Was hört Ihr gerade jetzt? (Klassik 2008)

  • Frederick Delius: Songs of Sunset for Mezzo-soprano, Baritone,Chorus and Orchestra


    [amx=B000000AT3]300[/amx]


    Der ursprüngliche Titel des Werkes war "Songs of Twilight and Sadness", es handelte sich um Gedanken um das Vergängliche, eine Dichtung von Ernest Dowson, voll Symbolen glühenden, sinnlichen Verlangens verbunden mit Symbolen von Verfall und Tod: They are not long, the days of wine and roses


    Liebe Grüße Peter


  • Lieber Peter, weisst du schon, dass es ein Lied von Edvard Grieg nach dem Walther-Text gibt? Dort aber in hochdeutscher Sprache.
    Ich habe es gestern abend wieder im Radio gehört, es gehört zu den Liedern nach deutschen Texten, ich glaube opus 48(schaue ich noch nach) und wurde von Bernarda Fink in Schwarzenberg letzten Sommer im Recital gesungen. Wunderschön vertont, man hört auch die verschwiegene Nachtigall zwitschern. Tandaradei!
    Tja, mein Grieg Lieder-Thread wartet...... :untertauch:


    Fairy Queen

  • Diese:



    Wolfgang Rihm: Tutuguri. Poème dansé für Sprecher, Chor und großes Orchester (1980-1982)
    Rupert Huber (Sprecher), Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR, SWR Vokalensemble Stuttgart, Leitung: Fabrice Bollon


    EKSTATISCH!!!! :faint: :jubel: :jubel: :jubel:


    Rihms Poème dansé basiert auf Antonin Artauds (1896-1948 ) post-surrealistischem Text Tutuguri - La rite du soleil noir. Der Text entstand im Zusammenhang von Artauds Beschäftigung mit Riten und Kulten, Totemismus und Magie der indigenen Bevölkerung Mexikos. In ihrem Kultus erkannte Artaud eine Kultur, die dem europäischen Logozentrismus entgegenzustehen schien. Im »Tutuguri«, dem »Tanz der schwarzen Sonne« entwarf Artaud das Bild eines vom europäischen Kolonialismus und der Hegemonie Europas geschändeten mesoamerikanischen Kultur.


    Hier nur der Anfang des Textes:


    Zitat

    Zum äußeren Glanz der Sonne geschaffen, ist Tutuguri ein schwarzer Ritus.
    Der Ritus der schwarzen Nacht und des ewigen Todes der Sonne.
    Nein, die Sonne wird nicht mehr wiederkehren,
    und die sechs Kreuze des Kreises, den das Gestirn durchqueren muß, sind in Wirklichkeit nur da, um ihm den Weg zu versperren.
    Denn man weiß kaum, man weiß hier in Europa überhaupt nicht, was für ein schwarzes Zeichen das Kreuz ist [...]


    Antonin Artaud: Tutuguri [zweite Fassung], in : ders.: Mexiko. Die Tarahumaras / Revolutionäre Botschaften / Briefe, hrsg. von Bernd Mattheus, München 1992 (zuerst: Paris 1964/1971/1980), S. 58-62, hier S. 58.


    Rihm bezieht sich allerdings auf die zunächst weitaus opaker wirkende Erstfassung des Textes. Auch daraus einige Zeilen:



    Seinem Tanz-TheaterWerk legt Rihm nicht allein den »Tutuguri«-Text zugrunde, sondern er folgt auch explizit Artauds Konzept eines »Theaters der Grausamkeit«, das dieser dem klassischen Sprechtheater diametral entgegensetzte: Abkehr vom Logozentrismus - Zerschlagung des Textes, der keiner diskursiven Logik mehr folgen sollte; Emanzipation der Körperlichkeit und Bewegung vom Text; Unterdrückung der Stimme; Gleichberechtigung von Geräusch und Stille (Artaud prägte hierfür die Formel der »schreienden Stille«); radikale Akzentuierung des Performativen. Dies alles mündet in einer zunächst archaisch anmutenden rituellen und kultischen Vorstellung von Theater.


    Das hat natürlich gewisse Auswirkungen auf die Musik, die von einer grellen Rauschhaftigkeit ist. Wer bereit ist, seine Ohren aufzusperren, der wird sich der hypnotischen Kraft der Agressionen, Ängste, der unstillbaren Sehnsüchte und des verzweifelten Begehrens kaum entziehen können, die in dieser, häufig von ostinaten Figuren und massivem Schlagwerk bestimmten, ja getriebenen Musik Klang geworden sind.


