaum etwas kennen. Hält sich aber auch hartnäckig...


    :hahahaha:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ich kenne leider viel zu viel von Verdi, da ich 21 Jahre bei meinen Eltern lebte und Verdi doch sehr häufig frequentiert wurde. Natürlich ist nicht alles Leirkastenthematik, was habe ich aber von dem einen Liebesduett im Othello, ein zwei Geschichten aus der Traviata aus dem Don Carlos, wenn der Rest eben doch in die von mir sicher überspitzt formulierte Richtung geht??


    Sorry, aber weder von Bach, noch von Beethoven, noch von Dvorak kenne ich eine solche musikalische Fehlnummer, wie den Gefangenenchor aus Nabucco. Daran will ich Verdi nicht festmachen, aber es zeigt, zu was für Fehlgriffen der fähig war, die uns "die ganz ganz Großen"(Loge) und die nicht ganz so ganz ganz Großen größtenteils erspart haben :rolleyes:


    :hello:

  • Zitat

    Original von Hayate
    Prokofjiew ein großer Melodiker, wo und wann?


    Aber gewiss! Mir fällt gerade das Seitenthema im ersten Satz der Cellosonate op. 40 ein oder das Leitthema der siebten Sinfonie. Wenn das keine erlesenen Melodien sind!
    :)


    Besten Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Stimmt, Schubert hab ich vergessen. Aber Prokofjew gehört ganz sicher zu den größten Melodikern.


    Wie gesagt, niemals würde ich Beethoven als schwachen Melodiker bezeichnen, dazu wurden schon genug Gegenbeispiele genannt. Aber es gibt meiner Meinung nach Werke, deren Themen alleine gesehen mir nicht viel geben, das ganze Werk im Endeffekt einen aber dennoch in einen Rauschzustand versetzt. Manche Werke von Beethoven finde ich auch melodisch total uninspiriert (z. B. viele früheren und mittleren Klaviersonaten), aber das findet man wohl bei allen Komponisten (man fragt sich manchmal, warum sie diese Werke überhaupt erst geschrieben haben - aber vllt. geht das auch nur mir so).

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Zitat

    Original von Wulf
    Sorry, aber weder von Bach, noch von Beethoven, noch von Dvorak kenne ich eine solche musikalische Fehlnummer, wie den Gefangenenchor aus Nabucco. Daran will ich Verdi nicht festmachen, aber es zeigt, zu was für Fehlgriffen der fähig war, die uns "die ganz ganz Großen"(Loge) und die nicht ganz so ganz ganz Großen größtenteils erspart haben :rolleyes:


    :hello:


    Lieber Wulf,


    es ist geradezu ein Erkennungsmerkmal der "ganz ganz Großen", dass sie neben Größtem hier und da auch mal großen Mist geschaffen haben. So findest Du einiges an flauer Gelegenheitsmusik bei Mozart oder Haydn. Bezüglich Beethoven darf ich Dich u. a. an seine Schlachtenmusiken erinnern. Bei Schubert ist es z. B. die Musik für Violine und Orchester. Aber auch unter den Liedern soll es solche und solche geben. Bei Wagner lassen die ersten beiden Opern, seine Sinfonie oder seine frühen Klavierstücke in keinster Weise das spätere Genie erkennen. Wäre Wagner vor dem Tannhäuser gestorben, würden wir ihn heute nicht einmal mehr in der Fußnote erwähnen. Dagegen wirkt der Gefangenenchor des jungen Verdi wie eine Ode aus dem Paradies, zumal das auch - um wieder zum Thema zurückzufinden - ein Beispiel für eine großartig inspirierte Melodie ist.


    Loge


    P.S. Du sollst Dvorak nicht in einem Atemzug mit Bach und Beethoven nennen, denn zwischen diesen Genies und jenem Talent (zugegebenermaßen einem von hohem Rang) liegt doch eine unüberwindliche Kluft. :motz:

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  • Die Leierkastenbegleitung ist für die Fragestellung völlig irrelevant. Es geht ja um die Melodie, unabhängig von jeglicher Begleitung.
    Allerdings ist La donn' e mobile egal ob mit oder ohne Begleitung an Banalität schwer zu übertreffen :D (Ihre Rechtfertigung kann höchstens darin bestehen, dass sie den leichtlebigen Duca angemessen charakterisiert)
    Den Nabucco-Chor mag ich zwar auch nicht besonders, aber diese Melodie ist nicht schlecht.


