ZitatOriginal von Michael Schlechtriem
Ich habe geschrieben:vielleicht!
Nicht "nur"......
OK?
I-Tüpfel-Reiterei, gemeint war, dass du "nur" J. S. Bach mal schnell erwähnt hattest und nicht auch gleich andere.
ZitatOriginal von Michael Schlechtriem
Ich habe geschrieben:vielleicht!
Nicht "nur"......
OK?
I-Tüpfel-Reiterei, gemeint war, dass du "nur" J. S. Bach mal schnell erwähnt hattest und nicht auch gleich andere.
Lieber Hildebrandt,
Zitatkeine größeren Chancen zu einer Einigung oder auch nur allgemeinen Sprachregelung gewinnen.
Ich bin der sicheren Meinung, daß man zu keiner Einigung kommen kann.
Außerdem wird es meiner Meinung nach zu wirklich großen Auseinandersetzungen kommen.
Insofern begrüße ich jeden Versuch, diese Büchse der Pandora halbwegs geschlossen zu halten.
Intelligente Spitzfindigkeiten helfen dabei natürlich nicht.
ZitatWenn man sich mit der Eingrenzung des Begriffs "Genie" schon sehr schwer tut, wird man durch Ausweichen auf das Adjektiv "genial" keine größeren Chancen zu einer Einigung oder auch nur allgemeinen Sprachregelung gewinnen.
Ich stimme Dir zu, aber das hättest Du auch gleich schreiben können, denn z.B. ich bin wirklich zu blöd, um das gleich zu verstehen.
Ich habe da eine Stahlsaite im Hirn.
Hallo Melot,
Zitataber außer vielleicht Bach fällt mir wirklich kein Komponist ein
Das habe ich geschrieben.
Zitat-Tüpfel-Reiterei, gemeint war, dass du "nur" J. S. Bach mal schnell erwähnt hattest und nicht auch gleich andere
Ich habe keine Veranlassung gesehen, gleich andere Komponisten zu erwähnen, um auch wirklich alle Geschmäcker hier zu bedienen.
Für mich ist Mozart halt kein allumfassendes Genie.
Wir reden hier über den Begriff Genie.
Dieser Begriff stellt sich jedem anders dar.
Insofern mache ich jetzt zum wiederholten Male darauf aufmerksam, daß dieses Thema gefährlich ist.
ZitatI-Tüpfel-Reiterei
Nein, das stimmt nicht.
Für mich ist am ehesten Bach halt ein wirkliches Genie.
Bisher niemand sonst.
Auch nicht Mozart.
Komme ich jetzt in die Hölle?
ZitatOriginal von Michael Schlechtriem
Lieber Hildebrandt,
Ich bin der sicheren Meinung, daß man zu keiner Einigung kommen kann.
Seh ich doch auch so.
ZitatAußerdem wird es meiner Meinung nach zu wirklich großen Auseinandersetzungen kommen.
Insofern begrüße ich jeden Versuch, diese Büchse der Pandora halbwegs geschlossen zu halten.
Das mit den Auseinanderstzungen hoffe ich nicht. Wo doch selbst wir uns wieder halbwegs vertragen.
Gehen wir als gute Beispiele voran.
Pandorabüchsen stehen überall am Weg – gerade auf Tamino-Terrain.
Zitat
Ich habe da eine Stahlsaite im Hirn.
Und ich habe zu da(r)misch geschrieben. OK?
Lieber Hildebrandt,
ZitatWo doch selbst wir uns wieder halbwegs vertragen
Ich möchte mich nicht nur halbwegs vertragen! :wacky:
Ich möchte, daß wir uns wirklich vertragen, da ich sicher bin, daß wir beide uns bei einem Gespräch ohne Problem auf einen Konsens einigen würden.
Michael
Vertragen und einer Meinung sein - das sind zwei paar Schuhe.
Da mir Mozart näher steht als Bach würde ich Mozart EHER als Genie sehen wollen als Bach.
Man beachte die Formulieruing "SEHEN WOLLEN"
Letztlich bin ich der Überzeugung, daß es wohl hervorragende Musiker gab - das Wort "Genie" aber ein Kunsprodukt ist - und daß dieses sehr individuell verwendet wird.
Ich sehe hier auch keine unlösbaren Konflikte.
"Genie ist - wer als solches von einer relevanten Gruppe gesehen wird"
Im Einzelfall kann diese relevante Gruppe auch aus einer Person bestehen.
mfg aus Wien
Alfred
ZitatAlles anzeigenOriginal von Michael Schlechtriem
Lieber Hildebrandt,
Ich möchte mich nicht nur halbwegs vertragen! :wacky:
Ich möchte, daß wir uns wirklich vertragen, da ich sicher bin, daß wir beide uns bei einem Gespräch ohne Problem auf einen Konsens einigen würden.
Michael
Glaube ich auch. Von Angesicht zu Angesicht würden viele Animositäten und Missverständnisse bestimmt gar nicht erst aufgekommen sein.
Nimm mich einfach nicht ernst. Das machen hier zu Hause alle so. :wacky:
ZitatNimm mich einfach nicht ernst. Das machen hier zu Hause alle so
Ich kenne das auch-von meinem Orchesterdienst.
Übrigens hatte ich die Freude, letzthin mit Khampan ein sehr schönes Gespräch nach einer unserer Aida-Aufführungen zu haben.
Ein toller Mensch!
Und Meinungsverschiedenheiten bezüglich HIP waren nicht nur erquicklich, sondern auch sehr schnell geklärt.