    :jubel: :jubel: :jubel:


    Berauscht,
    Medard

  • jetzt wird's pathétisch :



    Peter Tschaikowsky, Symphonie Nr 6, Bernstein

    Jazz is not dead, it just smells a little funny.

    Frank Zappa

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  • Peter Jan Marthé: AlpenRauschSymphony



    Ein (Richard-)Strauss von Hörerlebnissen und déjà-entendus, die einem einen Haydnspaß machen (können). Für Leute ohne eine tüchtige Ausstattung an Humor off limits!


    Liebe Grüße Peter

  • ja, das paßt perfekt zum 1. januar:


    william walton: musik zu den shakespeare-filmen ... as you like it, hamlet, henry V, richard III


    alle in den grandiosen chandos-einspielungen unter marriner :jubel: :jubel: :jubel:


    allen ein gutes neues jahr!


    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Gleich zu Beginn des Jahres ein Werk, das mich im letzten Teil des letzten Jahres so richtig gepackt hat:



    Prokofjew: Klavierkonzert Nr. 3 C-Dur (Cliburn/Hendl)



    Gruß, Peter.

  • Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791)
    Die Zauberflöte


    Dermota, Seefried, Kunz, Loose, Weber, Lipp,
    Wien PO, Karajan
    *** Great Recordings of the Century ***
    Label: EMI , ADD/m, 50



    Auch im Alter von numehr 58 Jahren eine frische und spannende Einspielung - und wer bei anderen Aufnahmen Probleme mit gekünstelt gesprochenen Dialogen hat: diese Aufnahme verzichtet auf die Dialoge völlig.


    LG, Elisabeth


  • Joseph Kaiser
    Rene Pape
    Lyubov Petrova
    Silvia Moi
    Benjamin Jay Davis


    nachdem ich mir von dieser phantastischen Königin der Nacht ...äh... Queen of Night habe die Ohren putzen lassen, nun etwas mit spanisse temperrramente:



    Juan Arriaga (1806-1826)
    Streichquartette Nr. 1-3
    Camerata Boccherini



    Jo doch, das Jahr fängt gut an :D:yes:


    :hello:
    V.

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  • Johann Gottlieb Naumann [1741-1801]


    ACI E GALATEA
    osia: I Ciclopi Amanti
    Dramma giocoso per musica
    Diviso in due Atti


    Brigitte Geller, Galatea
    Martin Homrich, Aci
    Klaus Häger, Polifemo
    Christiane Libor, Dorinda
    Ulf Bästlein, Orgonte
    Marcus Ullmann, Lisia
    Wilhelm Schwinghammer, Nettuno
    Kammerchor Stuttgart
    Barockorchester Stuttgart


    FRIEDER BERNIUS



    Das Stuttgarter Barockorchester wird auf meiner Aufmerksamkeitsliste künftig ganz, ganz weit oben stehen! So ein wunderbares Musizieren auf Originalinstrumenten habe ich selten zu Gehör bekommen: Kein Geleyer, Geplärr und Geschepper.


    Der Stuttgarter Kammerchor ist klangschön und transparent, die mir unbekannten Solisten sind alle vortrefflich! Da gibt's wirklich nichts zum Meckern.


    Was für ein Glück, dass Naumann diese Oper kurz vor seinem Tode noch fertigstellen und aufführen konnte! Ich konnte mir Naumann als Komponist für opere buffe so gar nicht vorstellen: Jetzt weiß ich, dass er darin ein Meister war! Er benutzte als Choristen übrigens die Knabenchöre der Lateinschulen seiner Umgebung... ob das heute noch so ist, dass ganze Knabenchöre bei Opern mitwirken? Sicher eher selten.


    Ganz nett, dass Naumann in seinem Nymphenchor "Vieni o di Doride" Mozarts Zerlina mit "Vedrai, carino" beinahe eins zu eins zitiert, Galateas Arie "Dolce ogetto di mie brame" aus dem 2. Akt ist mit dem "Mi tradi" blutsverwandt: überhaupt scheint Naumann den Don Giovanni recht gut gekannt zu haben. :rolleyes: Ein Meister ist er - wie Paisiello - in den großartigen Finali und im Buffostil! Einen krasseren Gegensatz zu seiner Dramatik kann ich mir kaum vorstellen.


