OFFENBACH, Jacques: LA GRANDE-DUCHESSE DE GÉROLSTEIN

  • Jacques OFFENBACH
    LA GRANDE-DUCHESSE DE GÉROLSTEIN


    Deutscher Titel: Die Großherzogin von Gerolstein


    Opéra bouffe in drei Akten (vier Bilder)


    Text: Henri Meilhac und Ludovic Halévy


    Uraufführung: Paris, 12. April 1867, Théâtre des Variétés, Paris
    deutschsprachige Erstaufführung: Wien, 13.Mai 1867, Theater an der Wien


    Entstehung
    Dieses Werk des Dreigestirns Offenbach, Meilhac und Halévy sollte das eigentliche Ausstellungsstück zur Weltausstellung das Jahres 1867 in Paris werden. Die Zensur wusste, dass eine Satire auf das Militär und die Günstlingswirtschaft geplant war. Noch am Tag der Generalprobe musste umgestellt und umgetextet werden. Herrscher aus ganz Europa hielten sich in Paris auf, auf deren Befindlichkeiten Rücksicht genommen werden musste. Der Zar von Russland könnte eine Parodie auf das Liebesleben von Katharina der Großen erkennen, der König von Preußen und der Kaiser von Österreich unangenehm an den Krieg zwischen Preußen und dem Deutschen Bund von 1866 erinnert werden, die Könige und Herzöge der deutschen Kleinstaaten die Satire auf sich beziehen. Als sich der Vorhang zur Uraufführung hob, hatte man zwar besonders eindeutige Passagen entschärft, die Grundtendenz des Werks blieb aber erhalten und den Hoheiten nichts weiter übrig als über sich selbst zu lachen



    Personen
    Die Großherzogin, Herrscherin über einen fiktiven Zwergstaat
    Fritz , einfacher Soldat
    Wanda, die Verlobte von Fritz
    General Boum, Oberbefehlshaber einer Miniarmee
    Prinz Paul, Dauerwerber um die Hand der Großherzogin
    Baron Puck, Erzieher und Berater der Großherzogin
    Baron Grog, Diplomat am Hofe von Prinz Paul
    Nepomuk, Kammerherr der Herzogin
    Iza,
    Amélie,
    Olga
    und Charlotte, Hofdamen der Herzogin


    Handlung
    ein fiktiver Zwergstaat in Deutschland irgendwann zu Beginn des 18. Jahrhunderts


    1. Akt
    Soldaten warten in einem Feldlager auf den Beginn des Feldzuges gegen den Nachbarzwergstaat. Sie vertreiben sich trinkend und mit ihren Bräuten tanzend die Zeit (Allez, jeunes filles, dansez et tournez/Auf, junge Mädchen, tanzt und dreht euch). Auch Fritz hofft, dass der Feldzug endlich beginnt; gleich nach der Heimkehr will er seine Wanda heiraten. Der machtbesessene, selbstverliebte, jedoch völlig unfähige General Boum tritt auf und ruft zunächst seine Truppe zur Ordnung (Et pif, paf, puof/Piff, Paff, Puff), um dann den armen Fritz zur Wache zu verdonnern. Hat er doch selbst ein Auge auf die hübsche Wanda geworfen. Nun erscheint Baron Puck, der zur Zerstreuung der Großherzogin einen Krieg mit dem Nachbarzwergstaat angezettelt hat. Die extravagante Großherzogin ist gelangweilt und hat so gar kein Interesse an einer Heirat mit dem von Puck protegierten Prinzen Paul. Puck kennt die Vorliebe seiner Herrin für das Militär im Allgemeinen und junge, knackige Soldaten im Besonderen. Als die Großherzogin dann im Lager vorfährt, bekundet sie zunächst emphatisch ihre Liebe zum Militär (Ah, que j’aime les militaires/Ach, wie liebe ich das Militär). Dann fällt ihr Blick auf Fritz, an dem sie sofort Gefallen findet. Er soll mit Ihr das Regimentslied singen. Dem steht jedoch die Tradition entgegen, dass das Regimentslied nur von Offizieren gesungen werden darf. In Sekunden befördert sie Fritz vom einfachen Soldaten zum Oberst (Ah, c’est un fameux régiment/Ach, das ist ein berühmtes Regiment). In die allgemeine Euphorie platzt Prinz Paul. Er will die Großherzogin zu einer Heirat bewegen und beklagt jämmerlich, dass sich die Skandalblätter in ganz Europa über ihn lustig machen. Dieser steht jedoch der Sinn keineswegs nach einer Heirat mit Prinz Paul. So wird er zunächst einmal wieder vertröstet, eine Schlacht steht auf dem Programm. General Boum unterbreitet einen völlig absurden Schlachtplan, dem von Fritz widersprochen wird. Er hat einen eigenen, etwas weniger diffusen Plan. Die Großherzogin ist begeistert, Fritz wird nicht nur geadelt, er wird Oberbefehlshaber, erhält auch den Federbusch, auf den General Boum als einziger Träger so stolz ist, sowie den berühmten Säbel des Vaters der Großherzogin (Voici le sabre de mon père/ Hier ist der Säbel meines Vaters). Die Miniarmee kann jetzt in den Krieg ziehen. Zurück bleiben Hoffende. Die Großherzogin, dass sie Fritz nach siegreicher Heimkehr für sich erobern kann, Wanda, dass Fritz sie heiratet und Boum, Puck und Paul, dass Fritz mit Pauken und Trompeten untergehen möge.