Michael
ZitatAlles anzeigenOriginal von Loge
Lieber Klawirr,
ob ich gescheit genug bin, weiß ich nicht. Ihr anderen, vor allem auch Masetto, der einfach nur lacht, scheint es in diesem Punkt wesentlich einfacher zu haben als ich. Ich werde einfach zurückhaltend und vor allem nachdenklich, wenn ich lese, dass noch Thomas Mann in der Mitte des 20. Jahrhunderts den Begiff des Genies z. B. in seinem Essay "Richard Wagner und der >Ring des Nibelungen<" in Bezug auf den Tristan oder früher schon in seinem Essay "Gedanken zum Kriege" allgemein in Bezug auf den Künstler verwendet. Natürlich, ich weiß schon, wer war schon Thomas Mann und was wusste der im Gegensatz zu der geballten kunstphilosophischen Kompetenz einiger Forenmitglieder, die immerhin über die aktuellste Literatur in diesen ihrer Meinung nach hochgradig zeitverhafteten ästhetischen Fragen verfügen, schon von der Kunst und ihren Kategorien, was uns heute noch etwas zu sagen hätte. Du wirst wohl recht haben, und ich sollte alle seine Schriften - und als erstes den Dr. Faustus - wegwerfen und mehr auf Dich und Wulf hören. Das verheißt auf jeden Fall praktische Einfachheit nach dem Motto "alles ist relativ". Genau wie sie es gestern im Fernsehen sagten!
Loge
Ho, ho, ho! Ist denn schon Weihnachten?
Ich glaube Du hast mich mißverstanden (obwohl ich es natürlich sehr schön fände, wenn Du auf mich hören würdest - aber dann bitte nicht zugleich auch auf Wulf, weil ich eben keine anderen »Genies« neben mir dulde ).
Aber jetzt mal im Ernst,
daß Thomas Mann den »Genie«-Begriff verwendet hat, weiß ich auch (wobei ich seine etwas fragwürdigen Kriegsessays ungern als das non plus ultra seiner Reflexionen in ästhetischen Fragen angeführt sehen würde - als Referenz seiner politischen Reflexionen übrigens auch nicht, verkündet er doch dort vollen Ernstes, die deutsche Form der Demokratie sei der Militarismus und die »westlichen Feinde« Deutschlands hätten den Ersten Weltkrieg begonnen, um die »deutsche Kultur« einer »Zwangszivilisierung« zu unterziehen).
Ich habe im Grunde gar nichts gegen den Begriff »Genie«. Er scheint mir einfach nur - darauf haben hier im Thread einige Beiträger IMO schon zu recht hingewiesen - wenig greifbar. Er hat stets eine metaphysische, mystische oder auch transzendentale Dimension (und genau so verwendet Thomas Mann den Begriff auch, übrigens absichtsvoll). Die »Genialität« eines Künstlers läßt sich kaum durch die Analyse einer Partitur (oder eines Romans oder sonst was) aus seiner Feder nachweisen. Das ist alles was ich sagen möchte. Und auch die Wirkungsgeschichte eines »Gesamtwerks« läßt kaum Schlüsse auf die »Genialität« seines Schöpfers zu - zumindest sehe ich bisher keine überzeugenden Argumente, die das belegen würden.
Genialität ist einfach nicht »meßbar« und daher als Meßlatte für die Wertung von Kunst IMO wenig nützlich - außer eben als subjektiv begriffenes Hochwertwort. Aus den Aporien eines »alles ist relativ« führt der »Genie«-Begriff daher garantiert nicht heraus.
Ganz herzlich,
Medard
ZitatOriginal von Klawirr
Genialität ist einfach nicht »meßbar« und daher als Meßlatte für die Wertung von Kunst IMO wenig nützlich...
Lieber Medard,
Ich habe es hier im Forum schon ein oder zweimal geschrieben.
Ich las einmal eine Einteilung von Komponisten, die gemacht worden war um festzustellen, ob es überhaupt geniale Komponisten gäbe.
Dazu hatte man (d.h. "Sachverständigen") das Gebiet der Musik in etwa zehn Teilgebiete unterteilt. So hatte man Symphonische Musik, Opern, Kammermusik, Geistliche Musik, Kunstlied, usw.
Von jeder Komponist, der vielleicht als "genial" oder "Genie" galt, wurde beurteilt (also sehr subjektiv) ob ein oder mehr Werke von ihm in einer oder mehreren dieser "Gattungen" gehörte.
Es gab nur EIN Komponist, der in jedem Teilgebiet mit mindestens ein Werk vertreten war: W.A. Mozart.
Dagegen fand man von Chopin, so erinnere ich mich, eine Überkonzentration im Gebiet der Klaviermusik.
Weil dem Begriff "Genie" arbiträr ist, genauso übrigens wie die Beurteilung eines Werkes als schwach oder gut, sagt es mich mehr über die Menschen die freigebig solche Begriffen äußern.
Manchmal gibt es einen "communis opinio" über die Genialität eines Künstlers (einige berühmte Mahler z.B.). So weit ist man bei der Musik aber noch nicht.
Deshalb bleibe ich dabei mit meinen eigenen Ohren ein Werk zu beurteilen und selbst einzuschätzen ob ich es gut, mittelmäßig oder schwach finde. Und ob die Ausführung, davon völlig unabhängig, gut, mittelmäßig oder schwach war.
LG, Paul
Ich glaube, es war Ulli, der neulich in einem anderen Zusammenhang darauf hingewiesen hat, dass im Tamino periodisch die Emotionen hoch kochen. Das klang für mich so, als wäre das ein unveränderliches Naturgesetz, und deshalb habe ich die Feststellung bezweifelt. Ich bin noch nicht lange genug dabei und denke auch nicht daran, das jetzt rückwirkend zu überprüfen, um das bestätigen zu können, aber als ich heute Nacht diesen Thread las, noch ziemlich frisch von der Diskussion um die strengere Überwachung der Threads vor allem im Tritsch-Tratsch und dessen, was das ausgelöst hat, kommend, musste ich an diese Feststellung denken. Ich weiß nicht, ob hier schon etwas gelöscht wurde, aber ich kann darin nichts finden, was einen so heftigen nächtlichen Wortwechsel vernünftigerweise hätte auslösen können. War es Rappys frühe Zuordnung des Begriffs der Genialität zum emotionalen Bereich, den man nicht unbedingt teilen muss?
Ich versuche mal einen anderen Ansatz, denn die Festlegung auf die emotionale Reaktion liegt mir etwas zu nahe an dem inflationären Sprachgebrauch, dem auch dieser Begriff unterworfen wurde, weil im Umfeld des heutigen aggressiven Marketing nur noch Superlative als adäquate Kennzeichnung von etwas Gutem (oder Schlechten) gelten.
