Liebe Taminos,
"Der Bettelstudent" ist nicht nur eine Zugnummer bei diversen Operettenfestivals - die letzte Mörbischer Version mit Marc Clear und Martina Serafin war eine der gelungensten Aufführungen am Neusiedler See - , inzwischen ist diese Operette auch in etlichen Einspielungen erhältlich, sodaß sich wohl bei entsprechender Zusammenarbeit der Operettenforianer eine vergleichende Übersicht zusammenstellen läßt.
Ich versuche einmal, den Anfang zu machen.
Das Maß aller Dinge ist wenigstens für mich auch hier die Eurodisc-Aufnahme aus dem Jahr 1966 mit Robert Stolz, den Berliner Symphonikern und einer glanzvollen Besetzung: Rudolf Schock als Symon, Hilde Güden als Laura, Peter Minich als Jan und Lotte Schädle als Bronislawa. Dazu Fritz Ollendorff - nomen est in der Tat omen - und Hilde Konetzni als Palmatica. Aber vielleicht kann sich jemand anderer dazu äußern, denn von mir anderes als zügellose Lobeshymnen über eine solche Kombination zu erwarten, wäre unrealistisch.
Unter den älteren Versionen weise ich auf die bei Walhall re-edierte Münchner Rundfunkversion von 1966 hin. Werner Schmidt-Boelcke dirigiert routiniert und angemessen, allerdings auch etwas zackig-direkt und die Feinheiten nicht so sehr achtend - das ist jetzt gemessen an der Situation von damals, denn heute würde ich einen Kapellmeister mit solchen Operettenqualitäten infolge des kargen Angebots an anderen Möglichkeiten zweifellos schätzen.
Die Sänger sind größtenteils österreichischer Herkunft und lassen dadurch mehr Walzerseligkeit ahnen, als der Dirigent versprüht. Herta Töpper (Palmatica) und Rosl Schwaiger (Bronislawa) waren allerdings fest im Münchner Opernensemble verankert. "Importiert" wurden Karl Terkal (Symon) und Wilma Lipp (Laura). Alle Genannten sind nach meinem Dafürhalten als Spitzenbesetzungen zu werten, auch wenn nicht nur in punkto Sprechkultur die Stolz-Einspielung unerreicht bleibt.
Die Dialogregie ist hier, trotz betonter und erfreulicher Wortdeutlichkeit, überhaupt das Problem. Nicht nur, daß man einige merkwürdige inhaltliche Änderungen vornahm, deren Ursache teils rätselhaft scheint - aus dem Fürsten Wybicki wurde ein Herzog der Abruzzen(!) - teils allzu willkürlich, hat man diverse Passagen überflüssig übertrieben auf deutschen Klamauk und - man verzeihe - "preußischen" Humor hingetrimmt, sodaß man sich an das oft problematische Filmlustspielniveau der 1950er Jahre erinnert fühlt. Daß einige sonst meist gestrichene Stellen zu hören sind, sei dankbar akklamiert, tröstet aber nicht ausreichend.
Kurt Böhme als Ollendorf ist zwar toll bei Stimme, wird aber zu sehr zum Outrieren verführt oder getrieben, was letztlich auch seine stimmliche Leistung ins Derbe schwenken läßt. Man hört ihm daher sowohl mit Begeisterung, aber häufig auch mit sehr gemischten Gefühlen zu. Otto Storr, ein weiterer Münchner aus Österreich (und bekannt durch kleinere Rollen in den Spessart-Filmen und in "Ich denke oft an Piroschka"), als Enterich überrascht mit einer guten Stimme, den sächsischen Tonfall aber hält er nicht ganz durch; man hört das Süddeutsche immer wieder durch.
Insgesamt also keine 08/15-Fassung und als Zusatzversion sicher anzuraten. Bei Erstanschaffungen würde ich jedoch, abgesehen von Stolz, daher andere Angebote empfehlen wie etwa die Membran- oder die EMI-Edition.
LG
Waldi