    Und das alles in bedenklicher Nähe zu Beethovens Fidelio...


    Sehr empfehlenswert!


    :jubel: :jubel: :jubel:


    Ulli

    „Wir sind nie einer Meinung!“ - „Das seh' ich anders ...“

  • Nach dem Besuch des Grabes von Heinrich Schlusnus am Fuße der Marksburg bei Braubach am Rhein während einer Neujahrswanderung nun gerade von eine Schellack-Platte: Straussens "Zueignung", die auch auf dieser CD zu finden ist:



    Eine bemerkenswerte Stimme, markant-kernig, dabei schön timbriert, was sich auch auf der alten Platte gut nachvollziehen lässt. Merkwürdigerweise ist es gerade dieses Lied, was mir bei Schlusnus ad hoc einfällt - wenngleich es bei ihm so viel zu rühmen gibt - gewiss auch des Vergleiches wegen, den ich mit der Orchesterfassung dieses Liedes - hier Schwarzkopf/Szell - ziehen kann, und bei dem die gute Elisabeth Schwarzkopf deutlich verliert (vor allem durch das maternelle Gepluster in der Schlußphrase "Habe Dank").


    Der Text von Hermann von Gilm ist nicht lang. Hier ist er:


    Ja, du weißt es, teure Seele,
    Daß ich fern von dir mich quäle,
    Liebe macht die Herzen krank,
    Habe Dank!


    Einst hielt ich, der Freiheit Zecher,
    Hoch den amethysten Becher,
    Und du segnetest den Trank,
    Habe Dank!


    Und beschworst darin die Bösen,
    Bis ich, was ich nie gewesen,
    Heilig, heilig ans Herz dir sank,
    Habe Dank!


    Auch von mir Euch allen ein gutes Jahr 2008, in dem Euch Gesundheit, Zufriedenheit und natürlich unsere kostbare Musik begleiten mögen.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

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  • Guten Abend


    eben aufgelegt:




    Antonio Caldara


    Missa Dolorosa
    Crucifixus a 16 voci


    G. F. Händel


    Dixit Dominus HWV 232


    Grandiose Einspielung mit dem Balthasar-Neumann-Chor & Ensemble Leitung: Thomas Hengelbrock :jubel: :jubel:


    Die Solostimmen treten aus dem Chor natürlich heraus, das "B-N-E" begleitet flexibel. Besonders beeindruckend der musikalische Reichtum der selten zu hörenden Missa dolorosa und des 16-stimmigen Crucifixus von Caldera.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Zum Abschluss dieses Tages noch der (zu Unrecht) unbekannte Mozart


    Franz Xaver Mozart (1791-1844)
    Grande Sonate op. 19 f. Klavier & Cello


    Wolfgang Boettcher, Ursula Trede-Boettcher
    Label: RBM , ADD, 80




    Franz Xaver Mozart (1791-1844)
    Klavierkonzerte Nr. 1 & 2 (opp. 14 & 25)


    Henri Sigfridsson, International New SO, Gunhard Mattes
    Label: Novalis , DDD, 2003




    Wunderschöne Musik! :jubel:


    LG, Elisabeth

  • ich liebe es heute shakespearianisch


    johan julius christian sibelius, gen. jean sibelius :D


    der sturm.komplette schauspielmusik zu shakespeares drama.


    vänskä dirigiert solisten, chor und das lahti so (bei bis erschienen)

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Erstes Durchhoeren von Haydn op. 20. Nummer 4 finde ich auf Anhieb toll!


    Joseph Haydn
    Streichquartett Nr. 34 D-dur Hob. III:34 (op. 20/4)
    Streichquartett Nr. 33 g-moll Hob. III:33 (op. 20/3)



    Viele Gruesse,


    Flo

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  • Gabriel Pierné (1863 - 1937)


    Les Cathédrales (1915)


    Orchestre Philharmonique des Pays de Loir
    Pierre Dervaux


    EMI



    Davidoff

    Verachtet mir die Meister nicht

  • Ludwig van Beethoven: Der Kuß op. 128



    Hier singt Fritz Wunderlich, begleitet von Hubert Giesen.