Für mich ist ein Genie jemand, der wiederholt in der Lage war oder ist, etwas Außergewöhnliches zu schaffen, zu dem niemand sonst in der Lage war. Das gilt für alle geisteswissenschaftlichen und künstlerischen Disziplinen von der Mathematik bis zur Musik. Man kann und sollte das auf eine geistige Leistung beschränken, da sonst Leute wie Napoleon und seine viel schlimmeren Nachfolger ebenfalls als Genies gelten müssten (nicht, dass man das nicht schon zu oft getan hätte, aber das führt vom Thema weg). Auch unter den Genies gibt es graduelle Unterschiede, die von einzelnen reichen, die einmal oder einige wenige Male ein geniales Werk geschaffen oder Konzept entwickelt haben bis hin zu den Titanen, deren Schaffen von solchen Leistungen wimmelt. Die Leistungen selbst sind nicht vergleichbar, den den relativen Wert einer "Kunst der Fuge" im Vergleich zur Relativitätstheorie könnte man allenfalls an den Folgen bemessen, die sie - im Wortsinne - gezeitigt haben.
Da es sich um eine primär geistige und deshalb nur schwer objektiv zu messende Leistung handelt, ist ihre Anerkennung subjektiven Maßstäben und damit auch bestimmten Moden unterworfen. Erst in der Nachfolge Mendelssohns wurde Bach als das Genie anerkannt, das er nach allen gängigen Kriterien fraglos ist, während Berlioz, der den Begriff selbst gerne propagierte, dieses Attribut fast von Anfang an zugeeignet bekam, was sich trotzdem nicht nachhaltig in einer umfassenden Beliebtheit seiner Werkes niederschlug. Man kennzeichnete ihn deshalb auch gerne mit dem Begriff "genialisch". Ob das nun abwertend im Sinne von Pseudogenie oder anerkennend im Sinne von "immer wieder mal genial, aber nicht konstant" gemeint war, sei dahingestellt, denn da traf wohl, je nach dem Standpunkt des Betrachters, beides zu
Anerkennung und persönliche Wertschätzung eines Genies müssen keineswegs deckungsgleich sein. Ich bewundere manche Komponisten außerordentlich (Beispiel: Wagner, Berg, Schostakowitsch), kann mit ihren Schöpfungen aber - mit wenigen Ausnahmen - nicht wirklich warm werden. Hier erst setzt m. E. die emotionale Komponente in der Anerkennung eines Genies ein, und da erst wird der Begriff in der Tat extrem subjektiv. Dem sollte aber eine objektive Anerkennung der Leistung selbst voraus gehen. Man muss Strauss nicht mögen (auch wenn mir das zumindest bei seinem frühen und mittleren Werk subjektiv schwer nachvollziehbar ist), aber man sollte anerkennen können, was er - ungeachtet seiner feststellbaren Schwächen - geleistet hat. Kein Künstler produziert unentwegt auf der Höhe seine genialen Potenzials, aber das sollte die Anerkennung der genialen Werke nicht beschädigen.
Wenn Kids "genial" finden, was etwa Tokyo Hotel produziert, dann fehlt genau dieser notwendig vorausgehende Schritt der Anerkennung auf Grund eingehender Analyse. Deshalb ist der Begriff in einem solchen Zusammenhang für mich auch weniger eine Kennzeichnung der Qualität der Musik als eine der Verarmung unserer Umgangssprache, die sich täglich wahrnehmen lässt. Trotzdem ist es das Recht der Kids, das so zu empfinden, und zwar nicht weniger als das eines anderen, der sich von Werken eines Bach, Wagner, Berg oder Schostakowitsch emotional aufwühlen oder, wie es mal ein Filmkritiker genannt hat, seelisch umpflügen lässt.
Vielleicht sollte man den Begriff für längere Zeit unter Quarantäne stellen, auch hier, aber das geht wohl nicht.
Rideamus
Sagitt meint:
Von der Frage,ob einen ein Kopmponist berührt, tief berührt oder eben nicht,möchte ich gerne die Frage unterscheiden,ob dieser Mensch intersubjektiv eine "Grösse" hat, die wir "Genie" nennen könnten und den Zeitfaktor dafür einführen.
Wir sind Zeitgenossen von Kunst.Die allermeisten Aktiven dieser Kunst werden in der nächsten Generation verblasst,vergessen sein.
Wenn ich heute an die Grossen denke, sie es eben die Unvergessenen. Selbst so scheinbar ferne Künstler wie Heinrch Schütz werden nicht vergessen.
Man hat die Komponisten oftmals zu ihrer Zeit nicht in der wahren Bedeutung erkannt, aber aufgrund ihres Werkes, ihre Genies,haben sie sich durchgesetzt, man denke zB an Schubert.
Ich würde mich ausschliesend dieser Kategorie nähern. Ein Werk, dass der Vergessenheit anheimfällt,kann kaum von einem Genie sein.
ZitatOriginal von sagitt
Ich würde mich ausschliesend dieser Kategorie nähern. Ein Werk, dass der Vergessenheit anheimfällt,kann kaum von einem Genie sein.
Vorsicht. Nicht nur das zeitliche Umfeld eines Komponisten, auch der Lauf der Zeit kann irren, wie man an der Wiederentdeckung und Neubewertung vieler vermeintlicher Kleinmeister heute sieht.
Wäre dieser Satz richtig, wäre Bach mehr als ein Jahrhundert lang kein Genie gewesen und ein Werk wie LES TROYENS erst mehr als hundert Jahre nach seiner Veröffentlichung plötzlich genial geworden.
Die Fähigkeit, Zeit zu überdauern, ist sicher ein starkes Kriterium, aber die Reduktion auf einen einzigen Faktor von mehreren notwendigen wird das Defintionsproblem nicht lösen.
