DIE ZAUBERFLÖTE
Wiener Staatsoper, 25.12.2007
Man kann über Direktor Holender und sein Team viel sagen, allerdings hat noch niemand jemals gesagt, dass sie nicht geschäftstüchtig sind. Weil nur so kann man es sich erklären, warum diese Vorstellung als Preiskategorie A ausgepreist war. Sie wurde von Touristen praktisch gestürmt, man sah kaum bekannte Gesichter im Publikum. Dementsprechend voll auch der Stehplatz, was zu Beginn der Vorstellung auch für große Unruhe auf der Galerie sorgte. Ein Besucher ließ sich partout nicht dazu bewegen, an seinem angestammten Platz zurückzukehren und während die Drei Damen bei ihrem „Nein, nein, das kann nicht sein“ waren, ertönte plötzlich ein im Libretto nicht vorgesehenes „Nein“ (Stimmlage Bass-Bariton) vom Stehplatz, kurzes Handgemenge, Polizeieinsatz und Abführen des Renitenten.
Davon unbeeindruckt dirigierte Alfred Eschwé das Staatsopernorchester. Er hatte dieses Mal keine wirklich leichte Aufgabe und viel zu tun, Bühne und Orchester zu den gleichen Tempi zu bewegen – der Fluch einer ungeprobten Aufführung. Aus dem Orchestergraben klang ein routinierter Mozartsound, perfekt auf das Zielpublikum ausgerichtet.
Dass meines Erachtens nach die Inszenierung von Marco Arturo Marelli nicht unbedingt ein großer Wurf ist, habe ich schon des Öfteren geschrieben. Die meisten Kostüme sind phantasievoll (und Zuseher kann dankbar sein, dass ihm das „I like Birds“ – T-Shirt des Papageno dieses Mal erspart geblieben war), trotzdem bleibt mir nach wie vor die „Star Wars“-Kostüme mit Strichcode verschlossen, ebenso der weiße Würfel, der das Reich des Sarastro darstellen soll. Und die Schlussszene, die einen fröhlichen Ringelreihen von Giraffe, Tiger, Nilpferd & Co mit den Priestern bringt, ist lächerlich, scheußlich und dem Libretto absolut unangemessen.
Gesanglich waren die Frauen den Männern in allen Belangen überlegen. Allen voran die berührende und wunderbare Genia Kühmeier, die ja schon als Micaela Begeisterung auslöste. Ich denke, dass die Pamina ihre beste Rolle ist – ihr perfekt geführter Sopran füllte die Staatsoper, sie hat eine derartige Wärme, Verzweiflung und Hingabe in ihrer Stimme, dass sie das Publikum mit ihrer mädchenhaften und liebevollen Ausstrahlung zutiefst berührte. Einfach großartig.
Das zweite Highlight war der kurze Auftritt der Laura Tatulescu in der Rolle als Papagena. Sie, die ja schon als Susanna überzeugte, sang ihren Gegenpart glatt an die Wand – dass Papageno bei einem solch lieben Weibchen „das höchste der Gefühle“ bekommt – wer kann’s ihm verdenken?? Diese Szene erhielt den meisten Publikumszuspruch.
Sehr, sehr gut auch die Drei Damen Simina Ivan, Cornelia Salje und die zur Zeit in aller Munde und ganz kurzfrisig für Janina Baechle eingesprungene Elisabeth Kulman, die als Dritte Dame ihr Rollendebüt an der Staatsoper gab. Die drei Stimmen harmonierten untereinander ausgezeichnet, die Sängerinnen bewegten sich auch sehr gut. Besonders gut kam (wieder einmal) Elisabeth Kulman an, die mit einer fundierten Technik ihre beiden Kolleginnen übertrumpfte.
Die „Königin der Nacht“ war – besonders bei ihrer ersten Arie – eher eine Prinzessin der Nacht. Ana Durlovski hat eine für dieses Haus zu kleine, eng geführte Stimme, was besonders bei „Oh zittre nicht, mein lieber Sohn“ dank einiger recht unsauberer Töne doch zu allgemeinem Zittern führte, was wohl im zweiten Akt auf das Publikum zukommen werde. Allerdings gelang Durlovski die zweite Arie bei weitem besser, ohne jemals an große Vorgängerinnen in dieser Rolle heranzukommen.
Charles Castronovo ist der Typ Latin Lover (dieses Mal mit neckischem Bärtchen), hat eine gute Figur und ist von diesem Blickwinkel aus betrachtet eine durchaus passende Besetzung für den Tamino. In der Bildnisarie kam allerdings zum Vorschein, dass die neue Regung, die sein Herz erfüllte, nicht spontan da war, sondern es sich dabei maximal um eine hart erarbeitete Liebe auf den zweiten Blick handeln muss. Es ist wahrscheinlich eine Geschmacksfrage, aber ein Tamino sollte doch etwas Metallisches in der Stimme haben, wie man es sich von diesem, als strahlendem Helden angelegten, Charakter erwarten kann. Castronovo singt technisch sehr gut, doch seine etwas abgedunkelte, baritonal eingefärbte Stimme entspricht nicht hundertprozentig diesen Erwartungen. Das ist aber eine Geschmackssache und sängerisch gab es wenig auszusetzen.
Relativ blass der aktuelle Papageno, Hans Peter Kammerer. Auch er ist nicht mit einer großen Stimme gesegnet und es fehlt ihm (noch) die Ausstrahlung und Leichtigkeit, mit der zum Beispiel Adrian Eröd (gegen dem man ihn vergleichen muss) diese Rolle sein Eigen gemacht hat. Besonders nach der Pause war hörbar (bzw. eben nicht hörbar), dass die Wortdeutlichkeit zu wünschen übrig ließ – oft waren halbe Textzeilen schwer wahrnehmbar.
Solide als Sarastro Walter Fink, ohne dieses Mal restlos zu überzeugen. Das selbe gilt auch für den Monostatos Herwig Pecoraro. Sehr positiv fiel mir In-Sung Sim in der Rolle als Sprecher/Zweiter Priester auf. Die Besetzung komplettierten noch Benedikt Kobel (Erster Priester), Michael Roider (Erster Geharnischter) und Goran Simic (Zweiter Geharnischter).
Die Drei Knaben waren zwar schwindelfrei (wie es die Inszenierung verlangt), doch hatte zumindest einer von ihnen ansonsten keinen sehr guten Tag, was die Harmonie des Gesanges doch sehr beeinträchtigte.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass für diese Produktion in der gleichen Besetzung außerhalb der touristischen Spitzenzeit zu Weihnachten die gleichen Preise verlangt worden wären, aber so lange die Besucher diese Preise zu zahlen bereit sind, warum nicht? Was mich zu einer abschließenden Frage führt – liegt es an den vielen Orchesterproben für Thielemann, dass sämtliche „Meistersinger“- Aufführungen in der Kategorie N ausgepreist sind, während bei der Muti-Cosi dies nur für die erste Aufführung gilt (das gleiche Schema auch für Premieren – alle Folgevorstellungen sind auch in der Kategorie A erhältlich) ?!??