    Einer der größten und kaum angemessen gewürdigten Melodiker ist übrigens Händel. Neulich hörte ich Lascia la spina (die Urversion von Lascia ch'io pianga in Rinaldo) und mir blieb wieder fast das Herz stehen :jubel: :jubel: :jubel:


    Oder Cleopatras "V'adoro, pupille", "Verdi prati" in Alcina, das erste Rezitativ & Arie im Messiah (Comfort ye... Ev'ry valley), I know that my redeemer liveth, die Musette im g-moll-Concerto, "La Paix" aus der Feuerwerksmusik u.v.a.


    :hello:


    JR

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    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von WolfgangZ


    Aber gewiss! Mir fällt gerade das Seitenthema im ersten Satz der Cellosonate op. 40 ein oder das Leitthema der siebten Sinfonie. Wenn das keine erlesenen Melodien sind!
    :)


    Besten Gruß, Wolfgang


    Ja, und vielleicht noch Peter und der Wolf, aber ist das alles?


    Zitat

    Beethoven als schwachen Melodiker abzukanzeln ist an Dummheit ohnehin kaum zu überbieten! Wer hat denn den unsterblichen Superhit "Für Elise" komponiert


    Ja, und das Finale der Ersten sowie der Neunten, schon klar, aber bestätigen Ausnahmen nicht die Regel? (der erste Satz der Mondschein hat keine Melodie)
    Bei Mozart, Schubert und Tschai könnte ich auf die Schnelle dutzende Sätze oder ganze Werke nennen.


    Zitat

    Original von Loge
    Bei Schubert ist es z. B. die Musik für Violine und Orchester.


    Um Himmels Willen, Bildungslücke, muss ich nachholen!
    Was gibt es da für Sachen, kann nicht viel sein.

  • Zitat

    Original von Hayate


    Ja, und vielleicht noch Peter und der Wolf, aber ist das alles?


    Ich bin zwar kein großer Fan und Kenner Prokofieffs, aber er dürfte nicht zuletzt deshalb einer der beliebtesten Komponisten der klass. Moderne sein. Auch die ersten drei Klavierkonzerte, Romeo&Julia, die Violinkonzerte usw. werden als sehr melodisch empfunden. Sehr schön ist jedenfalls das "Wiegenlied" im Finale des 2. Klavierkonzerts


    Zitat

    Ja, und das Finale der Ersten sowie der Neunten, schon klar, aber bestätigen Ausnahmen nicht die Regel? (der erste Satz der Mondschein hat keine Melodie)
    Bei Mozart, Schubert und Tschai könnte ich auf die Schnelle dutzende Sätze oder ganze Werke nennen.


    Ich dachte, es war klar, dass das mit "Für Elise" ein Scherz gewesen ist... :)


    Die Ausnahme von der Regel ist der erste Satz der Mondscheinsonate (außerdem hat der schon eine Melodie).
    Man kann bei Beethoven auch dutzende von Werken nennen: den 2. Satz der 2. Sinfonie, das Finale der 3., die 4. und 6. durchgehend, in der 7. wenigstens das allegretto, in der 9. das adagio, das Violinkonzert, langsame Sätze aus den Klaviersonaten und Quartetten, die Cellosonate A-Dur, das Finale der Waldsteinsonate, das Erzherzogtrio u.v.a.


    :hello:


    JR

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    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Wulf
    Ich kenne leider viel zu viel von Verdi, da ich 21 Jahre bei meinen Eltern lebte und Verdi doch sehr häufig frequentiert wurde. Natürlich ist nicht alles Leirkastenthematik, was habe ich aber von dem einen Liebesduett im Othello, ein zwei Geschichten aus der Traviata aus dem Don Carlos, wenn der Rest eben doch in die von mir sicher überspitzt formulierte Richtung geht??


    Sorry, aber weder von Bach, noch von Beethoven, noch von Dvorak kenne ich eine solche musikalische Fehlnummer, wie den Gefangenenchor aus Nabucco. Daran will ich Verdi nicht festmachen, aber es zeigt, zu was für Fehlgriffen der fähig war, die uns "die ganz ganz Großen"(Loge) und die nicht ganz so ganz ganz Großen größtenteils erspart haben :rolleyes:


    :hello:


    Man kann von Verdi gar nicht zu viel kennen! :D


    Und weiters meine ich, dass du mit deiner Einschätzung des Gefangenenchors aus Nabucco einer ziemlich exklusiven Minderheit angehörst.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Theophilus Und weiters meine ich, dass du mit deiner Einschätzung des Gefangenenchors aus Nabucco einer ziemlich exklusiven Minderheit angehörst.