Rideamus
Lieber Rideamus,
mit allem, was Du da gesagt hast, kann ich mich einverstanden erklären, nur zu dieser Passage doch eine Anmerkung:
ZitatOriginal von Rideamus
Erst in der Nachfolge Mendelssohns wurde Bach als das Genie anerkannt, das er nach allen gängigen Kriterien fraglos ist,
Bachs "Genie-Status" ist während seiner Lebzeiten und auch danach in "informierten Kreisen" – Musiker, Komponisten, interessierte Laien, auch Kirchgänger mit musikalischer Affinität – nie in Frage gestellt worden. Die allgemeine Bach-Renaissance ist eine Legende.
Mendelssohn hat Bach beim bürgerlichen Konzertpublikum verankert. Auf ihn gründet sich die Tradition der Matthäuspassionen und Weihnachtsoratorien zu gegebenem Anlass in städtischen Häusern.
Daraus könnte man die Frage ableiten, wie groß das Publikum bzw. der Kreis der Kenner sein muss, um als Genie zu gelten. Aber da hätten wir schon wieder einen untauglichen Maßstab.
Bach selbst hat übrigens ein schönes Beispiel für absolutes Understatement geliefert als er feststellte "ich hab halt fleißig sein müssen. Jeder, der ebenso fleißig ist, wird es ebenso weit bringen." – auch kein tauglicher Geniebegriff.
Lieber HIldebrand,
danke für diese historische Korrektur.
Halten wir also fest: Das Genie benötigt die Anerkennung des Publikums nicht für seinen Status als solches, sondern nur für dessen Wahrnehmung.
Leider öffnet diese Feststellung Tür und Tor für alle, die sich oder andere zu Unrecht für verkannte Genies halten.
Auch die Anerkennung der "peers" hat ihre Probleme, denn die Akademien aller Zeiten waren und sind voll von überschätzten Zeitgenossen, wie wir nicht erst seit Berlioz wissen.
Genau deshalb ist es ja so schwer, Anerkennung als Primärkriterium des Genies zu benutzen.
Rideamus
ZitatOriginal von Rideamus
Genau deshalb ist es ja so schwer, Anerkennung als Primärkriterium des Genies zu benutzen.
Und auch bei der Messung anhand wiederholt erbrachter geistiger Großtaten bleibt es Ansichtssache, wie wir im Falle Mendelssohns lesen können.
Oder: War der Tristanakkord das Werk eines Genies? Warum dann nicht die sixte ajoutée Rameaus?
Am Ende stehen wir betroffen, Vorhang zu und alle Fragen offen.
ZitatOriginal von Hildebrandt
Am Ende stehen wir betroffen, Vorhang zu und alle Fragen offen.
Wer hat dieses Zitat doch gleich immer wieder gerne verwendet? Ich glaube der Name begann mit dem Buchstaben M .....
Im Ernst:
Ich glaube, an dieser Stelle des Threads würde dieser Ausspruch als Schlussakkord sehr gut passen, oder?
Herzliche Grüße,
Christian
ZitatOriginal von Rideamus
Ich weiß nicht, ob hier schon etwas gelöscht wurde, aber ich kann darin nichts finden, was einen so heftigen nächtlichen Wortwechsel vernünftigerweise hätte auslösen können. War es Rappys frühe Zuordnung des Begriffs der Genialität zum emotionalen Bereich, den man nicht unbedingt teilen muss?
Lieber Rideamus,
ich entsinne mich der Reaktion auf einen ernstgemeinten Versuch, den Begriff "Fan" in Bezug auf den Bereich Klassik zu orten. Da war am Ende von "gespreizten Pfauenfedern" die Rede, nur weil es wohl einige gab, die von der Diskussion überfordert waren. Aber eine begriffliche Klärung geschieht auf einer begrifflichen Ebene - wie sollte es anders sein? Hat man eine Klärung erreicht, kann man das Ergebnis auch wieder ins Allgemeinverständliche herunterbrechen. Nur: in der Allgemeinsprache wird es immer wieder Widersprüchlichkeiten geben, die halt der Unschärfe der Umgangssprache geschuldet sind.
Es gibt folgende Möglichkeiten, einen Begriff zu klären:
1) man analysiert den Gebrauch des Begriffs "Genie" in der Gegenwart. Man wird dann sehr schnell feststellen, dass zwischen der hochemotionalen Äußerung "Genial" (häufig auf Trivialstes bezogen, wenn ich meinen Jungs die Lösung einer quadratischen Gleichung erkläre etwa) und "Einstein war ein Genie" erhebliche Unterschiede bestehen. Man muss also den Kontext des Wortgebrauchs analysieren, um nicht die Äußerungen
a) Das [Stück von Tokyo Hotel] ist genial.
b) Die spezielle Relativitätstheorie ist genial.
als gleichwertig zu verstehen. Auch in ästhetischen Diskussionen werden die beiden Ebenen häufig durcheinander geworfen.
Wenn es schon bei dem Attribut "genial", das ja auf bestimmte Leistungen zu fokussieren ist, schon so weitgehende Gebrauchsunterschiede gibt, so doch erst Recht bei der Zuschreibung dieses Begriffes auf eine Person.
2) man analysiert den Begriff "Genie" in Bezug auf eine künstlerische Leistung anhand einer konkreten gegenwärtigen oder historischen Äußerung. In diesem Fall muss man Kontext und Veraussetzungen (wie wurde der Begriff "Genie" in der zeitgenössischen Ästhetik gebraucht?)
3) man versucht von einem systematischen (philosophischen) Ansatz her eine (normative) Festlegung des Begriffs in einem bestimmten Gebrauchszusammenhang (etwa in diesem Forum) festzulegen. Die Ableitung des Begriffes sollte auf jeden Fall widerspruchsfrei sein, das gelingt wie gesagt, nur auf der Ebene der theoretischen Abstraktion. Wird die Ableitung innerhalb des Zusammenhangs akzeptiert (so ist es eben auch bei der wissenschaftlichen Begriffsbildung), hat man einen operablen Begriff geschaffen, der in einem bestimmten Diskussionsforum zugrunde gelegt werden kann, ohne dass man sich jedesmal streiten muss.
