Frida Leider - eine hochdramatische Belcantistin

  • Liebe Taminos,


    heute zu einer weiteren von mir Verehrten: Frida Leider. Die bisher nicht wieder aufgetretene Symbiose aus gewaltiger Durchschlagskraft und gleichzeitiger erstaunlicher Frische der Stimme, dabei mit der Fähigkeit, neben dem Strom der Stimme auch die Phrasierung und die Technik der Mozart- und Verdi-Schule in die Wagner-Interpretation einfließen zu lassen, hebt sie für mich weit über die meisten Kolleginnen heraus.
    Kaum etwas an ihren Aufnahmen, das nicht überzeugen könnte: Isolde und Brünnhilde in einer Klasse für sich (trotz Flagstad, Traubel, Wildbrunn, die gegen sie alle matronenhaft klingen, trotz Nilssons Trompeten), ebenso die Leonore aus Fidelio, eine großartige Donna Anna (deren einziges Zeugnis das "Or sai chi l'onore" ist, aber das hat es in sich!), gute Verdi-Interpretationen (Leonora aus Trovatore). Zum Liedgesang paßten nicht alle Parameter der Stimme, sie kam auch erst recht spät dazu; "Auf dem Wasser zu singen" etwa leidet unter einer gewissen Überattacke.
    Die Rezia-Arie aus Oberon fehlt mir z.B. noch, da wäre ich für Höreindrücke sehr dankbar.
    Außer Lilli Lehmann fällt mir keine Sängerin ein, die ein so breit gefächertes Repertoire beherrschte, und das auch noch auf diesem großartigen Niveau!


    Ich hoffe, auch viele andere erinnern sich gern an Frida Leider.


    LG,


    Christian

  • Lieber Christian,


    es ist schön, daß Du an diese goßartige Sängerin erinnerst.
    Sie gehört auch zu meinen Lieblingssängerinnen, nicht nur der Schellackzeit. Zusammen mit Meta Seinemeyer, Elisabeth Rethberg und Lotte Lehmann gehört sie zu den bedeutensten deutschen Sängerinnen, die alle in den 1880er Jahren geboren sind und auch alle zur selben Zeit gesungen haben. Ich glaube, so etwas hat es seitdem nie mehr gegeben.


    :hello: Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Lieber Christian,


    ich kenne noch nicht viele Aufnahmen mit Frida Leider, aber diejenigen, die ich kenne, schätze ich sehr, obwohl die dramatischen Soprane sonst meist nicht zu meinen bevorzugten Sängerinnen gehören.


    Den Grund dafür finde ich am ehesten in der Beschreibung, die Jürgen Kesting in seinen "Großen Sängern" gibt (S. 257):
    "Wie kaum eine andere Sängerin des dramatischen Fachs macht sie Wirkung allein durch die Intensivierung eines lyrisch fundierten Klangs."


    Und dieses lyrische Fundament, verbunden mit der von Dir schon erwähnten Technik aus der Mozart- und Verdi-Schule ist das, was ich an ihren Aufnahmen so gern höre. Sie singt sehr intensiv, frisch und leuchtend, ohne matronenhafte oder allzu eckig-scharfe Klänge.


    Die Grandeur ihrer Donna Anna oder die Verbindung aus heroischer Geste und Innigkeit, die sie als Fidelio-Leonore zeigt, oder das temperamentvolle Duett aus dem "Trovatore" mit Schlusnus -
    das alles sind Aufnahmen, bei denen ich - wieder einmal - sehr bedauere, dass es von den meisten Sängern dieser Zeit noch keine Gesamtaufnahmen gibt.


    Vielleicht sollte man einen Thread aufmachen über das erahnte "Auf den Leib geschrieben", das leider nicht durch vollständige Aufnahmen belegt werden kann.


    Was die Liedaufnahmen angeht, ist mir auch manchmal zu viel opernhaftes Pathos darin, aber wenn ich ihre Zeitgenossinnen höre, so scheint das ein Grundzug der Liedaufnahmen ihrer Generation zu sein.
    Dennoch: "Die Post" aus der Winterreise gehört zu meinen Lieblingsaufnahmen, und ich kann auch hier nur sagen: Den Zyklus hätte ich gern einmal ganz von ihr gehört.



    :hello: Petra

  • Liebe Petra,


    volle Zustimmung. Ich habe parallel gerade Frida Leiders Memoiren gelesen, in denen sie ohne Aufhebens zugibt, daß andere ihr im Liedgesang überlegen waren - sie führt etwa die großartige Elisabeth Schumann auf. Bei eben dieser findet sich das Pathos nicht so ausgeprägt, eher ein lyrischer Ansatz.