    Aber klar doch!!!


    Die in meinen Augen größten Melodiker sehe ich allerdings in Frankreich:
    Saint-Saens & Faure & Chopin
    Wenn ich mal an das 3. Violinkonzert von SaiSae denke, oder an die Cellokonzerte, die Klavierkonzerte, etc., oder an die herlichen Lieder von Faure....:jubel:
    Über Chopin brauchen wir ja wohl nicht zu reden....
    Verblüffend die scheinbare Leichtigkeit wie eine bezaubernde Melodie der nächsten folgt.
    :hello:

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  • Hallo,


    die Frage ist für mich eine eher unangenehme, wenngleich wichtige.


    Unangenehm deshalb, weil die Konzentration auf schöne Melodien leicht die anderen Parameter bzw. den "Rest" der Musik bzw. die Qualität des organischen Gesamten in den Hintergrund zu drängen neigt. Dies gilt zumindest dann, wenn mit der Frage gemeint ist, wer die "schönsten bzw. qualitativ reichsten Melodien schreibt". Häufig heißt dies für mich: Je schöner die (Wirkung der) einzelnen Melodien (nicht der melodischen Sprache!; das ist ein anderes Thema), desto uninteressanter die Gesamtkomposition.


    So manches Mal wäre es mir in dieser Hinsicht lieber, die großen Melodiker würden kleine und schöne Melodien schreiben und diese jeweils gesondert herausgeben, anstatt die Melodien mit uninteressanten Überleitungen zu strecken und verbinden, um so ein "großes Werk" daraus zu machen (Beim Abspielen muss ich diese Phrasen immer überspringen). Ich weiß natürlich selber, dass diese Art des Nummernkomponierens, besonders zwischen Bach und Schönberg, nicht unüblich war und ist.


    Allerdings bin auch ich durchaus ein Liebhaber schöner Melodien und würde die bisher erstellte Aufzählung mit Alexander Borodin ergänzen.


    Gruß,


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Flotan hat weiter oben Saint-Saens erwähnt. In der Tat ist eine meiner Lieblingsmelodien das grandios aristokratische Thema im Mittelteil des Menuet aus dem Septett, op. 65. Und hier sehe ich aber auch die Berechtigung der Argumentation von Uwe Schoof. Denn dieses edle Thema hängt völlig in der Luft; es wird wirklich nur abgespult.


    Ein ähnlich geartetes Thema, das zunächst beziehungslos erscheint, sofort wieder verschwindet, dann aber wenigstens am Ende des Gesamtwerks wieder apotheotisch in Erscheinung tritt, ist die schreitende Eingangsmelodie in Edward Elgars As-Dur-Sinfonie.


    Beste Grüße, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Woran misst man denn "melodische Qualität"?


    An der Zeit, die man benötigt, um eine Linie nachsingen zu können?
    Also Martin Luther: Vom Himmel hoch = 100 Punkte.


    Oder an der Zeit, die man benötigt, es wieder aus dem Kopf zu bekommen?
    Bach: Air aus der 3. Ouverture = 100 Punkte.


    Mir kommt es fast so vor, als ob hier jeder nur seine Lieblinge ins Spiel bringt.



    Also bitte, sagt mir doch erst mal, was diese Qualität ausmacht.

  • Zitat

    Original von Loge
    es ist geradezu ein Erkennungsmerkmal der "ganz ganz Großen", dass sie neben Größtem hier und da auch mal großen Mist geschaffen haben.


    Ich fürchte, dass nicht nur die Größten großen Mist geschaffen haben ...


    (ein Einzeiler!)


  • Über Geschmack lässt sich nicht streiten - und der ist doch von der melodischen "Qualität" nicht zu trennnen. Es kommt natürlich auch auf den Grad der musikalischen Ausbildung an, welche Meldodien man sich merken kann, aber was einen emotional anspricht, ist doch schwer zu kategorisieren, denke ich.


    Mir geht es am häufigsten mit Händel so.
    In Mozarts Umfeld mit Johann Schobert.


    Ich denke, das hat viel mit dem Sanglichen zu tun ...

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