    2. Akt
    Bereits vier Tage später wartet man am Hof des Großherzogtums auf die Rückkehr der siegreichen Armee. Die Hofdamen lesen beglückt die Briefe ihrer Liebhaber (Lettre adorée, toute la journée, je te relirai et le baiserai/ Geliebter Brief, den ganzen Tag lese ich und küsse Dich), die Großherzogin wartet auf den Helden Fritz. General Boum, Prinz Paul und Puck warten auch, jedoch wird ein teuflischer Plan ausgeheckt. Sie haben erfahren, dass Fritz nun im Seitenflügel des Palastes eine Wohnung zur Verfügung gestellt werden soll. Hinter einem Ahnenporträt befindet sich ein Geheimgang, durch den einst eine Ahnin der Großherzogin zu ihrem Geliebten gelangte, der im Seitenflügel wohnte. Der Geliebte ist dann einer Verschwörung der Hofgesellschaft zum Opfer gefallen. Dieses Schicksal soll nun auch Fritz erleiden. Der Mitwirkung eines Teils der Hofgesellschaft haben sie sich schon versichert. Im Triumph erscheint Fritz und berichtet über seinen Sieg, der nicht durch Kampf sondern durch List errungen wurde. Man hat ganz einfach eine Armee von einhundertzwanzigtausend Mann mit dreihunderttausend !!!! Flaschen Wein und Likör kampfunfähig gemacht. Keiner kam zu Schaden, der „Feind“ trat völlig betrunken den Rückzug an (En très bon ordre nous pârtimes/Sehr gut geordnet zogen wir los). Der Säbel wurde nicht gebraucht und kann wieder in das Museum. Die Herzogin ist begeistert, der Hofstaat soll sich zurückziehen, sie habe mit Fritz etwas unter vier Augen zu besprechen. Es folgt eine verschlüsselte Liebeserklärung der Herzogin, die von einer ihr sehr nahe stehenden Dame berichtet, die sich unsterblich in Fritz verliebt habe, durch die er eine hohe Stellung im Zivilleben erhalten könne und die auf eine Antwort warte (Dites-lui qu’on l’a remarqué, distingué/Sagen Sie ihm, dass er von einer vornehmen Person bemerkt wurde). Fritz versteht nicht oder will nicht verstehen. Er fühle sich geehrt, doch sein Herz gehöre Wanda, die er so schnell wie möglich heiraten möchte. Die Großherzogin ist tief gekränkt, sie sinnt auf Rache. Da kommt die Nachricht von der geplanten Verschwörung gerade zur rechten Zeit. Sofort wechselt sie das Lager und geht über zu den Verschwörern. Fritz kann Wanda heiraten, das Fest soll im Schloss stattfinden. Die Großherzogin will ihm eine letzte Chance geben, es kann ja sein, dass Fritz es sich noch einmal überlegt. Das Zeichen für die Verschwörer soll die Aufforderung zu einem Tanz sein. Falls der Tanz erklingt, gehöre Fritz ihnen. Das Hochzeitspaar erscheint nun mit den Gästen im Festsaal. Die Großherzogin versucht noch einmal, Fritz zu überzeugen, wie unklug es sei, Wanda zu heiraten. Fritz ist unbeirrbar, die Herzogin unterschreibt den Ehevertrag, der gleichzeitig das Todesurteil für Fritz bedeutet. Sie fordert die Gesellschaft auf, den Carillon ihrer Großmutter zu tanzen (Le Carillon de ma grand-mère/Der Carillon meiner Großmutter).



    3. Akt
    1. Bild
    Durch den Geheimgang schleichen sich Boum, Paul und Puck, verstärkt durch andere Mitglieder der Hofgesellschaft, in den Seitenflügel, wo das Paar die Hochzeitsnacht verbringen soll. Nachdem sie sich versichert haben, dass sie Fritz völlig unbewaffnet vorfinden werden, stimmen sie in einem gewaltigen Chor ein, mit dem sie sich vormachen, Geschichte müsse sich wiederholen. Fritz solle es genau so ergehen wie dem Geliebten der Ahnin der Großherzogin. Die Messer und alle verfügbaren Tatwerkzeuge werden geschliffen (Sortez, sortez de ce couloir/ Geht ab, geht ab durch diesen Gang).