Ich habe mich mit diesen Dingen lange genug wissenschaftlich (und praktisch) beschäftigt, dass ich weiß, was das an Mühe kostet. Die Mühe ist es wert, weil dann nicht kostbarer Webspace dadurch verschwendet wird, dass Leute aneinander vorbei reden. Ich will nicht unterstellen, dass es Mitmenschen gibt, die Unschärfe von Begriffen deshalb lieben, weil mit unscharfen Begriffen auch ihre Aussagen nur unzuverlässig überprüft werden können.
Solange es aber für den in dem "Fan-Thread" gemachten Ruf nach dem Psychotherapeuten keine in meinem Sinne positive Reaktion gibt, darf ich annehmen, dass hier keine klaren Begriffe gewünscht sind.
ZitatIch versuche mal einen anderen Ansatz, denn die Festlegung auf die emotionale Reaktion liegt mir etwas zu nahe an dem inflationären Sprachgebrauch, dem auch dieser Begriff unterworfen wurde, weil im Umfeld des heutigen aggressiven Marketing nur noch Superlative als adäquate Kennzeichnung von etwas Gutem (oder Schlechten) gelten.
Das gilt aber schon immer für emotionale Äußerungen, von der "dulcissima" bis zum "oberaffengeil" - es soll mehr der Grad der Begeisterung als der Wert dessen, das einen begeistert, vermittelt werden.
ZitatFür mich ist ein Genie jemand, der wiederholt in der Lage war oder ist, etwas Außergewöhnliches zu schaffen, zu dem niemand sonst in der Lage war. Das gilt für alle geisteswissenschaftlichen und künstlerischen Disziplinen von der Mathematik bis zur Musik. Man kann und sollte das auf eine geistige Leistung beschränken, da sonst Leute wie Napoleon und seine viel schlimmeren Nachfolger ebenfalls als Genies gelten müssten (nicht, dass man das nicht schon zu oft getan hätte, aber das führt vom Thema weg).
Damit verlässt Du die deskriptive Ebene und kommst zur normativen - das ist eben das Minenfeld ...
ZitatAuch unter den Genies gibt es graduelle Unterschiede, die von einzelnen reichen, die einmal oder einige wenige Male ein geniales Werk geschaffen oder Konzept entwickelt haben bis hin zu den Titanen, deren Schaffen von solchen Leistungen wimmelt. Die Leistungen selbst sind nicht vergleichbar, den den relativen Wert einer "Kunst der Fuge" im Vergleich zur Relativitätstheorie könnte man allenfalls an den Folgen bemessen, die sie - im Wortsinne - gezeitigt haben.
Um mal einen Ansatz vorzuschlagen: Die Voraussetzung zu einer genialen Leistung ist ein (schwieriges) Problem, das hervorragend/neuartig/in einzigartiger Weise gelöst worden ist.
ZitatDa es sich um eine primär geistige und deshalb nur schwer objektiv zu messende Leistung handelt, ist ihre Anerkennung subjektiven Maßstäben und damit auch bestimmten Moden unterworfen. Erst in der Nachfolge Mendelssohns wurde Bach als das Genie anerkannt, das er nach allen gängigen Kriterien fraglos ist, während Berlioz, der den Begriff selbst gerne propagierte, dieses Attribut fast von Anfang an zugeeignet bekam, was sich trotzdem nicht nachhaltig in einer umfassenden Beliebtheit seiner Werkes niederschlug.
Statt Moden würde ich von historisch-sozialen Konstrukten sprechen ...
ZitatVielleicht sollte man den Begriff für längere Zeit unter Quarantäne stellen, auch hier, aber das geht wohl nicht.
... wie den Begriff "Fan" ...
Liebe Grüße Peter
ZitatOriginal von Hildebrandt
Genie = schwierig.
genial = neuer Versuch.
Klaro? :beatnik:
Das kann ich nicht nachvollziehen, dagegen diese aus dem Duden schon eher.
Genie = höchste schöpferische Geisteskraft; höchstbegabter, schöpferischer Mensch.
genial = überaus begabt und schöpferisch; großartig.
Ich sehe hier keine Diskrepanz zwischen den Begriffen "Genie" und "genial".
Diese Definitionen werden Grundlage meiner weiteren Ausführungen sein. Aus Zeitmangel werde ich mich erst heute Abend wieder einmischen.
Gruß
Tresor
ZitatAlles anzeigenOriginal von Tresor
dagegen diese aus dem Duden schon eher.
Genie = höchste schöpferische Geisteskraft; höchstbegabter, schöpferischer Mensch.
genial = überaus begabt und schöpferisch; großartig.
Ich sehe hier keine Diskrepanz zwischen den Begriffen "Genie" und "genial".
In einer aktuellen Zeitungsmeldung finde ich
Engländer rechnet schneller als ein Computer
Er ist schlichtweg ein Genie. Daniel Tammet (28 ) kann schneller rechnen als ein Computer, sich unvorstellbare Zahlen merken und lernt nebenbei zahlreiche Sprachen. Jetzt hat Tammet seine Autobiographie herausgebracht.
Von einer schöpferischen Begabung ist hier wohl kaum zu sprechen. Ist das ein falscher Gebrauch des Wortes "Genie" oder ist der Duden hier "ungenau"?
Zu genial habe ich übrigens gefunden:
Ein Jahr später folgte das erste Michel-Vaillant-Album "Le Grand Défi‘", aus dem Graton sein einzigartiges Familien- und Rennfahrer-Universum formte. Ganz im Geist von Gerechtigkeit und Fairness, Mut und Tapferkeit. Genial garniert mit packenden Einblicken in die Welt des Rennsports.
Nimm dir nur mal eine beliebige Zeitung und scanne mal nach Genie oder genial ...