    Das Lied ist durchkomponiert, die melodischen Ideen werden vom Text ausgehend kontinuierlich entwickelt. Dabei gibt es zwar thematische Beziehungen zwischen dem Anfang und dem Ende, aber keine Wiederholungen, die Einheit der Form wird durch die harmonische Entwicklung hergestellt: gegen Mitte des Stückes moduliert Beethoven zur Dominate E und kehrt bei den Schlusszeilen zur Tonika A zurück.


    Beethoven verwendet das Mittel der Wortwiederholung, um die Komposition zu strukturieren: die ersten beiden Zeilen werden zu einer Achttaktphrase durch die mehrfache Wiederholung von "küssen" und des Satzes "küssen wollt ich sie". Die nächsten beiden Zeilen werden zu zwei sechstaktigen Phrasen, in denen "sie würde schreien" viermal wiederholt wird und damit Chloes Widerstand verdeutlicht. "Es sei vergebne Müh" wird in einer resignierenden Phrase komponiert, auch hier erscheinen die Worte viermal.



    Ich war bei Chloen ganz allein,
    Und küssen wollt ich sie:
    Jedoch sie sprach,
    Sie würde schrein,
    Es sei vergebne Müh.


    Ich wagt es doch und küßte sie,
    Trotz ihrer Gegenwehr.
    Und schrie sie nicht?
    Jawohl, sie schrie,
    Doch lange hinterher.


    Liebe Grüße Peter


  • Lieber Peter,


    kann man am 2.1. 2008 einen solchen Text noch unbefangen hören oder gehört er in eine Zeit, in der Frauen selbstverständlich rechtlose Wesen waren und Männer definieren konnten, was Frauen wollen... sie will doch eigentlich.
    In wievielen Prozessen wird dieses Argument vorgetragen.
    Eine Position , die sicher nicht dem heutigen Verständnis von der Gleichberechtigung der Geschlechter entspricht.


    Schöne Grüsse und ein erfülltes 2008


    Von Frühaufsteher zu Frühaufsteher


    Sagitt

  • Zitat

    Original von sagitt
    Lieber Peter,


    kann man am 2.1. 2008 einen solchen Text noch unbefangen hören oder gehört er in eine Zeit, in der Frauen selbstverständlich rechtlose Wesen waren und Männer definieren konnten, was Frauen wollen... sie will doch eigentlich.
    In wievielen Prozessen wird dieses Argument vorgetragen.
    Eine Position , die sicher nicht dem heutigen Verständnis von der Gleichberechtigung der Geschlechter entspricht.


    Lieber Sagitt,


    wenn man anfängt psychologische und soziale innermenschlichen, ins Intime reichende Prozesse rechtlich abzubilden, muss man notwendigerweise vergröbern. Das geschieht heute oft genug - und wer Texte auf diese Art und Weise abklopft, bekommt die Ergebnisse, die er schon vorher wusste.


    Wenn wir den Text aber in der auch heute durchaus vorhandenen Struktur sehen, dass frau bereit ist, etwas zu gewähren, sich aber darum bitten lässt, ist mann in der Situation, entweder den Willen der Frau richtig erraten zu haben - oder sich eines (mehr oder weniger gewalttätigen) Übergriffes schuldig gemacht zu haben. Mit dieser Situation spielen auch heute viele - und die Situation bezieht ihre Spannung daraus. Voraussetzung ist allerdings, es geschieht in einem gemeinsamen Einverständnis - und dies setzt voraus, dass es ein sensibles Einstimmen vorher gegeben hat. Dass dieses Einverständnis gegeben, halb wieder zurückgezogen, wieder halb gegeben, dann zu gestanden und wieder entzogen wird - also immer erneute Aufmerksamkeit, Zuwendung, Distanz und Nähe bedarf, ist ein Spiel, dass man in den Zeiten der Anakreontik - soweit man es literarisch verfolgen kann - wohl besser beherrscht hat als in unseren dem erotischen Spiel gleich Materielleres abverlangenden Zeiten.