    LG,


    Christian

  • Hallo Freunde,
    ich schätze sie vor allem als Wagner-Interpretin (Brünnhilde, Bayreuth 1934), aber auch Donna Anna und Fidelio sind großartig.
    -auf einer alten Spule habe ich ein hochinteressantes Interview mit ihr, was durch Aufnahmen ergänzt wird. :jubel:


    :hello:Heldenbariton

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

  • Zum Kennenlernen gibt es von Decca in der Reihe "The Singers" folgende CD:



    mit folgenden Titeln:


    1. Nur zu flüchtig bist du entschwunden (deutsch)
    2. Ah, perfido op. 65
    3. Abscheulicher! - Komm Hoffnung - Ich folg' dem innern Triebe
    4. Ozean, du Ungeheuer
    5. Dich, teure Halle, grüß ich wieder
    6. Liebestod
    7. Ich sah das Kind an seiner Mutter Brust
    8. Du bist der Lenz, nach dem ich verlangte
    9. Heil dir, Sonne! Heil dir, Licht
    10. Ewig war ich, ewig bin ich
    11. Das Fürchten ... O kindischer Held!
    12. Zu neuen Taten, teurer Helde


    Zusätzlich ist auf der CD noch ein CD-ROM-Track mit einer Photogalerie, den Texten sowie weiteren Infos zum Nachlesen.

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Die Sternstunden aus Opern von Gluck waren für mich bisher "O malheureuse Iphigénie" mit Régine Crespin und das Lamento des Orfeo aus dem ersten Akt mit Marilyn Horne.


    Seit einigen Tagen ist für mich eine Aufnahme dazu gekommen:
    "Ah! Si la liberté ..." aus der Armide mit Frida Leider, eine Aufnahme aus dem Jahr 1928.
    Hier verbinden sich eigentlich alle ihre Tugenden: Das lyrische Fundament, ein klassisches Pathos ohne Übertreibungen, dramatische Steigerungen, die im nächsten Augenblick wieder zu einem ganz innerlich-verhaltenen Ton herabsinken können.
    Und diese schöne, warme Stimme, zwar groß, aber schlank geführt und nie matronenhaft. Wirklich eine wunderbare Sängerin, von der ich bisher leider viel zu wenig kenne!


    :hello: Petra

  • Die erwähnte Aufnahme der "Post" von Frida Leider ist eine "Fehlzuschreibung"! Es singt Maria Ivogün, die Aufnahme ist nur im Booklet der CD durch einen typographischen Fehler Frida Leider zugeschrieben, die dieses Lied nie eingespielt hat!


    Peter

  • Ich kann mich den Schwärmereien meiner Vorgänger - selbst als bekennender Nilsson-Fan - nur allzu gern anschliessen.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Frida Leider (* 18. April 1888 in Berlin; † 4. Juni 1975 ebenda) war eine hochdramatische Sopranistin und eine der bedeutendsten Opernsängerinnen des 20. Jahrhunderts.



    Heute vor 125 Jahren wurde sie geboren. Zu ihrer Zeit galt sie als gesuchteste Wagnersängerin der Welt.
    Erfreulicher Weise kümmert sich die Frida-Leider-Gesellschaft mit Sitz in Berlin um den künstlerischen Nachlass der Sängerin.

    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Frieda Leider das war Wagner-Gesang in Vollendung. Selbst Kirsten Flagstadt und Birgit Nilsson hatten nicht diese die lyrische Wärme im Vortrag. Eine Sängerin mit ähnlichem Herzenston war dann weit später wieder Caterina Ligendza, die allerdings nicht ganz die Strahlkraft der drei vorgenannten Wagner-Heroinen hatte.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Das Problem ist, dass es nur sehr wenige Aufnahmen gibt, die das Phänomen Frida Leider genau einfangen. Wenn man sich die enthusiastischen Kritiken und Beschreibungen vor Augen führt und dann die Aufnahmen hört, fragt man sich schon, wie denn diese sehr lyrische Hochdramatische die riesigen Häuser in Amerika und England hat ausfüllen können. Zumindest habe ich mich das gefragt bis ich die vor einiger Zeit aufgetauchten gut erhaltenen TRISTAN-Fragmente von 1933 aus der Met hörte. Da wurde mir klar denn je, dass stimmliches Volumen nicht gleich Lautstärke ist. Die Leider hat - obwohl knapp in der Höhe - einen derart konzentrierten Ton, der bis in die letzten Ränge durchdrang und dabei immer noch von höchster Kultur war. Ja, diese Live-Aufnahmen erschließen für mein Dafürhalten erst richtig die Bedeutung dieser Sängerin, die ich ohne Zögern zur absoluten Weltspitze zählen würde. Diese Tristan-Ausschnitte sind von der Frida-Leider-Gesellschaft in Berlin herausgegeben worden, akustisch vorzüglich restauriert von Christian Zwarg, der hervorragende Arbeit geleistet hat. Er ist ein Meister seines Fachs, weil er auch viel von menschlichen Stimmen versteht.


    Viele der offiziellen Titel der Leider klingen schon auch mal trutschig. Ich gebe Operus Recht, dass Kirsten Flagstad und Birgit Nilsson nicht diese lyrische Wärme der Leider hatten. Ihre Stärken - besonders die der Flagstad - ist die Erhabenheit, der Glanz die große Würde des Vortrags. Und wir haben von beiden Frauen unendlich viele Platten und Mitschnitte, die ein viel differenzierteres Bild abgeben. Schon deshalb sind Vergleiche mit der Leider schwierig.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Frida Leider, die am 18. April 1888 geboren wurde, starb am 4. Juni 1975. Zu ihrem heutigen Ehrentage habe ich diese Aufnahme mitgebracht:




    Heute ist ihr 40. Todestag.



    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).