LG Peter
ZitatOriginal von pbrixius
ich entsinne mich der Reaktion auf einen ernstgemeinten Versuch, den Begriff "Fan" in Bezug auf den Bereich Klassik zu orten. Da war am Ende von "gespreizten Pfauenfedern" die Rede, nur weil es wohl einige gab, die von der Diskussion überfordert waren. Aber eine begriffliche Klärung geschieht auf einer begrifflichen Ebene - wie sollte es anders sein? Hat man eine Klärung erreicht, kann man das Ergebnis auch wieder ins Allgemeinverständliche herunterbrechen. Nur: in der Allgemeinsprache wird es immer wieder Widersprüchlichkeiten geben, die halt der Unschärfe der Umgangssprache geschuldet sind.
Ich glaube, Ullis von mir zitierte Meldung stammt sogar aus dem Fanthread der mit dem von Dir genannten Ausspruch unsäglich wurde.
Ich gebe gerne zu, dass manche sich von solchen "bergrifflichen Klärungen" mangels trainierter Gehirnwindungen überfordert fühlen können, vor allem, wenn die wie in dem Thread über "zeitgetreue"
Dekorationen zum - im Forum zwangsläufig asynchronen - Dialog oder gar Triolog geraten. Bekanntlich nehme ich mich überhaupt nicht von den Überforderten aus, sondern mache höchstens mal höflich darauf aufmerksam, dass ich es bin - und manch andere, die das Thema eigentlich interessiert, womöglich ebenfalls.
Schwierig wird es, vor allem hier, wenn jemand nicht willens ist, eine Überforderung einzugestehen und mangels schärferer Waffe mit der Keule der Verbalinjurie los drischt. Da hilft wohl nur Ignorieren, wenn er - wie zum Glück fast zwangsläufig - daneben haut. Auch das erfordert eine gewisse Kompetenz, um nicht zu sagen "Größe". Andererseits erfordert der Umstand, dass man vor Publikum diskutiert, auch eine gewisse Fähigkeit und Bereitschaft, das jeweils versammelte Publikum mitzunehmen, indem man sich um Nachvollziehbarkeit seiner Argumente bemüht.
Soviel zum Allgemeinen solcher Auseinandersetzungen. Es richtet sich dezidiert gegen niemanden - höchstens allgemein gegen Leute mit einer all zu locker sitzenden Verbalinjurienschleuder.
Zitat
Ich habe mich mit diesen Dingen lange genug wissenschaftlich (und praktisch) beschäftigt, dass ich weiß, was das an Mühe kostet. Die Mühe ist es wert, weil dann nicht kostbarer Webspace dadurch verschwendet wird, dass Leute aneinander vorbei reden. Ich will nicht unterstellen, dass es Mitmenschen gibt, die Unschärfe von Begriffen deshalb lieben, weil mit unscharfen Begriffen auch ihre Aussagen nur unzuverlässig überprüft werden können.
Ich denke, das kannst Du ruhig unterstellen und biete mich selbst als gelegentlichen Beweis an. Unschärfe ist eine legitime taktische Maßnahme, die zu entlarven und dann zu schärfen eine Aufgabe der Diskussion ist. Viele geniale Problemlösungen wurden in dem Fallout solcher unscharfer Denkansätze gefunden. Der in dem von Dir beschriebenen Sinne Mühe wert ist die begriffliche Klärung nämlich nur, wenn sie auch begriffen wird, und da bin ich nicht so optimistisch wie Du, dass sie, wenn sie einmal gefunden ist, wieder auf das Allgemeinverständliche herunter gebrochen werden kann - zumal, wenn dann kaum einer mehr Lust hat zuzuhören.
Zitat
Solange es aber für den in dem "Fan-Thread" gemachten Ruf nach dem Psychotherapeuten keine in meinem Sinne positive Reaktion gibt, darf ich annehmen, dass hier keine klaren Begriffe gewünscht sind. (/quote]
Das kann und will ich nicht beurteilen, teile aber gerne Deine Veruteilung hilfloser Verbalinjurien. Ich jedenfalls breche mir nichts ab, wenn ich gelegentlich zugestehe, dass mir bestimmte Diskurse zu hoch sind - oder ich zu denkfaul oder konzentrationsarm bin um ihnen zu folgen. Deshalb brauche ich mich aber mit niemandem anzulegen, der sich auf diesen Denksport besser versteht, und will es auch gar nicht. Ich bin einfach um jeden froh, dem es gelingt, mir etwas nahe zu bringen oder verständlich zu machen, was mir vorher unklar oder gar unlieb war. Deswegen muss noch lange nicht jeder scheiternde Versuch dazu ein Fehlschlag des Versuchenden sein.
[quote]
Um mal einen Ansatz vorzuschlagen: Die Voraussetzung zu einer genialen Leistung ist ein (schwieriges) Problem, das hervorragend/neuartig/in einzigartiger Weise gelöst worden ist.
Mit dieser Schärfung meines stumpfen Denkansatzes kann ich sehr gut leben. Deshalb freut es mich auch, dass mein schlichter Versuch eines anderen Denkansatzes nicht gleich zum Schlussakkord führte, wie ich kurz befürchtete. Er sollte ja kein Totschlagargument sein, sondern die Diskussion auf einen fruchtbare(re)s Boden führen, auf dem wir uns jetzt hoffentlich befinden.
Rideamus
Die "Bewertung" einer Persönlichkeit, gleich ob Komponist oder sonstwer, widerstrebt mir. Der Geniebegriff ist m.E. untrennbar mit der Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts verbunden, in der er eine wichtige Funktion in der nationalen Identitätsfindung hatte und in der Biographik eine große Rolle spielte.
Ich meine, wir heute sollten solche pathetisch belasteten Begriffe ("Wahnsinn" wurde ja auch gerne mit ihm gepaart, eine Diskussion, die immer noch in vielen Köpfen spukt) zugunsten einer differenzierten, wertfreien Betrachtung hinter uns lassen.
Wobei sich selbstverständlich über Geschmack nicht streiten lässt!
ZitatOriginal von Loge
Du wirst wohl recht haben, und ich sollte alle seine Schriften - und als erstes den Dr. Faustus - wegwerfen und mehr auf Dich und Wulf hören. Das verheißt auf jeden Fall praktische Einfachheit nach dem Motto "alles ist relativ". Genau wie sie es gestern im Fernsehen sagten!
