Hallo, miteinander!
Ich beziehe mich auf den Thread zu Schuberts "Winterreise", bei dem sich diese Thematik zuletzt herauskristallisiert hatte.
Wenn Schumann Eichendorffs "Mondnacht" vertont oder - deutlicheres Beispiel - Richard Strauss dessen "Abendrot", so wird man aufgrund der musikalischen Wertung und Rezeption Kongenialität unterstellen dürfen. Dennoch waren die literarischen Werke zumindest früher da.
Bei Opern sollten Libretto - unabhängig davon, in welchem Maße eine Abhängigkeit von einer außermusikalischen Vorlage oder einem Stoff besteht - und Komposition aufeinander bezogen werden. Dann jedoch interessiert uns rein psychologisch und ästhetisch doch meist die Musik mehr als der Text. Diese ist vielfach stärker, und so soll es wohl auch sein.
Im Kunstlied wiederum wird nicht selten ein mittelmäßiger - oder eben ein im besten Sinne des Wortes einfacher - Text durch unverwechselbare Musik aufgewertet; ich denke an Wilhelm Müller und Schubert. Umso mehr gilt dies wohl für das Volkslied; ich denke an Canteloube und seine "Chants d'Auvergne".
Am ehesten könnte ich mir bei Melodramen die primär dienende Funktion der Musik vorstellen. In Wildenbruchs /von Schillings "Hexenlied" erscheint mir das vordergründige Fin de Siecle-Pathos gleichwertig; in Castelnuovo-Tedescos Vertonung von Jimenez' "Platero und ich" bleibt für die Gitarre wahrlich nicht viel übrig ...
In der Filmmusik wird es genauso sein.
Meine zwei Pfennige - ein riesiges Thema, an das ich jetzt kurz und spontan-naiv anhand von Beispielen herangegangen bin, die ich in letzter Zeit gehört habe. Aber um die Frage aus meiner Sicht zu beantworten: Normalerweise geht es um die Musik, nicht um den Text. Und mit der Analogsetzung von Werkebene und Autobiographie des Komponisten (oder des Textdichters) muss man so vorsichtig wie nur möglich sein. Das weiß ich auch als Deutschlehrer. Was soll im Zweifelsfall für die Interpretation der musikalischen Schöpfung ausschlaggebend sein? Letztere - meine ich doch dringend!
Was meint Ihr?
Besten Gruß, Wolfgang
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Mir liegt alles Politische nicht, sonst wäre ich längst Revolutionär. (Hermann Hesse)