    Die Großherzogin erscheint und will sich davon überzeugen, dass der Plan auch gelingen wird. Jetzt hat Baron Grog seinen großen Auftritt. Er will im Grunde nur noch einmal für Prinz Paul als Werber auftreten und wird unversehens zum Lebensretter für Fritz. Die Herzogin findet, dass der schöne Diplomat wesentlich mehr hergibt als der naive Fritz. Bei einer Heirat mit Prinz Paul würde er ihr vermutlich jederzeit zur Verfügung stehen. Ihre Rachegelüste mildern sich, Fritz soll jetzt nicht mehr sterben, General Boum darf ihm jedoch eine Abreibung verpassen. Boum hat sofort einen Plan. Unter dem Vorwand, der Feind sei wieder in Stellung gegangen, Fritz müsse als Oberbefehlshaber die Truppen auf der Stelle in den Kampf führen, locke er ihn vom Brautbett. Ein großes Gefolge geleitet das Brautpaar nun in den Raum (Nous amenons la jeune femme/Wir bringen die junge Frau). Das Paar hat alle Mühe, die Gesellschaft los zu werden. Die traute Zweisamkeit wird jedoch sogleich wieder gestört, indem die Menge mit großen Getöse erneut erscheint und Fritz zum Aufbruch drängt. Die Pflicht ruft, der Feind rückt an, die Hochzeitsnacht muss warten, (à cheval, à cheval/zu Pferd, zu Pferd) und auf in den Kampf.


    2. Bild
    Wieder im Feldlager wird am nächsten Morgen die Hochzeit der Großherzogin mit Prinz Paul gefeiert. Die Hofgesellschaft hat sich unter die Soldaten und deren Bräute gemischt. Wanda wartet verzweifelt auf ihren Fritz. Die Großherzogin versucht, sich ihren Gemahl schön zu trinken (Il était un de mes aieux/Er war einer meiner Ahnen). Da taumelt Fritz völlig abgerissen und grün und blau geschlagen mit zum Korkenzieher verbogenen Degen herein. Boum hat ihn unter dem Vorwand, der Feind rücke wieder an, in das Haus seiner Geliebten geschickt, wo er von deren Ehemann und anderen gehörnten Ehemännern eine kräftige Abreibung erhielt (Eh bien, Altesse, me voila hôlala/Nun, Durchlaucht, bin ich da Olala). Für die Großherzogin ist diese armselige Person als Anführer ihrer Armee natürlich nicht tragbar. Noch schneller als Fritz befördert und geadelt wurde, werden ihm Adel und Titel wieder aberkannt. Wanda freut sich, dass Fritz seinen Abschied nimmt, um mit ihr privates Glück zu genießen. Die Großherzogin will wieder einmal Titel verleihen, verspricht sie sich doch mit Baron Grog erotische Abenteuer. Fatal für sie, dass dieser ihr eröffnet, er sei glücklich verheiratet und zu Hause warteten Frau und Kinder auf ihn. Glücklich ist General Boum. Er ist wieder Oberbefehlshaber und erhält seinen geliebten Federbusch zurück (Enfin j’ai repris le panache/endlich habe ich meinen Federbusch wieder). Die Großherzogin muss sich wohl oder übel mit Prinz Paul begnügen: „Wenn man das was man liebt nicht erhält, muss man eben lieben was man hat.“


    ENDE


    Wirkung
    Die Uraufführung war zwar ein Erfolg, sie endete aber nicht mit einem solchen Triumph wie kurz zuvor „La Vie Parisienne.“ Erst bei der dritten Aufführung, nachdem man Teile des zweiten und dritten Aktes gestrichen hatte, trat die Großherzogin ihren Siegeszug durch ganz Europa an. Diese gekürzte Fassung war bis in unsere Tage Aufführungspraxis, bis der Dirigent Jean-Christophe Keck die Originalfassung rekonstruierte. Die oben beschriebene Handlung basiert auf dieser Fassung. Das Werk wird häufig als historischer Militärschwank dargestellt. In Wahrheit ist es eine beißende Satire auf die übersteigerte Form des Militarismus und die Günstlingswirtschaft. Man jubelte der Karikatur der Zustände in Europa zu, da man den Ernst der Lage im damaligen Europa nicht wahrnehmen wollte. Hinzu kommt wieder einmal die hinreißende Musik Offenbachs. Bedingt durch die Handlung hören wir hier vorwiegend wie Militärmusik klingende Töne. Aber sie wären nicht von Offenbach, wenn der Takt der Märsche sich nicht unversehens zu Polkas, Ländlern und Walzern entwickelte oder in so irrsinnigen Tempi daher käme, dass keine Armee der Welt zu dieser Musik hätte marschieren können.


    Emotione

  • 12. April 1867:
    Im Pariser Théâtre des Variétés erfolgt die Uraufführung von Jacques Offenbachs opera-bouffe
    Die Großherzogin von Gerolstein
    (La Grande-Duchesse de Gérolstein)
    mit Hortense Schneider in der Titelrolle sowie José Dupuis • Émilie Garait • Henri Couderc • Pierre-Eugène Grenier • Kopp • Baron.
    Das Libretto der Operette stammt von Henri Meilhac und Ludovic Halévy.



    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)