Loge
Lieber Loge,
ich glaube, ich ziehe mich zurück, da Du unfair wirst und mir Sachen in den Mund legt, die ich SO NIE gesagt habe.
1. Ich würde nie behaupten, daß alles relativ ist. (Ein großes Mißverständnis der Relativitätstheorie von Einstein)
2. Einfachheit parktizierst Du. Denn Du stellst Dich auf die Seite der angeblich existierenden und unisono sprechendne Meinugshoheit, schreist das Wort "Genie" heraus, begründest aber nicht aus dem musikalischen Werk heraus - Du redest (in Zusammenhang mit Mozart und Mendelssohn) von Menschlichkeit und "Güte" des Herzens bzw. des Mangels beider Dinge und zu großer Rationalität. Daraus erstellt Du eine lineare Gleichung, übersiehst aber, daß die "Güte des Herzens" bei Dir als Prämisse eingeht. Doch leider ist die Welt nicht so einfach. Man kann sich - ich habe das im Mendelssohn-thread versuch mit den Seinsweisen hervorzuheben - dem Begriff des "Genies" auch anders nähern - wenn man sich denn überhaupt nähern will.
Ich empfehle Dir die Lektüre "Die Sieger", in der analysiert wird, wie Menschen zu Gewinnern werden. Natürlich ist im künstlerischen und wissenschaftlichen Bereich
nur bedingt anwendbar, es gibt definitiv Unterschiede. Und dennoch: wenn Du es noch nicht kennst, möchte ich Dir das gerne empfehlen.
Wulf
ZitatAlles anzeigenOriginal von pbrixius
In einer aktuellen Zeitungsmeldung finde ich
Engländer rechnet schneller als ein Computer
Er ist schlichtweg ein Genie. Daniel Tammet (28 ) kann schneller rechnen als ein Computer, sich unvorstellbare Zahlen merken und lernt nebenbei zahlreiche Sprachen. Jetzt hat Tammet seine Autobiographie herausgebracht.
Von einer schöpferischen Begabung ist hier wohl kaum zu sprechen. Ist das ein falscher Gebrauch des Wortes "Genie" oder ist der Duden hier "ungenau"?
Zu genial habe ich übrigens gefunden:
Ein Jahr später folgte das erste Michel-Vaillant-Album "Le Grand Défi‘", aus dem Graton sein einzigartiges Familien- und Rennfahrer-Universum formte. Ganz im Geist von Gerechtigkeit und Fairness, Mut und Tapferkeit. Genial garniert mit packenden Einblicken in die Welt des Rennsports.
Nimm dir nur mal eine beliebige Zeitung und scanne mal nach Genie oder genial ...
LG Peter
Lieber Peter,
die sehr schönen Beispiele, die du hier aufführst, zeigen sehr deutlich, dass die Begriffe "Genie" und "genial" im alltäglichen Sprachgebrauch häufig mißbräuchlich verwendet werden.
Ich würde sagen, nicht der Duden irrt, sondern diejenigen, die die Begriffe zweckentfremdet verwendet haben. Die Definition im Duden ist eher eine fachliche. Da der Duden aber auch den Veränderungen gerade im alltäglichen Sprachgebrauch unterworfen ist, kann ich mir vorstellen, dass in einer zukünftigen Fassung des Duden auch diese neudeutschen Begriffsverwendungen einfließen werden. In dieser Diskussion distanziere ich mich allerdings von diesem neuen Begriffsverständnis.
ZitatOriginal von Rideamus
Für mich ist ein Genie jemand, der wiederholt in der Lage war oder ist, etwas Außergewöhnliches zu schaffen, zu dem niemand sonst in der Lage war. Das gilt für alle geisteswissenschaftlichen und künstlerischen Disziplinen von der Mathematik bis zur Musik. Man kann und sollte das auf eine geistige Leistung beschränken, da sonst Leute wie Napoleon und seine viel schlimmeren Nachfolger ebenfalls als Genies gelten müssten (nicht, dass man das nicht schon zu oft getan hätte, aber das führt vom Thema weg). Auch unter den Genies gibt es graduelle Unterschiede, die von einzelnen reichen, die einmal oder einige wenige Male ein geniales Werk geschaffen oder Konzept entwickelt haben bis hin zu den Titanen, deren Schaffen von solchen Leistungen wimmelt. Die Leistungen selbst sind nicht vergleichbar, den den relativen Wert einer "Kunst der Fuge" im Vergleich zur Relativitätstheorie könnte man allenfalls an den Folgen bemessen, die sie - im Wortsinne - gezeitigt haben.
Da es sich um eine primär geistige und deshalb nur schwer objektiv zu messende Leistung handelt, ist ihre Anerkennung subjektiven Maßstäben und damit auch bestimmten Moden unterworfen. Erst in der Nachfolge Mendelssohns wurde Bach als das Genie anerkannt, das er nach allen gängigen Kriterien fraglos ist, während Berlioz, der den Begriff selbst gerne propagierte, dieses Attribut fast von Anfang an zugeeignet bekam, was sich trotzdem nicht nachhaltig in einer umfassenden Beliebtheit seiner Werkes niederschlug. Man kennzeichnete ihn deshalb auch gerne mit dem Begriff "genialisch". Ob das nun abwertend im Sinne von Pseudogenie oder anerkennend im Sinne von "immer wieder mal genial, aber nicht konstant" gemeint war, sei dahingestellt, denn da traf wohl, je nach dem Standpunkt des Betrachters, beides zu
Lieber Rideamus,
dieser Begriffsdefinition und -umschreibung stimme ich voll zu. Die mir wichtigen Stellen habe ich besonders gekennzeichnet.
Und nun wissen wir, warum es so schwer ist, Komponisten als "Genie", "kleines Genie" oder "kein Genie" zu bewerten bzw. zu be-/verurteilen. Es ist schon schwer genug, ein einzelnes Werk als "genial" einzustufen. Ich habe letzteres hier im Forum schon getan. Allerdings muss ich gestehen, dass ich solche Urteile nicht objektiv begründen, sondern nur (für mich) subjektiv empfinden kann. Wenn es dann andere gibt, die zu einer ähnlichen Einschätzung kommen, so fühle ich mich in meiner Beurteilung bestätigt.