    Liebesbeziehungen sind Grenzüberschreitungen, eine solche schildert das Gedicht mit Delikatesse - und jede Grenzüberschreitung ist riskant. Hier tritt der männliche Part als der Aktive, der weibliche als der Passive, als die Duldende auf. Dieses Dulden wird von Beethoven auskomponiert - es ist stilles Einverständnis. Es ist die Rede von dem akustischen "zu Hilfe!"-Rufen. Auf der anderen Seite liest man von "Gegenwehr" - ob dies eine gespielte, eine wirkliche war, Angst vor der Situation bei gleichzeitigem sich Einlassen auf die Situation war, ist natürlich der zu überlegende Knackpunkt. Doch der Hilferuf wäre vor dem Kuss - nach dem Kuss möglich gewesen: Beides geschah nicht und stattdessen vergeht eine lange Weile, die den beiden Liebenden nicht langweilig erschienen sein muss.


    Die zu interpretierende und erst einmal irritierende Wendung ist die Schlusspointe. Dass sie schrie. Dass sie es tat, bedeutet sicher nicht, dass sie mit dem Vorherigen nicht einverstanden war. Warum sie schrie, ist die Frage, deren Antwort ich gerne zunächst einmal Deiner Fantasie überlasse. Ich habe da einige Antworten gefunden ...


    Um es am Ende deutlich zu sagen: das ist kein Werk eines Vergewaltigers oder ein Werk für Vergewaltiger - weder das Gedicht noch die Vertonung. Dafür wird zuviel Zärtlichkeit, gegenseitiges Einschwingen, zuviel Gemeinsamkeit in den wenigen Zeilen aufgebaut. Aber die Grenzen sind fließend, heute wie in der Anakreontik - das ist Reiz und Risiko der Situation: Wenn man sensibel ist, kann man sich nicht näher kommen, ohne sich zu verletzen oder seine Verletzung in Kauf zu nehmen. Die zärtliche Annäherung überschreitet notwendig die Konvention.


    Um dir noch einen Anhaltspunkt für die Interpretation des Gedichtes zu geben: Was sagt Chloe denn hier? "Sie würde schrein, es sei vergebne Müh" Sie sagt nicht etwas wie "Lass das, ich hass das", sondern: Wenn du mich küsst, werde ich dich trotzdem nicht lieben. Das Schreien am Ende hat weniger mit dem Kuss als mit den Konsequenzen des Kusses zu tun.


    Liebe Grüße Peter

  • Lieber Sagit, ich bin froh, dass ein Mann das Thema anspricht!!!
    Als ich das Lied erstmals hörte, fand ich es sehr hübsch anzuhören und da es sich um eine wirklich gute Komposition handelt, dachte ich auch gleich an Vergleiche zu Mozart "Der Zauberer" usw; Wenn man aber in die Tiefe geht und sich nur den Text ansieht....... :faint:
    Man ist dann ganz schnell bei solchen Dingen: Frau sagt "Nein" und meint "Ja" bis zum allerschlimmsten Fall: Vergewaltigung exisitiert nur in den seltensten Fällen, denn Frau will im Grunde ja nichts Anderes.
    Dass sexuelle Nötigung bis zur Vergewaltigung in der Ehe bzw in festen Beziehungen auch eine Straftat sein kann, muss frau bis heute erst mühevoll und peinvoll rechtfertigen und das wurde lange überhaupt nicht anerkannt.


    Das sind in extremis weitergedachte Konsequenzen dieser Haltung, die ich im vorliegenden Lied zwar so wirklich nicht finde, sondern ins "Neckische" und "Verliebte" übersetzt sehe, aber man sollte das nicht ganz vergessen.
    Danke, dass du drauf aufmerksam gemacht hast. Hätte ich das getan...... Feministinnenalarm! :D


    Wichtig ist aber natürlich, das Lied in seiner Zeit zu sehen, in der Frauen angehalten/erzogen wurden, sich bloss nciht zu freigiebig zu zeigen sondern um des guten Rufes willen "Nein" ausser eben in der Ehe immer angemessen war. Selbst wenn frau vom Scheitel bis zur Zehenspitze verliebt war und wirklcih ncihts anderes wollte, als endlich geküsst zu werden(von Selberküsseninitiative leider keine Rede....).
    Ich gehe mal zu Beethovens Gunsten davon aus, dass hier eine solche Situation vorliegt. Beim Zauberer von Mozart scheint mir Ähnliches vorzuliegen, und dort wird erst Recht suggiert, dass "die Vergewaltigung" LEIDER nur durch das Eingreifen der Mutter verhindert wurde.
    Noch eine Frühaufstehern mit herzlcihen Grüssen


    Fairy Queen



    Lieber Peter, wir haben uns leider überschnitten... ich sehe deine Antwort erst jetzt.