Wenn ich also sage
das Te Deum von Jaen Langlais finde ich genial,
weil es mich berührt, ja packt,
weil ich darin keine Note zuviel und keine zu wenig finde,
weil an dieser Komposition einfach alles passt,
dann ist dies meine ganz subjektive Einschätzung für mich und nicht unbedingt für die Allgemeinheit.
Gruß
Tresor
Lieber Wulf,
Du bleibst schön hier :). Mein Satz mit dem "alles ist relativ" war ohnehin ungewöhnlich schwach. Ich habe mich im Nachhinein über ihn geärgert.
"Die Sieger" von W. Schneider habe ich vor rund 18 Jahren mit Genuss gelesen. Und ich verstehe, was Du sagen willst. Ich habe über dieses Buch sehr früh eine allzu romantische Sicht auf die Kunst verloren.
Als es um die fehlende "Güte des Herzens" ging, sprach ich kurz Mendelssohns Charakter an. Das war nicht der wesentliche Gegenstand meiner Ausführungen zu ihm und hat mit seiner Musik nur höchst mittelbar zu tun.
Ich habe nicht den Eindruck, vom "Genie" zu schreien. Ich versuche nur zu werten und wundere mich, welche Emotionen ich damit auslöse (naja, zumindest ein bißchen ;)). Ein deutliches Zeichen für mich, dass viele von denen, die so vehement gegen diese Wertungen anschreiben, selbst ein sehr festgefügtes Wertesystem haben, ob sie ihr Höchstes in der Kunst nun "Genie" nennen oder nicht. Nichts Ungewöhnliches.
Loge
ZitatOriginal von Rideamus
Für mich ist ein Genie jemand, der wiederholt in der Lage war oder ist, etwas Außergewöhnliches zu schaffen, zu dem niemand sonst in der Lage war. Das gilt für alle geisteswissenschaftlichen und künstlerischen Disziplinen von der Mathematik bis zur Musik.
Salü,
meine Definition ist ganz ähnlich, jedoch stets auf mich selbst bezogen. Die Person - ob lebend oder gelebt habend - muß etwas vollbracht haben, das ich nicht kann. Das ist für mich ein Genie.
Da die breite Masse der Menschen keine Künstler sind - Künstler gehören für mich in eine Sonderabteilung der Kategorie Mensch - lässt sich das ausnahmsweise ganz gut verallgemeinern, wobei es eben doch Ausnahmen gibt [womit ich nicht (nur) mich meine, sondern eben eine ganze Reihe anderer Menschen].
Das Produkt eines Genies ist übrigens keineswegs immer genial - eines würde m. E. ausreichen, oder?
Ulli
ZitatOriginal von Ulli
meine Definition ist ganz ähnlich, jedoch stets auf mich selbst bezogen. Die Person - ob lebend oder gelebt habend - muß etwas vollbracht haben, das ich nicht kann. Das ist für mich ein Genie.
Du kannst nicht Bahasa Indonesia reden... Ich kanns (noch teils)...
Ergo....?
ZitatOriginal von Michael Schlechtriem
Für mich ist am ehesten Bach halt ein wirkliches Genie.
Bisher niemand sonst.
Auch nicht Mozart.
Komme ich jetzt in die Hölle?
Iwo...
Die gute alte Hölle ist für Genies reserviert.
Du darfst mit Salieri, Harnoncourt und Locatelli auf Wolke sieben zu Bruckner schweben...
Ulli
ZitatOriginal von musicophil
Du kannst nicht Bahasa Indonesia reden... Ich kanns (noch teils)...
Ergo....?
...kannst Du mich vollsülzen, ohne daß ich etwas verstehe. Da ich fremdsprachunbegabt bin, sind Phänemene wie Du, welche Indonesisch, Französisch, Englisch, Holländisch usw. beherrschen, ganz klar Genies. Allerdings keine, die mich ich sonderlich interessieren.
Ulli
Zitatpbrixius
In einer aktuellen Zeitungsmeldung finde ich
Engländer rechnet schneller als ein Computer
Er ist schlichtweg ein Genie. Daniel Tammet (28 ) kann schneller rechnen als ein Computer, sich unvorstellbare Zahlen merken und lernt nebenbei zahlreiche Sprachen. Jetzt hat Tammet seine Autobiographie herausgebracht.
Von einer schöpferischen Begabung ist hier wohl kaum zu sprechen. Ist das ein falscher Gebrauch des Wortes "Genie" oder ist der Duden hier "ungenau"?
Auch ich habe diesen Artikel -wohl als einziger hier vollständig- gelesen. Dieser Engländer ist nicht nur in der Lage in Windeseile Sprachen zu erlernen, sondern hat seine eigene Sprache, offensichtlich einen skandinavischen Dialekt, entwickelt, also durchaus eine schöpferische Leistung, möchte ich zumindest meinen.
ZitatGenie = höchste schöpferische Geisteskraft; höchstbegabter, schöpferischer Mensch.
genial = überaus begabt und schöpferisch; großartig.
Trotzdem, ich stoße mich am Begriff des "schöpferischen". Ein Schachgenie wie Bobby Fischer hat nichts neues geschaffen, genauso wie mathematische Genies oft/meist nichts neues wissenschaftliches erbringen, ohne daß man ihnen deshalb das Genie abspricht.
Darüberhinaus könnte man noch genauer definieren in welchem musikalischen Bereich wir hier das Genie überhaupt suchen: Gilt der Geniebegriff nur für Komponisten oder auch für den Bereich des nachschöpfenden Künstlers?
Ist ein Tastenkünstler wie Cziffra nicht auch als ein Geschicklichkeitsgenie zu bezeichnen? Ich finde ja, genauso wie ich Bruckner nicht als Genie sondern als einseitig hochbegabten Menschen sehe. Und das gilt für die meisten anderen auch...