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  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Wenn man aber in die Tiefe geht und sich nur den Text ansieht....... :faint:


    Liebe Fairy Queen,


    ich bin auf der einen Seite von der Vertonung von Beethoven beeinflusst, da hört man keine Gewalttätigkeit, aber auf der anderen Seite von der ausgiebigen Lektüre der Literatur des Rokoko. Nun kann man bei Weisse und bei Beethoven noch sagen, dass dies Männer sind, die aus der Männerperspektive schreiben. Aber nichts anderes liest man bei der Darstellung einer zärtlichen Annäherung bei weiblichen Autoren. Arkadien wird bewohnt von zur Liebe bereiten Schäfern und Schäferinnen, die allerdings auch eine breite Palette des Verhaltens von Liebenden darbieten. Da müsste man nun noch ein wenig tiefer in die Topoi dieses Gedichtes gehen, was ich gerne auf Wunsch mache ...


    Zitat

    Das sind in extremis weitergedachte Konsequenzen dieser Haltung, die ich im vorliegenden Lied zwar so wirklich nicht finde, sondern ins "Neckische" und "Verliebte" übersetzt sehe, aber man sollte das nicht ganz vergessen.


    Verhältnisse zwischen Menschen sind immer auch Verhältnisse, die von einer gegenseitigen Einwirkung aufeinander charakterisiert sind. Wie man diese interpretiert, wird man in der Regel (im Rahmen geltender Gesetze) erst einmal den Betroffenen überlassen. Wir haben nur insofern heute andere Verhältnisse, dass Frauen selbst gesellschaftlich akzeptiert aktiver werden können, so dass sich da die Gewichte verschoben haben zu einer Zeit, bei der es bei Gleichgestellten verwerflich interpretiert worden wäre, wenn so die Aktivität von Chloe ausgegangen wäre.


    Liebe Grüße Peter

  • Ravel
    BOLERO
    Celibidache

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Peter,


    wie immer von Dir eine Antwort, die in jedem Falle bereichert, und die nötigt, die eigene Position zu präzisieren.


    Beethoven war ein Kind seiner Zeit und darin sicher, dass mann so handeln dürfe, wie er es getan hat. Das es lieto fine gibt, gehört zu diesem Gedicht, aber drückt dieses Ende wirklich Respekt vor der Frau aus ?


    Wenn ich es hart formuliere, schreibe ich: Nein, es ist die Kontinuität des Frauenbildes. Erst ziert se sich, dann greint se.


    Dass das Spiel in Arkadien eine Grenzüberrschreitung sei, möchte ich am 2.1. 2008 definitiv nicht bejahen.
    Die Grenzüberschreitung besteht darin, eine Handlung zu vollführen, die eben gerade abgelehnt wurde. " Sie meint doch , JA"- aha, und woher weisst Du das ? Ein Bedürfnis äussern und nicht die Erfüllung zu exekutieren, scheint mir heute eher wahre Grösse. Mit dem Bedürfnis nach Nähe und Zärtlichkeit zugleich den Respekt vor der Entscheidung einer anderen Person zu verbinden, also den Respekt, dass diese Person vielleicht ihren Bedürfnissen nicht nachkommt und Nein gesagt,aber Ja gedacht hat.


    Eine solche Haltung entsprach nicht dem Zeitgeist von Beethoven. Und sein Verhalten gegenüber der Mutter von Karl entspricht ja auch allem anderen als Respekt.


    Ich werfe weder dem Dichter noch dem Komponisten irgendetwas vor.
    Sondern schreibe nur meine Gedanken am 2.1. 2008.


    Danke für den Austausch


    Sagitt

  • Guten Morgen


    höre jetzt



    musica baltica


    mit Werken von Leutkemann, Albrici, Vierdanck, Balltzar, Hasse, Kirchoff, Becker, Fischer, Meder und Anoymus.
    Auf dieser CD sind einige Meisterwerke zu entdecken :jubel: :jubel:


    Gespielt von der musica antiqua Köln

  • Eine meiner Lieblingsaufnahmen:


    Anne Sofie von Otter singt Händel:



    Eine in jeder Hinsicht sorgfältig und liebevoll gestaltete Aufnahme! Wenn die Beihefte doch bei der DG immer noch so wären!


    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

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